
©
Getty Images/iStockphoto
Keine Verbesserung des Überlebens bei kleinzelligen Lungenkarzinomen durch Erhaltungs-Immuntherapie
Jatros
30
Min. Lesezeit
30.05.2019
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Bei der diesjährigen European Lung Cancer Conference (ELCC) wurden in der Best Abstracts Session erstmals die Daten zur Erhaltungstherapie mit einem Checkpoint- Inhibitor bei Patienten mit ausgedehnten kleinzelligen Lungenkarzinomen präsentiert. Daneben gab es unter anderem die finalen Resultate der Studie KEYNOTE-042 sowie die Daten zweier Untersuchungen zu sehen, die sich der Wirksamkeit und Sicherheit einer Immuntherapie bei älteren Patienten widmeten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Gleich zu Beginn der Best Abstracts Session präsentierte Prof. Taofeek Owonikoko (Atlanta/USA) die Resultate der Studie CheckMate 451.<sup>1</sup> Sie schloss 834 Patienten mit ausgedehnten kleinzelligen Lungenkarzinomen (ED-SCLC) ein. Diese Patienten sprechen in der Regel gut auf eine Erstlinien-Chemotherapie an, jedoch ist ihr Ansprechen für gewöhnlich nur von kurzer Dauer. In der doppelblinden Studie der Phase III wurde nun an Patienten mit anhaltendem Ansprechen (komplettes, partielles Ansprechen oder stabile Erkrankung) nach vier Zyklen einer platinbasierten Erstlinienchemotherapie untersucht, ob durch eine Erhaltungs- Immuntherapie das Gesamtüberleben verbessert werden kann.<br /> Dazu wurden die Patienten 1:1:1 zu einer Behandlung mit Nivolumab plus Ipilimumab (Nivo 1mg/kg Q3W plus Ipi 3mg/ kg Q3W für max. 4 Zyklen gefolgt von 240mg Nivo Q2W), zu Nivolumab allein (240mg Q2W) oder zu Placebo randomisiert. Die Therapie wurde für zwei Jahre bzw. bis zum Progress, Tod oder inakzeptabler Toxizität weitergeführt. Der primäre Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben (OS) unter</p> <h2>Primärer Endpunkt nicht erreicht</h2> <p>Nach einem minimalen Follow-up von 9 Monaten betrug das mediane OS unter Nivo plus Ipi 9,2 Monate und unter Placebo 9,6 Monate (HR: 0,92; 95 % CI: 0,8–1,1; p=0,37) (Abb. 1). „Damit konnte für die Erhaltungstherapie mit Nivolumab plus Ipilimumab versus Placebo keine statistisch signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens gezeigt werden“, erklärte Prof. Owonikoko. „Wichtig ist dabei allerdings anzumerken, dass im experimentellen Arm 31 Prozent nachfolgend eine Chemotherapie erhalten haben, während dieser Anteil im Placeboarm bei 45 Prozent lag“, betonte er. Auch der Vergleich zwischen der Nivolumab- Monotherapie und Placebo ergab kein verbessertes OS im Erhaltungstherapiearm. „Es gab jedoch Anzeichen dafür, dass es bei Patienten unter Immuntherapie – sei es als Monotherapie oder in Kombination – länger bis zu einem Tumorprogress dauerte“, ergänzte der Redner.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_a3-abb1.jpg" alt="" width="647" height="461" /></p> <h2>Potenzieller Nutzen für Subgruppe</h2> <p>Eine Analyse verschiedener Patientensubgruppen lieferte zudem Hinweise darauf, dass Patienten mit einem kürzeren Abstand zwischen dem letzten Zyklus der Erstlinienchemotherapie und dem ersten Zyklus einer Erhaltungstherapie mit Nivolumab (≤5 Wochen vs. >5 Wochen) von einer Verbesserung des OS profitieren könnten.<br /> Die Sicherheitsprofile der Immuntherapien erwiesen sich als konsistent mit den bisherigen Erfahrungen. Die Nivolumab- Monotherapie zeigte dabei ein besseres Verträglichkeitsprofil als die Nivolumab- Ipilimumab-Kombination.<br /> Prof. Luis Paz-Ares (Madrid/E), der die vorgestellten Daten kommentierte, meinte: „Es handelt sich hier um eine gut designte und gut durchgeführte Studie. Aufgrund der uns bisher vorliegenden Daten zur Erhaltungstherapie bei diesen Patienten bin ich aber der Meinung, dass das negative Resultat wahrscheinlich vorhersehbar gewesen ist.“ Ob es eine spezifische Patientensubgruppe gebe, die von einer Erhaltungs-Immuntherapie profitieren könnte, sei noch nicht abschließend geklärt. „Interessant wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise zu untersuchen, ob sich allenfalls die Mutationslast oder der PD-L1-Status als prädiktiver Marker für einen besseren Verlauf eignen würde“, schloss er.</p> <h2>Finale Analyse von KEYNOTE-042</h2> <p>Die randomisierte, offene, kontrollierte Phase-III-Studie KEYNOTE-042 untersuchte bei bisher unbehandelten Patienten mit einem PD-L1-exprimierenden lokal fortgeschrittenen oder metastasierten nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) den Einsatz von Pembrolizumab (200mg Q3W, für maximal 35 Zyklen) im Vergleich zu einer platinbasierten Standardchemotherapie.<sup>2</sup> Der primäre Endpunkt der Studie, an der auch Schweizer Zentren teilnahmen, war das OS bei den Patienten mit einem TPS (Tumor Proportion Score) von ≥50 % , ≥20 % und ≥1 % . Die primäre Analyse mit einem medianen Follow-up von 12,8 Monaten ergab für alle drei TPS-Gruppen ein signifikant besseres OS unter Pembrolizumab im Vergleich zur Chemotherapie (≥50 % HR: 0,69; p=0,0003; ≥20 % HR: 0,77; p=00020; ≥1 % HR: 0,81; p=0,0018).<sup>2</sup><br /> Prof. Toni Mok (Hongkong/CN) präsentierte nun die finalen Resultate dieser Studie, mit einem um 6 Monate längeren Follow-up als die primäre Analyse.<sup>3</sup> Dabei zeigte sich für die Patienten mit einem TPS ≥50 % eine HR von 0,70 (medianes OS: 20,0 Monate unter Pembrolizumab vs. 12,2 Monate unter Chemotherapie), für die Patienten mit einem TPS ≥20 % eine HR von 0,77 (medianes OS: 18,0 vs. 13,0 Monate) und für die Patienten mit einem TPS ≥1 % eine HR von 0,82 (medianes OS: 16,4 vs. 12,1 Monate). Die explorative Analyse des OS bei den Patienten mit einem TPS zwischen 1 % und 49 % ergab eine HR von 0,91 mit einem medianen OS von 13,4 Monaten unter Pembrolizumab vs. 12,1 Monate unter Chemotherapie. „Dieser Unterschied ist statistisch nicht signifikant. Damit ist wahrscheinlich die Population der Patienten mit einem TPS von 50 Prozent oder mehr für den größten Teil des gezeigten OS-Benefits verantwortlich“, erläuterte Prof. Mok. Hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) konnte bei keiner der drei TPS-Populationen ein Vorteil für Pembrolizumab vs. Chemotherapie gezeigt werden.<br /> „Interessant sind auch die Resultate der Analyse zur Ansprechdauer“, führte der Redner weiter aus. „Unabhängig vom TPS zeigte sich hier ein signifikant längeres Ansprechen unter Pembrolizumab. Die Ansprechdauer lag zwischen 20,2 und 22 Monaten unter dem Checkpoint-Inhibitor im Vergleich zu 8,4 bis 10,8 Monate unter Chemotherapie. Die Analyse der Patienten mit einem TPS zwischen 1 und 49 Prozent ergab eine Ansprechdauer von 17,4 Monaten versus 8,1 Monate. Oder anders formuliert: Die PD-L1-Expression scheint keinen so großen Einfluss auf die Ansprechdauer zu haben“, meinte Prof. Mok.<br /> Behandlungsbedingte Nebenwirkungen traten bei 64 % der Patienten unter Pembrolizumab und 90 % der Patienten unter Chemotherapie auf. Zu Nebenwirkungen vom Grad 3–5 kam es bei 18 % der Patienten unter Pembrolizumab im Vergleich zu 41 % unter Chemotherapie. Immunvermittelte Reaktionen und Infusionsreaktionen waren im Immuntherapie-Arm häufiger (27 % vs. 7 % ). Zu Ereignissen vom Grad 3–5 kam es bei 8 % bzw. 2 % der Patienten. „Die finalen Resultate der KEYNOTE- 042-Studie unterstützen den Einsatz von Pembrolizumab als Erstlinientherapie bei Patienten mit einem PD-L1-exprimierenden fortgeschrittenen oder metastasierten nicht kleinzelligen Lungenkarzinom“, schloss Prof. Mok seine Präsentation.</p> <h2>Zwei Arbeiten zur Immuntherapie bei älteren Patienten</h2> <p>Zur Wirksamkeit und Sicherheit einer Immuntherapie bei älteren Patienten liegen nur wenige Daten vor. Bei der ELCC widmeten sich zwei Arbeiten diesem Thema. Nosaki et al. untersuchten die Sicherheit und Wirksamkeit einer Pembrolizumab- Monotherapie im Vergleich zu einer Chemotherapie (Docetaxel bzw. platinbasierte Chemotherapie) bei älteren Patienten mit einem PD-L1-positiven fortgeschrittenen NSCLC anhand einer gepoolten Analyse der Studien KEYNOTE- 010, -024 und -042 (010: vorbehandelte Patienten, 024 und 042: therapienaive Patienten).<sup>4</sup> Die Auswertung umfasste die Daten von 264 älteren Patienten (≥75 Jahre) sowie von 2348 jüngeren Patienten. Die Hälfte der älteren Patienten wies einen TPS von ≥50 % auf.<br /> Die Analyse zeigte schließlich, dass die Immuntherapie im Vergleich zur Chemotherapie bei den älteren Patienten mit einem TPS von ≥1 % zu einem verbesserten OS führte (HR: 0,76; 95 % CI: 0,56–1,02). Das 1-Jahres-OS betrug 54 % unter Pembrolizumab und 48 % unter Chemotherapie (jüngere Patienten HR: 0,76; 1-Jahres- OS 55 % vs. 46 % ). Bei den älteren Patienten mit einem TPS ≥50 % ließ sich mit einem 1-Jahres-OS von 62 % im Vergleich zu 30 % ein noch deutlicherer Vorteil für die Immuntherapie zeigen (HR: 0,40). Für die jüngeren Patienten mit TPS ≥50 % ergab sich ein 1-Jahres-OS von 62 % vs. 49 % (HR: 0,67). Wurden nur die älteren, therapienaiven Patienten aus KEYNOTE- 024 und -042 mit einem TPS ≥50 % analysiert, ergab sich ein 1-Jahres-OS von 61 % für die Immuntherapie vs. 29 % für die Chemotherapie (HR: 0,41) (jüngere Patienten: 66 % vs. 52 % , HR: 0,71).<br /> Der Anteil an älteren Patienten mit behandlungsbedingten Nebenwirkungen war unter Pembrolizumab geringer als unter Chemotherapie (68 % vs. 94 % ). Ereignisse der Grade 3–5 traten unter Pembrolizumab ebenfalls seltener auf als unter Chemotherapie (24 % vs. 61 % ). Zu immunvermittelten Nebenwirkungen und Infusionsreaktionen kam es dagegen bei den älteren Patienten unter Pembrolizumab häufiger als unter einer Chemotherapie (25 % vs. 7 % ). Im Vergleich zu den jüngeren Patienten, die mit Pembrolizumab behandelt wurden, ergab sich jedoch kein Unterschied (ebenfalls 25 % ).<br /> Dr. Kaname Nosaki (Fukuoka/J), der die Resultate der Analyse in Genf präsentierte, meinte schließlich: „Unsere Daten unterstützen den Einsatz von Pembrolizumab bei älteren Patienten mit einem fortgeschrittenen PD-L1-exprimierenden NSCLC.“ Einschränkend wies er darauf hin, dass die in der gepoolten Analyse untersuchte ältere Population die Einschlusskriterien der jeweiligen Studien erfüllt hat und dadurch eine relativ fitte ältere Population selektioniert worden sei.<br /> Bei der zweiten Arbeit zur Immuntherapie bei älteren Patienten handelte es sich um eine retrospektive Analyse von Patienten, die unter Alltagsbedingungen zwischen 2014 und 2018 in Madrid behandelt wurden.<sup>5</sup> Insgesamt 27 der eingeschlossenen 98 Patienten waren 70 Jahre oder älter. Lediglich von 50 % aller Patienten war der PD-L1-Status bekannt. Die Immuntherapie wurde bei 61 % der gesamten Studienpopulation als Zweitlinientherapie eingesetzt, 24,5 % erhielten sie als Drittlinientherapie oder in späterer Linie. Bei 52 % der Patienten kam Nivolumab zum Einsatz.<br /> Die Analyse ergab schließlich für ältere Patienten ein signifikant kürzeres OS als für jüngere (medianes OS von 5,5 vs. 13 Monate, HR: 3,86; p<0,0001). Auch das PFS war für die älteren Patienten signifikant kürzer (1,8 Monate vs. 3,6 Monate, HR: 2,1; p=0,012). Hinsichtlich immunvermittelter Nebenwirkungen konnte zwischen den älteren und jüngeren Patienten kein Unterschied festgestellt werden (p=0,535). Dr. Marina Garassino (Mailand/I), die die Arbeit kommentierte, erklärte: „Diese Resultate könnten als ein Alarmzeichen dafür interpretiert werden, dass eine Immuntherapie bei älteren Patienten weniger wirksam ist. Jedoch muss man einschränkend anfügen, dass es sich um eine retrospektive Analyse von unter Praxisbedingungen gesammelten Daten einer kleinen Population handelt und dass der PD-L1-Status lediglich bei der Hälfte der Patienten bekannt war.“ Sie rief daher dazu auf, größere prospektive Studien sowie größere Studien unter Alltagsbedingungen durchzuführen, um ein besseres Bild zur Wirksamkeit und Sicherheit einer Immuntherapie bei älteren Patienten zu bekommen.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: European Lung Cancer Congress (ELCC), 10.–13. April
2019, Genf
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Owonikoko TK et al.: Nivolumab (nivo) plus ipilimumab (ipi), nivo, or placebo (pbo) as maintenance therapy in patients (pts) with extensive disease small cell lung cancer (ED-SCLC) after first-line (1L) platinum-based chemotherapy (chemo): results from the double-blind, randomized phase III CheckMate 451 study. Ann Oncol 2019; 30(Suppl 2): LBA1_PR <strong>2</strong> Mok TSK et al.: Pembrolizumab versus chemotherapy for previously untreated, PD-L1-expressing, locally advanced or metastatic non-small-cell lung cancer (KEYNOTE-042): a randomised, open-label, controlled, phase 3 trial. Lancet 2019 Apr 4. pii: S0140- 6736(18)32409-7. [Epub ahead of print] <strong>3</strong> Mok TSK et al.: Final analysis of the phase III KEYNOTE-042 study: pembrolizumab (Pembro) versus platinum-based chemotherapy (Chemo) as first-line therapy for patients (Pts) with PD-L1-positive locally advanced/metastatic NSCLC. Ann Oncol 2019; 30(Suppl 2): 102O <strong>4</strong> Nosaki K et al.: Safety and efficacy of pembrolizumab (Pembro) monotherapy in elderly patients (Pts) with PD-L1-positive advanced NSCLC: pooled analysis from KEYNOTE-010, -024, and -042. Ann Oncol 2019; 30(Suppl 2): 103O <strong>5</strong> Corral de la Fuente E et al.: Benefit of immunotherapy (IT) in advanced non-small cell lung cancer (NSCLC) in elderly patients (EP). Ann Oncol 2019; 30(Suppl 2): 169P_PR</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...