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Hereditäre Krebsprädisposition im Kindesalter

<p class="article-intro">Keimbahnmutationen, die zur Entwicklung von Tumorerkrankungen prädisponieren, werden bei ca. 8 % aller betroffenen Kinder gefunden. Der Nachweis eines spezifischen Gendefekts ist dabei Voraussetzung, um Therapien entsprechend zu adaptieren und Familien adäquat zu beraten. Trotz des Aufwandes, der mit Diagnostik und Beratung verbunden ist, und der damit oft einhergehenden ethisch-rechtlichen Probleme ist die Keimbahndiagnostik bereits fester Bestandteil der Versorgung von Kindern mit Krebserkrankungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Abkl&auml;rung einer genetischen Pr&auml;disposition</h2> <p>Kindliche Formen von Leuk&auml;mie- und Tumorerkrankungen unterscheiden sich sehr wesentlich von jenen, die im sp&auml;teren Leben auftreten. So sind Karzinome, die mehr als 90 % der Neuerkrankungen bei Erwachsenen ausmachen, im fr&uuml;hen Kindes- und Jugendalter au&szlig;erordentlich selten. Kindliche Tumorerkrankungen resultieren vor allem aus einer fehlerhaften Entwicklung und/oder Differenzierung von embryonalen Geweben, die durch angeborene und/oder erworbene Defekte sowie epigenetische Fehlregulationen der darin involvierten Gene verursacht werden. Abgesehen von DNA-Reparatur- und Immundefektsyndromen spielen daher bei ihrer Entwicklung &ndash; im Gegensatz zu jenen des Erwachsenenalters &ndash; Umweltfaktoren, wenn &uuml;berhaupt, nur eine sehr untergeordnete Rolle. <br />Das zunehmende Interesse an der Aufkl&auml;rung der den multifaktoriell verursachten Leuk&auml;mie- und Tumorerkrankungen zugrunde liegenden genetischen Komponenten ist in den letzten Jahrzehnten nicht zuletzt auch auf den raschen Fortschritt bei der Entwicklung kosteng&uuml;nstiger und genomweiter Untersuchungsmethoden zur&uuml;ckzuf&uuml;hren. Der Nachweis einer potenziellen genetischen Pr&auml;disposition spielt insbesondere auch im Kindesalter eine zunehmend wichtige Rolle und ist eine interessante, jedoch auch sehr herausfordernde Aufgabe. Dem Wunsch und der Absicht, wesentliche Erkenntnisse f&uuml;r die Behandlung der betroffenen Patienten sowie wichtige Informationen f&uuml;r die Abgrenzung noch asymptomatischer Mutationstr&auml;ger und die Vorsorge f&uuml;r sie zu gewinnen, um damit die Grundlage f&uuml;r eine ad&auml;quate genetische Beratung zu schaffen, steht h&auml;ufig die Problematik gegen&uuml;ber, wie behandelnde &Auml;rzte und betroffene Familien mit dem &uuml;berbordenden Erkenntnisgewinn, oftmals schwierig zu interpretierenden Daten und den daraus resultierenden komplexen Risiken umgehen k&ouml;nnen und wie sich die daraus ergebenden vielf&auml;ltigen organisatorischen, &ouml;konomischen und ethischen Fragen im gesamtgesellschaftlichen Kontext am besten l&ouml;sen lassen.</p> <h2>Genspezifische und genomweite Mutationsscreeningmethoden</h2> <p>Bis vor wenigen Jahren beschr&auml;nkte sich die Abkl&auml;rung einer genetischen Pr&auml;disposition &uuml;berwiegend auf Individuen, die aufgrund ihrer spezifischen klinischen Merkmale und Familienanamnese als besonders gef&auml;hrdet galten. Ist eine famili&auml;re Pr&auml;disposition mit einer entsprechenden Genmutation bereits bekannt, kann eine gezielte pr&auml;symptomatische Untersuchung bei potenziell betroffenen, aber noch asymptomatischen Individuen durchgef&uuml;hrt werden. In vielen F&auml;llen wird man jedoch erst bei der Diagnose einer Tumorerkrankung auf ein zugrunde liegendes genetisches Risiko aufmerksam. Vor allem sehr seltene und ungew&ouml;hnliche Tumorformen k&ouml;nnen bereits klare Hinweise auf ein spezifisches defektes Gen liefern. Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Syndromen mit prinzipiell klinisch und ph&auml;notypisch erkenn- und zuordenbaren Merkmalen, die umgekehrt mit einem erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r die Entwicklung von bestimmten Tumor- und Leuk&auml;mieformen einhergehen. Dazu z&auml;hlen vor allem die Immundefizienz- und DNA-Reparaturdefektsyndrome und sogenannte RASopathien sowie das Beckwith- Wiedemann-Syndrom, welches beispielhaft neben genetischen Faktoren auch schon alleine durch eine epigenetische Dysregulation embryonaler Wachstumsfaktoren hervorgerufen werden kann. <br />W&auml;hrend einzelne Gene und bereits bekannte Gendefekte relativ einfach mit Sequenzierung von amplifizierten Produkten der Polymerasekettenreaktion (&bdquo;polymerase chain reaction&ldquo;, PCR) des infrage kommenden Genombereiches untersucht werden k&ouml;nnen, so werden gr&ouml;&szlig;ere Genbereiche, multiple Gene oder sogar das komplette proteinkodierende exprimierte Genom mit gezielten sogenannten &bdquo;targeted&ldquo; bzw. &bdquo;Whole exome&ldquo;-Methoden analysiert und die erhobenen Daten anschlie&szlig;end bioinformatisch ausgewertet (Tab. 1). Mit diesem Ansatz wurden k&uuml;rzlich in zwei gro&szlig;en Studien mehr als 2000 Kinder mit unterschiedlichsten Tumorarten systematisch untersucht und in diesen nicht selektierten Kohorten wurde bei circa 8 % ein pr&auml;disponierender Keimbahndefekt aufgedeckt (Tab. 2, Tab. 3). <br />Ein alternativer Ansatz, mit dem sowohl zwischen erworbenen und De-novo-Mutationen einerseits als auch zwischen tats&auml;chlich pathogenen und f&uuml;r das Krankheitsgeschehen irrelevanten seltenen Normvarianten andererseits unterschieden werden kann, sind sogenannte Trio-Analysen, bei denen die kindliche, die m&uuml;tterliche und die v&auml;terliche DNA-Sequenz gleichzeitig untersucht und dann verglichen werden.</p> <p><strong>Moralisch komplexe Fragen</strong> <br />Solche genomweiten Screeningprogramme werfen ohne Zweifel viele neue rechtliche und ethische Probleme auf, nicht zuletzt auch deshalb, weil damit h&auml;ufig Sequenzvarianten entdeckt werden, die schwer interpretierbar sind und deren praktische Bedeutung daher unklar bleibt. Mit der Diagnose einer genetischen Tumorprädisposition sind Entscheidungen und Fragen verbunden, bei denen betroffene Familien und &Auml;rzte komplexe Risiken gegeneinander abw&auml;gen m&uuml;ssen. Der Unterstützungsbedarf der Patienten und ihrer Angeh&ouml;rigen h&auml;ngt in solchen Situationen sowohl von deren jeweiliger individueller Biografie als auch den sozialen und psychologischen Ressourcen der Familie ab. Hinzu kommt dann auch noch die generations&uuml;bergreifende Bedeutung solcher Gendefekte. Der dadurch verursachte erh&ouml;hte Informations-, Aufkl&auml;rungs- und Beratungsbedarf muss daher vermehrt durch gut ausgebildetes, schon derzeit nicht ausreichend zur Verf&uuml;gung stehendes medizinisches Personal sowie entsprechende finanzielle Mittel abgedeckt werden.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1907_Weblinks_s38_tab1.jpg" alt="" width="1299" height="553" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1907_Weblinks_s38_tab2.jpg" alt="" width="1299" height="774" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1907_Weblinks_s38_tab3.jpg" alt="" width="1299" height="434" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Gr&ouml;bner et al.: The landscape of genomic alterations across childhood cancers. Nature 2018; 555(7696): 321-7 &bull; Haas OA: Primary immunodeficiency and cancer predisposition revisited: embedding two closely related concepts into an integrative conceptual framework. Front Immunol 2019; 9: 3136 &bull; Kuhlen et al.: Family-based germline sequencing in children with cancer. Oncogene 2019; 38: 1367-80 1 Ripperger et al.: Childhood cancer predisposition syndromes-A concise review and recommendations by the Cancer Predisposition Working Group of the Society for Pediatric Oncology and Hematology. Am J Med Genet 2017; 173(4): 1017-37 &bull; Sweet-Cordero EA &amp; Biegel JA: The genomic landscape of pediatric cancers: Implications for diagnosis and treatment. Science 2019; 363(6432): 1170-5 &bull; Taeubner et al.: Penetrance and expressivity in inherited cancer predisposing syndromes. Trends Cancer 2018: (11): 718-28 &bull; Zhang et al.: Germline mutations in predisposition genes in pediatric cancer. N Engl J Med 2015; 373(24): 2336-46</p> </div> </p>
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