© Getty Images/iStockphoto

NSCLC

Fällt die Chemotherapie bald völlig weg?

<p class="article-intro">In der Behandlung des nicht kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) wird Docetaxel von den Immuntherapeutika aus der zweiten Linie verdrängt. Mit den neuen gezielten Therapien gewinnt die Frage der richtigen Sequenzierung und Kombination immer mehr an Bedeutung. Die „liquid biopsy“ wird dabei sicherlich eine wichtige Rolle spielen und die Technik der Zukunft sein. Dies sind einige Schlüsse, die aus einem Expertengespräch anlässlich der European Lung Cancer Conference mit Dr. Solange Peters aus Lausanne und Dr. Wilfried Eberhardt aus Essen gezogen werden können.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Behandlungssequenz ist laut Solange Peters vom Departement f&uuml;r Onkologie des Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne, ein wichtiges Thema, beispielsweise bei nicht selektierten Patienten f&uuml;r die Immuntherapie sowie bei den komplexeren F&auml;llen von Patienten, die sich f&uuml;r eine gezielte (&bdquo;targeted&ldquo;) Behandlung qualifizieren. F&uuml;r die letzten zwei Jahre wurde laut Peters im Bereich der Immuntherapie der Ersatz von Docetaxel als Zweitlinientherapie beim NSCLC (&bdquo;non small cell lung cancer&ldquo;) diskutiert. &bdquo;Nun k&ouml;nnen wir in Europa bei Patienten mit oder ohne Plattenepithelkarzinom Nivolumab verschreiben, in den USA kann auch Pembrolizumab verschrieben werden, allerdings mit der Beschr&auml;nkung auf Patienten mit einem hohen PD-L1. Dies hat sich zu einem Therapiestandard in den &bdquo;National Comprehensive Cancer Network&ldquo;(NCCN)-Guidelines entwickelt und wird auch in die ESMO-Guidelines einflie&szlig;en, die derzeit gerade in Bearbeitung sind&ldquo;, so Peters. &bdquo;Docetaxel ist keine Zweitlinientherapie mehr, au&szlig;er bei Patienten, bei denen die Immuntherapie kontraindiziert ist.&ldquo;<sup>1</sup></p> <h2>NSCLC &ndash; Chemotherapie bald obsolet?</h2> <p>Die Hauptfrage in Bezug auf die Behandlungssequenz ist f&uuml;r Peters, ob wir in der Lage sind, die Chemotherapie &bdquo;up-front&ldquo; vollst&auml;ndig zu verdr&auml;ngen, um sie allenfalls zu einem sp&auml;teren Zeitpunkt noch anzuwenden. Derzeit laufen &uuml;ber 15 Studien mit mehr als 15.000 Patienten. Darin wird &uuml;blicherweise eine platinbasierte Chemotherapie &bdquo;front-line&ldquo; gegeben und mit einer Immuntherapie im experimentellen Arm verglichen. Es stellt sich hierbei die sehr interessante Frage, ob besser behandelt werden kann und ob es bald m&ouml;glich sein wird, dem Patienten &uuml;ber eine gewisse Zeit &ndash; vielleicht ein oder zwei Jahre &ndash; die Chemotherapie ganz zu ersparen.<br /> Die Erfahrungen beim Melanom zeigen, dass es dank der Immuntherapie zu einer Plateaubildung bei den Kaplan-Meier-Kurven kommt, und es wird sich herausstellen, ob dies auch beim NSCLC der Fall sein wird. Das w&uuml;rde laut Peters f&uuml;r das palliative Setting bedeuten, dass bestimmte Patienten von der Immuntherapie profitieren w&uuml;rden, was aufgrund potenziell sehr viel l&auml;ngerer &Uuml;berlebenszeiten weit &uuml;ber das palliative Moment hinausf&uuml;hren w&uuml;rde. Dieses Gef&uuml;hl spornt die Forschenden an, Zugang zu den Immuntherapien zu bekommen und m&ouml;glichst jeden Patienten, der sich daf&uuml;r qualifiziert, in eine entsprechende Studie zu bringen. Bei &bdquo;Langzeitkontrolle&ldquo; stellt sich auch die Frage, ob mit einer Langzeittoxizit&auml;t der Immuntherapien gerechnet werden muss, wenn das Immunsystem angeregt wird. &bdquo;Die Antwort ist Nein, denn wir haben keine Gr&uuml;nde, anzunehmen, dass die Toxizit&auml;t dieser Substanzen gr&ouml;&szlig;er ist als bei kurzzeitigem Einsatz&ldquo;, so Peters abschlie&szlig;end zur Immuntherapie.</p> <div id="rot"> <p>&bdquo;Wenn eine extrem wirksame Therapie, wie beispielsweise Osimertinib, verf&uuml;gbar ist, sollten wir konventionell behandeln und bis zur Resistenzentwicklung zuwarten oder gleich die neue Substanz einsetzen?&ldquo; - S. Peters, Lausanne</p> </div> <h2>&bdquo;Liquid biopsy&ldquo; &ndash; Technik der Zukunft</h2> <p>Ein weiteres wichtiges Thema ist nach Dr. Wilfried Eberhardt vom Lungenkrebszentrum am Westdeutschen Tumorzentrum, Universit&auml;tsklinikum Essen, die &bdquo;real biopsy&ldquo;. Sie ist heute der Goldstandard, um Behandlungsresistenzen bei Patienten zu erfassen und zu umgehen. Doch beim Lungenkrebs haben viele Patienten Komorbidit&auml;ten, wie beispielsweise COPD oder kardiovaskul&auml;re Erkrankungen. Es ist nicht so unkompliziert wie beim Brustkrebs, bei dem eine Metastase oft lediglich mit einer Nadelbiopsie erreicht werden kann. Das Problem beim Lungenkarzinom sind die Hirnmetastasen, die bei einer betr&auml;chtlichen Patientenzahl auftreten und chirurgisch angegangen werden m&uuml;ssen. Und aufgrund von Komorbidit&auml;ten sind Biopsien oft schwieriger durchzuf&uuml;hren, selbst mit den heutigen technischen bzw. bildgebenden Mitteln. &bdquo;Wir m&uuml;ssen feststellen, dass bei gewissen Patienten deshalb eine Biopsie nicht durchf&uuml;hrbar ist&ldquo;, so Eberhardt.<br /> F&uuml;r diese Patienten gibt es nun mit der &bdquo;liquid biopsy&ldquo; eine neue Diagnosem&ouml;glichkeit. So wurden bei der diesj&auml;hrigen ELCC mindestens drei Abstracts dazu vorgestellt, die laut Eberhardt zu den wichtigsten am Kongress pr&auml;sentierten Studien z&auml;hlen.<sup>2&ndash;5</sup> Die Methode ist einfach: Es muss nur Blut entnommen werden, das dann mit komplexen DNA- und RNA-Techniken analysiert werden kann. Diese Methode wird bereits bei einer betr&auml;chtlichen Anzahl von Patienten eingesetzt und ist bei rund 70&ndash;80 % der Betroffenen valide. Doch immer noch gibt es Patienten, bei denen dies nicht der einzige Weg ist, die also &ndash; wenn m&ouml;glich &ndash; erneut biopsiert werden m&uuml;ssen. Ob nun mit der einen oder anderen begonnen wird: Die beiden Techniken unterst&uuml;tzen einander mit dem Ziel, mehr Patienten zu finden, bei denen neue Behandlungsm&ouml;glichkeiten einsetzbar sind.<br /> Die Fl&uuml;ssigbiopsie hat im Gegensatz zur herk&ouml;mmlichen Biopsie laut Eberhardt den sch&ouml;nen Effekt, dass sie mehrmals komplikationslos wiederholt werden kann. &bdquo;Dank dieser faszinierenden Vorz&uuml;ge wird es die Technik der Zukunft sein&ldquo;, so Eberhardt. Die Technik wird weiterentwickelt werden und, so vermutet Eberhardt, die Validit&auml;t wird sich in drei bis f&uuml;nf Jahren irgendwo bei 90&ndash;95 % einpendeln.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1603_Weblinks_Seite14.jpg" alt="" width="768" height="469" /></p> <h2>Einfach die beste Substanz zuerst geben?</h2> <p>Es stehen immer mehr dieser sehr aktiven Therapeutika f&uuml;r kleine Subgruppen von Patienten zur Verf&uuml;gung und dies ist f&uuml;r Peters Anlass f&uuml;r Fragen: &bdquo;Nat&uuml;rlich, je mehr Substanzen zur Verf&uuml;gung stehen, desto mehr Biopsien stehen an. Bei ALK-positiven NSCLC wurden F&auml;lle vorgestellt, bei denen viermal die Therapie gewechselt werden musste. Und jeder Schritt macht eine erneute Biopsie erforderlich, nicht eine, sondern multiple&ldquo;, so Peters. Mit der Fl&uuml;ssigbiopsie k&ouml;nnen diese Fragen nun angegangen werden. Eine andere Frage ist f&uuml;r Peters: &bdquo;Wenn eine extrem wirksame Therapie, wie beispielsweise Osimertinib, verf&uuml;gbar ist, sollten wir konventionell behandeln und bis zur Resistenzentwicklung zuwarten oder gleich die neue Substanz einsetzen?&ldquo; Die Antwort wird derzeit im Rahmen von klinischen Studien gesucht. &bdquo;Wenn Patienten mit dieser sehr potenten Substanz &sbquo;front-line&lsquo; behandelt werden, dann wird ein l&auml;ngeres PFS erreicht&ldquo;, so Peters, und weiter: &bdquo;K&ouml;nnen Sie sich vorstellen, dass wir einfach die beste Substanz zuerst geben? Das soll derzeit prospektiv evaluiert werden.&ldquo;</p> <h2>Konventionelle Sequenzen oder neue Therapieans&auml;tze?</h2> <p>Auch die von Ramalingam pr&auml;sentierten Daten mit Immuntherapeutika zeigen laut Peters, dass das OS im Vergleich zu alten Behandlungen mit dem Einsatz von Immuntherapeutika verdoppelt wird. Damit stellt sich auch hierbei die Frage, wie mit diesen neuen Behandlungen umgegangen werden soll. M&ouml;glicherweise muss ein Konsens zu den Fragen erzielt werden, ob eine konventionelle Sequenz palliativ gegeben werden muss oder ob es vielleicht gar f&uuml;r das &Uuml;berleben besser ist, die alten Substanzen ganz auszuscheiden und gleich mit einem starken Mittel zu beginnen. Dies wird eine schwierige Entscheidung sein. Es muss mehr Wissen zu den Resistenzmechanismen nach Beginn einer intensiven Behandlung erarbeitet werden. Nach Meinung von Peters wird es in der klinischen Therapie sicherlich die n&auml;chste gro&szlig;e Debatte sein, wie die Sequenz all dieser neuen Wirkstoffe lauten soll.</p> <h2>Viele neue Wirkstoffe &ndash; doch wie kombinieren?</h2> <p>Wie bei HIV wird auch beim Karzinom in Zusammenhang mit der Verf&uuml;gbarkeit von Therapien, die an verschiedenen Signalwegen zu Blockaden f&uuml;hren k&ouml;nnen, immer mehr die Frage dominieren, wie diese Substanzen idealerweise kombiniert werden k&ouml;nnen. Auch bei der ELCC wurde dar&uuml;ber diskutiert, speziell in Bezug auf die Frage nach der Kombination der Immuntherapien sowie der EGFR-Inhibitoren, wie sie f&uuml;r einen n&auml;chsten Schritt in der Behandlung f&uuml;r Peters sinnvollerweise vorgesehen sind. M&ouml;glicherweise kann damit ein lang anhaltendes Ansprechen erzielt werden. Laut Peters m&uuml;ssen m&ouml;gliche unerwartete Toxizit&auml;ten, die durch die Kombination entstehen, untersucht werden, wie beispielsweise die schwere Pneumonitis, die im Rahmen einer solchen Kombination von Osimertinib mit Durvalumab bei 38 % der Patienten auftrat. In den Monotherapien lag hingegen die Pneumonitisrate bei nur 2,9 % f&uuml;r Osimertinib und bei 2 % f&uuml;r Durvalumab.<sup>6</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> <a href="http://www.nccn.org/professionals/physician_gls/pdf/nscl.pdf" target="_blank">www.nccn.org/professionals/physician_gls/pdf/nscl.pdf</a><br /><strong>2</strong> Powr&oacute;zek T et al: Novel plasma circulating microRNA signature for early detection of non-small cell lung cancer in liquid biopsy. Biomarkers &ndash; Poster Discussion Session, Abstract #30PD, ELCC 2016<br /><strong>3</strong> Bordi P et al: Monitoring of secondary drug resistance mutations in circulating tumor DNA of patients with advanced ALK-positive NSCLC. Biomarkers &ndash; Poster Discussion Session, Abstract #2PD, ELCC 2016<br /><strong>4</strong> Santos ES et al: Liquid biopsy in patients with adenocarcinoma of the lung and its correlation with their tumor tissue molecular profile. Biomarkers - Poster Discussion Session, Abstract #3PD, ELCC 2016<br /><strong>5</strong> Baty F et al: 24h-blood profile gene expression biomarkers of the response to targeted therapy in advanced non-squamous non-small cell lung cancer (NSCLC). Biomarkers - Poster Discussion Session, Abstract #61PD, ELCC 2016<br /><strong>6</strong> Ahn M et al: Osimertinib combined with durvalumab in EGFR-mutant non-small cell lung cancer: results from the TATTON phase Ib trial. Best Abstracts Session, Abstract #1360, ELCC 2016</p> </div> </p>
Back to top