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Erster Schweizer Kongress für Onkologie und Hämatologie
Leading Opinions
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15.11.2018
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<p class="article-intro">Der erste Schweizer Kongress für Onkologie und Hämatologie wusste mit einem umfangreichen Programm aufzuwarten. Neben den verschiedenen hämatologischen Tumorerkrankungen waren auch die unterschiedlichen soliden Tumoren vertreten. So unter anderem die Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts, deren Inzidenz in den letzten Jahren zugenommen hat.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Unter dem Motto «Fortschritt für alle» fand vom 27. bis 29. Juni 2018 in Zürich der erste Schweizer Kongress für Onkologie und Hämatologie (SOHC) statt. Diese neue Weiterbildungsplattform wurde von der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) und der Schweizerischen Gesellschaft für Hämatologie (SGH) ins Leben gerufen. Daneben haben sich dieser Initiative fünf weitere Fachgesellschaften, darunter auch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK), angeschlossen. Der SOHC soll auf nationaler Ebene eine Plattform zur interdisziplinären und interprofessionellen Kommunikation, zum Wissensaustausch und zur Lancierung neuer Forschungsprojekte bieten. Im Laufe der kommenden Jahre möchte der Kongress zu einer festen Institution in der Schweizer Kongresslandschaft werden und dadurch Fortschritte in allen Aspekten einer Tumorerkrankung und für alle Beteiligten gewährleisten.</p> <h2>Update zur Therapie des Magenkarzinoms</h2> <p>Im Rahmen der Sitzung zu den Tumorerkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts sprach PD Dr. med. Thomas Ruhstaller (St. Gallen) unter anderem über das Magenkarzinom. «Die chirurgische Therapie steht hier im Zentrum der Behandlung», erklärte er. Eine endoskopische Resektion komme nur in wenigen, ausgewählten Fällen bei Tumoren in einem sehr frühen Stadium (T1a) infrage. «Es sollte eine radikale Gastrektomie durchgeführt werden. Die UICC empfiehlt zudem, mindestens 15 Lymphknoten zu entfernen.»<br /> Für Patienten mit einem resezierbaren Magenkarzinom im Stadium II/III stellt eine perioperative Chemotherapie (3 Zyklen vor Resektion, 3 Zyklen danach) seit vielen Jahren der Standard dar. Diese Vorgehensweise basiert auf den Resultaten der MAGIC-Studie, in der Epirubicin, Cisplatin und 5-FU (ECF) als Chemotherapieregime eingesetzt wurden.<sup>1</sup> Die perioperative Chemotherapie führte in der Studie zu einer signifikanten Verbesserung der Resezierbarkeit, der Rate progressionsfreien Überlebens (PFS) und der Gesamtüberlebensrate (OS).<br /> Am ASCO 2017 wurden die Resultate der deutschen FLOT4-Studie präsentiert.<sup>2</sup> In dieser wurde ECF (bzw. Epirubicin, Cisplatin und Capecitabin [ECX]), jeweils 3 Zyklen vor und 3 nach der Chirurgie) mit FLOT (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel, 4 Zyklen vor und 4 nach Chirurgie) verglichen. FLOT erwies sich dabei als das signifikant bessere Regime. Nach einem medianen Follow-up von 43 Monaten betrug das mediane OS mit FLOT 50 Monate, mit ECF/ECX dagegen 35 Monate (HR: 0,77; p=0,012). Die 3-Jahres-Überlebensraten betrugen 57 % für FLOT und 48 % für ECR/ECX). Das mediane PFS wurde durch das neue Regime ebenfalls signifikant verlängert (30 Monate vs. 18 Monate; HR: 0,75; p=0,004). «Damit wurde FLOT zum neuen Standard», erklärte Dr. Ruhstaller. «Der Vorteil dieses Regimes zeigte sich dabei konsistent in allen Subgruppen, insbesondere auch bei den Patienten mit einem Karzinom des gastroösophagealen Übergangs», betonte er. Für den Nutzen einer perioperativen Therapie mit Substanzen wie Trastuzumab oder einem anderen zielgerichteten Biologikum sowie antiangiogenen Medikamenten liegt bisher keine Evidenz vor.<sup>3</sup><br /> Eine amerikanische Studie zeigte, dass eine postoperative Radiochemotherapie (RCT) im Vergleich zu einer alleinigen Chirurgie zu einem signifikant längeren OS führt (3-Jahres-OS-Rate 50 % für RCT vs. 41 % für alleinige Chirurgie).<sup>4</sup> «In den USA wird dieses Vorgehen daher häufig eingesetzt. Man muss sich aber bewusst sein, dass eine Bestrahlung im Bereich des Magens sehr viele Nebenwirkungen mit sich bringt», so Dr. Ruhstaller. Bei mehr als 50 % der Patienten in der Studie wurde zudem eine inadäquate Lymphadenektomie (weniger als D1) durchgeführt. Es wird daher vermutet, dass die postoperative RCT lediglich als Kompensation für eine suboptimale Chirurgie fungierte. Weitere Studien sollen dabei helfen, die Frage bezüglich des Nutzens einer postoperativen Radiochemotherapie zu klären.</p> <h2>Erstlinientherapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms</h2> <p>«Bei sehr vielen Tumorentitäten haben sich die Überlebensraten in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert», erklärte der nächste Redner, PD Dr. med. Thomas Winder (Feldkirch/A und Zürich), zu Beginn seines Referats. «Beim Pankreaskarzinom ist diese Verbesserung leider nur moderat ausgefallen.» Berechnungen für die kommenden Jahre zufolge wird das Pankreaskarzinom bis 2030 zur zweithäufigsten Ursache für einen tumorbedingten Tod avancieren.<sup>5</sup><br /> In der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen oder metastasierten Pankreaskarzinoms spielt Gemcitabin seit 1997 eine wichtige Rolle. Eine damals von Burris et al. publizierte Studie zeigte, dass Gemcitabin im Vergleich zu 5-FU/LV zu einer Verlängerung des OS und PFS führt.<sup>6</sup> «Ab diesem Zeitpunkt stellte die Therapie mit Gemcitabin lange Zeit unsere Standardoption dar», erläuterte Dr. Winder. Moore et al. zeigten in ihrer 2007 veröffentlichen Studie, dass durch die Kombination von Gemcitabin mit Erlotinib das OS und PFS weiter verlängert werden können.<sup>7</sup> «Diese Arbeit hat jedoch die therapeutische Praxis nicht nachhaltig verändert», meinte Dr. Winder. Untersucht wurde im Weiteren der Effekt einer Zugabe von Capecitabin zu Gemcitabin/Erlotinib. Dies bewirkte jedoch keine Verlängerung des PFS und OS.<sup>8</sup> Im Gegensatz dazu führte FOLFIRINOX im Vergleich zu Gemcitabin allein zu einer signifikanten Verlängerung des OS von 6,8 auf 11,1 Monate (Tab. 1) sowie zu einer signifikanten Verlängerung des PFS von 3,3 auf 6,4 Monate (jeweils p<0,001).<sup>9</sup> Ebenfalls bewährt hat sich die Kombination aus Gemcitabin und Nab-Paclitaxel.<sup>10,11</sup> Diese führte zu einem OS von 8,7 Monaten vs. 6,6 Monate unter Gemcitabin allein (Tab. 1) und einem PFS von 5,5 vs. 3,7 Monate unter Gemcitabin (jeweils p<0,001).<sup>11</sup> «In der Praxis konzentrieren wir uns heute vor allem auf die beiden Optionen FOLFIRINOX und Gemcitabin plus Nab-Paclitaxel», so Dr. Winder. «Hinsichtlich Verträglichkeit zeigten die entsprechenden Studien, dass insbesondere Neurotoxizitäten und Diarrhö von Bedeutung sind.» In der Phase-II-Studie PRODIGE- 35 PANOPTIMOX wurden nun drei verschiedene Regimes miteinander verglichen, mit dem Ziel, so insbesondere auch die Oxaliplatin-assoziierten Neuropathien zu reduzieren. Dazu erhielten die Patienten in Arm A 12 Zyklen FOLFIRINOX, in Arm B 8 Zyklen FOLFIRINOX gefolgt von LV5FU2 und in Arm C eine sequenzielle Behandlung mit FOLFIRI.3 (2 Monate) und Gemcitabin (2 Monate).<sup>12</sup> Das mediane OS war in den Armen A und B schliesslich vergleichbar (10,1 Monate vs. 11 Monate). Die 18-Monats-OS-Rate betrug 18,5 % vs. 28 % (p<0,05 in explorativer Analyse). «Etwas unerwartet war, dass die Rate an Grad-3/4-Neuropathien im Arm B höher lag als im Arm A. Dies wurde von der Studiengruppe auf die höhere kumulative Oxaliplatin-Dosis zurückgeführt », erklärte der Redner. Zusammenfassend meinte er: «Die Selektion der Erstlinientherapie für Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Pankreaskarzinom sollte hauptsächlich auf klinischen Kriterien wie dem Performance Status, der Organfunktion, den Komorbiditäten, der Compliance und der Nebenwirkungstoleranz eines Patienten beruhen.»</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1806_Weblinks_lo_onko_1806_s7_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1458" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Swiss Oncology & Hematology Congress (SOHC), 27.–29.
Juni 2018, Zürich
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Cunningham D et al.: Perioperative chemotherapy in operable gastric and lower oesophageal cancer: final results of a randomised, controlled trial (the MAGIC trial). J Clin Oncol 2005; 23(Suppl): Abstract 4001 <strong>2</strong> Al-Batran SE et al.: Perioperative chemotherapy with docetaxel, oxaliplatin, and fluorouracil/leucovorin (FLOT) versus epirubicin, cisplatin, and fluorouracil or capecitabine (ECF/ ECX) for resectable gastric or gastroesophageal junction (GEJ) adenocarcinoma (FLOT4-AIO): a multicenter, randomized phase 3 trial. J Clin Oncol 2017; 35(Suppl): Abstract 4004 <strong>3</strong> Smyth EC et al.: Gastric cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow- up. Ann Oncol 2016: 27(Suppl 5): v38-v49 <strong>4</strong> Macdonald JS et al.: Chemoradiotherapy after surgery compared with surgery alone for adenocarcinoma of the stomach or gastroesophageal junction. N Engl J Med 2001; 345: 725- 30 <strong>5</strong> Rahib L et al.: Projecting cancer incidence and deaths to 2030: the unexpected burden of thyroid, liver, and pancreas cancers in the United States. Cancer Res 2014; 74: 2913-21 <strong>6</strong> Burris HA et al.: Improvements in survival and clinical benefit with gemcitabine as first-line therapy for patients with advanced pancreas cancer: a randomized trial. J Clin Oncol 1997; 15: 2403-13 <strong>7</strong> Moore MJ et al.: Erlotinib plus gemcitabine compared with gemcitabine alone in patients with advanced pancreatic cancer: a phase III trial of the National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group. J Clin Oncol 2007; 25: 1960-6 <strong>8</strong> Irigoyen A et al.: Gemcitabine-erlotinib versus gemcitabine- erlotinib-capecitabine in the first-line treatment of patients with metastatic pancreatic cancer: efficacy and safety results of a phase IIb randomised study from the Spanish TTD Collaborative Group. Eur J Cancer 2017; 75: 73-82 <strong>9</strong> Conroy T et al.: FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med 2011; 364: 1817-25 <strong>10</strong> Von Hoff DD et al.: Increased survival in pancreatic cancer with nab-paclitaxel plus gemcitabine. N Engl J Med 2013; 369: 1691-703 <strong>11</strong> Goldstein D et al.: nab- Paclitaxel plus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer: long-term survival from a phase III trial. J Natl Cancer Inst 2015; 31: 107 <strong>12</strong> Dahan L et al.: FOLFIRINOX until progression, FOLFIRINOX with maintenance treatment, or sequential treatment with gemcitabine and FOLFIRI.3 for first-line treatment of metastatic pancreatic cancer: a randomized phase II trial (PRODIGE 35-PANOPTIMOX). J Clin Oncol 2018; 36(Suppl): Abstract 4000</p>
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