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Ösophagus- und Magenkarzinom

Chemo- und Radiochemotherapie: Ja, aber es gilt auch „Go to the right surgery“

<p class="article-intro">Im Rahmen der 4. St. Gallen EORTC Gastrointestinal Cancer Conference (GICC 2018) wurde am letzten Tag der Veranstaltung die bereits traditionelle Panelsitzung abgehalten, um interaktiv über kontroverse Fragen der optimalen Behandlung des Ösophagus- und Magenkarzinoms zu debattieren. Expertinnen und Experten bekamen bereits im Vorfeld insgesamt 76 Fragen vorgelegt und diskutierten diese unter der bewährten Leitung von John Zalcberg, Australien, und Manfred Lutz, Deutschland, engagiert und teils sehr kontroversiell.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das Hauptaugenmerk der Konsensus- Sitzung lag auf der prim&auml;ren (kurativen) Behandlung des Adenokarzinoms des Magens sowie des &Uuml;bergangs von der Speiser&ouml;hre zum Magen (junctional bez. AEG). Die Fragen wurden in vier Bl&ouml;cke aufgeteilt:</p> <ul> <li>Magen &ndash; perioperative Verfahren (Staging, Indikationen, Therapiedetails, molekulare Verfahren)</li> <li>Magen &ndash; postoperative Verfahren (wie weiter nach neoadjuvanter Therapie, adjuvant nach Chirurgie)</li> <li>Junctional (AEG) (CROSS oder FLOT, Selektionskriterien)</li> <li>Lokal fortgeschritten &ndash; oligometastatisch (limitierte peritoneale Beteiligung, Chirurgie bei Oligometastasen)</li> </ul> <p>Jeder Block wurde vor der Diskussion und Abstimmung kurz von Fachleuten vorgestellt. Fortgeschrittene metastasierte Erkrankungen wurden nicht diskutiert. Vor allem sollten, wie Moderator Manfred Lutz von der Caritasklinik St. Theresia, Saarbr&uuml;cken (D), anregte, die kontroversen Punkte diskutiert werden sowie Fragen mit unklarer Evidenz. Lutz betonte, dass es sich nicht um eine Guideline Session handeln sollte. Jede Frage wurde mittels TED-System beantwortet und anschlie&szlig;end bei Bedarf diskutiert.</p> <h2>PET-CT zum Ausschluss von Fernmetastasen gen&uuml;gend sensitiv?</h2> <p>Zum Einstieg unter der Moderation von John Zalcberg von der Alfred Health and Monash University, Melbourne (AUS), ging es um die Frage, ob es immer noch angemessen ist, zwischen Magen- und AEG-Karzinom zu unterscheiden. Die Frage wurde mit knapp 90 % klar bejaht. Und wie viele Biopsien sind zur Klassifizierung des Magenkarzinoms notwendig? Rund 72 % sprachen sich f&uuml;r 6 oder mehr aus, w&auml;hrend knapp 17 % gar f&uuml;r 8 oder mehr votierten. Die Mehrzahl der Biopsien ist der Heterogenit&auml;t des Tumors geschuldet, die mit einer einzigen Biopsie nicht erfasst werden kann. Das CT ist beim Staging zur Evaluation von cN f&uuml;r knapp zwei Drittel der Anwesenden erforderlich, ein Viertel sieht darin keinen Sinn. F&uuml;r den endoskopischen Ultraschall (EUS) zur Evaluation von cT sprachen sich alle Anwesenden aus. Sollte der EUS generell Teil des Stagings sein neben CT und Endoskopie oder nur f&uuml;r sehr fr&uuml;he oder fortgeschrittene Tumoren? 4 von 5 aller Anwesenden votierten f&uuml;r den EUS, weil dieser eine bessere Differenzierung des Stadiums erlaubt und damit auch das weitere Vorgehen besser festgelegt werden kann. Geteilter Meinung (46,7 % : 46,7 % ) waren die Experten bei der Frage nach dem PET-CT zum Ausschluss von Fernmetastasen vor dem Start einer pr&auml;operativen Therapie (au&szlig;er bei muzin&ouml;sen und diffusen Tumoren, die oft PET-negativ sind). Eine Votantin zitierte eine positive Evidenz aus der Literatur nur f&uuml;r &Ouml;sophagustumoren. Eine diagnostische Laparoskopie w&uuml;rden 83,3 % der Anwesenden vor einer pr&auml;operativen Therapie durchf&uuml;hren. Knapp 60 % w&uuml;rden gleichzeitig ein peritoneales Washing durchf&uuml;hren.</p> <h2>Linitis plastica: Indikation f&uuml;r multimodale Behandlung</h2> <p>Die perioperative Chemotherapie des Magenkarzinoms wird von 83,3 % der Experten anderen multimodalen Behandlungen vorgezogen, wobei diese Entscheidung f&uuml;r 88,2 % nicht von der Laur&eacute;n-Klassifikation abh&auml;ngig ist, und auch die Pr&auml;senz von Siegelringzellen beeinflusst die Entscheidung nicht, ebenso wenig der Proliferationsindex Ki-67. Beim HER2-Status hingegen w&uuml;rden 17,6 % ihre Therapieentscheidung anpassen und entsprechend behandeln. Praktisch keinen Einfluss auf die pr&auml;operative Therapie hat der molekulare Subtyp des Tumors (EBV, MSI, GS, CIN) und auch nicht die Information zur Mikrosatellitenstabilit&auml;t, zur &bdquo;mismatch repair deficiency&ldquo; oder zum TS-Genotyp. 11,1 % votierten f&uuml;r eine Chemotherapie plus postoperative Radiotherapie. Postoperativ macht f&uuml;r keinen der Anwesenden eine Chemo- oder Radiotherapie Sinn.<br /> F&uuml;r fast alle Experten ist die Linitis plastica eine Indikation f&uuml;r eine multimodale Behandlung. 93,8 % des Panels sind der Meinung, dass bei einem Magenkarzinom im Stadium cT3 und/oder cN+ pr&auml;operativ behandelt werden soll. Bei einem Stadium cT2 cN0 waren nur noch knapp mehr als die H&auml;lfte zur pr&auml;operativen Therapie bereit. Rund 30 % sprachen sich dagegen aus bzw. wollten dies nicht generell, sondern von Fall zu Fall entscheiden, abh&auml;ngig etwa von Alter, Fitness und Tumorhistologie. Ein Stadium cT2 cN1 w&uuml;rden 86,7 % behandeln. Eine positive peritoneale Zytologie beeinflusst 56,3 % der Anwesenden in ihrer Behandlungsentscheidung. Eine Votantin zeigte sich &uuml;berzeugt, dass die Zytologie eine Evidenz f&uuml;r Mikrometastasen liefern kann und diese folglich mit einer perioperativen Chemotherapie eradiziert werden k&ouml;nnen.</p> <h2>Neoadjuvante Therapie &ndash; Evidenz f&uuml;r Wirkung bereits nach einigen Zyklen</h2> <p>Zur Frage der Behandlungsprotokolle f&uuml;r die pr&auml;operative Therapie votierte niemand f&uuml;r die Radiochemotherapie (RCT) und 88,2 % f&uuml;r die Chemotherapie (CT). Einige sprachen sich hingegen beim Stadium cT4 in bestimmten F&auml;llen f&uuml;r eine RCT aus, beispielsweise auch bei Inoperabilit&auml;t. Bei der Wahl der passenden CT sprachen sich 85,7 % f&uuml;r FLOT (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel) aus. Allerdings waren sich die Fachleute einig, dass je nach Situation auch andere Protokolle infrage kommen k&ouml;nnen wie ECF/ ECX (Epirubicin, Cisplatin, Fluorouracil/ Capecitabin), EOF/EOX oder FOLFOX. Selbst bei HER2-positivem Tumor w&uuml;rden aber 87,5 % der Anwesenden keine HER2- gezielte Therapie einsetzen. Nur 41,2 % w&uuml;rden eingedenk der Schwierigkeiten bei den postoperativ verabreichten Anteilen der CT pr&auml;operativ alle geplanten Zyklen verabreichen. Bedenken wurden vor allem hinsichtlich des Allgemeinzustandes des Patienten ge&auml;u&szlig;ert, nach dem sich die CT zu richten habe. Es wurde auch angemerkt, dass es Evidenz f&uuml;r die Wirkung der neoadjuvanten Therapie bereits nach einigen Zyklen geben w&uuml;rde. Ziel sollte es auf jeden Fall sein, pr&auml;operativ zu beginnen. Knapp 80 % waren sich einig, pr&auml;operativ mit 3x ECF respektive 4x FLOT zu beginnen. Bei einer Progression w&uuml;rden knapp 50 % sofort zur Chirurgie schreiten und 26,7 % zu einem anderen CT-Protokoll wechseln (Abb. 1). Allerdings fehlen f&uuml;r diese Option die Daten. Insgesamt kam aber Zweifel auf, ob die Frage gut gestellt war, denn je nach Schwere der Progression kann die Reaktion darauf unterschiedlich ausfallen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1803_Weblinks_s22_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="670" /></p> <h2>Wartefrist f&uuml;r Chirurgie: Entscheidend ist, dass der Patient wirklich fit ist</h2> <p>Nach der pr&auml;operativen Behandlung verlassen sich 66,7 % f&uuml;r ein Re-Staging auf das CT, w&auml;hrend 16,7 % respektive 8,3 % auf eine Kombination von CT plus Endoskopie z&auml;hlen respektive diese zwei plus den Ultraschall beiziehen. Spricht der Tumor nicht auf die CT an, dann schreiten 78,8 % unmittelbar zur Chirurgie, nur wenige wechseln die CT. Bei lokaler Progression wechseln immer noch 63,6 % sofort zur Chirurgie und je etwa knapp 10 % wechseln das CT-Protokoll oder intensivieren die CT. Das bevorzugte Intervall zwischen letztmalig verabreichter CT und Chirurgie &ndash; sofern sich die Patienten ad&auml;quat erholt haben &ndash; liegt f&uuml;r 37,5 % bei 4 Wochen und f&uuml;r 31,3 % bei 6 Wochen, w&auml;hrend 18,8 % schon 2 Wochen als gen&uuml;gend erachten. Entscheidend sei, dass der Patient wirklich fit ist, daher sei die Wartefrist entsprechend anzupassen, so die Voten. Bei einer kompletten pathologischen Remission nach neoadjuvanter CT (ECF, FLOT, CF) w&uuml;rden 80 % auch postoperativ mit der CT weitermachen, bei partieller Remission w&uuml;rden alle die CT fortsetzen. Bei neoadjuvant unbeeinflusstem Magenkarzinom und R0-Resektion w&uuml;rden 88,9 % eine postoperative CT machen. Sofern also postoperativ eine CT ins Auge gefasst wird, sollte es f&uuml;r 68,8 % das gleiche Protokoll sein. Einige wenige w&uuml;rden sich f&uuml;r ein anderes Protokoll oder gar die RCT entscheiden. Verz&ouml;gert sich die postoperative CT aufgrund von Komplikationen, dann erachten 33,3 % 8 Wochen Wartezeit als gangbar und 53,3 % 12 Wochen. Bei einer Krankheitsprogression nach neoadjuvanter Therapie und R0-Resektion w&uuml;rden knapp 60 % mit einer postoperativen Therapie fortfahren (CT gleiches Protokoll 7,1 % , CT anderes Protokoll 28,6 % , RCT 35,7 % ) und knapp 30 % darauf verzichten. Bei einer R1-Resektion nach neoadjuvanter Behandlung und zumindest stabiler Krankheitslage w&uuml;rden 78,6 % postoperativ eine RCT bzw. 7,1 % eine Radiotherapie (RT) alleine beginnen.</p> <h2>Histologie oder molekulare Eigenschaften bei der Wahl der CT ber&uuml;cksichtigen?</h2> <p>88,9 % sind der Ansicht, dass es f&uuml;r westliche Patienten nach prim&auml;rer Chirurgie Standard ist, mit einer postoperativen Therapie weiterzufahren. Bei pT2-pN0-R0- Tumoren w&uuml;rden 57,1 % keine adjuvante Therapie einsetzen, 28,6 % hingegen schon. Bei pT3-pN0-R0-Tumoren w&uuml;rden 75 % mit einer adjuvanten Therapie beginnen, 12,5 % nicht. Bei pT4-pN0-R0-Tumoren w&uuml;rden immer noch 62,5 % adjuvant behandeln, 18,8 % hingegen nicht. Eine kleine Minderheit w&uuml;rde eine RCT starten. Bei pTX-pN+-R0-Tumoren votieren 85,7 % f&uuml;r eine CT und 7,1 % f&uuml;r eine RCT. Bei der Frage nach der Ber&uuml;cksichtigung der Histologie oder molekularen Eigenschaften bei der Wahl der CT waren sich die Anwesenden im Verh&auml;ltnis 50 : 50 uneinig. In der Diskussion zeigte sich, dass von Fall zu Fall entschieden und bei Hinweisen in der Literatur auf eine Wirksamkeit die Therapie begonnen werden sollte. Beim Beginn der adjuvanten Therapie lassen sich 66,7 % vom Ausma&szlig; der Lymphknotendissektion leiten. Beispielsweise gibt es Hinweise bei D0- oder D1-Resektion, dass bei weniger als 15 dissektierten Lymphknoten eine Level-A1-Evidenz f&uuml;r eine adjuvante RCT besteht. Die Frage l&auml;sst sich nicht definitiv beantworten und die Empfehlungen h&auml;ngen ab von der Arbeit des Chirurgen wie auch von den Ergebnissen der Pathologie. Nach einer Lymphadenektomie geringer als D2 w&uuml;rden 80 % eine adjuvante Therapie empfehlen. Bei adjuvanter CT w&uuml;rden 15,4 % Fluoropyrimidin, 23,7 % Fluoropyrimidin/Platinum, 38,5 % FLOT und 7,7 % FOLFOX geben. Eine additive Therapie w&uuml;rden bei einer R1-Resektion 80 % mit RCT machen und 6,7 % w&uuml;rden eine CT einsetzen.</p> <h2>&bdquo;Go to the right surgery&ldquo;</h2> <p>Bei der pr&auml;- und perioperativen Therapie des Adenokarzinoms am gastro&ouml;sophagealen &Uuml;bergang bevorzugen 28,6 % die RCT (CROSS) gegen&uuml;ber der CT alleine. Dies sind bei Siewert I 28,6 % , bei Siewert I und II 35,7 % und bei Siewert I, II und III 7,1 % . F&uuml;r fast alle Beteiligten gibt es F&auml;lle wie Tumorlokalisation, Gr&ouml;&szlig;e oder Resektabilit&auml;t, in denen immer eine RCT angebracht ist. Bei resezierbaren Tumoren und stabilem Krankheitszustand nach pr&auml;operativer Chemotherapie w&uuml;rden fast alle zur Resektion schreiten. Bei ungen&uuml;gender Tumorschrumpfung oder einem &bdquo;margin at risk&ldquo; bef&uuml;rworten 61,5 % eine neoadjuvante RCT. Neoadjuvant w&uuml;rde auch bedeuten, dass es sich um einen resezierbaren Tumor handelt. 15,4 % sehen die RCT als definitive Behandlung. Aus chirurgischer Sicht wurde daf&uuml;r pl&auml;diert, anstatt einer weiteren konservativen onkologischen Therapie das richtige chirurgische Prozedere zu w&auml;hlen, was auch zu einer &Ouml;sophagogastrektomie f&uuml;hren k&ouml;nnte. &bdquo;Go to the right surgery&ldquo;, so unisono das Votum der anwesenden Chirurgen. Bei resezierbaren Tumoren mit einer Progression nach pr&auml;operativer CT w&uuml;rden 70 % zur Resektion schreiten und 20 % zu einer pr&auml;operativen RCT. Die Lokalisation von Lymphknotenmetastasen beeinflusst 63,6 % in der Wahl der Therapie (RCT vs. CT). F&uuml;r 81,8 % haben auch die Anzahl und Gr&ouml;&szlig;e einen Einfluss auf die Therapiewahl. Bei kompletter klinischer Remission &ndash; bioptisch und endoskopisch best&auml;tigt &ndash; w&uuml;rden 45,5 % auf einen chirurgischen Eingriff verzichten und auf &bdquo;watch and wait&ldquo; setzen. Die Mehrheit bef&uuml;rwortet hingegen die Chirurgie.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 4. St. Gallen EORTC Gastrointestinal Cancer Conference (GICC 2018), 15.–17. März 2018, St. Gallen </p>
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