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Biofilme auf Harnleiterschienen: Einfluss auf die assoziierte Morbidität

Mehr Biofilm – mehr Beschwerden?

<p class="article-intro">Die Harnleiterschienung als urologische Standardintervention ist mit einer hohen Morbidität verbunden, der Einfluss des Biofilms auf kurz einliegenden Stents wurde bisher jedoch noch nicht untersucht. Mit einer neu entwickelten, validierten Biofilmextraktionsmethode sowie einer ebenfalls validierten Patientenbefragung wurde nun die potenzielle Korrelation von Biofilm und Beschwerden in einer prospektiven Studie untersucht.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Biofilme bilden sich bereits nach kurzer Einliegedauer auf Harnleiterschienen aus.</li> <li>Biofilme scheinen nicht die Hauptursache der mit der Harnleiterschienung assoziierten Morbidit&auml;t zu sein, sind jedoch mit vermehrter Makroh&auml;maturie assoziiert.</li> <li>Eine Reduktion des Biofilms sollte zur Verhinderung von Komplikationen wie Infekten oder Stentdysfunktionen angestrebt werden.</li> </ul> </div> <h2>Hintergrund</h2> <p>Die tempor&auml;re Harnleiterschienung zur Drainage des oberen Harntrakts stellt eine Standardprozedur dar. Die Einlage sogenannter DJ-Katheter ist jedoch mit einer deutlichen Morbidit&auml;t assoziiert, unter anderem berichten die Patienten &uuml;ber Schmerzen im Bereich der Blase und Nierenloge, Makroh&auml;maturie sowie irritative Miktionsbeschwerden.<sup>1</sup> Trotz grosser Anstrengungen konnte in der Behandlung oder Vorbeugung dieser Beschwerden bisher kein Durchbruch erreicht werden. W&auml;hrend Medikamente wie Alphablocker oder Antimuskarinika die Beschwerden h&ouml;chstens reduzieren, konnte durch die Verwendung neuer Stentmaterialien und -designs keine klare Symptomreduktion erzielt werden.<sup>2</sup><br /> Ein systematisches Review<sup>3</sup> von Anfang 2017 konnte aufzeigen, dass der Einfluss von Biofilmen auf diese assoziierte Morbidit&auml;t bisher nur ungen&uuml;gend untersucht worden ist. Einzig eine vorg&auml;ngig publizierte Studie<sup>4</sup> aus dem Jahr 2013 berichtete von einer Verschlechterung der &laquo;lower urinary tract symptoms&raquo; (LUTS) durch Biofilme. Hierbei wurden jedoch weder alle Aspekte der Stent-assoziierten Morbidit&auml;t noch die nicht kultivierbaren Anteile der Biofilme ber&uuml;cksichtigt. Daher sollte im Rahmen einer prospektiven Studie der Zusammenhang zwischen Stent-assoziierten Beschwerden und Biofilmen genauer untersucht werden.</p> <h2>Material &amp; Methoden</h2> <p><strong>Biofilmextraktion</strong><br /> Im Vorfeld der Studie erfolgten die Entwicklung und die Validierung einer neuen Biofilmextraktionsmethode.<sup>5</sup> Bei dieser Methode wird der Biofilm vom DJ-Katheter mithilfe eines konischen Pinholes extrahiert, was genauere Resultate erm&ouml;glicht als die vormalige Standardmethode &laquo;sonication and vortexing&raquo;. So konnten f&uuml;r die Pinhole-Methode eine signifikant bessere Extraktion des Biofilms und ein verbesserter Nachweis von Bakterien unter standardisierten und reproduzierbaren Bedingungen gezeigt werden.</p> <p><strong>Patienten und Studiensetting</strong><br /> Zwischen Juni 2016 und August 2017 erfolgte der prospektive Einschluss von Patienten, welche einen DJ-Katheter aufgrund eines Steinleidens unilateral erhielten. Pr&auml;operativ erfolgte ein Infektausschluss mittels Urinkultur. Bei allen Patienten wurde ein identisches DJ-Kathetermodell verwendet (Percuflex<sup>&reg;</sup> Plus, Boston Scientific, Natick, MA, USA; 6 Charr; L&auml;nge gem&auml;ss Patientengr&ouml;sse 26 oder 30cm).<br /> Die Patienten wurden anschliessend eine Woche nach der Einlage, zum Zeitpunkt der DJ-Katheter-Entfernung (2&ndash;6 Wochen nach der Einlage) sowie zum Zeitpunkt der Abschlusskontrolle (2&ndash;6 Wochen nach der Entfernung) mittels Ureteral Stent Symptom Questionnaire (USSQ)<sup>6</sup> zu ihren Beschwerden befragt.<br /> Die entnommenen Stents wurden innerhalb von 6 Stunden nach der Entfernung nach oben beschriebener Methodik5 analysiert. Neben der Korrelation der totalen Biofilmmasse zum USSQ-Gesamtscore (prim&auml;rer Endpunkt) wurden verschiedene andere Korrelationen zwischen Beschwerden und Biofilmcharakteristika untersucht.</p> <h2>Resultate</h2> <p>Es wurden 101 Patienten in die Studie eingeschlossen. Der prim&auml;re Endpunkt konnte bei 90 Patienten, die sekund&auml;ren Endpunkte bei bis zu 94 Patienten analysiert werden. Knapp drei Viertel der Patienten waren M&auml;nner (78,7 % ), das mediane Alter der eingeschlossenen Patienten lag bei 54 Jahren (Range 16&ndash;85 Jahre). Die durchschnittliche Einliegedauer der DJ-Katheter lag bei 4 Wochen (19&ndash;41 Tage) und bei rund 78 % der Patienten erfolgte die Einlage notfallm&auml;ssig aufgrund von akuten Koliken.<br /> Abgesehen von einem Stent konnte auf allen DJ-Kathetern mittels der Pinhole- Methode ein Biofilm nachgewiesen werden (mediane Masse 37mg [0&ndash;310,2mg]). Auf 23 Harnleiterschienen erbrachte die qPCR-Analyse den Nachweis von Bakterien (median 193 573 Bakterien [32 432&ndash; 44 602 122]).<br /> Insgesamt zeigte sich keine signifikante Korrelation zwischen der totalen Biofilmmasse sowie dem USSQ-Gesamtscore (&laquo;Spearman rank correlation&raquo; r=0,012 [95 % CI: &ndash;0,196&ndash;0,219; p=0,911]). Neben diesem Gesamtscore wurden ebenfalls die Korrelationen der verschiedenen USSQ-Subscores wie zum Beispiel Miktionsbeschwerden (USSQFrage U1&ndash;U11) untersucht. Auch hier zeigten sich keine signifikanten Korrelationen zur gesamten Biofilmmasse (Tab. 1). Die Analyse einzelner Fragen (Einnahme von Schmerzmitteln oder H&auml;maturie) zeigte eine m&auml;ssige, aber signifikante Korrelation zwischen der gesamten Biofilmmasse und dem Auftreten einer H&auml;maturie (r=0,280; [95 % CI: 0,076&ndash; 0,462; p=0,007]).<br /> Das Ausmass einer H&auml;maturie war ebenfalls korreliert mit den Mineralanteilen des Biofilms. Es zeigte sich kein spezifischer Zusammenhang mit einem speziellen Mineraltyp, allein das Vorhandensein schien die H&auml;maturie zu triggern.<br /> Weitere ebenfalls schwache, aber signifikante Korrelationen konnten zwischen der Anzahl der Bakterien und dem Subscore Schmerzen (r=0,243; [95 % CI: 0,038&ndash;0,428; p=0,019]) sowie zur Frage nach der Einnahme von Schmerzmitteln (r=0,259; [95 % CI: 0,055&ndash;0,443; p=0,012]) nachgewiesen werden.<br /> Biofilme treten mit zunehmender Einliegedauer vermehrt auf.7 Somit w&auml;re bei einem relevanten Zusammenhang mit dem Auftreten von Beschwerden zu erwarten, dass diese ebenfalls mit l&auml;ngerer Einliegedauer zunehmen. Zur &Uuml;berpr&uuml;fung dieser Hypothese wurden die Frageb&ouml;gen eine Woche nach der Einlage mit der Befragung zum Zeitpunkt der Stententfernung verglichen. Wie in Abbildung 1 dargestellt, zeigt sich eine gleichm&auml;ssige Verteilung der entsprechenden Punkte f&uuml;r die USSQ(Sub)-Scores um die 1:1-Linie. Dies zeigt, dass die Symptome mit der Verweildauer des Stents sowohl zu- als auch abnehmen k&ouml;nnen. Der USSQ-Gesamtscore zeigte eine nicht signifikante mediane Ver&auml;nderung von &ndash;2,4 Punkten (&laquo;Wilcoxon signed-rank test&raquo;; p=0,089), die Miktionsbeschwerden oder auch der Subscore f&uuml;r Schmerzen nahmen &uuml;ber den Zeitraum sogar ab (mediane Ver&auml;nderung f&uuml;r beide &ndash;1,0; p=0,039 und 0,002).</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Unter Anwendung einer verbesserten und validierten Biofilmextraktionsmethode und von ebenfalls validierten Frageb&ouml;gen konnte gezeigt werden, dass Biofilme auf DJ-Kathetern nicht die Hauptursache der Stent-assoziierten Morbidit&auml;t bei kurzer Einliegedauer sind. Ein Zusammenhang zwischen dem Biofilm und der auftretenden Makroh&auml;maturie konnte jedoch nachgewiesen werden. Trotz dieser Ergebnisse bleibt die Reduktion des Biofilms auf Harnleiterschienen ein wichtiges Ziel zur Verhinderung von Komplikationen wie beispielsweise einer Stentobstruktion oder von Infekten, dies im Speziellen bei Dauerversorgung mit Harnleiterschienen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1803_Weblinks_lo_uro_1803_s8_tab1+abb1.jpg" alt="" width="2150" height="1804" /></p> <p>&nbsp;</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Leibovici D et al.: Ureteral stents: morbidity and impact on quality of life. Isr Med Assoc J 2007; 7(8): 491-4 <strong>2</strong> Betschart P et al.: Prevention and treatment of symptoms associated with indwelling ureteral stents: a systematic review. Int J Urol 2017. doi:10.1111/iju.13311 <strong>3</strong> Zumstein V et al.: Biofilm formation on ureteral stents - incidence, clinical impact, and prevention. Swiss Med Wkly 2017; 147: w14408. doi:10.4414/smw.2017.14408 <strong>4</strong> Bonkat G et al.: Microbial colonization and ureteral stent-associated storage lower urinary tract symptoms: the forgotten piece of the puzzle? World J Urol 2013; 31(3): 541-6. doi: 10.1007/s00345-012-0849-6 <strong>5</strong> Buhmann MT et al.: Extraction of biofilms from ureteral stents for quantification and cultivation-dependent and -independent analyses. Front Microbiol 2018; 9: 1470. doi: 10.3389/ fmicb.2018.01470 <strong>6</strong> Abt D et al.: The German linguistic validation of the Ureteral Stent Symptoms Questionnaire (USSQ). World J Urol 2016. doi: 10.1007/s00345-016- 1875-6 <strong>7</strong> Kawahara T et al.: Ureteral stent encrustation, incrustation, and coloring: morbidity related to indwelling times. J Endourol 2012; 26(2): 178-82. doi: 10.1089/ end.2011.0385</p> </div> </p>
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