
Andrologie und rekonstruktive Urologie: Innovationen und was Sie für die Praxis wissen müssen
Autorin:
Dr. Carmen Pozo
Abteilung für Urologie und Andrologie
Klinik Donaustadt, Wien
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Der Kongress der Europäischen Vereinigung für Urologie (EAU) in Madrid bot ein Palette an andrologischen Themen und Highlights in der rekonstruktiven Urologie. Das Spektrum erstreckte sich von einer Plenarsitzung zu Schwellkörperimplantaten über Innovationen in der chirurgischen Therapie der männlichen Inkontinenz bis zu einem Penisprothesen-Hands-on-Kurs am 3D-Simulationsmodell aus Silikon.
Keypoints
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Aktuelle Evidenz unterstützt den Einsatz der Testosteronersatztherapie nach kurativer Therapie des Prostatakarzinoms, wenn kein Anhaltspunkt für ein Rezidiv gegeben ist. Eine Aufklärung über fehlende Langzeitdaten ist essenziell.
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Lebensstiländerungen (Sport, Ernährung) verbessern die erektile Funktion signifikant. Studien betonen die Wirksamkeit von regelmäßiger körperlicher Aktivität und gesunder Ernährung bei der Verbesserung der erektilen Funktion, insbesondere bei Patienten mit metabolischem Syndrom oder Bluthochdruck.
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Die Induratio Penis Plastica kann das Depressionsrisiko erhöhen; die psychische Gesundheit der Patienten sollte monitorisiert und konsequent therapiert werden.
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Der Male Fertility Index kann zur Prognose einer Spontanschwangerschaft nach Varikozelektomie verwendet werden.
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Optilume zeigt bessere Langzeitergebnisse bei Harnröhrenstrikturen als dieUrethrotomia interna.
Hypogonadismus
Ein viel diskutiertes HotTopic ist die Testosteronersatztherapie (TRT) bei Patienten mit Prostatakarzinom in der Anamnese. Die Inzidenz des Prostatakarzinoms steigt sowohl mit dem Alter als auch bei Vorliegen eines metabolischen Syndroms, beides Faktoren, die mit einem niedrigeren Testosteronspiegel einhergehen können. Wir sehen uns somit nicht selten mit der heiklen Fragestellung konfrontiert, ob Patienten mit klinisch manifestem Hypogonadismus und mit anamnestischem Prostatakarzinomsicher und ohne das onkologische Outcome zu kompromittieren einer TRT erhalten können. Die aktuelle Evidenzlage und der derzeitige Expertenkonsens geben dazu eine recht eindeutige Antwort: Gerade onkologische Patienten mit erniedrigtem Testosteronspiegel und Symptomen eines klinisch manifesten Hypogonadismus profitieren von einer TRT. Wenn kein Verdacht auf das Vorliegen eines Rezidivs besteht, kann diese auch nach kurativer Therapie eines Prostatakarzinoms durchgeführt werden. Die Patienten sollten jedoch über die noch ausstehende Langzeitevidenz informiert werden.1 Die europäische Leitlinie empfiehlt außerdem eine Testosteronsubstitution nach kurativer Therapie eines Prostatakarzinoms nur im Rahmen klinischer Studien und unter Verwendung kurz wirksamer Formulierungen, um die Behandlung bei Bedarf schnell beenden zu können.2
Erektile Dysfunktion
Erneut wurde im Rahmen der diesjährigen EAU-Konferenz die Bedeutung von Lebensstiländerungen bei Patienten mit erektiler Dysfunktion hervorgehoben. Die Evidenz für die Effektivität von Lifestyle-Interventionen in bestimmten Bevölkerungsgruppen ist exzellent (Evidenzlevel 1a).2Körperliche Aktivität führt zu einem Anstieg des Stickstoffmonoxid-(NO)-Spiegels. Dies fördert die Vasodilatation sowie eine vaskuläre Umstrukturierung und wirkt nicht nur kardioprotektiv, sondern verbessert auch die Endothelfunktion – mit positivem Einfluss auf die erektile Funktion.3 Regelmäßiges körperliches Training erhöht und stabilisiert den NO-Spiegel. Neben aerobem Training, das die vaskuläre Anpassungsfähigkeit verbessert, wirken sich auch andere Sportarten über unterschiedliche Mechanismen positiv auf die erektile Funktion aus. Krafttraining kann den Testosteronspiegel erhöhen, Kampfsportarten helfen, Stress abzubauen und das Selbstwertgefühl zu steigern, Outdoor- oder Gruppensportarten verbessern die psychische Verfassung.3Ein systematischer Review zeigt, dass etwa 40 Minuten aerobes Training mit moderater bis hoher Intensität 4x pro Woche über einen Zeitraum von 6 Monaten hinweg die erektile Dysfunktion verbessert, sofern diese auf Bewegungsmangel, Adipositas, Bluthochdruck oder ein metabolisches Syndrom zurückzuführen ist.4
Gesunde Ernährungsgewohnheiten sind ein wichtiger Teil einer Lebensstiländerung. Eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Obst, Gemüse oder Nüssen und intermittierendes Fasten haben einen positiven Einfluss auf die erektile Funktion gezeigt.5 Raucher zeigen eindeutig schlechtere Ergebnisse in der penilen Doppler-Sonografie, was die vaskuläre Genese der erektilen Dysfunktion bestätigt. Die Ursache liegt nicht nur in der arteriosklerotischen Veränderung peniler Gefäße, sondern auch in der starken vasokonstriktiven Wirkung des Nikotins, die die Durchblutung im Penis während der sexuellen Aktivität kurzfristig kompromittiert.6
Am anderen Ende des therapeutischen Spektrums stehen Penisimplantate als letzte invasive therapeutische Option zur Behandlung der erektilen Dysfunktion. In diesem Zusammenhang wurdeam EAU-Kongress dieDatenbank „Phoenix“ vorgestellt. An dieser sind ca.30 europäische Zentren mit niedrigem und hohem Volumen beteiligt. Wir erwarten interessante Langzeitergebnisse in den kommenden Jahren.7
Induratio Penis Plastica
Die Induratio Penis Plastica (IPP) wurde ausführlich am EAU25 in Madrid behandelt –berichtet wurde über plaque-zielgerichtete lokale Therapien wie Botulinumtoxin, Kollagenasen und plättchenreiches Plasma bis hin zur anhaltenden Suche nach dem idealen Graft für Krümmungen über 60 Grad. Sehr interessant war die Präsentation von Studien, die den Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und der IPP untersuchen.8–10 Männer mit IPP haben ein höheres Risiko, an Depressionen zu erkranken. Eine Erstdiagnose in jüngerem Alter und IPP-bedingte Schmerzen sind Risikofaktoren in Bezug auf den Schweregrad der Depression.8 Diese Studien unterstreichen nachhaltig, dass der psychischen Gesundheit der Patienten mit IPP die entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte und die Erkrankung eines ganzheitlichen Therapieansatzes bedarf.
Infertilität
Die Rolle der aktiven chirurgischen Therapie bei klinisch diagnostizierter Varikozele sowie der Nutzen einer Intervention zur Verbesserung der Fertilität werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Kolleg:innen aus Usbekistan schlagendie Verwendung des Male Fertility Index (MFI) als Prädiktor für Spontanschwangerschaften nach Varikozelektomie vor.11 Der MFI wird unter Berücksichtigung der präoperativen Gesamtanzahl der progressiv beweglichen Spermien (TMSC), der Gesamtspermienmotilität, des Alters des Mannes und der Dauer der Unfruchtbarkeit berechnet. Die analysierten Daten von 99 Patienten zeigten eine signifikante Verbesserung der Samenparameter postoperativ, innerhalb von 12 Monaten trat bei den Partnerinnen von 30 der 99 Patienten eine Schwangerschaft ein. Ein MFI von 0,8 oder höher als Schwellenwert zeigte sich als prädiktiver Faktor für das Eintreten einer Spontanschwangerschaft nach Varikozelektomie.
Harnröhrenstrikturen
Die Sitzungen zur rekonstruktiven Chirurgie der Harnröhre standen teils ganz im Zeichen der minimalinvasiven Therapie der Harnröhrenstriktur mittels des Zytostatikum-beschichteten Dilatationskatheters Optilume. Die Kombination aus mechanischer Dilatation und lokaler Abgabe von Paclitaxel in das Gewebe soll die neuerliche Narbenbildung und somit die Rezidivstriktur hintanhalten. Es wurden fünf Abstracts zu diesem Thema präsentiert, darunter die Ergebnisse der vierjährigen Nachbeobachtung der ROBUST-III-Studie.12
In dieser randomisierten, kontrollierten Studie wurde die Dilatation mit dem Paclitaxel-beschichteten Ballon (DCB) mit der visuellen Urethrotomia interna (DVIU) oder der konventionellen Dilatation verglichen. Die Studie umfasste 127 Probanden, von denen 79 mit DCB und 48 mit DVIU oder Dilatation behandelt wurden. Die DCB-Gruppe zeigte signifikante Verbesserungen des International Prostate Symptom Score (IPSS), er sank von zu Beginn 21,9 auf 12,8 nach vier Jahren. Die maximale Harnflussrate (Qmax) verbesserte sich ebenfalls signifikant, sie stieg von 7,7ml/s auf 10,3ml/s nach vier Jahren. Die reinterventionsfreie Rate wurde für die DCB-Gruppe auf 68% geschätzt.
Literatur:
1 Kardoust Parizi M et al.: Oncological safety of testosterone replacement therapy in prostate cancer survivors after definitive local therapy: a systematic literature review and meta-analysis. Urol Oncol 2019; 37(10): 637-46 2 EAU Guidelines. Edn. presented at the EAU Annual Congress Madrid, Spain 20253 Allen MS: Physical activity as an adjunct treatment for erectile dysfunction. Nat Rev Urol 2019; 16(9): 553-62 4 Gerbild H et al.: Physical activity to improve erectile function: asystematic review of intervention studies. Sex Med 2018; 6(2): 75-89 5 Yang B et al.: Association between improved erectile function and dietary patterns: a systematic review and meta-analysis. Asian J Androl 2025; 27(2): 239-44 6 Corona G et al.: People smoke for nicotine, but lose sexual and reproductive health for tar: a narrative review on the effect of cigarette smoking on male sexuality and reproduction. J Endocrinol Invest 2020; 43(10): 1391-408 7 van Renterghem K, Deho F: Perspective on the PHOENIX trial: prospective registry for patients undergoing penile prosthesis implantation for male erectile dysfunction in multiple European centers. Int J Impot Res 2023; 35(4): 329-31 8 Lund L et al.: Peyronie’s disease and risk of depression. A nationwide 25 years cohort study. [Conference Abstract - Abstract Session 41 - Penile prosthesis and peyronie’s disease: real-world outcomes and innovation]. In press 9 Haslund MM et al.: Mental health impact in peyronie’s disease: the MIND-PD study. [Abstract Session 41 - Penile prosthesis and peyronie’s disease: real-world outcomes and innovation]. In press 10 Orsini A et al.: Peyronie’s disease: a real-world, 13-year nationwide analysis of demographics, clinical characteristics, and treatment trends. [Abstract Session 41 - Penile prosthesis and peyronie’s disease: real-world outcomes and innovation]. In press 11 Shomarufov A et al.: Evaluation of the Male Fertility Index (MFI) as a predictor of post-varicocelectomy fertility outcomes. [Abstract Session 14 - Frontiers in andrology: genetic discoveries, ART, and fertility preservation]. In press 12 Elliott SP: The Optilume® drug coated balloon for recurrent anterior urethral strictures: ROBUST III study 4-year results. [Abstract Session 21 - Long-term success and new frontiers in urethroplasty]. In press
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