
Neue Entwicklungen im Management des benignen Prostatasyndroms
Autor:
OA Priv.-Doz. Dr. Klaus Eredics, FEBU
Urologie, Klinik Donaustadt, Wien
E-Mail: klaus.eredics@gmail.com
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Die Therapie des benignen Prostatasyndroms (BPS) entwickelt sich hin zu individuell angepassten Strategien für jeden Patienten. Auf dem EAU-Kongress 2025 wurden Studien vorgestellt, die aktuelle Daten zur medikamentösen Therapie, zu chirurgischen Ergebnissen und zu funktionellen Aspekten in der Behandlung des BPS bieten.
Keypoints
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Alphablocker und Parkinson: Eine differenzierte Wirkstoffwahl (Blut-Hirn-Schranke) ist essenziell, insbesondere bei älteren Patienten.
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OAB trotz Operation: Persistierende Storage-LUTS bleiben auch nach BPS-Operation häufig bestehen. Die präoperative urodynamische Abklärung ist wichtig.
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Optilume™-Katheter bei BPS bietennachhaltige Symptomverbesserung und Erhalt der Ejakulation über 5 Jahre, unabhängig von Operateurerfahrung und Praxisumgebung.
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Aquablation führt zu ähnlicher Symptomkontrolle wie Laserenukleation, aber einer signifikant niedrigeren Rate von Ejakulationsstörungen und Belastungsinkontinenz – ein Vorteil bei sexuellaktiven Patienten.
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Die EJAC-Studie zeigt bildgebend biomechanische Abläufe der Ejakulation – „Aphrodite’s Antechamber“ und „Veru Kiss“ – und liefert anatomische Grundlagen für ejakulationserhaltende OP-Techniken.
Alphablocker und Parkinsonrisiko: epidemiologische Hinweise
Alphablocker sind die am häufigsten eingesetzte Medikamentengruppe zur Behandlung von „lower urinary tract symtoms“ (LUTS) bei BPS. Alpha-adrenerge Rezeptoren sind im menschlichen Gehirn in großer Zahl vorhanden und spielen eine wesentliche Rolle bei der Modulation der mesolimbischen Dopaminübertragung. Insbesondere Tamsulosin, Doxazosin und Terazosin sind in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, und beeinflussen über ihre Rezeptorbindung möglicherweise den zerebralen Dopaminstoffwechsel. Eine Analyse der zentralen Gesundheitsversicherung in Taiwan von Daten von 27069 Männern mit BPS zeigte, dass Patienten, die Tamsulosin, Doxazosin oder Terazosin für eine Dauer von mehr als 6 Monaten einnahmen, ein signifikant höheres Risiko aufwiesen, an Parkinson zu erkranken (Inzidenz: 2,3% vs. 0,8%; p<0,001). Die berechnete Hazard-Ratio lag bei 2,0.
Dagegen zeigten die Alphablocker Silodosin und Alfuzosin, die die Blut-Hirn-Schranke nicht oder nur minimal überwinden, kein erhöhtes Risiko. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer differenzierten Auswahl von Alphablockern zur Dauertherapie des BPS, besonders bei älteren Patienten und bei Vorliegen neurologischer Komorbiditäten.
Persistierende OAB-Symptomatik nach BPS-Operation
Ein wichtiges Thema ist die hohe Rate persistierender Storage-LUTS/OAB-Symptomatik nach chirurgischer Desobstruktion, wobei diese bei rund 75% der Patienten bereits vor der Operation bestehen. Trotz operativer Beseitigung der Blasenauslassobstruktion (BPO) persistieren bei ca. 1/3 dieser Patienten die OAB-Symptome. 10 Jahre nach einer klassischen TUR-P nimmt etwa jeder 5. Patient eine medikamentöse OAB-Therapie in Anspruch. Als positive Prädiktoren für eine vollständige Symptomremission wurden in der Studie von Young et al. eine urodynamisch nachgewiesene Obstruktion (BOOI ≥40) und eine normale Detrusorkontraktilität (BCI ≥100) identifiziert. Demgegenüber waren höheres Alter, eine lange Dauer der LUTS, schwere Storage-Symptomatik, psychologische Komorbiditäten sowie verschiedene urodynamische Subtypen der Detrusorüberaktivität (DO) („early DO“, „Hochdruck-DO“, „terminale DO“) mit einem erhöhten Risiko für persistierende Beschwerden assoziert. Bei starken Storage-LUTS ist vor einer Operation eine urodynamische Untersuchung erforderlich, um zwischen obstruktiver OAB und primärer DO zu unterscheiden. Eine Operation sollte nur bei bestätigter Obstruktion durchgeführt werden, vorzugsweise durch anatomische Enuklation, bipolar oder mit Laser, um maximale Desobstruktion zu erreichen. Wenn OAB-Symptome nach der Operation bestehen bleiben, kann eine intravesikale Botoxinjektion eine sichere und wirksame Therapie sein.
Aquablation vs. Laserenukleation bei großen Prostatavolumina
Die als „Game-Changer“ präsentierte WATER-III-Studie verglich in einer multizentrischen, prospektiven Untersuchung die robotergesteuerte Aquablation und die transurethrale Laserenukleation (LEP, mittels Holmium- oder Thuliumlaser) bei großen Prostatavolumina (80–180ml). Die präsentierten 3-Monats-Daten zeigten, dass beide Verfahren bei der Symptomlinderung (gemessen am IPSS) vergleichbare Ergebnisse erzielten. Die durchschnittliche Reduktion des IPSS als primärer Endpunkt lag bei den Patienten der Aquablation-Gruppe bei 12,9 Punkten und bei der LEP-Gruppe bei 13,1 Punkten (p=0,745). Die Verbesserung der maximalen Harnflussrate war in der LEP-Gruppe signifikant stärker ausgeprägt als bei Aquablation (p<0,001). Ebenso war die postoperative Volumenreduktion der Prostata in der LEP-Gruppe signifikant größer (p<0,001). Ein Vorteil der Aquablation zeigt sich hinsichtlich der sexuellen Funktion: Ejakulationsstörungen traten bei nur 14,8% der Patienten der Aquablation-Gruppe auf, verglichen mit 77,1% in der LEP-Gruppe (p<0,0001). Auch die Belastungsinkontinenzrate nach 3 Monaten war nach Aquablation signifikant niedriger: 0% der Patienten nach Aquablation im Vergleich zu 9,1% nach LEP (p<0,05).
Bezüglich der perioperativen Komplikationen gemäß Clavien-Dindo-Klassifikation waren Komplikationen vom Grad 2 oder höher bei 38,8% der Aquablation-Patienten und 54,5% der LEP-Patienten dokumentiert worden (p<0,05). Schwerere Komplikationen traten in beiden Gruppen selten auf (Aquablation: 8,2%; LEP: 5,6%).
Der internationale Studienleiter Manuel Ritter wies darauf hin, dass die Integration von Elektrokautertechniken bei der Aquablation inzwischen zu einer Verbesserung der Blutungskontrolle geführt habe, besonders bei großen Prostatavolumina. Gleichzeitig betonte er, dass die Laserenukleation sich zwar als Goldstandard für große Drüsen etabliert habe, jedoch mit einer steilen Lernkurve verbunden sei.
Die WATER-III-Studie zeigt, dass die Aquablation eine wirksame Alternative zur LEP darstellt, insbesondere beim Erhalt der Ejakulationsfunktion und hinsichtlich der Minimierung von Belastungsinkontinenz.
Optilume™-Katheter: minimalinvasive Therapie mit funktionellem Erhalt
Der medikamentenbeschichtete Katheter Optilume™ stellt einen innovativen Ansatz in der operativen BPS-Therapie dar. Durch eine ballonbasierte Dilatation der prostatischen Harnröhre, kombiniert mit der lokalen Abgabe von Paclitaxel, lassen sich signifikante Verbesserungen der symptomatischen Parameter erzielen: Der IPSS, der maximale Harnfluss (Qmax) sowie die Lebensqualität (QoL) konnten nachhaltig verbessert werden. Die Langzeitdaten über einen Zeitraum von 5 Jahren zeigen, dass – neben der dauerhaften Symptomkontrolle – die Ejakulation weitgehend erhalten bleibt. Darüber hinaus bestätigten die Studien EVEREST-I und PINNACLE den klinischen Nutzen der Therapie.
In der EVEREST-I-Studie wurden 80 Patienten behandelt, von denen 53 nach 5 Jahren nachbeobachtet wurden. Der IPSS verbesserte sich im Durchschnitt um 10,6 Punkte. Der Harnfluss stieg von 10,9ml/s auf 17,8ml/s. Nur 3,8% der Patienten benötigten eine Retherapie (2 medikamentös, 1 chirurgisch). Die kombinierte Auswertung von EVEREST und PINNACLE (n=179, Follow-up 2 Jahre) zeigte eine IPSS-Verbesserung von 22,9 auf 9,7 Punkte. Der Qmax stieg von 9,8 auf 18,1ml/s, der Restharn reduzierte sich von 75 auf 56 ml. Die sexuelle Funktion blieb unverändert. Die Reinterventionsrate lag bei nur 1,7%. Eine weitere gepoolte Analyse der beiden Studien unterstreicht die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse in klinisch sehr unterschiedlichen Umgebungen. An der Multicenter-Studie waren 28 verschiedene Urologen aus Lateinamerika, Kanada und den USA beteiligt – in Ambulanzen, Krankenhäusern und Praxis-Settings. Chirurgen wurden in zwei Gruppen eingeteilt: solche mit großer Erfahrung (>10 Eingriffe) versus solche mit geringer Erfahrung (<10 Eingriffe).
Unabhängig von Erfahrung, Altersstruktur der Patienten, Prostatagröße oder Behandlungsort zeigten sich konsistente Verbesserungen. Der IPSS sank in beiden Gruppen nach zwei Jahren um über 57%, die Verbesserung der Harnflussrate (Qmax) und die Lebensqualität (BPH Impact Index) waren zwischen beiden Gruppen vergleichbar. Auch die 30-Tages-Komplikationsraten nach Clavien-Dindo waren in beiden Gruppen nahezu identisch. Die Daten zeigen eine gute Übertragbarkeit und Zuverlässigkeit der Therapie, ebenfalls unabhängig vom Setting und von der Erfahrung.
EJAC-Studie: neue Einblicke in die Ejakulationsmechanik
Ejakulationsstörungen stellen eine häufige Ursache postoperativer Unzufriedenheit nach BPS-Eingriffen dar. Ziel der Studie war es, die komplexe Biomechanik der Ejakulation durch Echtzeit-Bildgebung zu untersuchen. In einem interventionalen Setting wurden drei gesunde Probanden mittels Transrektalultraschall (TRUS) sowie flexibler Zystoskopie während des Ejakulationsvorgangs untersucht. Dabei wurden neue dynamische Mechanismen im Ablauf der Ejakulation sichtbar:
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Während der Emissionsphase kam es zur Bildung einer perikollikulären Höhle, in der ein Überdruck entsteht – bezeichnet als „Aphrodite’s Antechamber“ – die den initialen Samenerguss aus den Ductus ejaculatorii sammelt.
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Entgegen bisherigen Annahmen wurde kein systematischer Verschluss des Blasenhalses beobachtet. Stattdessen trug die Kontraktion der perikollikulären Muskulatur zur Emission des Spermas in die neu entdeckte Antechamber bei.
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Die Expulsionsphase wird eingeleitet durch den sogenannten „Veru Kiss“ – eine initiale, katapultartige Kippbewegung des Kollikels nach anterior, die den Samenerguss unter Hochdruck in Richtung Harnröhre schleudert.
Diese mechanischen Vorgänge wurden sowohl mittels Ultraschall- als auch Urethroskopie erstmals visuell dokumentiert und könnten künftig als anatomische Grundlage für die Entwicklung ejakulationserhaltender operativer Techniken dienen.
Literatur:
● Chen JK, Shih HJ: Long-term use of alpha-adrenergic receptor antagonists in patients with benign prostatic hyperplasia and its association with the risk of Parkinsonʼs disease: The role of blood-brain barrier permeability as a key factor. EAU 2025 ● Pradère B: Exploration of ejaculatory anatomy concept: The EJAC study. EAU 2025 ● Ritter M: WATER III: Aquablation vs. transurethral laser enucleation of large prostates (80-180ml) in benign prostatic hyperplasia. EAU 2025 ● Sinha S, Cornu J,TikkinenKAO: Navigating the urge: Clinical decision-making in patients in overactive bladder (OAB) and benign prostatic obstruction (BPO). EAU 2025 ● Zorn KC, Kaplan SA: OptilumeBPH transurethral radial balloon opening prostate procedure: reproducible and consistent outcomes across varied clinical settings and physician expertise levels & long-term effectiveness of a new drug-device combination for BPH treatment: five-year results of optilume BPH in the EVEREST study; EAU 2025
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