
Treat-to-target lindert nicht nur die Entzündung, sondern auch die Schmerzen
Bericht:
Dr. Felicitas Witte
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Schmerzen gehören zu den einschränkendsten Symptomen bei juveniler idiopathischer Arthritis (JIA). Es gibt immer wieder Kinder, deren Schmerzen sich nicht bessern, obwohl die Entzündung unter medikamentöser Therapie deutlich zurückgeht. Schmerzen sollten daher so rasch wie möglich behandelt werden, um die Sensitivierung zu verhindern. Die Treat-to-target-Strategie ist dabei effektiv, so das Resultat einer aktuellen Studie.1
Von 1000 Kindern leiden 1 bis 2 an einer juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) – es ist die häufigste chronische entzündlich-rheumatische Krankheit im Kindes- und Jugendalter. Die Behandlung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMARDs) gelingt es zunehmend, die Entzündung dauerhaft zu kontrollieren. Angestrebt wird heute eine Remission oder inaktive Erkrankung. Beurteilt wird dies anhand des Juvenile Arthritis Disease Activity Score (JADAS) und/oder der Wallace-Kriterien (siehe Textkasten).2,3 Einen inaktiven Status erreicht man bei den meisten Kindern in den ersten Behandlungsjahren.
Schmerzen trotz inaktiver Erkrankung
Eines der einschränkendsten Symptome sind Schmerzen. Diese können Schlafstörungen und Schwierigkeiten in der Schule zur Folge haben und die Lebensqualität deutlich mindern. Die Krankheitsaktivität trägt zum Ausmaß der Schmerzen bei. Es gibt aber immer wieder Kinder, deren Schmerzen sich nicht bessern, obwohl sie Medikamente bekommen und die Entzündung deutlich zurückgeht. Dies könnte daran liegen, dass die Kinder schmerzempfindlicher sind. Studien weisen darauf hin, dass Kinder mit JIA eine niedrigere Schmerzschwelle haben als ihre Altersgenossen, selbst wenn sich keine erkennbare Gelenkentzündung nachweisen lässt. Die Hypothese ist, dass es wegen einer peripheren und zentralen Schmerzsensitivierung zu einer niedrigeren Schmerzschwelle kommt. Vereinfacht gesagt verarbeiten die Neuronen Schmerzsignale anders, und das Kind nimmt Schmerzen verstärkt wahr. Eine der entscheidenden Therapiestrategien bei der JIA sollte daher sein, Schmerzen so rasch wie möglich zu behandeln, um die Sensitivierung zu verhindern. Bisher war unklar, ob die Treat-to-target-Strategie auch gegen Schmerzen hilft. Dass dies der Fall ist, lässt nun eine Studie aus den Niederlanden vermuten.1 Auf den ersten Blick scheint dabei kaum relevant zu sein, welche Medikamente die Kinder bekommen.
92 Patient:innen im Alter zwischen 4 und 14 Jahren wurden randomisiert und initial mit einer von drei medikamentösen Strategien behandelt:
-
Methotrexat oder Sulfasalazin in Monotherapie
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Methotrexat plus 6 Wochen Prednisolon-Bridging
-
Etanercept plus Methotrexat
Reichten die Medikamente nicht, wurde die Behandlung gemäß Leitlinien intensiviert. Der primäre Endpunkt war die Schmerzintensität, gemessen mit der visuellen 100Millimeter-Analogskala (VAS), wobei 0mm keine und 100mm unerträgliche Schmerzen bedeuten.
Der Punktwert auf der Skala war nach 2 Jahren im Schnitt von 55,3mm (Standardabweichung 21,7) auf 19,5mm gesunken, was durchschnittlich 1,37mm pro Monat entspricht. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Therapiearmen. Kinder mit einem höheren Schmerzscore zu Beginn der Studie und mehr entzündeten Gelenken hatten nach 2 Jahren eher einen höheren Punktwert auf der Schmerzskala. Eine höhere Wahrscheinlichkeit für weniger starke Schmerzen bestand, wenn die Krankheitsaktivität auf der 100mm-VAS durch die Behandler als inaktiv eingeschätzt wurde (Abb. 1) und das Kind niedrige Punktwerte im Child Health Questionnaire in Bezug auf körperliches und psychosoziales Wohlbefinden aufwies.
Abb. 1: Schmerz-Scores auf der visuellen Analogskala (VAS) bei aktiver (AD) und inaktiver JIA (ID) nach den Wallace-Kriterien. Angegeben sind der Median und der Interquartil-Abstand. Nach 1 Jahr lag bei 48 Kindern eine inaktive JIA vor, nach 2 Jahren bei 65 (nach Spekking et al., 2023)1
Die Treat-to-target-Strategie sei effektiv, so das Fazit der Autor:innen, um die Schmerzen zu reduzieren, und alle drei getesteten Medikamentenregime seien vergleichbar gut. Es sei wichtig, Kinder mit Risikofaktoren für starke Schmerzen zu identifizieren und diese mit zusätzlichen Maßnahmen zu unterstützen.
JIA: inaktive Krankheit und Remission
Für die Definition „inaktive JIA“
werden am häufigsten die Kriterien von Wallace genutzt:2
keine Gelenke mit aktiver Arthritis
kein Fieber, kein Ausschlag, keine Serositis, Splenomegalie oder Lymphadenopathie im Zusammenhang mit der JIA
keine aktive Uveitis
normale BSG oder normales CRP
ärztliche Einschätzung der Krankheitsaktivität: geringster möglicher Wert
Morgensteifigkeit kürzer als
15 Minuten
Klinische Remission ist die Zeitspanne inaktiver Erkrankung. Am häufigsten werden 6 Monate inaktiver Erkrankung als klinische Remission „on medication“ definiert.3 Können die Medikamente ausgeschlichen und gestoppt werden, definiert man klinische Remission „off medication“ als einen Zeitraum von 12 Monaten anhaltender Remission nach Stopp aller entzündungshemmenden Medikamente.
Literatur:
1 Spekking K et al.: Significant pain decrease in children with non-systemic juvenile idiopathic arthritis treated to target: results over 24 months of follow up. Pediatr Rheumatol Online J 2023; 21(1): 90 2 Wallace CA et al.: American College of Rheumatology provisional criteria for defining clinical inactive disease in select categories of juvenile idiopathic arthritis. Arthritis Care Res 2011; 63(7): 929-36 3 Wallace CA et al.: Patterns of clinical remission in select categories of juvenile idiopathic arthritis. Arthritis Rheum 2005; 52(11): 3554-62
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