
Frühzeitige Remission ist oberstes Ziel
Autor:
Prof. Dr. Klaus Tenbrock
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Uniklinik RWTH Aachen
E-Mail: ktenbrock@ukaachen.de
aufgezeichnet von:
Dr. Felicitas Witte
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In einer Studie wurde gezeigt, dass eine Treat-to-Target-Strategie bei juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) nicht nur die Entzündung bremsen kann, sondern auch Schmerzen bessert. Dabei hatten drei Therapieregime einen vergleichbaren Effekt.1 Prof. Dr. Klaus Tenbrock, Präsident der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR), kommentiert.
Kernaussage der Studie war, dass eine Treat-to-Target-Strategie die Schmerzen unabhängig davon reduzierte, welche Medikamente gegeben wurden.1 Das wundert mich nicht und es deckt sich mit vorläufigen Daten aus unserem ProKind-Rheuma-Projekt,2 die bislang nicht veröffentlicht sind. Ziel ist es, die Prognose rheumakranker Kinder zu verbessern. Wir haben überprüft, ob die Harmonisierung des therapeutischen Vorgehens durch Therapieprotokolle zu einem besseren Verlauf führt. An unserer Studie nahmen 553 Kinder mit JIA aus Deutschland teil. Auch wir sahen, dass die Kinder nach 6 und 12 Monaten deutlich weniger Schmerzen hatten und sich ihr allgemeines Wohlbefinden gebessert hatte. Wir haben dies ebenfalls in einigen Fällen unabhängig von den angewendeten Therapieprotokollen gesehen.
Bei Treat-to-Target definiert man ein Therapieziel, das innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erreicht werden soll. Das kann bei JIA die Remission sein, d.h., die Erkrankung ist inaktiv, es liegt keine Entzündung mehr vor und das Kind hat keine Beschwerden. Es kann aber auch die Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit oder die Besserung der Fatigue sein. Die Remission ist unser oberstes Ziel, aber abhängig von der Schwere und Dauer der Erkrankung nicht immer innerhalb der gewünschten Zeit zu erreichen. Es gibt verschiedene Vorgehensweisen, wie man zu den festgelegten Zielen kommen kann. Für neu an einer Polyarthritis erkrankte Kinder und Jugendliche werden beispielsweise folgende Strategien als Optionen erachtet:
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eine konventionell systemische (cs)DMARD-Monotherapie – zumeist Methotrexat (MZX) –, bei unzureichendem Ansprechen gefolgt von einer biologischen (b)DMARD-Monotherapie
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eine csDMARD-Monotherapie, gefolgt von einer Kombinationstherapie von csDMARD und bDMARD nach Versagen des initialen csDMARDs
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eine initiale csDMARD-Therapie mit einer hoch dosierten Glukokortikoidpulstherapie, gefolgt von einer späteren csDMARD- und bDMARD-Kombinationstherapie bei unzureichendem Ansprechen
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eine initiale csDMARD-Therapie mit multiplen Glukokortikosteroid-Gelenkinjektionen, bei unzureichendem Ansprechen gefolgt von einer csDMARD- und bDMARD-Kombinationstherapie.
Die jeweiligen Therapieprotokolle sind auf der Website der GKJR downloadbar.2
Die Ergebnisse der Studie aus den Niederlanden1 bedeuten nicht, dass man sich die teuren biologischen DMARDs sparen kann, weil eine MTX-Monotherapie genauso gut wirkt. MTX ist zwar immer unsere Therapie der ersten Wahl bei polyartikulärer JIA und wirkt bei einem beträchtlichen Teil sehr gut. Bei oligoartikulärer JIA sind aber als erstes intraartikuläre Steroide indiziert und erst bei Therapieversagen MTX. Und manche Kinder profitieren eindeutig von Biologika. Die vorläufige Auswertung unserer ProKind-Daten zeigt, dass die Kinder mit Polyarthritis, die am Anfang der Behandlung Cortison bekommen haben, am Ende der 12-monatigen Beobachtung doch fast alle ein Biologikum benötigten und länger brauchten, um in Remission zu kommen. Hier stellt sich die Frage, ob der frühzeitige Einsatz eines Biologikums nicht besser gewesen wäre. Wir können aus unseren Daten zudem ablesen, dass wir bei über 70% der polyartikulären Patienten eine Remission oder sehr geringe Krankheitsaktivität erzielen, was deutlich besser ist als die bislang publizierten Daten aus anderen Studien. Wir führen das auf das Treat-to-Target-Konzept zurück.
Die neue Studie ist ein wichtiger Baustein, der zusammen mit ProKind Rheuma unser Vorgehen verändern wird. Eine frühzeitige Remission ist das oberste Ziel und anhand dessen sollte man seine therapeutische Strategie überlegen. Wir sind mit den niederländischen und anderen europäischen Kolleg:innen dabei, unser Vorgehen zu harmonisieren. Ich gehe davon aus, dass wir bald europaweit einheitliche Standards haben, zu der ProKind Rheuma und die Studie aus den Niederlanden sicherlich wertvollen Input beitragen. Eine Limitierung der Studie ist, dass nicht mit Kindern verglichen wurde, die nicht gemäß Treat-to-Target behandelt wurden. Man hätte hier auf historische Kohorten zurückgreifen können. Wir vergleichen die Daten unserer Patient:innen mit der ICON(Inception Cohort of Newly Diagnosed Patients with Juvenile Idiopathic Arthritis)-Kohorte der GKJR, die vor 10Jahren initiiert wurde.
Treat-to-Target hat das Potenzial, die Prognose von Kindern mit JIA deutlich zu verbessern, was nicht nur den Betroffenen zugute kommt, sondern auch erhebliche positive sozioökonomische Auswirkungen hat. Es bleiben aber noch einige Fragen zu klären, z.B. wie man therapieresistente Fälle besser behandeln kann oder wann man die Therapie beenden kann.
Literatur:
1 Spekking K et al.: Pediatr Rheumatol Online 2023; 21(1): 90 2 www.gkjr.de/forschungsprojekte/prokind-rheuma
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