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Schuppenflechte und Rheuma: mehr als nur „Psoriasis arthropathica“
Jatros
Autor:
Dr. Wolfgang Halder
Abteilung für Innere Medizin und Akutgeriatrie,<br> LKH Hochzirl-Natters, Standort Hochzirl<br> E-Mail: wolfgang.halder@tirol-kliniken.at
30
Min. Lesezeit
21.11.2019
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<p class="article-intro">Wegen der unterschiedlichsten Präsentationsmöglichkeiten (nicht nur an der Körperoberfläche!) ist die Psoriasis manchmal schwer zu diagnostizieren. Durch die Mitbeteiligung anderer Organsysteme und des Bewegungs- und Stützapparates stellt sie oft auch eine interdisziplinäre Herausforderung dar.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Neben dem gehäuften Auftreten von Stoffwechselproblemen wie Hyperurikämie und Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen und depressiven Zustandsbildern können bei ca. 15 % der Psoriasiskranken entzündlich-rheumatische Probleme auftreten. Dem bunten Bild der Hauterscheinungen steht ein ebenso buntes Bild möglicher Beschwerden des Bewegungs- und Stützapparates gegenüber. Allerdings korreliert die Intensität der Hauterscheinungen nicht mit dem Risiko des Auftretens bzw. dem Ausmaß der rheumatologischen Manifestationen. Auch gibt es keine Regelmäßigkeiten in der zeitlichen Abfolge: Rheumatologische Symptome treten zwar meist erst einige Jahre nach Beginn der Hauterscheinungen auf, können aber in Einzelfällen auch vor dem Hautbefall Beschwerden verursachen.</p> <h2>Klinisches Bild, mögliche Symptome</h2> <p>Neben der „klassischen“ Arthritis psoriatica, der Gelenksentzündung, die sich mit Schwellung, Rötung, Überwärmung und morgenbetonter Steifigkeit und Schmerz (oft allerdings weniger stark ausgeprägt als bei der rheumatoiden Arthritis) und typischerweise als Mono- oder Oligoarthritis, asymmetrisch und hauptsächlich große Gelenke der unteren Extremitäten betreffend, präsentiert, kommen auch Arthritiden der kleinen Fingergelenke, Enthesitiden und axiale Beteiligung vor. Besonders der transversale symmetrische Befall der distalen Interphalangeal( DIP)-Gelenke ist eine für die Psoriasis typische rheumatologische Manifestation, die gerade bei älteren Menschen oft schwer von (aktivierten) Fingergelenksarthrosen (Heberden-Arthrosen) unterschieden werden kann. <br />Bei axialer Beteiligung ist typischerweise meist nur das Iliosakralgelenk einseitig betroffen, was die Psoriasismanifestation von der axialen SpA (Spondylarthritis), dem Morbus Bechterew, unterscheidet. Andere Abschnitte der Wirbelsäule können ebenso betroffen sein wie auch das Sternum (vor allem die Verbindung zwischen Manubrium und Corpus sterni) und die Sternoklavikulargelenke. <br />Differenzialdiagnostisch oft schwer zuzuordnen sind Enthesiopathien, besonders wenn diese einseitig und als Einzelmanifestation auftreten. Für eine Achillessehnenansatztendinitis/- tendinopathie, einen Fersensporn, Tennis- und Golferellbogen sowie schmerzhafte Reizzustände der Sehnenansätze am Trochanter major oder Tuber ischiadicum gibt es eine Reihe orthopädischer oder belastungsbedingter Ursachen, weshalb diese oft längere Zeit als verursachend angesehen und erfolglos behandelt werden, bevor der Zusammenhang mit einer Psoriasis erkannt wird. <br />Eine Besonderheit der Spondylarthritiden mit peripherem Befall, zu denen auch die psoriasisassoziierten Beschwerden des Bewegungsapparates zählen, ist die Daktylitis, bei der nicht nur synoviale Strukturen von Gelenken, sondern auch das umgebende Weichteilgewebe mit Sehnen und Bändern betroffen ist. Dies führt zu Schwellungen eines ganzen Finger- oder Zehenstrahls, die wegen des dadurch bedingten Aussehens auch als „Wurstfinger“ oder „Wurstzehe“ bezeichnet werden.</p> <h2>Diagnostisches Vorgehen</h2> <p>Der wichtigste Schritt zur richtigen Diagnose ist bei allen bisher geschilderten Beschwerden des Bewegungs- und Stützapparates die Frage nach dem Vorliegen einer Psoriasis bei den Patienten selbst, aber auch – ganz wichtig – bei Blutsverwandten. Bei Verdacht sollte die Vorstellung beim Dermatologen folgen. Besonders bei Nagelbefall und bei Psoriasis palmoplantaris treten statisch gehäuft rheumatologische Komorbiditäten auf, aber auch ein einzelner kleiner Psoriasisherd kann bei typischer Klinik den Weg zur richtigen Diagnose weisen. <br />Laborbefunde können differenzialdiagnostisch helfen, aber viele Verlaufsformen gehen ohne erhöhte Entzündungszeichen im Blut einher. Ein positiver niedertitriger Rheumafaktor sollte gerade bei älteren Menschen nicht zur Fehldiagnose einer rheumatoiden Arthritis führen, da derartige Befunde mit zunehmendem Alter ohne klinische Relevanz gehäuft auftreten. Ein positiver Rheumafaktor und Nachweis von ACPA sollten aber gerade bei jüngeren Patienten an das gemeinsame Auftreten einer rheumatoiden Arthritis und einer Hautpsoriasis denken lassen. Einen mäßig erhöhten Harnsäurespiegel findet man oft, HLA-B27 kann, muss aber nicht nachweisbar sein. <br />Die Sonografie bestätigt das Vorliegen einer Entzündung bei Gelenksschmerzen und Sehnenproblematik und kann bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers auch für eine psoriasisassoziierte Problematik typische Befunde liefern. Teurer und schwerer verfügbar ist die Magnetresonanztomografie, sie ist aber vor allem zur Diagnostik einer Iliosakralgelenksarthritis in einer frühen Phase unverzichtbar. <br />Das konventionelle Röntgen zeigt erst nach längerem Bestehen der Erkrankung Veränderungen. Diese können dann aber, wie z. B. das „Pencil-in-cup“-Phänomen bei Arthritis der Fingergelenke, für die Psoriasis typisch sein.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Auch in den aktuell neu erstellten Guidelines zur Therapie der Psoriasisarthritis (PsA) der EULAR sind NSAR nach wie vor Medikamente der ersten Wahl und nur wenn diese nicht ausreichend wirken, nicht vertragen werden oder Kontraindikationen vorliegen, sollten weitere Therapieoptionen überlegt werden. Dabei empfiehlt die EULAR in den neuen Guidelines je nach Präsentation der rheumatologischen Symptomatik unterschiedliche Behandlungspfade. Bei Befall peripherer Gelenke sollten als nächster Schritt konventionelle Basistherapeutika (csDMARDs) eingesetzt werden. Obwohl nur wenige Studiendaten zu all diesen Präparaten vorliegen, empfiehlt die EULAR auf empirischer Basis bei auch systemisch zu therapierendem Hautbefall Methotrexat als erste Wahl. <br />Leflunomid und Sulfasalazin gelten als gleichwertige Option zur Behandlung der Arthritiden, dürften aber die Hauterscheinungen weniger gut therapieren. Bei nicht ausreichendem Ansprechen auf die Therapie, Unverträglichkeit oder Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen sollte vor allem bei sehr aktiven, aggressiv verlaufenden Formen frühzeitig auf Biologika bzw. Biosimilars gewechselt werden. Dabei dürften bei ausgeprägtem Hautbefall IL-17- und IL12/IL23-Antagonisten gegenüber TNF-alpha-Blockern wegen der besseren Wirkung auf die Hauterscheinungen zu bevorzugen sein. Bezüglich der erfolgreichen Behandlung der Arthritiden dürfte kein Unterschied zwischen diesen Präparaten mit unterschiedlichen Angriffspunkten bestehen. <br />Bei axialem Befall zeigen erfahrungsgemäß konventionelle DMARDs keinen Erfolg, weshalb nach Therapieversuch mit NSAR als nächster Schritt Biologika/Biosimilars eingesetzt werden sollten, wobei erfahrungsgemäß nur TNF-alpha- und IL17-Inhibitoren in dieser Indikation erfolgreich sind.<br /> Therapierefraktär zeigen sich oft Enthesitiden, bei denen nach NSAR zuerst konventionelle DMARDs versucht werden können, allerdings meist nicht ausreichend helfen, sodass auch hier Biologika/Biosimilars empfohlen werden – mit oft erfreulichem Ansprechen. <br />Neuere, orale Behandlungsformen, die Januskinaseinhibitoren (JAK-Inhibitors), werden wegen der noch kürzeren Beobachtungszeiträume (Markteinführung und Zulassung für PsA erst vor wenigen Jahren) von der EULAR erst nach Ausschöpfen oben angeführter Behandlungen empfohlen. <br />Apremilast scheint in den Guidelines als Behandlungsoption bei milderen Verläufen oder wegen seiner guten Verträglichkeit bei Kontraindikationen für andere Therapiemöglichkeiten auf. <br />Abatacept wird in den Guidelines nicht explizit erwähnt, dürfte aber den TNF-alpha-Inhibitoren gleichgestellt sein. <br />Nicht vergessen sollte man aber bei monoartikulären Manifestationen oder Enthesitiden, die nur an einer Stelle auftreten, die Möglichkeiten der topischen NSAR-Applikation, der lokalen Kortikoidtherapie und physikalischer Maßnahmen, bevor eine systemische Therapie eingeleitet wird. <br />In differenzialtherapeutische Überlegungen müssen immer auch Komorbiditäten mit einbezogen werden, auch wenn diese dem Formenkreis der Spondylarthritiden zugerechnet werden oder diesen zumindest nahestehen. So ist bei begleitender Uveitis die Datenlage für neuere Biologika sehr begrenzt, sodass bei dieser Augenmitbeteiligung TNF-alpha-Inhibition als Therapieprinzip gewählt werden sollte. Bei Zeichen einer begleitenden entzündlichen Darmerkrankung dürfen keine IL- 17-Inhibitoren eingesetzt werden, da durch deren Wirkmechanismus eine entzündliche Darmerkrankung verschlechtert werden kann. <br />Zunehmend erkannt werden auch Zusammenhänge von Psoriasis mit Stoffwechselstörungen und damit verbundenen Organschäden und kardiovaskulären Erkrankungen, sodass den Patienten die regelmäßige Kontrolle und gegebenenfalls konsequente Therapie auch dieser Aspekte nahegelegt werden muss.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Schuppenflechte an der Haut und am Bewegungs- und Stützapparat kann sich in unterschiedlichster Intensität und Art und Weise klinisch präsentieren und stellt deshalb oft eine differenzialdiagnostische Herausforderung dar, die nur interdisziplinär bewältigt werden kann. <br />Neue, differenzierte Therapie-Guidelines und neue medikamentöse Entwicklungen lassen auf erfolgreiche Behandlung hoffen, zu deren Erreichen aber auch interdisziplinäre Absprache erforderlich ist. <br />Besonders Komorbiditäten, die die Betroffenen jahrelang viel weniger belasten als Hauterscheinungen, und rheumatologische Beschwerden sollten von den Behandlern bereits bei Diagnosestellung mitbeachtet und vor allem auch mittherapiert werden, um irreversible Schäden, z. B. des kardiovaskulären Systems, zu vermeiden. <br />Auch schwerster Haut- und Nagelbefall kann dank Wirkprinzipien der neuen Medikamente oft vollständig abklingen, bei den rheumatologischen Manifestationen ist dies leider in vielen Fällen noch nicht in diesem Ausmaß möglich.</p></p>
<p class="article-footer">
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<p>beim Verfasser</p>
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