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Systemische Sklerose

Management von gastrointestinalen und kardialen Komplikationen

Die systemische Sklerose ist selten, aber jeder Rheumatologe hat irgendwann damit zu tun. Ineinem virtuellen Vortrag erläuterte Prof. Britta Maurer aus Bern mit anschaulichen Beispielen das aktuelle Management bei Organbeteiligung des Magen-Darm-Trakts und des Herzens.

Die systemische Sklerose kann nahezu jedes Organ betreffen. Sie ist unter den Kollagenosen diejenige Krankheit mit der höchsten Mortalität. In mehr als 90% der Fälle ist die Haut betroffen, in bis zu 80% die Lunge und in etwa 60% das Herz. 90% der Patienten bekommen gastrointestinale und 65% muskuloskelettale Komplikationen.1 «Glücklicherweise hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Prognose der Patienten deutlich verbessert», sagt Prof. Dr. med. Maurer,Direktorin und Chefärztin der Universitätsklinik für Rheumatologie und Immunologie im Inselspital Bern. «Aber weil die Symptome so variabel sind, sind Diagnose und Therapie eine Herausforderung.»

Wir berichten über zwei häufige Komplikationen aus Prof. Maurers Vortrag: zum einen gastrointestinale, denn diese sind sehr häufig und beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten deutlich; zum anderen Komplikationen am Herzen, denn diese sind massgeblich für einen vorzeitigen Tod verantwortlich.

«Vielfach herrscht die Meinung, die systemische Sklerose sei eine zwar progrediente Krankheit, die aber nur langsam voranschreite», sagt Maurer. «Das ist aber eine Fehlannahme.» Die meisten Symptome manifestieren sich nämlich innert der ersten 5 Jahre mit weit reichenden Organmanifestationen (Abb. 1).1 In der EUSTAR-Studie hatten nach einem Jahr mehr als 70% der 695 Patienten Komplikationen im Gastrointestinaltrakt, an der Lunge und an der Haut, und mehr als 50% der Patienten in den folgenden 5 Jahren digitale Ulzera oder eine Beteiligung des Herzens. Deshalb sei es so wichtig, die Diagnose frühzeitig zu stellen und die Patienten engmaschig zu monitorisieren, so Maurer.

Abb. 1: Häufigkeit einer Organbeteiligung bei Patienten mit systemischer Sklerose (mod. nach Jaeger et al. 2016)1

Gastrointestinale Komplikationen

Die Patienten klagen über verschiedenste Magen-Darm-Beschwerden: In einer Studie unter Federführung von Prof. Ulrich Walker vom Universitätsspital Basel mit 3656 Patienten litten 10–70% der Befragten unter Dysphagie, Sodbrennen, Völlegefühl, Meteorismus, Übelkeit oder Erbrechen, Verstopfung, Diarrhö oder Stuhlinkontinenz.2 Maurer fürchtet aber, Ärzte würden diesen Symptomen zu wenig Aufmerksamkeit schenken und in Relation selten gastrointestinale Komplikationen diagnostizieren. Eine Ausnahme sei die gastrointestinale Refluxkrankheit. Die Entstehung der gastrointestinalen Komplikationen ist komplex: Eine Rolle spielen erstens eine Vaskulopathie mit Angiodysplasien und Mikroangiopathie, zweitens eine Neuropathie infolge einer Affektion der Vasa nervorum sowie drittens eine Myopathie mit Atrophie und progressiver Muskelfibrosierung.

Wie sich gastrointestinale Komplikationen behandeln lassen, erklärte Maurer am Beispiel einer ihrer Patientinnen, einer 44 Jahre alten Frau mit kutan limitierter, Anti-Centromer-Antikörper-positiver Systemsklerose. Die Patientin berichtete über Reflux, Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl und Dysphagie für feste Speisen. Sie nahm 2x40mg Pantoprazol täglich und das Prokinetikum Domperidon nach Bedarf. Die Frau litt zudem unter chronischer Verstopfung mit Meteorismus, rezidivierenden Abdominalschmerzen und paradoxer Stuhlinkontinenz. Sie behandelte sich mit Laxanzien und Einläufen nach Bedarf. Anamnestisch hatte sie sich zudem multiplen viszeralchirurgischen Eingriffen unterziehen müssen. An weiterer Medikation nahm sie Amlodipin gegen ihr Raynaud-Phänomen sowie Paracetamol beziehungsweise Tramadol gegen die Bauchschmerzen. «Am besten ordnet man die Beschwerden nach oberem und unterem Gastrointestinaltrakt zu und überlegt sich dann die passenden Untersuchungen», sagt Maurer. So sprechen Reflux, Nausea, Erbrechen, Völlegefühl und Dysphagie für eine Beteiligung von Speiseröhre und Magen, abgeklärt werden diese mit Bariumbreischluck, Gastroskopie, Manometrie und C13-Magenentleerungstest. Die Obstipation, die rezidivierenden Bauchschmerzen und die Stuhlinkontinenz sprechen hingegen eher für eine Beteiligung von Dünn- und Dickdarm.

<< Für einzelne Patienten könnte die Mikrobiom-Transplantation in Zukunft durchaus eine Option sein.>>
B. Maurer, Bern

Zur Diagnostik stehen diverse Untersuchungen zur Verfügung: Röntgen/CT Abdomen, Sigmo-/Koloskopie, Kolontransitzeit, Glukose-Hydrogen-Atemtest, anorektale Manometrie, endoanaler Ultraschall, Elektrosensation oder Barostat. Da das Beschwerdebild der Patientin so breit war, wurden mehrere dieser Untersuchungen durchgeführt. Im Ösophagus-Breischluck war eine Dilatation zu erkennen, in der Ösophago-Gastroskopie eine Entzündung, passend zu einer gastrointestinalen Refluxkrankheit (GERD) und in der Manometrie eine aufgehobene Peristaltik beim Schluckakt. Mit dem C13-Test konnte eine Gastroparese ausgeschlossen werden. Die Diagnosen: GERD bei Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters und Aperistaltik, keine Stenose im Ösophagus, keine Gastroparese. Im Darm fand Maurers Team in der CT multiple symptomatische Bauchwandhernien infolge der diversen chirurgischen Eingriffe, was sehr gut die krampfartigen Bauchschmerzen erklärte. Zudem wurde ein insuffizienter Analsphinkter mit eingeschränkter rektaler Kapazität und Hyposensibilität diagnostiziert, was für eine komplexe anorektale Dysfunktion sprach.

Wie man die gastrointestinalen Komplikationen behandelt, lässt sich gut in einer Übersichtsarbeit von 2018 von Prof. Zsuzsanna Hortobagyi McMahan und Prof. Laura Kathleen Hummers von der Johns Hopkins Universität in Baltimore nachlesen,3 die Prof. MacMahan im Jahr 2019 aktualisierte.4 Je nach gastrointestinaler Affektion kommen verschiedene therapeutische Strategien infrage (Tab. 1).

Tab. 1: Therapieoptionen bei gastrointestinaler Beteiligung (Quelle: B. Maurer, adaptiert nach McMahan, Hummers 2008)3

Maurers Team änderte daraufhin bei der Patientin die Behandlung folgendermassen: Die Patientin erhielt zusätzlich Gaviscon nach den Mahlzeiten und statt Domperidon Metoclopramid gemäss einem fixen Schema mit Einnahmepausen, um einer Toleranzentwicklung vorzubeugen. Amlodipin wurde gestoppt, denn das kann die Peristaltik negativ beeinflussen. Auch Tramadol setzte Maurer ab, denn das begünstigt eine Obstipation. Gegen die Schmerzen kann die Frau stattdessen Metamizol nehmen. Die Hernien waren so gravierend, dass sie operativ behandelt werden mussten. Gegen die Obstipation empfahl Maurer der Patientin, sich weiterhin mit Laxanzien und Einläufen zu behandeln. Zusätzlich verschrieb sie indische Flohsamen zur Aufweichung des Stuhls und das Prokinetikum Prucaloprid wegen einer verlängerten Kolontransitzeit. Gegen die Stuhlinkontinenz riet sie der Frau zu Biofeedback und Beckenbodentraining. «Die Frau hat enorm von diesen Massnahmen profitiert», erinnert sich die Rheumatologin.

Mikrobiomtherapie: Stellenwert fraglich

In Zukunft könnte den Patienten möglicherweise noch eine weitere Therapieoption zur Verfügung stehen: eine fäkale Mikrobiomtransplantation. Forscher aus Norwegen haben in einer doppelblinden, randomisierten Studie mit 10 Patienten kommerziell verfügbares anaerobes kultiviertes humanes intestinales Mikrobiom («anaerobic cultivated human intestinal microbiota», ACHIM) im Vergleich zu Placebo getestet.5 Die Patienten bekamen das Mikrobiom mittels Gastroduodenoskopie. 4 der 5 Mikrobiom-Patienten und 2 der 5 Placebo-Patienten hatten nach der Behandlung weniger Meteorismus, Durchfall und/oder Stuhlinkontinenz. Die Autoren vermuten, dass sich die Beschwerden bei den Mikrobiom-behandelten Patienten besserten, weil sich das Darm-Mikrobiom änderte. Allerdings ist die Studie mit 10 Patienten zu klein, um valide Aussagen treffen zu können. Abgesehen davon kam es bei 3 von 12 Patienten zu Darmperforationen. «Sicherlich noch nichts, was man Patienten in der Routine anbieten möchte», sagt Maurer. «Für einzelne Patienten könnte die Mikrobiomtransplantation in Zukunft aber durchaus eine Option sein.»

Ärzte sollten dran denken, sagt Maurer, Sklerodermiepatienten standardmässig nach gastrointestinalen Problemen zu fragen: «Man muss einfühlsam vorgehen. Den Patienten sind die Symptome zum Teil sehr peinlich.» Helfen kann ein standardisierter Fragebogen wie der UCLA GIT 2.0, der auch auf Deutsch erhältlich ist.

Kardiale Komplikationen

Komplikationen am Herzen kommen zwar seltener vor als Probleme im Magen-Darm-Trakt, sind aber je nach Manifestation ebenfalls ziemlich häufig und vor allem schwerer wiegend. «Die Herzprobleme werden oftmals klinisch nicht bemerkt, weil die Patienten immobil sind und sich nicht so sehr belasten oder weil die Komplikationen lange Zeit asymptomatisch bleiben», sagt Maurer. Eine klinisch symptomatische Herzbeteiligung ist prognostisch ungünstig, die 5-Jahres-Mortalität beträgt rund 70%. Einer von 4 Todesfällen ist auf Herzlomplikationen zurückzuführen. «Weil Herzprobleme so lange unentdeckt bleiben, müssen wir aktiv danach suchen.» Wie sie dabei vorgeht, erklärte die Rheumatologin wieder an einem Patientenbeispiel.

Eine 56-jährige Patientin litt unter einer diffusen kutanen, Anti-Scl70-AK-positiven Systemsklerose mit Lungenbeteiligung (NSIP-Pattern im CT, FVC 72%, DLCO 74%) und Myositis. Sie wurde mit Prednison behandelt, initial mit 20mg/d, später mit 5mg/d sowie mit Endoxan. Sie stellte sich dann mit neu aufgetretener Dyspnoe, thorakalen Schmerzen, Fatigue und einem Spannungsgefühl in den unteren und oberen Extremitäten vor. Den Symptomen könnten diverse Ursachen zugrunde liegen. Bei der Patientin waren CK, Troponin T&I, NTproBNP sowie BSR und CRP erhöht. In der transösophagealen Echokardiografie zeigte sich mit 35% eine deutlich eingeschränkte linksventrikuläre Ejektionsfraktion – zuvor hatte diese 60% betragen. Die rechtsventrikuläre Funktion war eingeschränkt, sie hatte Ödeme in beiden Unterschenkeln sowie ein Anasarka – all das sprach für eine Globalinsuffizienz. Im Holter-EKG waren keine relevanten Rhythmusstörungen zu erkennen. In der Herz-MRI zeigte sich ein normal grosser linker Ventrikel mit leicht eingeschränkter systolischer Funktion (LVEF 47%) bei inferolateral betonter Hypokinesie und Septumdyskinesie. Es war keine linksventrikuläre Hypertrophie festzustellen. Im T2-Mapping gab es Hinweise auf ein ausgeprägtes Myokardödem, anhand des T1-Mappings bestand der Verdacht auf ein ausgeprägtes entzündlich-infiltratives Geschehen. Es war ein «swinging heart» zu erkennen bei zirkulärem Perikarderguss mit Anhalt für erhöhte rechtsventrikuläre Volumen- und Druckbelastung. Im Rechts-Links-Herzkatheter waren, bis auf die eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, noch keine Auffälligkeiten zu erkennen. «Trotz der Endoxan-Therapie lag hier eine Progression der Grunderkrankung vor», sagt Maurer. Zur Therapie kardialer Komplikationen stehen, ähnlich wie bei den gastrointestinalen, eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Patientin erhielt ein umfassendes Behandlungsprogramm. Aufgrund der Akuität der Krankheit und der schlechten Prognose der Patientin hat die Rheumatologin Kontakt mit ihren Kollegen aus der Kardiologie aufgenommen, in Bezug auf die Frage einer Herztransplantation.

Update zum Management der Systemsklerose, Live-Webinar, SGR, 26. April 2021

1 Jaeger VK et al.: PLoS One 2016; 11(10): e0163894 2 Walker UA et al.: Ann Rheum Dis 2007; 66(6): 754-63 3 McMahan ZH, Hummers LK: Curr Opin Rheumatol 2018; 30(6): 533-40 4 McMahan ZH: Curr Opin Rheumatol 2019; 31(6): 561-8 5 Fretheim H et al.: PLoS One 2020; 15: e0232739

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