
„Jedes Rezidiv ist eines zu viel“
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In Großbritannien ist ein Konsensus erschienen, der Rituximab zur Erhaltungstherapie bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden empfiehlt.1 Wir haben Prof. Dr. Peter Lamprecht gefragt, was er von den Empfehlungen der britischen Kollegen hält und wie er in der Praxis vorgeht.
In der Leitlinie aus Großbritannien geht es nur um den Erhalt der Remission.1 Warum braucht es dafür eine eigene Leitlinie?
P. Lamprecht: Die allein auf die remissionserhaltende Therapie der ANCA-assoziierten Vaskulitis fokussierte Betrachtung der Kollegen aus Großbritannien halte ich für gerechtfertigt, insbesondere vor dem Hintergrund der Ergebnisse der drei kürzlich veröffentlichten multizentrischen Studien MAINRITSAN 22, MAINRITSAN 33 und der – allerdings bisher nur mit Blick auf die Remissionsinduktion und noch nicht auf die Erhaltungstherapie veröffentlichten – RITAZAREM-Studie4. Die S1-Leitlinie der DGRh von 2017 und die EULAR-Empfehlungen von 2016 berücksichtigen Studien zur Remissionsinduktion und -erhaltung bis 2016 beziehungsweise 2015. Vor dem Hintergrund der genannten neuen Studien macht es Sinn, dass die Kollegen aus Großbritannien nun neue Empfehlungen zum Remissionserhalt verfasst haben.
In der DGRh-Leitlinie wird Rituximab nur zum Remissionserhalt empfohlen, wenn „die Mittel der ersten Wahl wegen Kontraindikationen, Unverträglichkeiten oder früherem Therapieversagen nicht eingesetzt werden können“.5 Warum empfehlen die Kollegen aus Großbritannien nun ein anderes Vorgehen?
P. Lamprecht: Bei der Abfassung der DGRh-Leitlinie lagen die Follow-up-Daten der MAINRITSAN-Studie von 2018 noch nicht vor. Die Daten haben gezeigt, dass eine remissionserhaltende Therapie mit Rituximab über 18 Monate nach vorausgegangener Cyclophosphamid-Remissionsinduktion der Remissionserhaltung mit Azathioprin über den gleichen Zeitraum und in der anschließenden Nachbeobachtung überlegen ist.
Wie gehen Sie in der Praxis vor?
P. Lamprecht: In unserer Uniklinik sehen wir insbesondere Patienten mit schweren und häufig rezidivierenden Verläufen. Je nach Krankheitsschwere und -aktivität machen wir eine Remissionsinduktion mit Cyclophosphamid oder Rituximab oder – bei schweren renalen und/oder pulmonalen Verläufen – eine Kombination aus beiden mit anschließender Rituximab-Remissionserhaltung. Bei leichteren Verläufen oder beispielsweise nach allergischen Reaktionen setzen wir zur Remissionserhaltung auch Azathioprin oder Methotrexat ein.
Wie gehen Sie vor, wenn Patienten trotz zwei Jahren Erhaltungstherapie immer noch ein hohes Rezidivrisiko haben?
P. Lamprecht: Aufgrund der heute bestehenden Therapiemöglichkeiten gerät oftmals in Vergessenheit, dass die ANCA-assoziierte Vaskulitis unbehandelt eine tödliche Erkrankung ist und wir diese Vaskulitiden nach wie vor nicht heilen können. Eine Studie von Gopaluni et al.6 zeigt, dass Patienten mit häufigen Rezidiven und schweren Verläufen eine besonders ungünstige Prognose haben. Wir setzen daher in dieser Risikogruppe die remissionserhaltende Therapie für mindestens zwei Jahre fort.
Gibt es hierzu genügend Evidenz?
P. Lamprecht: Die kürzlich von Charles et al. in „Annals of Internal Medicine“ publizierten Daten der MAINRITSAN-3-Studie3 zeigen, dass eine Fortführung der remissionserhaltenden Therapie mit Rituximab über den Zeitraum von 18 Monaten hinaus mit einer signifikant höheren Rate an rezidivfreiem Überleben einhergeht im Vergleich zur Therapiegruppe, in der die Remissionserhaltung nicht fortgeführt wurde. Diese Daten sprechen für eine Fortsetzung der remissionserhaltenden Rituximab-Therapie – zumindest bei Patienten mit häufiger Rezidivneigung, schwerer Organbeteiligung und GPA bzw. PR3-ANCA-assoziierter Vaskulitis, die mit einer höheren Rezidivrate einhergeht als die MPA beziehungsweise MPO-ANCA-assoziierte Vaskulitis.
Trotz limitierter Evidenz empfehlen die Autoren aus Großbritannien Rituximab auch bei der EGPA. Wie beurteilen Sie dieses Vorgehen?
P. Lamprecht: Die Kollegen beziehen sich auf eine im Jahr 2016 publizierte Fallserienstudie.7 41 Patienten mit therapierefraktärer EGPA wurden mit Rituximab behandelt. 19 Patienten erhielten einmal Rituximab nach unterschiedlichen Schemata und 22 bzw. 17 eine zweite bzw. dritte Gabe nach 6 bzw. 12 Monaten. Drei Viertel der Patienten sprachen während des Beobachtungszeitraums von 12 Monaten auf die Behandlung an. Hierbei profitierten insbesondere ANCA-positive EGPA-Patienten, wohingegen nur etwas mehr als ein
Drittel der ANCA-negativen Gruppe ansprach. Die meisten EGPA-Patienten – etwa 70% – sind jedoch ANCA-negativ.
Reichen diese Daten, um Rituximab bei EGPA zu empfehlen?
P. Lamprecht: Diese Daten reichen sicherlich noch nicht aus, um ein abschließendes Urteil über den Stellenwert und die Stellung von Rituximab im Therapiealgorithmus der EGPA abgeben zu können. Rituximab stellt auf der Grundlage dieser Daten eine Therapieoption für therapierefraktäre EGPA-Fälle dar, insbesondere wenn diese ANCA-positiv sind. Wir wenden Rituximab in solchen Fällen an. Zudem steht mit dem Anti-Interleukin-5-Antikörper Mepolizumab ein weiteres Biologikum zur Verfügung, auch wenn es noch nicht für diese Indikation zugelassen ist. Mepolizumab wird zurzeit in einer Phase-III-Studie mit dem Anti-Interleukin-5-Rezeptorantikörper Benralizumab hinsichtlich seiner Wirksamkeit bei EGPA verglichen.8
Die britischen Kollegen schreiben in der Leitlinie bezüglich EGPA: „Overall treatment responses to RTX may differ from GPA and MPA, and steroid withdrawal may be more challenging.“ Warum ist das so?
P. Lamprecht: Eine glukokortikoidfreie Remission tritt bei EGPA seltener auf als bei GPA und MPA. Häufig müssen Glukokortikoide aufgrund von persistierenden Asthmasymptomen bei den EGPA-Patienten weiter verordnet werden – trotz glukokortikoidsparender immunsuppressiver zytotoxischer oder Biologika-Therapie. Die zugrunde liegenden pathophysiologischen Ursachen hierfür sind unklar.
Was halten Sie von den Dosierungsschemata der britischen Leitlinie?
P. Lamprecht: Die Kollegen empfehlen die Gabe von 500mg oder 1000mg Rituximab alle 6 Monate über einen Zeitraum von 2 Jahren. Wir orientieren uns bezüglich Indikation und Dosierungsschemata an der MAINRITSAN-9 bzw. RITAZAREM-Studie4. In der MAINRITSAN-Studie erfolgte die Rituximab-Erhaltungstherapie mit 500mg über 18 Monate nach vorheriger Cyclophosphamid-Remissionsinduktion. Die Patienten dieser Studie erhielten allerdings als Anfangsdosis 500mg Rituximab am Tag 0 und 13 zu Beginn der Remissionserhaltung und danach jeweils 500mg alle 6 Monate. In der RITAZAREM-Studie bekamen Patienten mit einem Rezidiv ihrer GPA und MPA nach einer Rituximab-Remissionsinduktionstherapie jeweils 1000mg Rituximab alle 4 Monate über 20 Monate zur Remissionserhaltung. Worauf sich die in der britischen Leitlinie empfohlenen 1000mg Rituximab alle 6 Monate statt alle 4 Monate wie in der RITAZAREM-Studie stützen, erklären uns die Autoren leider nicht.
Wie wirken sich die unterschiedlichen Dosierungsschemata auf Nebenwirkungen aus?
P. Lamprecht: Langzeitdaten zu einer therapieassoziierten Hypogammaglobulinämie oder zu Infekten unter den verschiedenen Rituximab-Therapieschemata und im Vergleich zu Azathioprin und anderen zytostatischen Immunsuppressiva gibt es bisher nicht. Die MAINRITSAN-3-Studie zeigt keine erhöhte Infektionsneigung bei fortgeführter Rituximab-Therapie während des Beobachtungszeitraumes. Langzeitdaten bleiben hierzu jedoch abzuwarten.
In der deutschen Leitlinie werden zur remissionserhaltenden Therapie Methotrexat, Azathioprin oder Rituximab empfohlen. Wie gehen Sie in der Praxis vor?
P. Lamprecht: Patienten mit schweren Verläufen, hohem Steroidbedarf und Rezidivneigung bekommen bei uns eine Remissionserhaltung mit Rituximab. Wir und andere präferieren Rituximab vor allem bei Patienten mit GPA bzw. mit PR3-ANCA-assoziierter Vaskulitis. In vielen Studien hat sich nämlich gezeigt, dass Patienten mit dieser Vaskulitis-Subgruppe häufiger zu Rezidiven neigen als Patienten mit MPA bzw. MPO-ANCA-assoziierter Vaskulitis. Bei leichteren Verläufen oder beispielsweise nach allergischen Reaktionen auf Rituximab kann alternativ eine Remissionserhaltung mit Azathioprin oder MTX erfolgen.
Wie beurteilen Sie das Sicherheits-Kosten-Verhältnis?
P. Lamprecht: Die Sicherheitsprofile der Medikamente sind akzeptabel. Aber jedes Rezidiv ist eines zu viel. Ein Rezidiv kostet dem Patienten unter Umständen persönlich schweres Leid und verursacht dem Gesundheitssystem mehr Kosten als eine fortgeführte remissionserhaltende Therapie mit Aufrechterhalten einer glukokortikoidfreien Remission.
Gehen Sie mit der begleitenden Therapie genauso vor wie die britischen Kollegen in ihrer Leitlinie?
P. Lamprecht: Die Empfehlungen bezüglich der supportiven Therapie sind in den in jüngerer Zeit veröffentlichten Empfehlungen der verschiedenen Gesellschaften im Wesentlichen gleich. Wir halten uns an diese Empfehlungen. Außerdem sind ein engmaschiges Monitoring und eine regelmäßige Verlaufsbeobachtung der Patienten wichtig, damit man frühzeitig Rezidive erkennen und rechtzeitig intervenieren kann.
Das Interview führte
Dr. Felicitas Witte
Literatur:
1 Tieu J et al.: Rheumatology 2020; 59: e24-322 Charles P et al.: Ann Rheum Dis 2018; 77: 1143-9 3 Charles P et al.: Ann Intern Med 2020; 173: 179-87 4 Smith R et al.: Ann Rheum Dis 2020; 79: 1243-9 5 Schirmer JH et al.: Z Rheumatol 2017; 76 (Suppl 3): S77-1046 Gopaluni S et al.: Arthritis Rheumatol 2019; 71: 784-91 7 Mohammad AJ et al.: Ann Rheum Dis 2016; 75: 396-401 8 https://clinicaltrials.gov/ct2/results?cond=&term=NCT04157348&cntry=&state=&city=&dist= 9 Guillevin L et al.: New Engl J Med 2014; 371: 1771-80
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