
Bessere Behandlungsmöglichkeiten bei Gicht und Sjögren-Syndrom in Sicht
Bericht:
Dr. Susanne Kammerer
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Wie jedes Jahr gehörte die Session «Late-breaking oral abstracts» beim Europäischen Rheumatologenkongress in Mailand zu den Publikumsmagneten. Beispielsweise wurde über eine innovative Arzneimittelkombination berichtet, mit der es gelang, bei etwa der Hälfte der Patient:innen mit therapierefraktärer Gicht die Harnsäurewerte in den Normbereich zu senken.
Gichtpatient:innen, bei denen mit der Standardtherapie die Harnsäurezielwerte nicht erreicht werden können, wird eine Therapie auf Urikase-Basis empfohlen. Wermutstropfen dieses Vorgehens ist die Bildung von Anti-Drug-Antikörpern (ADA), die die Wirksamkeit vermindern, was bei bis zu 38% der Patient:innen zu einem Therapieversagen führt.
«Pegadricase ist eine potente pegylierte Urikase, die Harnsäure in lösliches und leicht auszuscheidendes Allantoin umwandelt», erläuterte Prof. Herbert S. B. Baraf, Center for Rheumatology and Bone Research in Wheaton (USA), die Wirkungsweise einer der beiden Komponenten der innovativen Kombination.1 Wie die meisten Urikasen löst jedoch auch Pegadricase eine heftige ADA-Reaktion aus, was seine Verwendung als Monotherapie einschränkt. Daher wird SEL-110, die zweite Komponente der neuartigen Infusionstherapie, 30 Minuten vor Pegadricase verabreicht. SEL-110 ist ein immunverträgliches nanoverkapseltes Rapamycin, das in früheren Studien eine dosisabhängige Hemmung von Anti-Pegadricase-Antikörpern bewirkt hat. Die sequenzielle Verabreichung der beiden Komponenten SEL-110 und Pegadricase läuft in den Studien unter der Bezeichnung SEL-212.
In die Phase-III-Studien DISSOLVE I und DISSOLVE II wurden Patient:innen mit symptomatischer Gicht eingeschlossen, die nicht auf eine konventionelle Behandlung angesprochen hatten. Sie erhielten alle 28 Tage insgesamt sechs Behandlungen der neuartigen Wirkstoff-Kombination SEL-212 oder Placebo in zwei unterschiedlichen Dosen. Der primäre Endpunkt war der Prozentsatz der Teilnehmer:innen, die während mindestens 80% des 28-tägigen Behandlungszeitraums einen Serumharnsäurespiegel <6mg/dl erreichten. «Um das Risiko für infusionsbedingte unerwünschte Ereignisse zu minimieren, wurden strenge Abbruchregeln eingeführt», betonte Prof. Baraf. Eingeschlossen waren 265 Teilnehmer:innen, deren demografische Merkmale in Bezug auf Alter, BMI und Geschlecht ausgewogen waren. Der Schweregrad der Gicht war bei den 153 Patient:innen, die in DISSOLVE II eingeschlossen waren, numerisch höher.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt wurde für beide Studien und Dosierungen erreicht. In der DISSOLVE-I-Studie sprachen 58% der Teilnehmer:innen in der hoch dosierten Gruppe (n=38) und 48% in der niedrig dosierten Gruppe (n=37) auf die Behandlung an (p<0,0001). Die entsprechenden Zahlen in der DISSOLVE-II-Studie betrugen 46% in der hoch dosierten Gruppe (p=0,0002 gegenüber Placebo) und 40% in der niedrig dosierten Gruppe (p=0,0008 gegenüber Placebo). Bei mindestens der Hälfte der Patient:innen sanken die Harnsäurekonzentrationen stark ab. Erfreulicherweise erreichten ältere Patient:innen (>50 Jahre) ähnlich hohe Ansprechraten.
Die Behandlung war relativ gut verträglich. Die Häufigkeit von Infusionsreaktionen lag bei 3,4% in den kombinierten Hochdosisgruppen. Prof. Baraf kam zu dem Schluss, dass SEL-212 möglicherweise eine neue Behandlungsoption für Patient:innen mit refraktärer Gicht darstellt, die zudem nur einmal pro Monat verabreicht werden muss.
Patient:innen mit Sjögren-Syndrom und hoher Symptomlast profitieren von innovativem Fusionsprotein
Das Sjögren-Syndrom ist durch die Kardinalsymptome Trockenheit, Schmerzen und Müdigkeit gekennzeichnet. Ein erheblicher Teil der Patient:innen leidet unter einer inakzeptablen Symptomlast trotz begrenzter Beteiligung extraglandulärer Organe. Erschwerend kommt hinzu, dass Teilnehmer:innen mit hoher Symptomlast ohne systemische Beteiligung weitgehend von Therapiestudien ausgeschlossen werden. Die beim EULAR vorgestellte Studie untersuchte spezifisch bei solchen Patient:innen die Wirksamkeit von Dazodalibep, einem neuartigen antikörperfreien Fusionsprotein, das als Antagonist von CD40L wirkt.2 Ihre Symptomlast wurde mit dem EULAR Sjögren’s Syndrome Patient Reported Index (ESSPRI) evaluiert: Alle hatten eine hohe Symptomlast (ESSPRI ≥5).
Die Wirkungsweise von Dazodalibep beruht darauf, dass es kostimulatorische Signale zwischen Immunzellen, einschliesslich T-Zellen, B-Zellen und antigenpräsentierenden Zellen, hemmt. Beim EULAR-Kongress stellte Dr. med. Chiara Baldini von der Universität Pisa (Italien) die Studienergebnisse von 109 Patient:innen mit Sjögren-Syndrom und inakzeptabler Symptombelastung, doch nur begrenzter systemischer Krankheitsaktivität vor.
Die Teilnehmer:innen wurden nach dem Zufallsprinzip 1:1 auf Placebo oder Dazodalibep verteilt, und 102 schlossen die Studie ab. Primärer Endpunkt war die Symptomverbesserung, gemessen anhand der Veränderung des ESSPRI-Scores. Am Tag 169 sank der Gesamtscore bei den mit Dazodalibep behandelten Teilnehmer:innen signifikant stärker im Vergleich zu Placebo (–1,80 mit Dazodalibep gegenüber –0,53 mit Placebo; p=0,0002). Dieses positive Ergebnis zeigte sich auch bei allen einzelnen Komponenten des ESSPRI: Trockenheit, Müdigkeit und Schmerzen. «Die Studie war nicht für sekundäre Ergebnisse gepowert, aber trotzdem konnten wir zusätzlich eine signifikante Verringerung des Müdigkeitsscores und einen numerischen Rückgang bei anderen sekundären Endpunkten feststellen», sagte Dr. Baldini.
Das Medikament wurde relativ gut vertragen; die am häufigsten gemeldeten unerwünschten Ereignisse (bei ≥5% der behandelten Personen) waren Covid-19-Infektion, Nasopharyngitis, Anämie oder Durchfall. Grössere klinische Studien sind nun geplant, um die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Dazodalibep bei dieser wenig untersuchten Untergruppe von Patient:innen mit Sjögren-Syndrom zu bestätigen.
Covid-19 und Autoimmunerkrankung: deutliche Unterschiede bei den Risiken
Die aktuelle Forschung von Dr. med. Allesia Alunno, Universität L‘Aquila (Italien), und ihren Kolleg:innen konzentrierte sich auf den Schweregrad von Covid-19, Durchbruchsinfektionen, allgemeine Impfnebenwirkungen und postvakzinale Krankheitsschübe bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 35 Jahren mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen.3 Bisher fehlten zu dieser speziellen Patientengruppe, die häufig schon früh mit Immunsuppressiva behandelt werden müssen, Erkenntnisse zu Covid-19.
Die Datenerhebung für die Analyse wurden mithilfe der Fragebögen «COVID-19 Vaccination in Autoimmune Diseases» (COVAD) 1 und 2 erhoben. Unter den über 6000 Teilnehmer:innen, die diese Fragebögen beantworteten, waren 3918 gesunde Kontrollen, 1692 Patient:innen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen (RMD) sowie 400 Patient:innen mit nichtrheumatischen Autoimmunerkrankungen (NRAK). 80% der Teilnehmenden waren weiblich, und die Grunderkrankung bestand seit ungefähr sieben Jahren. «Wir stellten fest, dass über 90% der Patient:innen mit rheumatischen Erkrankungen und nur 20% mit nichtrheumatischen Autoimmunerkrankungen vor der Impfung Immunsuppressiva erhalten hatten», berichtete Dr. Alunno. Die Gruppe der Gesunden bestand zu 64% aus Frauen. Mindestens zweimal geimpft waren 75–83% der Studienteilnehmer:innen.
Einen positiven Covid-19-Test hatten insgesamt 24–28% der Studienkohorte, und der Krankheitsverlauf war ganz überwiegend symptomatisch. Nur selten waren jedoch die Verabreichung von Sauerstoff, eine stationäre Aufnahme oder gar eine intensivmedizinische Betreuung vonnöten.
Infektionen vor der Impfung waren bei Patient:innen mit RMD signifikant seltener als bei Gesunden (Odds Ratio 0,6). Für NRAK lag die Häufigkeit von Infektionen auf ähnlichem Niveau wie bei den Kontrollen. Als mögliche Erklärung hierfür gab Dr. Alunno an, dass Patient:innen unter immunsuppressiver Therapie in der frühen Phase der Pandemie streng abgeschirmt wurden. Nach der Impfung war die Wahrscheinlichkeit einer Infektion bei Patient:innen mit RMD mit einer Odds Ratio von 2,7 allerdings fast dreimal so hoch wie bei den gesunden Kontrollen.
«Wir haben gesehen, dass Patient:innen mit RMDs eher Gelenkbeschwerden entwickeln, und zwar sowohl vor als auch nach der Impfung, sodass dies höchstwahrscheinlich krankheitsspezifisch ist und nicht mit anderen Faktoren zusammenhängt», erklärte Dr. Alunno mit Blick auf die Symptomatik der SARS-CoV-2-Infektion. 5% der Patient:innen mit RMD bzw. 1,5% derer mit NRAK gaben das Auftreten von Schüben nach der Infektion an, 10% bzw. 7% nach der Impfung. Interessanterweise wurde in der Folge dieser Schübe nur bei 41% (RMD) bzw. 27% (NRAK) die Dosis oder Art der Medikation verändert.
Die Wahrscheinlichkeit für eine frühe leichte Nebenwirkung nach einer oder zwei Impfstoffdosen war für beide Krankheitsgruppen im Vergleich zu den gesunden Kontrollen ungefähr doppelt so hoch mit Odds Ratios von 2,4 bei RMD und 2,0 bei NRAK. Die Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf späte, leichte oder schwere Nebenwirkungen waren unabhängig von der Anzahl der Impfstoffdosen nicht signifikant.
Quelle:
EULAR Congress 2023, Mailand, 31. Mai bis 3. Juni 2023
Literatur:
1 Baraf HSB et al.: Safety and efficacy of SEL-212 in patients with gout refractory to conventional treatment: outcomes from two randomised, double-blind, placebo-controlled, multicenter phase III studies. EULAR 2023; LB0002 2 St. Clair EW et al.: Dazodalibep in Sjogren’s subjects with an unacceptable symptom burden: safety and efficacy from a phase 2, randomized, double-blind study. EULAR 2023; LB0003 3 Alunno A et al.: COVID-19 severity, breakthrough infections and anti-SARS-COV-2 vaccine safety in young people with rheumatic and non-rheumatic autoimmune diseases: results from the COVAD1 and COVAD2 projects. EULAR 2023; LB0006
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