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„Ein Zeichen der Hoffnung“
Jatros
30
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07.05.2020
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<p class="article-intro">Der Antikörper Anifrolumab erzielte in den Phase-III-Studien TULIP 1 und TULIP 2 widersprüchliche Ergebnisse bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE). Wirkt der Antikörper nun oder nicht? Wir haben Prof. Aringer aus Dresden gefragt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><strong>In TULIP-1<sup>1</sup> zeigte Anifrolumab keinen Benefit, in TULIP-2<sup>2</sup> schon. Warum widersprechen sich die Studien?</strong><br /> <strong>M. Aringer:</strong> Bei TULIP-1 gab es am Anfang offenbar verschiedene Probleme mit der Auswertung. Unter anderem wurde jede Verwendung von nichtsteroidalen Antiphlogistika versehentlich als Versagen des Medikamentes gewertet. Nachdem diese Punkte bereinigt waren, sah auch TULIP-1 positiv aus. Allerdings wurde der primäre Endpunkt, gemessen am SLE-Responder-Index SRI, nicht erreicht. TULIP-2 war wie die Phase-II-Studie klar positiv und wäre das auch im SRI gewesen. Der Endpunkt war ja vor der Entblindung auf den BICLA geändert worden. Das wäre aber post hoc gar nicht notwendig gewesen.</p> <p><strong>Wie aussagekräftig sind die Endpunkte SRI-4 und BICLA? Inwiefern beeinflussen diese Endpunkte das Ergebnis?</strong><br /> <strong>M. Aringer:</strong> Grundsätzlich haben beide Endpunkte die gleichen Elemente. Im SRI muss der SLEDAI um 4 Punkte besser werden, der viel kompliziertere BILAG und die Arzt-Globaleinschätzung dürfen sich nicht verschlechtern. Im BICLA muss sich der BILAG verbessern, SLEDAI und Globaleinschätzung dürfen sich nicht verschlechtern. Vermutlich liegt der relevante Unterschied in der Gelenkbeteiligung. Der SLEDAI hat nur zwei Stufen, nämlich mindestens 2 geschwollene Gelenke oder 1 oder kein geschwollenes Gelenk. Der BILAG hat drei Stufen: mindestens 2 geschwollene, 1 geschwollenes oder kein geschwollenes Gelenk, und er definiert zudem die zwei oberen Stufen mit Bewegungseinschränkung über mehrere Tage. Weil der BILAG den BICLA dominiert, führt vermutlich das zu präziseren Messergebnissen.</p> <p><strong>Auch in TULIP-1 sahen die meisten Endpunkte vielversprechend aus, nur der SRI verringerte sich nicht. Wie erklären Sie sich das?</strong><br /> <strong>M. Aringer:</strong> Dafür habe ich auch noch keine überzeugende Erklärung. Wenn es nicht doch an Fehleinschätzungen bei der Gelenkbeteiligung liegt, fehlt uns da noch ein Puzzlestein.</p> <p><strong>Wirkt Anifrolumab oder nicht?</strong><br /> <strong>M. Aringer:</strong> Die Studien sprechen dafür, dass der Antikörper eine für die Hautbeteiligung exzellente und für die wahrscheinlich viele schwerere Organbeteiligungen starke Substanz ist, die vermutlich schneller wirkt und effektiver ist als Belimumab, aber mehr Nebenwirkungspotenzial hat. In erster Linie sind vermutlich Virusinfektionen ein Thema, was bei einer Substanz, die die Wirkung von Interferon alpha blockiert, zu erwarten ist. Herpes zoster trat in den Studien klar gehäuft auf. Und in der momentanen Covid-19-Pandemie wäre das zumindest in der Theorie auch besorgniserregend. Auch für Covid-19 gehen wir davon aus, dass Interferone helfen, die Virusinfektion zu stoppen.</p> <p><strong>Wie gehen Sie sonst mit SLE-Medikamenten während der Covid-Pandemie um?</strong><br /> <strong>M. Aringer:</strong> Für alle laufenden Medikamente ist die Empfehlung ganz klar, sie beizubehalten. SLE-Schübe würden das Risiko schon wegen der dann erforderlichen höheren Dosierung der Glukokortikoide erhöhen. Wenn es hingegen möglich ist, Prednisolon auf 5 mg oder maximal 7,5 mg täglich zu reduzieren, wäre das vermutlich von Vorteil. Die Therapie mit Hydroxychloroquin sollte keinesfalls unterbrochen werden. Dass es vielleicht sogar einen positiven Effekt bei Covid-19-Infektionen hat, ist für SLE-Patienten einerseits beruhigend, birgt aber andererseits das Risiko, dass die Substanz knapp wird. Sanofi-Aventis, dem Hersteller von Hydroxychloroquin, ist dieses Problem aber bewusst. Die Firma baut zumindest in Deutschland gerade ein Sicherheitsprogramm für SLE-Patienten auf.</p> <p><strong>Verschreiben Sie Anifrolumab schon? Wenn ja, welchen Patienten?</strong><br /> <strong>M. Aringer:</strong> Noch ist Anifrolumab nicht zugelassen und daher außerhalb von klinischen Prüfungen gar nicht verfügbar.</p> <p><strong>Ihr Fazit: Ist das Anifrolumab-Glas halb voll oder halb leer?</strong><br /> <strong>M. Aringer:</strong> Aus meiner Sicht ist die TULIP-2-Studie ein Zeichen der Hoffnung. Mit etwas Glück haben wir mit Anifrolumab bald ein weiteres Medikament, und mehrere andere Biologika sind auch in Phase-III-Studien eingetreten. Wir sollten in wenigen Jahren wesentlich mehr Therapieoptionen für den schwerem SLE haben. Alle diese Substanzen werden immer in Kombination mit Hydroxychloroquin getestet. Für Belimumab wurde bereits gezeigt, dass die Kombination besser ist als eines der beiden alleine.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Furie R et al.: Lancet Rheumatol 2019; 1(4): e208-e219 <strong>2</strong> Morand EF et al.: N Engl J Med 2020; 382: 211-21</p>
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