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Von Pneumologen und Kardiologen gemeinsam erarbeitete Leitlinien
Leading Opinions
30
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01.09.2016
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<p class="article-intro">Die pulmonale Hypertonie (PH) ist eine Erkrankung mit vielen verschiedenen klinischen Erscheinungsformen, die eine Vielzahl von Herz-Kreislauf- und Lungenkrankheiten komplizieren kann. Das Gremium, welches die neuen, von der ESC und der ERS gemeinsam herausgegebenen Guidelines zur Diagnose und Therapie der pulmonalen Hypertonie erarbeitete, setzte sich deshalb aus Experten verschiedener medizinischer Disziplinen zusammen und wurde von je einem Vertreter der ESC und der ERS geleitet.<sup>1</sup> Der ERS-Chairman in der Guideline-Taskforce Prof. Dr. med. Marc Humbert, Professor für Pneumologie und Experte für pulmonale Hypertonie an der Université de Paris-Sud, stellte die Leitlinien am Jahres-kongress der Schweizer Pneumologen, der in diesem Jahr gemeinsam mit den Schweizer Kardiologen in Lausanne abgehalten wurde, vor.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite35_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Der normale mittlere pulmonal-arterielle Druck (PAPm) beträgt 14±3mmHg, wobei Werte bis 20mmHg als normal gelten. Beträgt der PAPm ≥25mmHg, liegt definitionsgemäss eine pulmonale Hypertonie vor. Werte zwischen 21 und 24mmHg sind möglicherweise pathologisch. Patienten mit Werten in diesem Graubereich sollten genau beobachtet werden, wenn sie ein erhöhtes PH-Risiko haben (z.B. bei Bindegewebserkrankungen oder familiärer PAH).<br /> Die PH wird anhand von hämodynamischen Parametern definiert (Tab. 1) und anhand des klinischen Bildes klassifiziert (Tab. 2). «Zusammen mit den Kardiologen haben wir versucht, eine klarere Definition für die Patienten mit einer rein passiven isolierten postkapillären PH zu finden (Tab. 1).<sup>1</sup> Diese Arbeit ist noch nicht abgeschlossen, wahrscheinlich werden wir die Werte in der nächsten Version der Guidelines noch anpassen müssen», erklärte Humbert. Im Vergleich mit der Version von 2009<sup>2</sup> finden sich in der aktuellen klinischen Klassifizierung einige Ergänzungen und Änderungen (in Tab. 2 kursiv gesetzt).<sup>1</sup> Die in Gruppe 1 zusammengefassten Formen der PH sind, unabhängig von der Ursache, dadurch charakterisiert, dass bei allen ein Remodeling der kleinen Lungenarterien vorliegt, weshalb diese Formen als pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) bezeichnet werden. Sehr ähnlich sind die PH-Formen, die vorwiegend ein Remodeling der Lungenvenen aufweisen und deshalb in der Gruppe 1’ zusammengefasst werden. «Die in Gruppe 4 aufgelistete chronische thromboembolische PH (CTEPH) ist heilbar. Klassischerweise operativ, immer häufiger aber auch mittels pulmonaler Ballonangioplastie», so Humbert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite35_2.jpg" alt="" width="876" height="508" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite36.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Einschätzung des Risikos bei PAH</h2> <p>Im Vergleich zur letzten Version empfehlen die Experten in den aktuellen Leitlinien bei PAH-Patienten neu eine regelmässige Beurteilung des Risikos für eine Krankheitsprogression oder Tod (Klasse/Level: I/C; Tab. 3). Die Beurteilung sollte bei stabilen Patienten alle drei bis sechs Monate durchgeführt werden, bei instabilen Patienten häufiger. «Die Beurteilung des Risikos ist bei PAH-Patienten sehr wichtig, um die Kandidaten für eine der innovativen Therapien (Tab. 4), wie Endothelinrezeptorantagonisten, PD-5-Hemmer und Guanylatzyklasestimulatoren sowie Prostazyklinanaloga und Prostazyklinrezeptoragonisten, identifizieren zu können», betonte Humbert. Die Höhe des Risikos hängt sehr stark von der Beeinträchtigung der Rechtsherzfunktion ab, weshalb die Einschätzung des Risikos auf klinischen Zeichen für eine Rechtsherzinsuffizienz, NT-proBNP, Bildgebung und hämodynamischen Parametern beruht. «Hochrisikopatienten sollten aggressiv behandelt werden und, falls nötig, sollte eine Lungentransplantation in Betracht gezogen werden», erläuterte Humbert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite37_1.jpg" alt="" width="" height="" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Innere_1604_Weblinks_Seite37_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Behandlungsalgorithmus bei PAH</h2> <p>Nach der Bestätigung der PAH-Diagnose in einem spezialisierten Zentrum sollen allgemeine Massnahmen, wie z.B. Empfängnisverhütung bei Frauen (I/C), Grippe- und Pneumokokkenimpfung (I/C), psychosoziale Unterstützung (I/C), überwachtes Training nur bei dekonditionierten Patienten unter medikamentöser Therapie (IIa/B) und Sauerstoff bei Flugreisen (IIa/C), sowie supportive Therapien wie Diuretika bei Rechtsherzinsuffizienz und Flüssigkeitsretention (I/C), kontinuierliche Sauerstoffgabe bei Hypoxämie (I/C), evtl. orale Antikoagulation bei idiopathischer, angeborener oder medikamenteninduzierter PAH (IIb/C) sowie ggf. Korrektur von Anämie und/oder Eisenmangel (IIb/C) empfohlen werden. ACE-Hemmer, AT2-Rezeptorblocker, Betablocker und Ivabradin werden bei PAH nicht empfohlen, ausser wenn sie aufgrund einer Komorbidität indiziert sind.<br /> Bei therapienaiven Patienten, die auf den akuten Vasoreaktivitätstest ansprechen, sind Kalziumkanalblocker indiziert. «Allerdings spricht nur ungefähr die Hälfte dieser Patienten auf Kalziumkanalblocker an, weshalb engmaschig nachkontrolliert werden muss», betonte Humbert. Wenn keine Vasoreaktivität vorhanden ist, lassen die Guidelines bei Patienten mit niedrigem und intermediärem Risiko die Wahl zwischen einer initialen oralen Mono- oder Kombinationstherapie. Bei Hochrisikopatienten soll die Behandlung mit einer Kombination gestartet werden, die ein i.v. Prostazyklinanalogon, vorzugsweise Epoprostenol, enthält. «Bei ungenügendem Ansprechen muss die Therapie weiter ausgebaut werden und gegebenenfalls eine Lungentransplantation in Erwägung gezogen werden», so Humbert.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Galiè N et al: 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS): Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC), International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Respir J 2015; 46: 903-75 <br /><strong>2</strong> Galiè N et al; Task Force for Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of European Society of Cardiology (ESC); European Respiratory Society (ERS); International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT): Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. Eur Respir J 2009; 34: 1219-63</p>
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