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COPD: Elemente der pulmonalen Rehabilitation (PR) während akuter Exazerbation
Jatros
Autor:
Claus Mühlbauer, BScN
Station Medizin 3<br> Landeskrankenhaus Hall in Tirol<br> E-Mail: claus.muehlbauer@gmx.net
30
Min. Lesezeit
13.12.2018
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<p class="article-intro">Verursacht durch inhalierte Noxen wie Zigarettenrauch oder verschmutzte Luft, wird die COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) zunehmend zu einer enormen Herausforderung für die Gesundheitssysteme und deren Beschäftigte. Bereits 2002 war die COPD die fünfthäufigste Todesursache weltweit. Damals ging die WHO davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren die Todesrate um weitere 30 % steigen wird. Trotz diverser Maßnahmen, um diesen Trend einzudämmen, wird im Jahr 2030 die COPD die dritthäufigste Todesursache weltweit sein.<sup>1</sup></p>
<p class="article-content"><p>Inhalierte Giftstoffe verursachen Entzündungsprozesse in der Lunge, diese wiederum führen zu einer irreversiblen Schädigung des Organs. Die Leitsymptome sind Atemnot, exzessive Schleimproduktion und chronischer Husten. Dabei geht der pathophysiologische Prozess der COPD mit einer Abnahme der Muskulatur, verminderter Aktivität und häufig auch mit Symptomen einer Depression einher.<sup>2–5</sup> So sind Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung ohnehin in der Lebensführung bereits schwer beeinträchtigt. Kommt es zu einer weiteren, meist infektionsbedingten Verschlechterung (Exazerbation), so verschlimmern sich die Symptome und besonders heftige Hustenattacken sowie eine massiv erhöhte Schleimproduktion beeinträchtigen das Leben der Betroffenen zusätzlich.</p> <h2>Pulmonale Rehabilitation bessert Lebensqualität</h2> <p>Das vorrangige Ziel der Therapie bei COPD wird in der Verbesserung der funktionellen Limitationen des respiratorischen Apparats gesehen. Neben dem Aufgeben des Tabakkonsums und den medikamentösen Maßnahmen wird immer häufiger auch eine pulmonale oder pneumologische Rehabilitation empfohlen. Hierbei werden die Patienten zielgerichtet und strukturiert begleitet. Die pulmonale Rehabilitation (PR) ist eine nichtmedikamentöse Maßnahme zur nachhaltigen Verbesserung der Krankheitssymptome (Zitat s. u.).<sup>6</sup> <br />Der multidisziplinäre Ansatz einer Rehabilitation bietet die Gelegenheit, die Patienten in verschiedenen Lebensbereich zu betreuen. Beispielsweise können Gesundheitsverhalten, Aktivitätslevel oder die psychische Situation positiv beeinflusst werden. Allerdings sind die Adhärenzraten bei Rehabilitationsprogrammen niedrig. Der Beginn mit einzelnen Elementen der PR bereits im Krankenhaus, während einer akuten Exazerbation, erscheint sinnvoll. Hier besteht zusätzlich die Möglichkeit, Betroffene in einer besonders sensiblen Situation zu erreichen. Durch die rasche Verbesserung des Aktivitätslevels und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bleibt zu hoffen, dass Erkrankte zumindest einige der im Krankenhaus erlernten Maßnahmen beibehalten. Vor allem die Inaktivität ist ein wesentlicher Risikofaktor für eine erneute Hospitalisierung.<sup>6</sup> <br />Einfache Elemente zum Mobilisieren des Sekrets helfen den Patienten Sputum abzuhusten und fördern gleichzeitig die Oxygenierung. Mögliche Strategien sind hierbei die Anwendung von Drainagelagerungen und das Erlernen der Atmung mit der Lippenbremse. So haben Liao et al. ihren Probanden Poster und Informationsmaterial zur Verfügung gestellt. Diese Materialien, in direkter Nähe zum Bett angebracht, helfen bei der richtigen Durchführung. Dadurch werden die Erkrankten optimal in der Selbstpflege unterstützt. Die von Liao et al. dokumentierte Intervention beinhaltet zusätzlich Kräftigungs- und Ausdauertrainings und wird durch Schulungsinhalte komplettiert. Nach nur viertägiger Intervention ließen sich bereits deutlich positive Effekte für die Teilnehmer messen (Abb. 1).<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1806_Weblinks_s13_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="798" /></p> <h2>Grenzen der pulmonalen Rehabilitation</h2> <p>Zwar verbessert sich der Gesundheitszustand der mit akuter Exazerbation eingelieferten Patienten auch durch die richtige Behandlung und fortschreitende Genesung allein. Allerdings kommt es durch zusätzlich angebotene Maßnahmen zu einer weiteren Steigerung des Aktivitätslevels. Die Betroffenen erleben dies als eine bedeutende Steigerung ihrer Lebensqualität.<sup>8</sup> Leider zeigt sich aber auch, dass die Effekte nicht nachhaltig sind: Während kurz nach der Entlassung und bis zu drei Monate später die Wiederaufnahmeraten niedriger sind, lässt sich dieser Effekt nach zwei Jahren nicht mehr nachweisen.<sup>9–13</sup> <br />Bei allem Nutzen bergen im Krankenhaus angebotene Reha-Elemente allerdings auch Gefahren. So überschätzen manche Patienten die hinzugewonnene Erfahrung und damit die eigene Gesundheitskompetenz. Dies kann dazu führen, dass bei erneuter Exazerbation zu spät Hilfe gesucht oder nach einem stationären Aufenthalt die weiterführende Rehabilitation an einem spezialisierten Institut nicht angetreten wird. <br />Wesentlich erscheint auch die Frage nach der korrekten Durchführung der erlernten Übungen und Atemtechniken und ob diese überhaupt weiterhin angewandt werden. Um eine höhere Mitwirkung der Betroffenen zu erreichen, sind etwa Hausbesuche oder Anrufe von Gesundheitsdienstleistern möglich. Aktionspläne können zur Verbesserung der Selbstmedikation eingesetzt werden oder die akute Notwendigkeit professioneller Hilfe verdeutlichen. <br />Abschließend bleibt zu sagen, dass an COPD erkrankte Menschen in jedem Fall von frühzeitig begonnenen Maßnahmen zur Unterstützung der Atmung profitieren. Zusätzlich ist die Unterstützung der Sekretmobilisation eine wesentliche pflegerische Tätigkeit. Aus meiner persönlichen Erfahrung werden allerdings atemunterstützende Maßnahmen viel zu selten eingesetzt. Vor allem ältere Menschen mit Erkrankungen der Atemwege, etwa einer Pneumonie oder einer akuten Exazerbation einer COPD, profitieren von sekretlösenden Maßnahmen. Der korrekten Anwendung der Drainage und Atmung mit der Lippenbremse sowie die Schulung der Patienten in diesen Maßnahmen kommt dabei größte Bedeutung zu.</p> <div id="keypoints">„Pulmonary rehabilitation is a comprehensive intervention based on a thorough patient assessment followed by patient-tailored therapies, which include, but are not limited to, exercise training, education, and behavior change, designed to improve the physical and psychological condition of people with chronic respiratory disease and to promote the long-term adherence of health-enhancing behaviors.“</div> <p>Definition der pulmonalen Rehabilitation nach American Thoracic Society/ European Respiratory Society<sup>6</sup></p> <h2>Stellenwert der Gesundheitspflege</h2> <p>Die Bezeichnung „Gesundheitspflegeperson“ beinhaltet die Überlegung, wie das Leben von Betroffenen nach Krankenhausentlassung nachhaltig verbessert werden kann. Das Aufgeben gesundheitsschädigender Verhaltensweisen nimmt hier einen besonderen Stellenwert ein. Doch ist gerade der Eingriff in die Lebensweise der Betroffenen kritisch zu sehen. Hierfür sind spezielle Qualifikationen und ausgedehnte Zeitressourcen nötig. Sridhar et al. stellen allerdings keine Zunahme der Kosten durch ausgedehnte Interventionen fest. Beispielsweise werden durch die Vermeidung von ungeplanten Arztbesuchen oder durch die kurzfristig gesenkten Rehospitalisierungsraten auch Kosten für die Gesundheitssysteme gesenkt.<sup>9</sup> Nicht zuletzt stellt die optimale Unterstützung auch eine moralische Verpflichtung dar. Dieser Verantwortung gerecht zu werden bedeutet gleichzeitig auch eine Weiterentwicklung der eigenen Profession.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> World Health Organization (2007): Global surveillance, prevention and control of chronic pulmonary diseases - a comprehensive approach. www.who.int/gard/publications/ GARD%20Book % 202007.pdf <strong>2</strong> Clini E, Amborsino N: Rehabilitation in COPD patients: evergreen in pneumology and beyond. Eur Respir J 2011; 38: 514-5 <strong>3</strong> Burtin C et al.: Rehabilitation and acute exacerbations. Eur Respir J 2011; 38: 702-12 <strong>4</strong> Reardon J et al.: Pulmonary rehabilitation for COPD. Respir Med 2005; 99 Suppl B: S19-27 <strong>5</strong> Man WD et al.: Pulmonary rehabilitation and severe exacerbations of COPD: solution or white elephant? ERJ Open Res 2015; 1: pii 00050-2015 <strong>6</strong> Spruit MA et al.: An official American Thoracic Society/European Respiratory Society Statement: key concepts and advances in pulmonary rehabilitation. Am J Respir Crit Care Med 2013; 188: e13-64 <strong>7</strong> Liao LY et al.: Efficacy of a respiratory rehabilitation exercise training package in hospitalized elderly patients with acute exacerbation of COPD: a randomized control trial. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2015; 10: 1703-9 <strong>8</strong> Ali MS et al.: The effect of a short-term pulmonary rehabilitation on exercise capacity and quality of life in patients hospitalised with acute exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease. Indian J Chest Dis Allied Sci 2014; 56: 13-9 <strong>9</strong> Sridhar M et al.: A nurse led intermediate care package in patients who have been hospitalised with an acute exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease. Thorax 2008; 63: 194-200 <strong>10</strong> Greening NJ et al.: An early rehabilitation intervention to enhance recovery during hospital admission for an exacerbation of chronic respiratory disease: randomised controlled trial. BMJ 2014; 349: g4315 <strong>11</strong> Eaton T et al.: Does early pulmonary rehabilitation reduce acute health-care utilization in COPD patients admitted with an exacerbation? A randomized controlled study. Respirology 2009; 14: 230-8 <strong>12</strong> Hopkinson NS et al.: Designing and implementing a COPD discharge care bundle. Thorax 2012; 67: 90-2 <strong>13</strong> Matthews H et al.: Care bundles reduce readmissions for COPD. Nurs Times 2013; 109: 18-20</p>
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</p>
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