
Wenig genützte Chance: COPD-Therapie abseits der Medikamente
Bericht:
Reno Barth
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Neben der medikamentösen Behandlung spielen im Management der COPD nicht-medikamentöse Maßnahmen eine wichtige Rolle. Dies betrifft vor allem die pulmonale Rehabilitation, die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität von COPD-Patient:innen deutlich verbessern kann. Rehabilitationsprogramme können sowohl in Zentren als auch als Telerehabilitation in den eigenen vier Wänden mit Unterstützung durch das Internet oder das Telefon durchgeführt werden.
Pulmonale Rehabilitation habe sich in mehrfacher Hinsicht als wirksam erwiesen, sie verbessert die Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität und sie reduziert Atemnot und Exazerbationen, so Prof. Dr. Ann Holland von der Monash University in Melbourne, Australien. Allerdings bestehe ein massives Implementationsproblem. Aktuell werden weltweit nur rund 16% aller COPD-Patient:innen der Rehabilitation zugewiesen. Und auch eine Zuweisung bedeute noch lange nicht, dass das Programm auch tatsächlich durchgeführt und abgeschlossen wird. Als wichtigste Hindernisse wurden die Umgebung (also z.B. die Verfügbarkeit von Rehabilitation), mangelndes Wissen sowie Annahmen zu den Konsequenzen (beispielsweise der Sicherheit der Übungen) genannt.1 Holland: „Häufig wird der Transport ins Zentrum zum Problem. Sei es, dass keine entsprechenden Dienste zur Verfügung stehen oder dass die Patient:innen so krank sind, dass regelmäßige Transporte logistisch schwierig werden.“
Neue Impulse in der Rehabilitation kann die Telemedizin setzen. Unter Telerehabilitation werden die direkte Supervision in virtuellen Videogruppen, App-basierte Rehabilitationsprogramme, Websites und Online-Arbeitsbücher sowie telefonische Unterstützung der Rehabilitation zusammengefasst. Die Verfügbarkeit von Telerehabilitation nimmt jedenfalls zu. Für das Jahr 2019 zeigen britische Daten, dass derartige Programme rund einem Drittel der Patient:innen angeboten wurden. Während der Covid-Pandemie wurde das Online-Angebot stark ausgebaut, wobei zahlreiche Programme danach wieder zurückgefahren wurden, so Holland. Die jüngsten Zahlen stammen von 2023 und zeigen, dass in Australien 41% der Rehabiltationsprogramme zumindest zum Teil unterstütztes Training daheim umfassten.
Telerehabilitation genauso gut wie Rehabilitation im Zentrum
Die Frage, ob Telerehabilitation funktioniert, wurde 2021 mit einem Cochrane Review beantwortet. Dieser umfasste 15 Studien mit knapp 2000 Teilnehmer:innen, von denen 99% unter COPD litten. Untersucht wurden fünf unterschiedliche Modelle von Telerehabilitation, auf Basis von Telefon-, Web- oder Videounterstützung. Die Analyse fand keine Sicherheitsprobleme. Hinsichtlich der Belastbarkeit („exercise capacity“) waren die Ergebnisse im Vergleichzu konventionellen Rehabilitationsprogrammen gleich wirksam. In beiden Fällen wurden Verbesserungen der 6-Minuten-Gehstrecke (6MWD) erreicht. Ebenso zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich der Verbesserung der Lebensqualität. Auch in der Responder-Analyse ergaben sich durch alle untersuchten Domänen keine signifikanten Differenzen zwischen den Methoden. Alles in allem wurden, je nach Domäne, bei 40 bis 60% der Teilnehmer:innen klinisch bedeutsame Verbesserungen erzielt. Holland: „Das ist etwas weniger, als wir uns erhofft hatten.“ Überlegen war die Telerehabilitation im Hinblick auf die Adhärenz. Während in der Telerehabilitations-Gruppe 93% das jeweilige Programm bis zum Ende durchhielten, waren es bei den im Zentrum durchgeführten Rehabilitationsprogrammen nur 70%. Telerehabilitation wurde von den Teilnehmer:innen der Studien gut angenommen und als sehr positive Erfahrung eingestuft.2
Die Frage nach der Kosteneffektivität von Telerehabilitation hänge von zahlreichen Faktoren ab, so Holland. Darunter fallen beispielsweise der Gerätebedarf des jeweiligen Programms, die Kosten für den Transport der Geräte, die Frage, ob es sich um Einzelbetreuung oder Übung in der Gruppe handelt usw. Letztlich werde die Kosteneffektivität dann auch von den Besonderheiten des jeweiligen Gesundheitssystems abhängen. Eine rezente australische Studie stellte diese Frage für ein in virtuellen Gruppen in Australien durchgeführtes Programm. Die Ergebnisse waren positiv: Telerehabilitation erwies sich als ebenso kosteneffektiv wie pulmonale Rehabilitation in einem Zentrum. Holland: „Es wird oft gefordert, dass Telerehabilitation billiger sein müsse als Rehabilitation im Zentrum. Aber das stimmt nicht, da ebenfalls Technologie erforderlich ist und diese zu den Patient:innen gebracht werden muss. Auch Personal wird für Telerehabilitation benötigt.“ Allerdings könne Telerehabilitation Hospitalisierungen verhindern, und das spare Kosten.
Kriterienkatalog: Was ist eigentlich pulmonale Rehabilitation?
Nicht zuletzt stelle sich allerdings die Frage, ob Telerehabilitation tatsächlich pulmonale Rehabilitation ist oder etwas anderes. Um dies definieren zu können, wurden in einem internationalen Workshop-Report Kriterien festgelegt, die pulmonale Rehabilitationsprogramme erfüllen sollten.3 Dazu wurden in einem Delphi-Prozess 13 essenzielle Komponenten eines pulmonalen Rehabilitationsprogramms definiert, zu denen 27 wünschenswerte Komponenten hinzukommen. In dem Dokument wurde auch betont, dass nur jene Modelle pulmonaler Rehabilitation, die in Studien untersucht wurden, auch im klinischen Alltag implementiert werden sollen.
Gefordert werden
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ein initiales Assessment durch Health-care Professionals (HCP) in einem Zentrum,
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ein Belastungstest zum Zeitpunkt des Assessments,
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ein Belastungstest außerhalb des Zentrums,
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Messung der Lebensqualität,
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Bewertung der Dyspnoe,
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Evaluation des Ernährungsstatus,
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Evaluation der beruflichen Situation,
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Ausdauertraining,
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Krafttraining,
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ein individualisiertes Trainingsprogramm und
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über die Zeit individualisiert zunehmende Trainingsintensität.
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Dem Team muss mindestens ein HCP mit Erfahrung in Verschreibung und Intensivierung von Trainings angehören.
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HCP müssen in dem Modell geschult worden sein, das konkret zur Anwendung kommt.
Diese Anforderungen wurden auf acht Rehabilitationsprogramme angewandt, wobei die Anforderungen teilweise sehr gut und teilweise gar nicht erfüllt wurden. In keinem Fall wurde nach der beruflichen Situation gefragt. Auch das Training der HCP war zumeist suboptimal. Die empfohlenen Tests zu Beginn des Programms wurden in allen Fällen durchgeführt und auch Ausdauer- und Krafttraining waren Bestandteile der meisten – jedoch nicht aller – Programme. Holland: „Bei einigen Komponenten gibt es noch Arbeit zu tun.“ Die Erstuntersuchung im Zentrum ist essenziell, da bislang kein Online-Test für diese Anwendung validiert wurde.
Auf dem (langen) Weg zur nachwachsenden Lunge
Ein optimales Outcome der Rehabilitation wäre möglich, wenn es gelänge, zerstörtes Lungengewebe zum Nachwachsen zu bringen. „Die verfügbaren Therapien der meisten Lungenerkrankungen reduzieren lediglich Symptome und können bestenfalls die Progression verlangsamen. Die einzige definitive Therapie bleibt die Lungentransplantation – die maximalinvasiv und nur sehr eingeschränkt verfügbar ist“, sagte dazu Prof. Dr. Amy Ryan vom Precision Medicine Center for CF der University of Iowa. Regenerative Therapien, basierend auf Stammzellen und Bioengineering sind daher dringend gefragt. Allerdings steht die Entwicklung solcher Therapien vor einer Reihe theoretischer und praktischer Hindernisse.
Wege, um an dieses Ziel zu kommen, wären die Stimulation der Selbsterneuerung des Lungengewebes aus endogenen Stammzellen, der Ersatz von Teilen der Lunge durch ex vivo gezüchtetes Lungengewebe sowie die Zufuhr ex vivo expandierter Stammzellen von außen. Hier beginnen die Probleme, denn es werde nicht genügen, die funktionellen Epithelzellen zu ersetzen. Vielmehr benötige funktionierendes Lungengewebe eine Vielzahl unterschiedlicher Zelltypen in den verschiedenen Lungenabschnitten. Die Probleme beginnen bei der Expansion der endogenen Stammzellen, die ex vivo rasch ihre Fähigkeit zur Differenzierung verlieren, so Ryan. Dies liege nicht zuletzt daran, dass die Umgebung außerhalb des Körpers für die Zellen Stress bedeute, auf den sie durch entsprechende Anpassung ihres Phänotyps reagieren. Es wird versucht, diesen Prozess durch Anpassung des Mediums zu beeinflussen – im Fall von Stammzellen für Lungengewebe bislang allerdings mit überschaubaren Erfolgen. Vom Nachzüchten funktionierenden Lungengewebes sei man noch sehr weit entfernt, so Ryan.
Eine alternative Methode ist die Reprogrammierung menschlicher Zellen (z.B. Fibroblasten) zu pluripotenten Stammzellen, die dann in vitro weiter differenziert und schließlich reinfundiert werden können. Mit diesem Verfahren ist es mittlerweile möglich, eine Reihe pulmonaler Zellen, wie zum Beispiel alveolare Epithelzellen zu züchten. Allerdings stehen auch hier einige Hindernisse einer klinischen Anwendung im Weg. So stelle sich die Frage, wie weit sich die gezüchteten Zellen von Zellen in einer gesunden Lunge unterscheiden. In vitro und im Mausmodell sei das Engraftment dieser Zellen bereits gelungen. In einem intakten Atemwegsepithel sei dies allerdings noch nicht möglich, so Ryan. Dies habe unter anderem mit der Nische zu tun, an die sich die Zellen adaptieren müssen. In einem erkrankten Lungengewebe treffen sie auf Inflammation, pathologisch veränderte Zellen und einen Überschuss an extrazellulärer Matrix.
Praxistipp
Ressourcen für Telerehabilitation können heruntergeladen werden unter:
https://prtelerehab.com
https://homebaserehab.net
Letztere spielt in den Versuchen, Lungengewebe zu ersetzen, eine zentrale Rolle, da sie nicht nur die mechanische Stabilität des Gewebes herstellt, sondern auch biochemische und biomechanische Signale produziert, die für die Funktion und Differenzierung der Zellen entscheidend sind. Damit kommt der extrazellulären Matrix hohe Bedeutung bei Entwicklung, Remodeling und Reparatur des Lungengewebes zu. Letztlich scheitern zurzeit Versuche, Lungengewebe zu regenerieren, am nach wie vor sehr eingeschränkten Verständnis dieser Prozesse und Zusammenhänge, erläuterte Ryan.
Quelle:
„Innovation in rehabilitation: challenges and solutions?“, Vortrag von Prof. Dr. Anne Holland, Australien; „Regenerative medicine: can we grow a new lung?“, Vortrag von Prof. Dr. Amy Ryan, USA, im Rahmen der ERS Satellites am 4.3.2025
Literatur:
1 Cox NS et al.: J Physiother 2017; 63(2): 84-93 2 Cox NS et al.: Cochrane Database Syst Rev 2021; 1(1): CD013040 3 Holland AE et al.: Ann Am Thorac Soc 2021; 18(5): e12-e29
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