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Zunehmendes Interesse an bisher eher wenig beachteten Entitäten

<p class="article-intro">Völlig neue Therapiekonzepte bei myeloproliferativen Erkrankungen fehlten beim diesjährigen Kongress der EHA. Updates bereits laufender Studien dominierten den klinischen Teil des Kongresses. Ein zunehmendes Interesse an bisher wenig beachteten Entitäten wie der systemischen Mastozytose und der chronischen myelomonozytären Leukämie war deutlich erkennbar.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die BFORE-Studie zeigt, dass Bosutinib eine wichtige Behandlungsoption f&uuml;r neu diagnostizierte CML-Patienten darstellt.</li> <li>Eine CML-Therapie mit Imatinib 400mg ist mit einer nahezu normalen Lebenserwartung asso&shy;ziiert.</li> <li>Die Daten aus PERCIST-1 und -2 zeigen, dass Pacritinib eine Therapieoption f&uuml;r MF-Patienten darstellt, und zwar auch f&uuml;r jene mit Thrombopenie, denen andere Therapieoptionen nicht zur Verf&uuml;gung stehen.</li> <li>RKIP spielt eine wesentliche Rolle in der molekularen Pathophysiologie der MP-CMML.</li> </ul> </div> <h2>Chronische myeloische Leuk&auml;mie</h2> <h2>BFORE-Studie</h2> <p>Der BCR-ABL/SRC-Inhibitor Bosutinib hat in der BELA-Studie gegen&uuml;ber Imatinib den prim&auml;ren Endpunkt einer Verbesserung der CCyR nach 12 Monaten trotz einer Verbesserung von MMR und eines schnelleren Ansprechens nicht erreicht. In der BFORE-Studie, einer offenen Phase-III-Studie an 536 Patienten mit neu diagnostizierter CML, die am EHA-Kongress 2017 vorgestellt wurde (Br&uuml;mmendorf T, Abstract S425), zeigt sich nun nach 12 Monaten nicht nur eine signifikante Verbesserung der MMR (47,2 % vs. 36,9 % ; p=0,02), sondern auch eine signifikante Verbesserung der CCyR (77,2 % vs. 66,4 % ; p&lt;0,008). Auch die Rate der Verminderung des BCR-ABL-Transkripts &le;10 % nach 3 Monaten war unter Bosutinib signifikant h&ouml;her (75,2 % vs. 57,3 % ; p&lt;0,0001). Als wichtigste Nebenwirkung von Bosutinib wurde Durchfall &ge;Grad 3 bei 7,8 % der Patienten beobachtet, im Vergleich zu 0,8 % der mit Imatinib behandelten Patienten. Diese Studie zeigt, dass Bosutinib eine wichtige Behandlungsoption f&uuml;r neu diagnostizierte CML-Patienten darstellt.</p> <h2>CML-IV-Studie</h2> <p>R. Hehlmann stellte die 10-Jahres-Resultate der deutschen CML-IV-Studie vor (Hehlmann R et al., Abstract S424), in der CML-Patienten in f&uuml;nf verschiedene Arme randomisiert wurden: Imatinib 400mg, Imatinib + Interferon, Imatinib 800mg, Imatinib + ARA-C und Imatinib nach Interferon-Versagen. Diese Studie, in die 1551 neu diagnostizierte CML-Patienten eingeschlossen waren, best&auml;tigt, dass eine Therapie mit Imatinib 400mg mit einer nahezu normalen Lebenserwartung assoziiert ist, dass ein schnelleres Ansprechen nicht notwendigerweise zu einer Verl&auml;ngerung des &Uuml;berlebens f&uuml;hrt und dass die Prognose der CML-Patienten mehr durch Biologie und Demografie determiniert wird als durch eine Therapieoptimierung (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_s38.jpg" alt="" width="1457" height="850" /></p> <h2>ENESTOP-Studie</h2> <p>T. Hughes pr&auml;sentierte ein 96-Wochen-Update der ENESTOP-Studie, in der die M&ouml;glichkeit des Therapie-Absetzens und der behandlungsfreien Remissionserhaltung bei CML-Patienten &uuml;berpr&uuml;ft wird, die ein tiefes und anhaltendes molekulares Ansprechen nach einem Wechsel von Imatinib auf Nilotinib zeigen (Hughes T et al., Abstract P257).</p> <h2>ENESTfreedom-Studie</h2> <p>Auch von der ENESTfreedom-Studie wurde ein 96-Wochen-Update vorgestellt (Ross D et al., Abstract P601). Diese Studie evaluiert die M&ouml;glichkeit des Therapie-Absetzens und der behandlungsfreien Remissionserhaltung bei CML-Patienten, die ein tiefes und anhaltendes molekulares Ansprechen nach Nilotinib zeigen. Die Ergebnisse beider Studien best&auml;tigen die Stabilit&auml;t der behandlungsfreien Remission, da nur wenige Patienten zwischen Woche 48 und 96 molekular rezidivierten und erneut mit einem TKI behandelt werden mussten.</p> <h2>DADI-Studie</h2> <p>&Uuml;ber ein 3-Jahres-Follow-up der DADI-Studie wurde von H. Nakaemae berichtet (Nakaemae H et al., Abstract P263). In dieser Studie wurde bei 63 Patienten mit CML in der chronischen Phase Dasatinib nach einer tiefen molekularen Remission f&uuml;r mehr als ein Jahr abgesetzt. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass nach 36 Monaten bei 44 % der Patienten eine stabile behandlungsfreie Remission vorliegt.</p> <h2>PACE-Studie</h2> <p>J. Cortes pr&auml;sentierte die 5-Jahres-Resultate des PACE-Trials, in dem im Rahmen einer Phase-II-Studie Sicherheit und Wirksamkeit einer Ponatinib-Therapie bei CML-Patienten untersucht werden (Cortes J et al., Abstract P603). Ponatinib ist ein oraler TKI, der f&uuml;r Patienten mit CML oder Ph-positiver ALL zugelassen ist, f&uuml;r die kein anderer TKI indiziert ist bzw. die eine T315I-Mutation aufweisen. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wurde diese Studie vor&uuml;bergehend unterbrochen. Die 5-Jahres-Langzeitergebnisse zeigen, dass Ponatinib bei schwer vorbehandelten CML-Patienten trotz Dosisreduktionen ein tiefes, andauerndes, klinisch relevantes Ansprechen im Laufe der Zeit erbringt und das fr&uuml;he zytogenetische und molekulare Ansprechen mit einer verbesserten 4-Jahres-&Uuml;berlebensrate in der Landmarkanalyse assoziiert ist.<br />M. Crugnola pr&auml;sentierte ein Langzeit-Follow-up einer Studie, in der sehr alte Patienten mit CML eine Frontline-Therapie mit Imatinib erhielten. Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Notwendigkeit, auch dieses Patientenkollektiv mit Standarddosen zu behandeln, um ein zytogenetisches und molekulares Ansprechen zu erzielen, das mit dem j&uuml;ngerer Patienten vergleichbar ist (Crugnola M et al., Abstract P604).</p> <h2>BCR-ABL-negative myeloproliferative Neoplasmen</h2> <h2>SIMPLIFY-1- und -2-Studie</h2> <p>Bei den BCR-ABL-negativen MPN wurden am EHA-Jahreskongress 2017 Ergebnisse von Studien mit neuen JAK2-Inhibitoren pr&auml;sentiert. In einer randomisierten Phase-III-Studie wurde Momelotinib gegen&uuml;ber dem bereits etablierten JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib bei bisher unbehandelten Patienten mit Myelofibrose verglichen (SIMPLIFY-1-Studie, Gotlib J et al., Abstract S785). Nach 24 Wochen zeigte sich Momelotinib gegen&uuml;ber Ruxolitinib bez&uuml;glich des Milzansprechens als nicht unterlegen, bez&uuml;glich der Symptomkontrolle aber als weniger wirksam. Ein wichtiger Aspekt ist aber die Tatsache, dass Patienten unter Momelotinib einen geringeren Transfusionsbedarf gezeigt haben als unter Ruxolitinib. Momelotinib f&uuml;hrte bei Patienten mit Myelofibrose mit vorangegangener Ruxolitinib-Therapie gegen&uuml;ber BSC (SIMPLIFY-2-Studie) zwar zu einer Verbesserung der krankheitsassoziierten Symptome und einer Verl&auml;ngerung der Zeit der Transfusionsunabh&auml;ngigkeit, jedoch zu keiner Verbesserung des Milzansprechens (Verstovsek S et al., Abstract S789).</p> <h2>PERSIST-1 und -2</h2> <p>Der Einsatz von Ruxolitinib bei MF-Patienten mit Thrombopenie ist problematisch und die Zulassung schlie&szlig;t Patienten mit Thrombopenien &lt;50 000/mcl aus. Pacritinib ist ein oraler TKI, der gegen eine Reihe von Kinasen inkl. JAK2 gerichtet ist. In zwei Phase-III-Studien (PERSIST-1, PERSIST-2) brachte Pacritinib gegen&uuml;ber BAT eine signifikante und andauernde Verminderung der Milzgr&ouml;&szlig;e und eine Verbesserung der Symptomkontrolle. Bei Patienten mit Thrombopenie wurde der Kinaseinhibitor Pacritinib gegen&uuml;ber BAT im Rahmen der PERSIST-2-Studie untersucht, wobei ein Teil der Patienten im BAT-Arm oft auch geringe Dosen von Ruxolitinib erhielt (Harrison C et al., Ab&shy;stract, P701). W&auml;hrend ein Milzansprechen bei Patienten im BAT-Arm kaum beobachtet wurde (3 % ), war eine Verringerung der Milzgr&ouml;&szlig;e &ge;35 % bei 15 % (Pacritinib 400mg einmal t&auml;glich) bzw. bei 22 % (Pacritinib 200mg zweimal t&auml;glich) nachweisbar. Die Rate an Grad-3/4-Nebenwirkungen war unter Pacritinib h&ouml;her als unter Ruxolitinib, w&auml;hrend Dosisreduktionen und Absetzen des Medikaments &auml;hnlich h&auml;ufig waren. Milzansprechen und Symptomkontrolle waren unabh&auml;ngig von An&auml;mie und Transfusionslast (Talpaz M et al., Abstract P699). Insgesamt ist Pacritinib eine Therapieoption f&uuml;r MF-Patienten, auch f&uuml;r jene mit Thrombopenie, denen andere Therapieoptionen nicht zur Verf&uuml;gung stehen.</p> <h2>RESPONSE-2-Studie</h2> <p>M. Grieshammer pr&auml;sentierte ein 80-Wochen-Follow-up der RESPONSE-2-Studie, in der die Wirksamkeit und Sicherheit von Ruxolitinib vs. BAT bei HU-resistenten/intoleranten Patienten mit PV ohne Milzvergr&ouml;&szlig;erung untersucht wurden (Grieshammer M et al., Abstract S784). Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Ruxolitinib zu einer dauerhaften HK-Kontrolle, zur kompletten h&auml;matologischen Remission, zu einer Verringerung des Phlebotomiebedarfs und Verbesserung der Symptomatik f&uuml;hrt, weswegen bei diesen Patienten Ruxolitinib als Standardtherapie betrachtet werden sollte. Auch die JAK2-V617F-Allellast verringert sich im Laufe der Zeit.</p> <h2>PROUD-PV-Studie</h2> <p>Interferon (IFN) ist seit vielen Jahren als interessantes Medikament bei Patienten mit MPN bekannt. Einige Phase-II-Studien haben unabh&auml;ngig voneinander hohe Raten von h&auml;matologischem und molekularem Ansprechen im Blut gezeigt, der In-vivo-Einfluss von IFN auf die Proliferation von Progenitorzellen im Knochenmark wurde aber bisher nicht untersucht. Solche Untersuchungen wurden nun im Rahmen der PROUD-PV-Studie durchgef&uuml;hrt, bei der in randomisierter Art HU und Ropeginterferon (AOP2014) bei Patienten mit PV verglichen wurden (Kiladjian J et al., Abstract S787). Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die beiden Medikamente einen unterschiedlichen Effekt auf Progenitorzellen haben. Obwohl beide Substanzen zu einer Verminderung des JAK2-Burden im Blut f&uuml;hren, zeigen die Stammzellkulturen eine Abnahme des endogenen BFU-E-Wachstums lediglich unter AOP2014, nicht aber unter HU. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Ropeginterferon, nicht aber HU, imstande ist, den pathophysiologisch relevanten Zellklon bei PV zu beeinflussen, und l&auml;sst vermuten, dass molekulare Langzeitremissionen nur mit diesem Medikament erwartet werden k&ouml;nnen.</p> <h2>PEGINVERA-Studie</h2> <p>Dass eine lang dauernde Behandlung mit Ropegintron m&ouml;glich ist, zeigt auch die PEGINVERA-Studie, in der die Wirksamkeit und Vertr&auml;glichkeit dieses Medikaments im Langzeitsetting bei Patienten mit PV untersucht werden. Es konnte gezeigt werden, dass alle Patienten, die von der zweij&auml;hrigen Phase einer zweiw&ouml;chentlichen Verabreichung in die anschlie&szlig;ende Phase einer monatlichen Langzeitverabreichung gewechselt haben, bis zum jetzigen Zeitpunkt f&uuml;r mindestens zwei Jahre das Medikament nicht abgesetzt haben (Buxhofer-Ausch V et al., Abstract P707).</p> <h2>Sonstige myeloproliferative Neoplasmen</h2> <h2>Studien D2201 und A2213</h2> <p>Ein zunehmendes Interesse an bisher wenig beachteten Entit&auml;ten wie der systemischen Mastozytose und der chronischen myelomonozyt&auml;ren Leuk&auml;mie war im Rahmen des Kongresses deutlich erkennbar. Mit Midostaurin steht ein TKI zur Verf&uuml;gung, der gegen die KIT-Mutation D816V gerichtet ist, die bei der Mehrzahl von Patienten mit fortgeschrittener systemischer Mastozytose nachweisbar ist. In den beiden Phase-II-Studien D2201 und A2213 zeigten Patienten mit einer solchen Erkrankung ein Ansprechen von 60 % bzw. 69 % . A. Reiter pr&auml;sentierte eine Studie, in der gepoolte Daten dieser beiden Studien mit Daten aus einem Patientenregister im Hinblick auf das Gesamt&uuml;berleben verglichen wurden (Reiter A et al., Abstract S788). Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Midostaurin mit einem 38 % geringeren Mortalit&auml;tsrisiko im Vergleich mit einer unbehandelten historischen Kontrolle assoziiert und der Nutzen in s&auml;mtlichen Subgruppen nachweisbar war.<br />Eine Arbeit, die sich mit der Pathophysiologie der CMML befasst, wurde von einer &ouml;sterreichischen Arbeitsgruppe pr&auml;sentiert (Caraffini V et al., Abstract S419). Die Tatsache, dass die Ergebnisse in einer oralen Pr&auml;sentation vorgestellt werden durften, ist ein Beweis daf&uuml;r, dass die Thematik vom Auswahlkomitee als besonders interessant und relevant erachtet wurde. Die CMML ist charakterisiert durch eine verst&auml;rkte Proliferation der myelomonozyt&auml;ren Zellreihe, die, wie schon in den letzten Jahren von der &ouml;sterreichischen Arbeitsgruppe gezeigt worden ist, in vielen F&auml;llen auf eine &Uuml;beraktivierung des RAS-Signalweges zur&uuml;ckzuf&uuml;hren ist. RAF-Kinase-Inhibitor-Protein (RKIP) ist ein Negativregulator des RAS-Signalpfades. Ein Verlust von RKIP kann h&auml;ufig bei akuten Leuk&auml;mien der myelomonozyt&auml;ren Zellreihe nachgewiesen werden und ist oft mit RAS-Mutationen assoziiert. In dieser Studie wurde bei 26 % der CMML-Patienten ein Verlust von RKIP festgestellt. Der Verlust von RKIP war mit einer Verminderung der entsprechenden mRNA und einem erh&ouml;hten Prozentsatz myelomonozyt&auml;rer Zellen im Blutbild assoziiert. Zumindest eine Mutation in einer RAS-Pfad-Komponente wurde in allen F&auml;llen mit RKIP-Verlust festgestellt. In funktionellen Studien war der Knock-down von RKIP mit einer gesteigerten GM-CSF-induzierten Myelomonozytopoese assoziiert. W&auml;hrend eine molekulare Abschaltung von RKIP im Mausmodell nicht ausreichte, um eine Erkrankung zu induzieren, wurde der CMML-MPD-Ph&auml;notyp von M&auml;usen mit einer NRAS-Mutation durch die gleichzeitige Inaktivierung von RKIP aggraviert und f&uuml;hrte zu Leukozytose und Splenomegalie. Diese Resultate unterstreichen die wichtige Rolle von RKIP in der molekularen Pathophysiologie der MP-CMML.</p></p>
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