
Wissenschaftliche Spitzenqualität und internationale Reputation
Mit Primaria Dr. Scholl-Firon, MBA, wurde zum ersten Mal in der Geschichte der AGO Austria (Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie der OEGGG) eine Frau zur Präsidentin ernannt. Wir befragten die AGO-Präsidentin und Primaria des Hanusch-Krankenhauses Wien, wie sie ihr spezielles Interesse für Gynäkologische Onkologie entdeckte, über ihren Werdegang, ihr Engagement in der AGO und die Bedeutung der AGO auf nationaler und internationaler Ebene.
Wie haben Sie Ihr Interesse für die Gynäkologie entdeckt?
Ich habe schon sehr früh im Medizinstudium Interesse für die Gynäkologie entwickelt, und zwar im Zuge des Faches Embryologie, das ich sehr spannend fand (Anm.: Embryologie war ein Bestandteil des Histologie-Rigorosums).
Daraufhin habe ich begonnen, an gynäkologischen Abteilungen zu famulieren, wobei mich der klinische Aspekt zusätzlich in meinem Interesse bestärkt hat. Darüber hinaus bot sich mir bald die Möglichkeit, an der Abteilung des langjährigen Vorstands Prof. Dr. Heinrich Salzer mitzuarbeiten und ich hatte das Glück, in ihm einen hervorragenden Mentor zu finden. Je näher ich dieses Fach kennen gelernt habe, umso mehr hat es mir gefallen. Das Schöne ist die Vielfalt des Faches und das bringt mit sich, dass man Frauen in ihrer Gesamtheit betreuen kann. Das Spektrum ist breit gefächert und umfasst sowohl die Diagnostik – wir führen zum Beispiel ja Ultraschalluntersuchungen selbst durch – als auch die Therapie auf konservativer und auf chirurgischer Ebene.
Die Tatsache, dass ich in einem wunderbaren Team und von einem großartigen Mentor ausgebildet worden bin, hat meine Liebe zur Frauenheilkunde noch zusätzlich berstärkt.
Was hat im Speziellen Ihr Interesse für gynäkologische Onkologie geweckt?
Professor Salzer, einer der Gründerväter der AGO Österreich, war sicher maßgeblich daran beteiligt, dass ich ein besonderes Interesse für gynäkologische Onkologie entwickelt habe: Wenn man eine Facharztstelle wollte, musste man sich engagieren und so habe ich bereits während meines Studiums wissenschaftlich mitgearbeitet. Nachdem auf der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Wilhelminenspitals Wien die Forschungsschwerpunkte auch sehr stark im gynäko-onkologischen Bereich lagen, bin ich in diesen Bereich „hineingewachsen“ – und habe es nie bereut!
Demnach ist davon auszugehen, dass Sie auch über Professor Salzer den Zugang zur AGO gefunden haben.
Grundsätzlich ist für jeden Gynäkologischen Onkologen die AGO gewissermaßen eine „Heimat“, wo alle Fäden zusammenlaufen. Und natürlich wurde durch Professor Salzer, der bis vor wenigen Jahren Mitglied des AGO-Vorstands war, diese Zugehörigkeit zusätzlich be- und verstärkt.
Ich selbst bin daher bei der AGO bereits sehr früh aktiv geworden. Ich gehöre seit 2002 dem Wissenschaftsausschuss (WAAGO) an und habe, gemeinsam mit Kollegen, das ISO-zertifizierte interaktive AGO-Basisseminar konzipiert und geleitet: Dieser Workshop hatte den Zweck, Frauenärztinnen und -ärzten in Ausbildung grundlegende Kenntnisse im Bereich der Gynäkologischen Onkologie zu vermitteln. Bis zur Neuregelung der Ärzte-Ausbildungsordnung, die im Jahr 2015 in Kraft getreten ist, war im Rahmen der Facharztausbildung ja keine explizite Ausbildung im Bereich der Gynäkologischen Onkologie vorgesehen.
Welche Bedeutung hat demnach die alljährlich in Salzburg stattfindende AGO-Jahrestagung?
Die AGO-Jahrestagung ist ein Fixpunkt für Gynäkologische Onkologen und die Tagung ist sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene eine gefragte Veranstaltung.
Sie haben ja in diesem Jahr als erste Frau die Präsidentschaft der AGO übernommen. Wer wählt den Präsidenten/die Präsidentin und wie lange dauert die Amtszeit?
Der Präsident/die Präsidentin wird vom Vorstand gewählt und die in den Statuten festgelegte Amtszeit beträgt 3 Jahre.
Warum hat es Ihrer Meinung nach so lange gedauert, bis eine Frau Präsidentin geworden ist?
Das ist kein Spezifikum der Gynäkologen und auch nicht der Ärzteschaft. Aus Statistiken von großen Unternehmen und Ergebnissen der Gender-Forschung geht hervor, dass weltweit Frauen in Führungspositionen nach wie vor in allen Branchen prozentual unterrepräsentiert sind. Dies umfassender zu diskutieren würde den Rahmen dieses Interviews sprengen, wäre aber möglicherweise einen eigenen Artikel Wert.
Welche Aufgaben sind mit der Funktion der Präsidentschaft verbunden? Gibt es bestimmte Ziele, die Sie sich gesetzt haben?
Die AGO zeichnet sich durch eine extrem flache Hierarchie aus: Es gibt einen Vorstand, der ein Gremium darstellt, um Strategien festzulegen. Innerhalb des Vorstands gibt es den Präsidenten und den Sekretär, die sozusagen gewissermaßen „die Fäden zusammenhalten“. Prinzipiell aber ist die AGO ein Team-Work und endet nicht beim Vorstand, im Gegenteil: Die AGO lebt davon, dass sehr viele, außerordentlich kompetente und ausgesprochen engagierte Menschen zusammenarbeiten.
Wesentlich ist, dass die AGO gut aufgestellt ist und eine Fachgesellschaft repräsentiert, die sehr aktiv ist. Es ist nicht so, dass man bei Übernahme der Präsidentschaft spezielle Ziele verfolgt. Nachdem die Medizin einem ständigen Wandel und Fortschritt unterliegt, gibt es immer viel zu tun. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns ununterbrochen stellen und das machen wir gerne. Vordergründig geht es auch darum, von Seiten der Fachgesellschaft die wissenschaftlichen Fortschritte im klinischen Alltag zu implementieren bzw. nach außen zu kommunizieren.
Österreich ist im Bereich der gynäkologischen Onkologie wissenschaftlich gut positioniert und zeichnet sich in Relation zur Tatsache, dass wir ein kleines Land sind, durch hohe Rekrutierungszahlen bei klinischen Studien aus. Welche Faktoren tragen dazu bei, dass wir hier auch auf internationaler Ebene eine beachtliche Reputation erlangt haben?
Wir sind wissenschaftlich sehr aktiv und nicht nur in Relation zur Größe des Landes erfolgreich. Es wird generell auf höchstem Qualitätsniveau ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ich denke, Basis für den Erfolg und die ausgezeichnete Reputation sind die Kompetenz und das Engagement – darauf aufbauend ist es möglich, qualitativ hochwertige Wissenschaft im eigenen Land zu betreiben und gleichzeitig die Kooperation über die Grenzen hinaus aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
Welche Position nimmt der WAAGO (wissenschaftlicher Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie) im Rahmen der AGO ein?
Der WAAGO ist als wissenschaftlicher Ausschuss Teil der AGO: Zu den Aufgaben des WAAGO gehört die fachliche Beurteilung von translationalen und klinischen Studien und die Evaluierung ihrer Durchführbarkeit in Österreich. Die WAAGO legt validierte Studien dem AGO-Vorstand vor. Bei positivem Beschluss wird das Protokoll an die AGO-Studienzentrale zwecks Koordination und logistischer Durchführung weitergeleitet.
Sie sind vor wenigen Monaten zur Primaria der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Hanusch-Krankenhauses bestellt worden. Was bedeutet das für Sie, gibt es spezielle Pläne, die Sie verwirklichen möchten?
Es bedeutet mir sehr viel, weil ich große Freude daran habe, mit einem tollen Team zusammenzuarbeiten. Mein Team und ich sind gerade dabei viele Pläne zu entwickeln, die wir aber erst dann präsentiert möchten, wenn sie fertig ausgearbeitet sind.
Vielen Dank für das Gespräch!
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