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Wird die CAR-T-Zell-Therapie die allogene Transplantation ersetzen?
Jatros
30
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27.12.2018
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<p class="article-intro">Die Oxford-Debatte gibt zwei Rednern die Möglichkeit, ungestört von Zwischenfragen klar abgegrenzte Pro- und Kontra-Seiten zu einem festgelegten Thema zu vertreten. In einer Oxford-Debatte zum Thema „Wird die CAR-T-Zell-Therapie die allogene Transplantation beim Lymphom ersetzen?“ vertraten Marion Subklewe, Universitätsklinikum München, und Dolores Caballero, Universitätsklinik Salamanca, im Rahmen des ESMO die gegensätzlichen Standpunkte.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Mit R-CHOP-21 oder R-CHOP-14 werden etwa zwei Drittel der neu diagnostizierten Patienten mit diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) geheilt.<sup>1</sup> Patienten, die nach R-CHOP-21 rezidivieren, haben eine schlechte Prognose, insbesondere bei einem Rezidiv innerhalb von einem Jahr.<sup>2</sup> Refraktäre DLBCL-Patienten überleben laut Ergebnissen der retrospektiven Metaanalyse SCHOLAR-1 median 6,3 Monate. Es sprachen 26 % der 636 in die Analyse eingeschlossenen Patienten auf die Salvage-Therapie an.<sup>3</sup> Die Stammzelltransplantation ist der Therapiestandard für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL.</p> <h2>Pro: Die CAR-T-Zell-Therapie wird die allogene Stammzelltransplantation ersetzen!</h2> <p>Die Stammzelltransplantation (ASCT) habe signifikante Limitationen, erklärte Subklewe. Aufgrund von Alter, Gebrechlichkeit, Komorbiditäten, kognitiver und körperlicher Kondition seien Patienten häufig für die ASCT ungeeignet. Der Erfolg der ASCT hänge von der Abfolge der Chemotherapien vor der Transplantation ab, weil diese einen Einfluss auf die Chemoresistenz haben. Die Rückfallrate nach Stammzelltransplantation sei hoch, mit dann schlechter Überlebensprognose von median 9 Monaten. Die allogene Stammzelltransplantation geht mit einem etwa 20 % igen Mortalitätsrisiko einher und es bestehe eine signifikante Beeinträchtigung durch die Graft-versus-Host-Erkrankung.<br /> Interessant bezüglich der CAR-T-Zell- Therapie sind insbesondere die Zweitgenerations- CD19-CAR-T.<sup>4</sup> Alle drei Substanzen wurden in Phase-II-Studien geprüft und zeigten bei einem Klientel mit hohem Anteil an refraktären Patienten (55–74 % ) und mehrheitlich ≥3 Vortherapien, darunter Stammzelltransplantationen bei 23–49 % der Patienten, vielversprechende Ergebnisse. Die JULIET-Studie untersuchte Tisagenlecleucel bei erwachsenen DLBCL-Patienten.<sup>5</sup> In die Studie wurden 165 Patienten eingeschlossen, von denen 111 die veränderten T-Zellen zurückinfundiert bekamen. Für ein Ansprechen waren 93 der Studienteilnehmer auswertbar. Ein Ansprechen wurde bei 52 % der Patienten erreicht, eine komplette Remission nach 12 Monaten bei 40 % der Patienten. 49 % der Patienten überlebten 12 Monate. Von den Patienten, die nach 3 Monaten ein Ansprechen zeigten, waren 83 % nach 12 Monaten ohne Progress. Die rezidivfreie Überlebensrate nach 12 Monaten betrug 78,5 % für Patienten mit kompletter Remission und 65 % für alle ansprechenden Patienten. Subklewe betonte, dass Tisagenlecleucel- Transgene bis zu 2 Jahre im peripheren Blut ansprechender Patienten nachgewiesen wurden. Die 1-Jahres- Gesamtüberlebens(OS)-Rate betrug 49 % für alle Patienten, die eine Infusion erhalten hatten, und 95 % für Patienten mit Komplettremission (Abb. 1).<br /> In ZUMA-1 wurden 111 Patienten rekrutiert, von denen 101 Patienten Axicabtagene ciloleucel erhielten. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15,1 Monaten zeigten 72 % der Patienten nach 12 Monaten ein Ansprechen, 51 % eine komplette Remission.<sup>6</sup> Die 1-Jahres-OSRate betrug 60,4 % . Die TRANSCENDNHL- 001-Studie untersuchte 134 Patienten, von denen 114 Lisocabtagene maraleucel erhielten und 102 auswertbar waren. Es sprachen 75 % der Patienten auf die Therapie an, 55 % erreichten eine komplette Remission.<sup>7</sup> Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 8 Monaten betrug die 1-Jahres-OS-Rate für Patienten mit kompletter Remission 87 % und für alle auswertbaren Patienten 59 % .<br /> Bezüglich der Sicherheit sei zu beachten, dass in der JULIET-Studie die Pennund in ZUMA-1 sowie TRANSCEND NHL 001 die Lee-Kriterien zur Schweregradbestimmung des Zytokinsturms (CRS) verwendet wurden, bemerkte Subklewe. Es kam zu einem CRS Grad ≥3 bei 24 % in der JULIET-Studie sowie bei 13 % und 1 % in den Studien ZUMA-1 und TRANSCEND NHL 001. Neurologische Toxizitäten Grad ≥3 wurden bei 12 % , 28 % und 15 % der Patienten in den drei Studien berichtet. Eine Untersuchung von Phase-I/II-Studien zu infektiösen Nebenwirkungen zeigte keinen Unterschied im Auftreten nach CD19-CAR-T-Zell-Therapie oder anderen Salvage-Chemoimmuntherapien.<sup>8</sup><br /> Im Vergleich zu diesen Ergebnissen sei der Nutzen einer allogenen Stammzelltransplantation nach autologer Stammzelltransplantation bei DLBCL-Patienten laut EBMT-Daten eher moderat. Es konnten aus der EBMT-Datenbank 101 Patienten ausgewertet werden, die zwischen 1997 und 2006 eine allogene Stammzelltransplantation erhalten hatten. Nach drei Jahren waren 41,7 % der Patienten ohne Progress und 53,8 % noch am Leben. 28,2 % der Patienten waren ohne Krankheitsrückfall verstorben.<sup>9</sup> Die Lebensqualität nach allogener Stammzelltransplantation sei, entsprechend einem Review<sup>10</sup> zu dem Thema, zumindest im ersten Jahr stark beeinträchtigt, so Subklewe.<br /> Zum Abschluss ihrer Rede verwies Subklewe auf das Patientenkollektiv, das bisher mit CAR-T-Zell-Therapie bzw. allogener Stammzelltransplantation behandelt wurde: Während mit CAR-T auch Patienten im Alter bis zu 75 Jahren behandelt wurden, seien für die allogene Stammzelltransplantation eher jüngere Patienten indiziert. Die Mortalität ohne Krankheitsprogress betrage 1–3 % bei CAR-T-Zell-Therapie, aber etwa 30 % bei allogener Stammzelltransplantation, gab Subklewe zu bedenken.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1807_Weblinks_jatros_onko_1807_s40_abb1.jpg" alt="" width="1455" height="1000" /></p> <h2>Kontra: Die CAR-T-Zell-Therapie wird die allogene Stammzelltransplantation nicht ersetzen!</h2> <p>Caballero konterte, dass erst einmal geklärt werden müsse, von wie vielen Patienten tatsächlich die Rede ist, wenn über die Rolle der allogenen Transplantation bei DLBCL diskutiert werde. In Europa wurden im Jahr 2015 42 171 Stammzelltransplantationen durchgeführt, davon 16 030 allogene Stammzelltransplantationen und diese wiederum nur in 4 % der Fälle beim Non-Hodgkin-Lymphom.<sup>11</sup> Ob diese ausgewählten Patienten durch eine CAR-T-Zell-Therapie effektiver behandelt werden können? Caballero bezweifelte dies, liegen doch für die allogene Transplantation nach autologer Transplantation 3- und 5-Jahres-Daten vor, nach denen mehr als die Hälfte der Patienten 3 Jahre und um die 40 % 5 Jahre überleben. Es sei bekannt, dass ein Karnofsky-PS <80, ein Intervall zwischen autologer und allogener Stammzelltransplantation <1 Jahr und eine chemoresistente Erkrankung zu Beginn der allogenen Stammzelltransplantation den Therapieerfolg negativ beeinflussen und bei der Patientenselektion beachtet werden sollten.<sup>12</sup><br /> Das Argument, die allogene Transplantation sei bei DLBCL-Patienten weniger sicher und effektiv als die CAR-T-Zell-Therapie, wies Caballero anhand eigener Daten aus Salamanca zurück. Nach der Erfahrung von inzwischen 1000 allogenen Stammzelltransplantationen, davon 40 bei DLBCL-Patienten, erreichen 65 % ein komplettes Ansprechen und nur bei 5 % der Patienten wurde ein Rückfall berichtet. An Infektionen starben 10 % der Patienten. Die 3-Jahres-OS-Rate betrage in Salamanca 48 % , die 3-Jahres-PFS-Rate 54 % , womit die Daten aus diesem Real-World-Setting deutlich besser seien als die SCHOLAR- 1-Daten. Auch im Vergleich mit den Ergebnissen der CAR-T-Zell-Therapie schneide die allogene Stammzelltransplantation in Salamanca nicht schlechter ab: Nach einem Jahr waren 82 % der Patienten mit kompletter Remission ohne Progress sowie 57 % aller ansprechenden Patienten.<br /> 90 % der Patienten hatten im Jahr 2018 einen Stammzellspender, sodass auch das Argument mangelnder Spender nicht greife, erklärte Caballero. Die Kosten seien allerdings ein greifbarer Faktor, welcher für die Stammzelltransplantation spreche – insbesondere wenn es gelinge, die Graftversus- Host-Erkrankung zu reduzieren.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahresversammlung der European Society for Medical
Oncology (ESMO), Oxford-Debatte „Will CAR T cell therapy
replace allogenic transplantation in lymphoma?“,
20. Oktober 2018, München
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Lin T et al.: RCHOP-21 vs. RCHOP-14 for the treatment of newly diagnosed diffuse large B cell lymphoma: a prospective randomized phase III clinical trial from Cswog. Blood 2015; 126: 2690 <strong>2</strong> Gisselbrecht C et al.: Salvage regimens with autologous transplantation for relapsed large B-cell lymphoma in the rituximab era. J Clin Oncol 2010; 28: 4184-90 <strong>3</strong> Crump M et al.: Outcomes in refractory diffuse large B-cell lymphoma: results from the international SCHOLAR-1 study. Blood 2017; 130: 1800-8 <strong>4</strong> van der Stegen SJ et al.: The pharmacology of second-generation chimeric antigen receptors. Nat Rev Drug Discov 2015; 14: 499-509 <strong>5</strong> Borchmann P et al.: An updated analysis of JULIET, a global pivotal phase 2 trial of tisagenlecleucel in adult patients with relapsed or refractory (r/r) diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL). EHA 2018, Abstr. #S799 <strong>6</strong> Neelapu SS et al.: Axicabtagene ciloleucel CAR T-cell therapy in refractory large B-cell lymphoma. N Engl J Med 2017; 377: 2531-44 <strong>7</strong> Abramson JS et al.: Updated safety and long term clinical outcomes in TRANSCEND NHL 001, pivotal trial of lisocabtagene maraleucel (JCAR017) in R/R aggressive NHL. ASCO 2018, Abstr. #7505 <strong>8</strong> Hill JA et al.: Infectious complications of CD19- targeted chimeric antigen receptor-modified T-cell immunotherapy. Blood 2018; 131: 121-30 <strong>9</strong> van Kampen RJ et al.: Allogeneic stem-cell transplantation as salvage therapy for patients with diffuse large B-cell non- Hodgkin´s lymphoma relapsing after an autologous stemcell transplantation: an analysis of the European Group for Blood and Marrow Transplantation Registry. J Clin Oncol 2011; 29: 1342-8 <strong>10</strong> Pidala J et al.: Quality of life after allogeneic hematopoietic cell transplantation. Blood 2009; doi: 10.1182/blood-2008- 10- 182592 <strong>11</strong> Passweg JR et al.: Use of haploidentical stem cell transplantation continues to increase: the 2015 European Society for Blood and Marrow Transplant activity survey report. Bone Marrow Transplant 2017; 52: 811-7 <strong>12</strong> Fenske TS et al.: Allogeneic transplantation provides durable remission in a subset of DLBCL patients relapsing after autologous transplantation. Br J Hematol 2016; 174: 235-48</p>
</div>
</p>