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Prostatakarzinom

Wichtigkeit lokaler Therapie und neue Daten zu PARP-ARPI-Kombinationen

Am diesjährigen ASCO-Jahrestreffen in Chicago wurden mehrere wichtige Studien zum Prostatakarzinom vorgestellt. Im Folgenden sollen die bedeutendsten besprochen werden.

Zum metastasierten, hormonsensitiven Prostatakarzinom sind auf dem ASCO-Jahrestreffen die Daten der Phase-III-Studie PEACE-1 vorgestellt worden, auf deren Basis der Effekt der lokalen Radiotherapie der Prostata evaluiert wird. Beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom ist besonders die Phase-III-Studie TALAPRO-2 hervorzuheben, die Daten zu einer zusätzlichen Kohorte von Patient:innen mit homologen Rekombinationsdefekten (HRRm) geliefert hat.

Daneben gab es auf dem Kongress Updates zu wichtigen Studien, bei denen der primäre Endpunkt bereits früher präsentiert wurde, zum Beispiel eine Analyse des Gesamtüberlebens abhängig von der Lebensqualität in der CHAARTED-Studie sowie Lebensqualitätsdaten aus den Studien PROpel und TALAPRO-2. Eine interessante Arbeit wurde zudem zur Rolle der Knochenszintigrafie gezeigt, die mit der PSMA-PET-Bildgebung verglichen wurde.

Hormonsensitives metastasiertes Prostatakarzinom (mHSPC)

Die PEACE-1-Studie wurde bereits vor einigen Jahren präsentiert und inzwischen auch vollumfänglich publiziert. Diese 4-armige Studie mit einem faktoriellen 2x2-Design hatte mehr als 1100 Patient:innen eingeschlossen und diese auf vier Arme randomisiert. Der Standardarm bestand initial aus einer alleinigen Androgendeprivation, im Verlaufe der Studie wurde auch Docetaxel im Standardarm erlaubt und nach Publikation der wichtigen Phase-III-Studien zum mHSPC wurde Docetaxel sogar als Standard im Kontrollarm festgelegt. Die Daten zum Standard (ADT ± Docetaxel) verglichen mit dem Standard + Abirateron haben wurden bereits früher diskutiert.1

Nun wurden die Daten für die Standardbehandlung plus/minus Abirateron verglichen mit der Standardbehandlung Abirateron + lokale Radiotherapie.2 Wichtig ist hier, zu betonen, dass die Radiotherapiedosis einer konventionellen Radiotherapie der Prostata 74 Gy in 37 Fraktionen entsprach, nachdem die Chemotherapie mit Docetaxel komplettiert worden war, sofern diese durchgeführt worden war. Im Rahmen der PEACE-1-Studie wurde nicht nur die lokale Radiotherapie der Prostata erlaubt, sondern auch die zusätzliche Bestrahlung von pelvinen Lymphknoten, wenn klinisch indiziert.

Bereits bei früheren Auswertungen haben wir gesehen, dass 43% der Patient:innen in der PEACE-1-Studie «Low volume»-Krankheitskriterien aufwiesen, gegenüber 57% mit «High volume»-Kriterien. Beim radiografisch progressionsfreien Überleben in der «Low volume»-mHSPC-Subgruppe zeigte sich ein ganz klarer Vorteil für die lokale Radiotherapie + Standardbehandlung + Abirateron gegenüber allen anderen Behandlungsarmen (HR: 0,5; 99,9% CI: 0,28–0,88). Im Gesamtüberleben konnte aber in der «Low volume»-mHSPC-Subgruppe kein relevanter Vorteil nachgewiesen werden. Interessanterweise zeigte sich in der kombinierten Auswertung ein relevanter Vorteil für die Zeit bis zu relevanten lokalen Komplikationen.

Die Autor:innen schliessen daraus, dass die Tripeltherapie ADT + Abirateron + lokale Radiotherapie bei Patient:innen mit «Low volume»-mHSPC der Standard sein sollte. In ausgewählten Fällen kann auch bei einer «High volume»-Situation eine lokale Radiotherapie evaluiert werden, mit dem Ziel, lokale Komplikationen zu verhindern. Diese Daten sind wichtig, da in der STAMPEDE-Studie die lokale Radiotherapie der Prostata im mHSPC-Setting ohne eine zusätzliche endokrine Therapie durchgeführt wurde.

Mit der PEACE-1-Studie liegen nun erstmals Daten für diese Tripelkombination in der metastasierten Situation vor. Sie unterstützen das bereits etablierte Konzept einer lokalen Radiotherapie vor allem bei Patient:innen mit limitierter Ausdehnung der Metastasierung.

Kastrationsresistentes metastasiertes Prostatakarzinom

Die TALAPRO-2-Studie ist bereits am ASCO-GU-Jahrestreffen 2023 präsentiert und zwischenzeitlich auch publiziert worden.3Patient:innen mit mCRPC wurden in der ersten Therapielinie randomisiert auf eine Kombination aus Talazoparib + Enzalutamid verglichen mit Placebo + Enzalutamid mit dem primären Endpunkt des radiografisch progressionsfreien Überlebens. Die überwiegende Zahl dieser Patient:innen erhielt ADT alleine in der hormonsensitiven Situation, knapp 30% dieser Patient:innen waren mit Docetaxel vorbehandelt worden, wenige Patient:innen hatten auch Abirateron bereits erhalten (<10%).

Die «All comer»-Kohorte wurde bereits am ASCO GU 2023 gezeigt. Am ASCO wurde nun die HRRm-Kohorte vorgestellt, die 399 Patient:innen beinhaltete, welche alle eine HRRm-Alteration aufwiesen.4 Diese Patient:innen waren ebenfalls auf Talazoparib + Enzalutamid vs. Placebo + Enzalutamid randomisiert worden. Die am häufigsten gefundenen HRR-Genalterationen waren in der Reihenfolge der Häufigkeit BRCA2, AMT, CDK12, CHEK2, BRCA1 und einige weitere. In dieser molekulardefinierten Subgruppe zeigte TALAPRO-2 einen relevanten Vorteil im radiografisch progressionsfreien Überleben für die Kombinationstherapie. Das mediane radiografisch progressionsfreie Überleben lag unter Enzalutamid bei 13,8 Monaten und wurde im Kombinationsarm (HR: 0,45; 95% CI: 0,33–0,61) nicht erreicht.

In der Subgruppenanalyse kam noch einmal klar heraus, dass sich vor allem bei Patient:innen mit einer BRCA-Alteration der grösste Vorteil der Kombinationstherapie zeigte (HR 0,2), verglichen mit Patient:innen mit anderen Alterationen (HR 0,72). Die Daten zum Gesamtüberleben sind noch nicht ausgereift, zeigen aber bereits einen interessanten Trend zu einer Verlängerung (HR: 0,69; 95% CI: 0,46–1,03). Auch weitere sekundäre Endpunkte wie Zeit bis zur PSA-Progression, Zeit bis zur zytotoxischen Chemotherapie oder PFS2 wurden durch die Kombinationstherapie signifikant verbessert.

Die Kombination aus Talazoparib und Enzalutamid hat aber doch relevante Toxizitäten. 67% der Patient:innen mussten die Behandlung mit Talazoparib unterbrechen, 55% der Patient:innen benötigten eine Dosisreduktion und 10% mussten die Behandlung Talazoparib aufgrund von Nebenwirkungen komplett beenden. In der PROpel-Studie wurden gehäuft thromboembolische Ereignisse berichtet. In TALAPRO-2 konnten Lungenembolien bei 2% der Patient:innen im Kombinationsarm vs. 1% der Patient:innen im Enzalutamid-Monotherapiearm dokumentiert werden.

Die Autor:innen schliessen, dass die Kombination aus Talazoparib + Enzalutamid das Potenzial hat, für Patient:innen mit HRR-Genalterationen eine Standardtherapieoption bei mCRPC in der ersten Linie zu werden.

Diese Daten fügen sich in die Reihe der anderen bereits publizierten Phase-III-Studien zu Kombinationstherapien aus ARPI mit PARP-Inhibitoren gut ein. Interessanterweise ist die Kombination aus Olaparib + Abirateron von der FDA nur für Patient:innen mit BRCA-Mutationen zugelassen worden, die EMA hat die Kombination für Patient:innen unabhängig von HRR-Genalterationen zugelassen, in der Schweiz ist die Kombination nicht zugelassen. Die EMA hat die Kombinationstherapie aus Abirateron + Niraparib basierend auf der MAGNITUDE-Studie für Patient:innen mit BRCA1-/BRCA2-Alterationen ebenfalls zugelassen.

Knochenszintigrafie verglichen mitPSMA-PET

Eine wichtige Arbeit ist zum Vergleich der Sensitivität und Spezifität von Knochenszintigrafie versus die moderne PSMA-PET-Bildgebung bei Patient:innen mit metastasiertem mHSPC gezeigt worden.5 Das Ziel der Arbeit war, die Szintigrafie mit der PSMA-PET/CT-Untersuchung zu vergleichen in Bezug auf Detektion von ossären Metastasen. Es wurden mehr als 10000 Patient:innen in einer retrospektiven Analyse gescreent und letzten Endes 167 Patient:innen ausgewertet, welche eine Knochenszintigrafie und eine PSMA-PET/CT-Untersuchung innerhalb von 100 Tagen ohne spezifische therapeutische Intervention dazwischen erhalten hatten. Letztlich beruhen die Analysen am Ende auf kleinen Subgruppen.

Beim initialen Staging hat sich aber ein deutlich geringerer positiv prädiktiver Wert für die Knochenszintigrafie verglichen mit der PSMA-PET-Bildgebung gezeigt (0,43 vs. 0,73). Das heisst, dass sich bei mehr als der Hälfte der Patient:innen, welche knochenszintigrafisch Knochenmetastasen aufwiesen, in der PSMA-PET/CT-Untersuchung dieser Befund nicht bestätigt hat. Diese Daten sind interessant und wichtig, weil die Diskussion sich bis jetzt überwiegend darauf fokussiert hat, dass die moderne Bildgebung vor allem mittels PSMA-PET/CT zu einer Überdiagnose insbesondere hinsichtlich der metastasierten Situation führt.

Hier konnte nun gezeigt werden, dass auch mit der konventionellen Knochenszintigrafie Patient:innen möglicherweise fälschlicherweise als metastasiert klassifiziert werden, welche in der sensitiven PSMA-PET/CT-Untersuchung nicht als metastasiert beurteilt worden wären.

Fazit für die Praxis

Die PEACE-1-Studie hat den Vorteil der lokalen Radiotherapie in Bezug auf radiografisch progressionsfreies Überleben und Reduktion von lokalen Komplikationen gezeigt. Ein Gesamtüberlebensvorteil konnte auch in der «Low volume»-mHSPC-Gruppe nicht gezeigt werden. Die PEACE-1-Studie unterstützt bei Patient:innen mit «Low volume»-mHSPC eine Tripeltherapie im Sinne einer ADT, einer lokalen Radiotherapie und einer zusätzlichen endokrinen Therapie.

Bei der Besprechung im interdisziplinären Tumorboard ist die Tatsache zu beachten, dass viele Patient:innen heute zum Staging eine PSMA-PET/CT-Untersuchung erhalten. Das Tumorvolumen soll für die Entscheidung bezüglich der lokalen Radiotherapie hinzugezogen werden, aber vielleicht weniger im Sinne eines numerischen Zählens von Knochenmetastasen, sondern eher im Sinne eines klinischen Abschätzens des Tumorvolumens ausserhalb des Primärtumors (Tab. 1).

Tab. 1: Therapieoptionen 2023 für mHSPC

Die TALAPRO-2-Studie bestätigt, wie auch bereits die PROpel- und MAGNITUDE-Studien, den statistisch signifikanten und klinisch relevanten Vorteil einer Kombinationstherapie vor allem bei mCRPC-Patient:innen mit BRCA-Mutation in der ersten Linie. Auch Patient:innen mit anderen HRR-Genalterationen scheinen von der Kombination zu profitieren. Bei Patient:innen ohne Nachweis von HRR-Genalterationen zeigt sich letzten Endes in PROpel und TALAPRO-2 auch ein Vorteil, die Nutzen-Risiko-Bewertung ist hier aber deutlich weniger günstig als bei den anderen Subgruppen.

Der Zulassungsstatus für die Kombinationstherapien ist aktuell zwischen den verschiedenen geografischen Regionen deutlich unterschiedlich und es wird sich im Laufe des Jahres zeigen, wie sich diese Situation entwickelt. Es scheint sich ein Trend abzuzeichnen, dass die Kombination vor allem für molekular selektionierte Patient:innen zugelassen wird.

Erneut sind viele Fragen aufgeworfen worden und man darf auf Updates in künftigen Konferenzen gespannt sein. Die Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC) bespricht und integriert die neuen Daten laufend. Die Berichte der Konferenz von 2022 sind inzwischen veröffentlich worden, mit einem speziellen Fokus auf mHSPC und mCRPC.2,6 Bei der nächsten Ausgabe, APCCC 2024, werden viele dieser Fragen mit dem internationalen Expert:innenpanel diskutiert werden. Ein Programmentwurf ist bereits online verfügbar, die Registration wird bald eröffnet werden.

1 Fizazi K et al.: Abiraterone plus prednisone added to androgen deprivation therapy and docetaxel in de novo metastatic castration-sensitive prostate cancer (PEACE-1): a multicentre, open-label, randomised, phase 3 study with a 2 x 2 factorial design. Lancet 2022; 399(10336): 1695-707 2 Bossi A et al.: Prostate irradiation in men with de novo, low-volume, metastatic, castration-sensitive prostate cancer (mCSPC): results of PEACE-1, a phase 3 randomized trial with a 2x2 design. ASCO 2023; Abstr. #LBA5000 3 Agarwal N et al.: Talazoparib plus enzalutamide in men with first-line metastatic castration-resistant prostate cancer (TALAPRO-2): a randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2023 3 Gillessen S: Management of patients with advanced prostate cancer—metastatic and/or castration-resistant prostate cancer: report of the Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC) 2022. Eur J Cancer 2023 4 Davis ID et al.: Updated overall survival outcomes in ENZAMET (ANZUP 1304), an international, cooperative group trial of enzalutamide in metastatic hormone-sensitive prostate cancer (mHSPC). J Clin Oncol 2022; 40(Suppl. 17): Abstr. #LBA5004 5 Fendler WP et al.: Do bone scans over-stage disease compared to PSMA PET? An international multicenter retrospective study with blinded independent readers. J Clin Oncol 2023; 41(Suppl. 17): Abstr. #5011 6 Gillessen S et al.: Management of patients with advanced prostate cancer. Part I: intermediate-/high-risk and locally advanced disease, biochemical relapse, and side effects of hormonal treatment: report of the advanced prostate cancer consensus conference 2022. Eur Urol 2023; 83(3): 267-93

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