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Weniger invasive Biopsien für den Krebspatienten?

<p class="article-intro">Das kürzlich in Wien eröffnete „Christian Doppler (CD) Labor for Applied Metabolomics“ setzt sich die Entwicklung einer nicht invasiven diagnostischen Methode zum Ziel, welche eine umfassende Charakterisierung des Tumors auf molekularer Ebene erlaubt. Mithilfe der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) soll es künftig möglich sein, das metabolische Profil genetischer Veränderungen innerhalb des Tumors zu erkennen und daraus Rückschlüsse auf dessen Therapieansprechen zu ziehen. Wir besprachen mit den beiden Leitern des Labors, Assoc. Prof. Univ.-Doz. Dr. Alexander Haug und Univ.-Prof. Dr. Lukas Kenner, welche Auswirkungen dies auf die konventionelle Pathologie haben wird.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Was war die urspr&uuml;ngliche Intention der Gr&uuml;ndung eines CD-Labors f&uuml;r &bdquo;applied metabolomics&ldquo;?</strong></p> <p><strong><em>A. Haug:</em></strong> Ausschlaggebend f&uuml;r die Gr&uuml;ndung waren eigentlich zwei Entwicklungen: erstens das Aufkommen k&uuml;nstlicher Intelligenz bei der Analyse von Bilddaten und zweitens die Weiterentwicklung der molekularen Pathologie und der Genetik. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, beides miteinander zu verbinden: Durch die Analyse von Bilddaten mithilfe k&uuml;nstlicher Intelligenz wollen wir in Zukunft R&uuml;ckschl&uuml;sse auf die Biologie des Tumors und seine genetischen Mutationen ziehen und dadurch &uuml;ber prognostische Parameter wie Therapieansprechen oder das &Uuml;berleben des Patienten Auskunft geben. Um diesen Zugang auch wirklich fundiert und mechanistisch zu begr&uuml;nden, werden wir zwei separate Ans&auml;tze verfolgen: Zum einen verwenden wir pr&auml;klinische Tiermodelle, wo unsere Theorien mechanistisch validiert werden, zum anderen kommt die Methode direkt in der Klinik zum Einsatz, wo wir zum Zeitpunkt der PET-Untersuchung Blutproben nehmen werden, um mit einer solchen &bdquo;liquid biopsy&ldquo; das genetische Material des Tumors zu untersuchen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen wollen wir dann zusammen mit sogenannten Tumorlandkarten, also den metabolischen Fingerprints eines Tumors, die mittels PETComputertomografie (CT) erstellt werden, prospektiv analysieren <em>(schematisch dargestellt in Abb. 1, Anmerkung der Redaktion)</em>.</p> <p><strong>Welche Synergien gibt es zwischen PETCT- basierter Diagnostik und herk&ouml;mmlichen pathologischen Methoden?</strong></p> <p><strong><em>A. Haug:</em></strong> Eine gro&szlig;e Problematik in der herk&ouml;mmlichen Pathologie ist die Tumorheterogenit&auml;t, also eine unterschiedliche genetische Ausstattung des Prim&auml;rtumors und seiner Metastasen, die zu unterschiedlichen Manifestationen des Tumors f&uuml;hrt. Momentan kann dem nur ganz schwer Rechnung getragen werden, weil eine klassische Biopsie ja mehr oder weniger zuf&auml;llig an einer Stelle des Tumors entnommen wird, u.a. je nach Erreichbarkeit der L&auml;sion. Eine Biopsie wird oft als repr&auml;sentativ f&uuml;r den ganzen Tumor betrachtet, was in Wahrheit aber nicht immer der Fall ist. Wenn man jetzt aber beginnen w&uuml;rde, mithilfe der PETCT- Bildgebung gewisse genetische Signaturen der Bildgebung zu detektieren, dann k&ouml;nnten wir vor der Biopsie beurteilen, ob diese genetischen Merkmale in allen Manifestationen des Tumors vorhanden sind oder ob es z.B. einige Metastasen gibt, die sich anders verhalten.</p> <p><strong><em>L. Kenner:</em></strong> Der Vorteil der klassischen Pathologie gegen&uuml;ber der Technologie der In-vivo-Bildgebung aber ist die zellul&auml;re Aufl&ouml;sung, die nur mit der Bildgebung allein wahrscheinlich nie erreicht werden wird. Im Labor k&ouml;nnen wir einzelne Zellkompartimente von Tumoren analysieren und verschiedene Expressionsmuster von Proteinen und Genen feststellen. In beiden F&auml;llen m&uuml;ssen zuerst aus der Gewebeprobe unter einem Lasermikroskop die erw&uuml;nschten Tumorzellen aus dem Gewebeverband mit dem Laser herausgeschossen werden, damit schlussendlich m&ouml;glichst reine Tumor-DNA bzw. Tumorproteine isoliert werden k&ouml;nnen. Die Gen- bzw. Proteinexpressionen werden dann mit den Ergebnissen einer PET-Untersuchung korreliert. Mit den &bdquo;liquid biopsies&ldquo; w&auml;re es nun auch schon m&ouml;glich, Tumor-DNA bzw. auch Proteine direkt aus dem Blut des Patienten zu isolieren, was weit weniger invasiv als eine herk&ouml;mmliche Nadelbiopsie ist.</p> <p><strong>Welchen Vorteil sehen Sie nun in einer In-vivo-Pathologie, die durch das Zusammenspiel von PET-CT und pathologischem Befund erm&ouml;glicht wird?</strong></p> <p><strong><em>L. Kenner:</em></strong> Der gr&ouml;&szlig;te Vorteil w&auml;re, die Anzahl der invasiven Biopsien zu reduzieren. Um es anhand der Prostatabiopsien zu verdeutlichen: Die Prostata ist beim Mann ein etwa walnussgro&szlig;es Organ. Wenn eine F&auml;cherbiopsie mit einer gr&ouml;&szlig;eren Anzahl von Nadeln durchgef&uuml;hrt wird, um ein m&ouml;glichst repr&auml;sentatives Bild zu bekommen &ndash; was immerhin schon ein Fortschritt gegen&uuml;ber fr&uuml;her ist, wo noch zwei einzelne Biopsien gemacht wurden &ndash;, kann dies sehr unangenehm f&uuml;r die Patienten sein. Es kommt immer wieder zum Eindringen von Bakterien in die Blutbahn, weil durch das Rektum durchgestochen werden muss, und daher ist eine antibiotische Abdeckung notwendig. Es w&auml;re folglich schon deswegen eine gro&szlig;e Erleichterung f&uuml;r den Patienten, wenn die Zahl der Biopsien verringert werden k&ouml;nnte. Zus&auml;tzlich muss man bedenken, dass das durch die Biopsie erhaltene Bild den sehr heterogenen Tumoren in der Prostata oftmals nicht gerecht wird, da ja nur ca. 0,6mm dicke Stanznadeln verwendet werden und dies nur vergleichsweise wenig repr&auml;sentative Aussagen erlaubt. Es geht uns jetzt vor allem darum, die Vorteile der PET-CT-Untersuchung mit denen der klassischen Pathologie zu kombinieren. Dies wird mithilfe von selbstlernenden Algorithmen, die als &bdquo;machine learning&ldquo; bezeichnet werden, erm&ouml;glicht. Der Vorteil der Nutzung dieser &bdquo;k&uuml;nstlichen Intelligenz&ldquo; liegt darin, dass eine f&uuml;r Menschen nicht bew&auml;ltigbare Anzahl von Daten in sehr kurzer Zeit analysiert und miteinander verkn&uuml;pft werden kann.</p> <p><strong><em>A. Haug:</em></strong> Ein anderer Aspekt, der &uuml;ber die bisher genannten Anwendungen noch hinausgeht, ist, dass man, unter Verwendung entsprechend gro&szlig;er Patientenkollektive, mit der Kombination aus Analytik der Bilddaten und der &bdquo;liquid biopsy&ldquo; beispielsweise Patientenkollektive identifizieren k&ouml;nnte, die eine h&ouml;here Wahrscheinlichkeit haben, auf eine spezifische Therapie anzusprechen oder eben nicht anzusprechen. Ziel ist, eine wichtige Entscheidungshilfe f&uuml;r die Wahl der richtigen Therapie zu implementieren.</p> <p><strong>Bei welchen Tumorentit&auml;ten glauben Sie, dass die Individualisierung des Therapiealgorithmus am ehesten gelingen wird?</strong></p> <p><strong><em>A. Haug:</em></strong> Es gibt sicherlich Tumorarten, die eher infrage kommen als andere. Ganz besonders geeignet wird vermutlich das Prostatakarzinom sein, das ja &Auml;rzte und Patienten vor gro&szlig;e diagnostische Herausforderungen stellt, insbesondere bei der Diagnostik von klinisch relevanten Tumoren, die einer Therapie bed&uuml;rfen, im Gegensatz zu klinisch nicht relevanten Tumoren. Wir haben die gro&szlig;e Hoffnung, dass wir dann mithilfe der Bildgebung, mit oder ohne Kombination mit der &bdquo;liquid biopsy&ldquo;, in der Lage sein werden, klinisch relevante Karzinome mit einer hohen Sicherheit zu identifizieren und somit nur die Patienten, die wirklich eine Therapie ben&ouml;tigen, einer solchen zuzuf&uuml;hren.</p> <p><strong>F&uuml;r welche klinischen Fragestellungen wird sich diese neue Methode am ehesten eignen? Ist sie eher bei der Erstdiagnose oder in der Verlaufskontrolle relevant?</strong></p> <p><strong><em>A. Haug:</em></strong> Die M&ouml;glichkeiten ziehen sich durch die gesamte Behandlungsgeschichte eines Patienten hindurch. Zum einen bei der Erstdiagnose, wo es mithilfe des Algorithmus gelingen k&ouml;nnte, die Biopsiefrequenz zu verringern wie auch den Tumor besser zu charakterisieren, was die Auswahl einer optimalen First-Line-Therapie erm&ouml;glicht. Zum anderen k&ouml;nnten wir besser auf durch Therapiedruck verursachte Mutationen reagieren: Wenn einige Metastasen also nicht mehr auf die Therapie ansprechen, w&uuml;rden sie auch im PET-CT eine andere Signatur aufweisen. Dann k&ouml;nnte man gezielt biopsieren und eine genauere genetische Untersuchung veranlassen.</p> <p><strong>Wie lange wird es Ihrer Ansicht nach dauern, bis der Onkologe bei einer Untersuchung im Zuge der Erstdiagnose einfach eine Tumorsignatur anfordern kann?</strong></p> <p><strong><em>A. Haug:</em></strong> Da werden mehrere Zwischenschritte notwendig sein. Der erste Schritt in der Entwicklung dieses Algorithmus ist die Identifizierung der Bildsignaturen in den retrospektiven Daten. Diese m&uuml;ssen dann multizentrisch evaluiert werden, und wir werden sehen, ob sie auch mit externen Daten eine ausreichende Korrelation zeigen. Wir sind schon erste Schritte in die richtige Richtung gegangen. Der finale Schritt wird dann nat&uuml;rlich eine kommerzialisierbare Softwarel&ouml;sung sein. Die Verf&uuml;gbarkeit auf dem Markt erlaubt dann die Anwendung an zahlreichen Kliniken.</p> <p><strong><em>L. Kenner:</em></strong> Im Zuge des CD-Labors wenden wir diese Methode de facto aber jetzt schon an. Wir geben jederzeit gerne Auskunft &uuml;ber den aktuellen Stand der Entwicklungen und dar&uuml;ber, ob wir eventuell schon etwas anbieten k&ouml;nnen, was eine Erleichterung f&uuml;r den Patienten bietet.</p> <p><strong><em>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</em></strong></p> <p>&nbsp;</p> <p><strong><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1902_Weblinks_jatros_onko_1902_s24_abb1_haug.jpg" alt="" width="500" height="513" /></em></strong></p></p>
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