© nobeastsofierce – stock.adobe.com

Marginalzonen-und Mantelzelllymphome

Von Inhibitoren bis Immuntherapien

Bei den Lymphomen gibt es zwei de facto vollkommen verschiedene Entitäten, die nach dem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom und dem follikulären Lymphom zu den relativ häufigen Lymphomen zählen: das Marginalzonenlymphom (MZL,7–9% aller neu diagnostizierten Lymphome) und das Mantelzelllymphom (MCL, 5–7%). Wenn auch beide zu den B-Zell-Lymphomen gerechnet werden, sind Pathogenese, therapeutische Ansätze und Prognose völlig unterschiedlich.

Marginalzonenlymphome

Die rezente WHO-Klassifikation maligner Lymphome aus dem Jahr 2022 definiert neben dem häufigsten Subtyp des extranodalen Mantelzelllymphoms (extranodales MZL oder MALT-Lymphom, 7–8% aller Lymphome) das deutlich seltenere nodale MZL (0,5–1%) sowie das primär kutane MZL und das pädiatrische MZL. Das splenische MZL (ca. 2%) ist in der rezenten Klassifikation aus der Gruppe der MZL in die primär splenischen Lymphome übergeleitet worden.

Während seitens ihrer Pathogenese alle MZL als reifzellige B-Zell-Neoplasien gelten, deren physiologische Entsprechung die letzte Vorstufe zur Plasmazelle darstellt und die immunhistochemisch durch einen „langweiligen“ B-Zell-Phänotyp charakterisiert sind (CD79a-, CD20-, CD19-positiv, CD10-, Cd23-, CD5-negativ), so unterscheiden sich die oben genannten Subtypen hinsichtlich genetischer Veränderungen sehr stark.

Im Gegensatz zu anderen Lymphomen fehlt sogar in den Untergruppen, wie z.B. dem extranodalen MZL, ein „genetic hallmark“. Aufgrund der Nähe zur Plasmazelle findet sich allerdings bei vielen MZL eine Paraproteinproduktion (bei extranodalen MZL in 30–40%), deren Vorliegen der eigentlichen Lymphomdiagnose oft lange vorausgehen kann und oft fälschlich als monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) gedeutet wird.

Nodale MZL

Nodale MZL zählen zu den selteneren Subtypen und werden präferenziell bei biologischen Männern höheren Lebensalters diagnostiziert. Sie sind de facto zumeist eine Ausschlussdiagnose, nachdem ein exstirpierter Lymphknoten histopathologisch als MZL definiert worden ist, das weitere klinische Staging aber einen extranodalen Ursprung ausschließt.

Wenn auch die generelle Prognose mit einem medianen Gesamtüberleben von >10 Jahren gut ist, so ist ihr Verlauf doch aggressiver als bei splenischen und extranodalen MZL, weswegen sie in klinischen Studien oft im Vergleich zur Inzidenz überrepräsentiert sind. Therapeutisch werden nodale MZL in Analogie zu follikulären Lymphomen behandelt und oft auch in Studien gemeinsam untersucht.

Splenische MZL

Splenische MZL sind oft Zufallsdiagnosen bei Patient:innen mit Splenomegalie oder Zytopenien und verlaufen generell indolent, mit einem medianen Überleben >10 Jahre. Die Ausnahme stellen Patient:innen mit einem Fortschreiten der Erkrankung innerhalb von 24 Monaten („progression of disease within 24 months“, POD24) dar, bei denen das mediane Überleben bei drei bis fünf Jahren liegt, während Patient:innen ohne POD24 ein vergleichbares Überleben wie eine statistisch gematchte Normalbevölkerung aufweisen.

Die Diagnose wird oft anhand peripherer Lymphozytentypisierung oder an Knochenmarkbefunden gestellt, seltener an Splenektomiepräparaten. Eine Therapieindikation besteht nur beim Auftreten von Zytopenien (Hb <10g/dl, Thrombozyten <80 000 oder neutrophile Granulozyten <1000) oder bei symptomatischer Splenomegalie.

In Analogie zur CLL finden sich auch bei Patient:innen mit splenischem MZL manchmal autoimmunhämolytische Anämien, die allerdings gesondert therapiert werden sollten und a priori keine Anti-Lymphom-Therapie bedingen.

Obwohl das splenische MZL eine systemische Erkrankung mit Beteiligung von Milz, Knochenmark und zumeist peripherem Blut darstellt, ist hier neben der Möglichkeit einer Therapie mit dem Anti-CD20-Antikörper Rituximab sowie einer Kombinationstherapie mit Rituximab+Ben-damustin auch die Splenektomie eine gleichwertige therapeutische Option. Daher sollte die Erstlinientherapie hier individuell gewählt werden.

Extranodale MZL

Extranodale MZL (MALT-Lymphome) sind der häufigste Subtyp der MZL und machen etwa 8% aller neu diagnostizierten Lymphomerkrankungen aus. Ursprünglich als spezielle Variante des Magenlymphoms beschrieben, können sich MALT-Lymphome eigentlich in jedem Organ des Körpers finden, wobei der Magen nach wie vor der häufigste Ursprungsort ist. Nach rezenten Statistiken sind daher etwa 30–35% aller MALT-Lymphome gastrischen Ursprungs, knapp 25% werden in der Orbita und den okulären Adnexen diagnostiziert, jeweils 11% in den Speicheldrüsen und der Lunge, während andere Organe wie Schilddrüse, Mamma, Haut und Darm selten betroffen sind.

Extranodale MZL entstehen oft auf Basis chronischer Antigenstimulation wie z.B. im Rahmen von Autoimmunerkrankungen. Von höherer klinisch-therapeutischer Relevanz allerdings ist der Zusammenhang mit chronischen Infektionen; vor allem die Assoziation zwischen Helicobacter pylori (H. pylori) und MALT-Lymphomen des Magens ist hier exemplarisch für den therapeutischen Paradigmenwechsel des MALT-Lymphoms. Antibiotische Eradikation von H. pylori stellt mittlerweile die Standardtherapie für Patient:innen mit MALT-Lymphomen des Magens dar, wobei Remissionsraten bis zu 80% erzielt werden können, ohne dass zusätzliche onkologische Therapien notwendig sind.

Allerdings kann die Dauer bis zur optimalen Remission in Einzelfällen mehr als 24 Monate nach Eradikation betragen, sodass hier sowohl von Patient:innen als auch von den Behandelnden Geduld gefragt ist. Patient:innen, die auf H.-pylori-Eradikation eine (nicht notwendigerweise völlige) Rückbildung erreichen, sollten keine weitere Therapie erhalten.

Interessanterweise nimmt die Rate an MALT-Lymphomen des Magens, die nicht mit H. pylori assoziiert sind, in den letzten Jahren deutlich zu und beträgt nun etwa 25–30%. Letztendlich ist aber auch hier eine Antibiotikagabe als Erstlinientherapie empfohlen, trotz der unklaren Wirkungsweise ist hier immerhin bei 20–30% der Patient:innen eine komplette Rückbildung des Lymphoms möglich.

Im Fall eines Versagens der Antibiotikatherapie wie auch bei extragastrischen MALT-Lymphomen stehen als therapeutische Optionen sowohl die Strahlentherapie (im Fall einer lokalisierten Erkrankung) als auch die Systemtherapie (sowohl bei lokalisierten als auch bei disseminierten Stadien) zur Verfügung. An dieser Stelle muss allerdings auch betont werden, dass „wait&see“ bei einem großen Teil der Patient:innen eine valide Option darstellt, da die Behandlungsindikation erst bei Progression oder eindeutiger Symptomatik gegeben ist und eine komplette Remission keinesfalls durch (toxische) Therapien erzwungen werden sollte.

Im Fall einer lokalisierten Erkrankung werden Radiatio und systemische Therapien de facto als gleichwertig angesehen; falls die Entscheidung für eine Radiatio getroffen wird, beträgt die Standarddosis 24Gy, sie hat sich im direkten Vergleich mit einer niedrigeren Dosis von 2x2Gy als effektiver erwiesen.

Im Gegensatz zu anderen Lymphomsubtypen ist allerdings bisher kein wirklicher systemischer Therapiestandard etabliert worden, die einzige bisher durchgeführte randomisierte Studie mit einer reinen MALT-Lymphom-Population war die dreiarmige IELSG-19-Studie, in deren Rahmen Rituximab+Chlorambucil vs. Chlorambucil-Monotherapie oder Rituximab-Monotherapie verglichen wurde.

Obwohl im Hinblick auf die Remissionsraten sowie das progressionsfreie Überleben ein Vorteil für den Kombinationsarm gefunden werden konnte, war bezüglich des Gesamtüberlebens kein Unterschied zwischen den drei Armen, sodass im Grunde alle drei Optionen diesbezüglich als gleichwertig angesehen werden können. Eine weitere gängige Therapie stellt die Kombination aus Rituximab+Bendamustin dar, die in einer spanischen Phase-II-Studie mit 60 Patient:innen eine Remissionsrate von 100% zeigte.

Im Fall eines Rezidivs steht seit Kurzem der BTK-Inhibitor Zanubrutinib als zugelassene Therapie für Patient:innen zur Verfügung, die bereits mit einem Anti-CD20-Antikörper wie Rituximab vorbehandelt worden sind. Als Basis für die Zulassung dienten hier die Daten der Phase-II-Studie MAGNOLIA, in deren Rahmen 68 Patient:innen mit MZL aller Subtypen (jeweils 26 nodale und extranodale MZL, 12 splenische MZL und 4 unbekannten Ursprungs) behandelt wurden. Die Ansprechrate lag bei insgesamt 68%, mit 42% kompletten Remissionen bei geringer Toxizität.

Mantelzelllymphom

Das Mantelzelllymphom wurde urspünglich aufgrund seines mikroskopischen Erscheinungsbildes als „zentrozytisches Lymphom“ klassifiziert. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass dieses Lymphom eine der kürzesten medianen Überlebenszeiten aller Lymphomsubtypen aufweist und generell als inkurabel gilt; rezentere Untersuchungen zur Herkunft und zum physiologischen Gegenstück der malignen Zellen gaben dieser Lymphomentität schließlich ihren Namen „Mantelzelllymphom“.

Es zählt mit 6–8% aller neu diagnostizierten Lymphome zu den relativ häufigen Lymphomen (nach dem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom mit etwa 30%, dem follikulären Lymphom mit knapp über 20% und dem Marginalzonenlymphom mit etwa 8%). Mantelzelllymphome sind mit einem Auftreten im Alter von durchschnittlich 68 Jahren eine Erkrankung des höheren Alters, wobei Männer deutlich häufiger betroffen sind als Frauen (Verhältnis 3:1).

Therapie des MCL: aktuelle Onkopedia-Guidelines

Der therapeutische Algorithmus des MCL hat sich rezent geändert und wurde in der letzten Onkopedia-Guideline subsumiert, die im Juni 2023 online ging.

In ihr wird – wie in den älteren Guidelines – ein Unterschied im therapeutischen Prozedere nach Alter und Fitness der Patient:innen gemacht, wobei der Alters-Cut-off auch in dieser Version bei 65 Jahren liegt.

Der alte Standard bestand aus einer Induktion mittels Immunchemotherapie in Form der abwechselnden Gabe von jeweils drei Zyklen R-CHOP (Cyclophosphamid, Hydroxydaunorubicin, Vincristin, Prednison und Rituximab) alternierend mit R-DHAP (Rituximab, Dexamethason, Glukokortikoid, hoch dosiertes Cytarabin [„Ara-C“], Cisplatin [„Platinol“]) gefolgt von autologer Stammzelltransplantation und einer Erhaltungstherapie mit dem monoklonalen Antikörper Rituximab (alle zwei Monate für eine Gesamtdauer von drei Jahren).

Nun soll die Therapie in der Induktion durch Zugabe des BTK-Inhibitors Ibrutinib (Tag 1–19 während der R-CHOP-Zyklen) erweitert werden, gefolgt von einer Ibrutinib-Erhaltung parallel zur Rituximab-Erhaltung für zwei Jahre. Neu ist, dass die autologe Stammzelltransplantation nur mehr optional für Hochrisiko-Patient:innen (Ki67 >30%) als Option diskutiert wird.

Die Basis dieser Empfehlungen stellen die Ergebnisse der TRIANGLE-Studie dar, einer prospektiven dreiarmigen randomisierten Studie, die beim ASH-Jahrestreffen 2022 präsentiert wurde. Hier wurde der bisherige Standard, i.e. alternierend R-CHOP/R-DHAP für insgesamt sechs Zyklen, gefolgt von autologer Stammzelltransplantation und Rituximaberhaltung für drei Jahre, als Arm A mit zwei experimentellen Armen verglichen, die beide im Rahmen der Induktion zur R-CHOP-Therapie von Tag 1–19 Ibrutinib enthielten.

In einem Arm (Arm A-I) wurde eine autologe Transplantation gefolgt von Erhaltung mit Ibrutinib (für zwei Jahre) und Rituximab (für drei Jahre) durchgeführt, während Arm I völlig ohne Transplantation auskam und im Anschluss an die Induktion nur die Erhaltung mit Ibrutinib und Rituximab durchgeführt wurde.

Primärer Endpunkt der Studie war das Überleben ohne Rezidiv oder tumorbedingten Todesfall („failure-free survival“, FFS), mit den sekundären Endpunkten Ansprechrate (RR), progressionsfreies Überleben (PFS), Gesamtüberleben (OS) und Sicherheit. Bereits nach Ende der Induktionsphase zeigte sich ein eindeutiger Vorteil der beiden Ibrutinib-haltigen Schemata im Hinblick auf die Ansprechrate, mit einer deutlichen Erhöhung der Rate an kompletten Remissionen (36% gegenüber 45% und 44%).

Im Hinblick auf den primären Endpunkt FFS fand sich ein Vorteil für beide Ibrutinib-haltigen Arme, und auch Ibrutinib alleine war der autologen Transplantation im Hinblick auf das FFS überlegen (FFS nach drei Jahren bei 86% gegenüber 72% mit autologer Transplantation alleine).

Bisher konnte – bei allerdings limitierter Nachbeobachtungszeit – kein Unterschied zwischen Arm I und Arm A+I im Hinblick auf das FFS gefunden werden, ebenso ist die Nachbeobachtungszeit für einen OS-Benefit in einem der drei Arme wohl noch zu kurz. Deutlich besser schnitt der Arm I allerdings im Hinblick auf die Toxizität ab, die im Rahmen der autologen Transplantation jeweils deutlich höher war.

Bei älteren Patient:innen ist der Therapiestandard in der Initialtherapie bisher noch die Applikation einer Immunchemotherapie, wobei hier bevorzugt das Bortezomib-haltige VR-CAP(Bortezomib, Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Prednison)-Schema aufgrund seines Vorteils gegenüber R-CHOP auch im Hinblick auf das Gesamtüberleben angewendet werden sollte.

Als Alternative bei Kontraindikationen gegen Anthrazyklingabe ist hier das Rituximab-Bendamustin-Schema zu sehen, wobei auch hier nach der Immunchemotherapie eine Erhaltungstherapie mit Rituximab erfolgen sollte. BTK-Inbihitoren kommen bei diesem Patient:innenkollektiv erst in der Zweitlinie zum Einsatz, obwohl im Rahmen der SHINE-Studie ein Vorteil für Ansprechen und progressionsfreies Überleben, aber nicht für das Gesamtüberleben (am ehesten toxizitätsbedingt) gefunden werden konnte.

„Nothing works after BTK inhibition“ – Silberstreifen am Horizont

Die Problematik der Therapie von Patient:innen, die nach BTK-Inhibitoren (hier meist Ibrutinib) rezidivierten, wurde in der Vergangenheit immer wieder im Rahmen verschiedener Analysen adressiert, die durchgehend frustrierende Ergebnisse erbrachten. So konnte die größte retrospektive Analyse (SCHOLAR-2) ein medianes Gesamtüberleben von knapp neun Monaten nach Ibrutinib-Therapie als Richtwert definieren, welches allerdings in jüngerer Zeit deutlich verlängert werden konnte.

In Analogie zu anderen Lymphomen wurde auch beim MCL die Applikation von CAR-T-Zell-Therapie (Brexucabtagen-Autoleucel) getestet und brachte sowohl im Setting einer klinischen Studie als auch nachfolgend in realweltlichen Daten vielversprechende Resultate. So konnte in der ZUMA-2-Studie, die zur Zulassung der CAR-T-Zell-Therapie beim Mantelzelllymphom führte, bei intensiv vorbehandelten, nach Ibrutinib entweder rezidivierten oder refraktären Patient:innen eine Ansprechrate von 93% erzielt werden (mit 67% kompletten Remissionen). Patient:innen in kompletter Remission hatten ein medianes progressionsfreies Überleben von 48 Monaten.

Nachfolgende Daten aus der klinischen Praxis zeigten bei insgesamt 168 Patient:innen (von denen 79% nicht die Einschlusskriterien für die ZUMA-2-Studie erfüllt hätten!) eine Gesamtansprechrate von 90% mit 82% kompletten Remissionen. Allerdings betrug die nicht rezidivassoziierte Mortalität („non-relapse mortality“) nach einem Jahr hier 10%, was vor allem auf Infektionen zurückzuführen war und die Wichtigkeit eines entsprechenden engmaschigen Monitorings dieser Patient:innen unterstreicht.

Neben den positiven Ergebnissen der CAR-T-Zell-Therapie sind auch die Ergebnisse mit dem bispezifischen Antikörper Glofitamab nach Versagen von BTK-Inhibitoren vielversprechend; hier konnten Ansprechraten von 84% mit kompletter Remission bei 77% der Patient:innen erzielt werden. Eine ebenso attraktive therapeutische Option stellt der erste nichtkovalente BTK-Inhibitor Pirtobrutinib dar, der bei verschwindend geringer Toxizität bei 56% der Patient:innen, die nach Ibrutinib rezidiviert oder refraktär waren, zu einer Remission des Lymphoms führte.

beim Verfasser

Back to top