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Vielversprechende Therapieansätze und diagnostische Marker
Jatros
Autor:
OA Dr. Thamer Sliwa
3. Medizinische Abteilung für Hämatologie und Onkologie<br> Hanusch-Krankenhaus, Wien<br> E-Mail: thamer.sliwa@wgkk.at
30
Min. Lesezeit
13.09.2018
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<p class="article-intro">Bei der Jahrestagung 2018 der European Hematology Association (EHA) befassten sich zwei Hauptsessions mit der akuten lymphatischen Leukämie (ALL). Neben neuen Erkenntnissen in der Grundlagenforschung, zum Beispiel zu prognostischen Markern, wurden klinische Daten präsentiert, die große Auswirkungen auf die Therapie haben dürften.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die CAR-T-Therapie ist im Kommen.</li> <li>Eine Vorbehandlung mit Blinatumomab dürfte kein Problem für CAR-T-Therapie sein.</li> <li>Die Rolle der reduzierten Chemotherapie in Kombination mit TKI bei der Ph+ ALL ist zu definieren.</li> <li>MRD: Sehr wichtig, man sollte sowohl BCR/ABL als auch Ig/ TCR durchführen.</li> <li>Die Molekulargenetik liefert zunehmend prognostische und prädiktive Marker.</li> </ul> </div> <h2>Tisagenlecleucel bei jungen Erwachsenen mit r/r B-Zell-ALL</h2> <p>Die CAR-T-Zell-Therapien, also Immuntherapien mit gentechnologisch veränderten T-Zellen und synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren („chimeric antigen receptor“ = CAR-T), sind in der Hämatoonkologie ein Thema mit steigender Relevanz. Beim EHA wurden Studien zu CAR-T-Zell-Therapien u.a. bei MM und ALL präsentiert. Eine bemerkenswerte Studie untersuchte die Verträglichkeit der Anti-CD19-CAR-T-Zell-Therapie mit Tisagenlecleucel bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit B-Zell-ALL.<sup>1</sup> Bei Kindern mit „relapsed/refractory“ (r/r) B-Zell-ALL erzielte diese Therapie hohe Ansprechraten bei gut beherrschbaren Nebenwirkungen. Bei Erwachsenen ist sie dagegen mit einer erhöhten Rate von unerwünschten Nebenwirkungen verbunden, unter anderem mit dem potenziell lebensbedrohlichen „cytokine-release syndrome“ (CRS).<br /> Für die beim EHA präsentierte Untersuchung hat eine internationale Arbeitsgruppe die Daten der Studien ELIANA (n=75; NCT02435849) und ENSIGN (n=29; NCT02228096) analysiert. Ziel war, die Wirksamkeit und Sicherheit von Tisagenlecleucel bei jungen Erwachsenen (YA) zu untersuchen. Insgesamt wurden 104 Patienten eingeschlossen. Davon waren 84 jünger als 18 Jahre und 20 zwischen 18 und 25 Jahren (YA) alt. Endpunkte waren: Gesamtremissionsrate (ORR = komplette Remission [CR] + CR mit unvollständiger hämatologischer Erholung [CRi]), negative minimale Resterkrankung (MRD), Ansprechdauer (DOR), Gesamtüberleben (OS) und Sicherheit. Beide Kohorten hatten im Durchschnitt drei Vortherapien und nahezu gleiche Raten an Stammzelltransplantationen (55 % bei den YA; 62 % bei den <18-Jährigen). Die ORR betrug bei den YA 70 % und bei den Jugendlichen 80 % . Die mediane DOR war zum Zeitpunkt der Publikation in beiden Kohorten noch nicht erreicht. Die Raten für rezidivfreies Überleben (RFS) lagen nach 12 Monaten bei 52 % (YA) bzw. 60 % (<18 Jahren); die Raten für OS nach 12 Monaten bei 57 % (YA) bzw. 76 % (<18 Jahren). Grad-3/4-CRS wurden bei fast 50 % der Patienten beobachtet. Zu Todesfällen wegen CRS kam es nicht. Neurologische Nebenwirkungen (Grad 3, aber nicht Grad 4) traten bei 10–15 % der Patienten auf, 14–30 % entwickelten Grad-3-Infektionen.<br /> Obwohl es nur eine kleine Studie mit wenigen Patienten war, scheint Tisagenlecleucel in dieser Gruppe von ALL-Patienten eine gute Wirksamkeit mit langer Responsedauer bei behandelbaren Nebenwirkungen zu haben.<sup>1</sup></p> <h2>Blinatumomab-Vortherapie beeinträchtigt KTE-C19 nicht</h2> <p>Eine weitere Studie zur CAR-T-Zell- Therapie schloss Erwachsene mit r/r ALL ein, die in der ZUMA-3-Studie mit dem bispezifischen Antikörper Blinatumomab (Blin) behandelt worden waren. Dieser ist gleichzeitig gegen den CD3-Rezeptor der T-Zellen und das Oberflächenprotein CD19 der B-Zellen gerichtet.<sup>2</sup> Die beim EHA vorgestellte Arbeit untersuchte KTEC19, eine Anti-CD19-Antigenrezeptor- CAR-T-Zell-Therapie. KTE-C19 zeigte in der Phase I der ZUMA-3-Studie ein vielversprechendes Ansprechen bei r/r ALL (71 % CR oder CRi) bei beherrschbaren Nebenwirkungen. In der aktuellen Untersuchung wurde KTE-C19 in beiden Gruppen erfolgreich und mit vergleichbarer Charakteristik wie CD4/CD8-Ratio und prozentualer Transduktion produziert. Beide Gruppen hatten ähnliche Anteile naiver Zellen (43 % vs. 36 % ) und Effektor- T-Zellen (19 % vs. 20 % ). In beiden Gruppen erreichten die CAR-T-Zell-Spiegel nach 7 bis 14 Tagen ihr Maximum. Insgesamt zeigten 63 % der mit Blin vorbehandelten Patienten (vs. 75 % ohne Blin) ein CR/Cri, 88 % waren MRD-negativ.<br /> Ein Grad-3-CRS trat bei 27 % der Blinvorbehandelten Patienten auf (vs. 28 % ohne Blin). 36 % der vorbehandelten Patienten (61 % ohne Blin) zeigten neurologische Symptome vom Grad 3. Dies zeigt, dass eine Vortherapie mit Blinatumomab eine nachfolgende CAR-T-Zell-Behandlung nicht negativ beeinflusst. Die dabei auftretenden Nebenwirkungen waren gut zu behandeln.<sup>2</sup></p> <h2>(Ph+) ALL-Patienten in der GRAAPH-2014-Studie</h2> <p>Interessant war auch die Interimsanalyse des GRAAPH-2014-Trials.<sup>3</sup> In dieser Studie konnte eine Subgruppe von Philadelphia- Chromosom-positiven (Ph+) ALLPatienten identifiziert werden, die sich – ähnlich wie bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) – durch die Persistenz von klonaler BCR-ABL1-Hämatopoiese auszeichnete. Bei der Ph-negativen ALL ist die Immunglobulin/T-Zell-Rezeptor- (Ig/TCR)-basierte MRD ein zuverlässiger Marker für das Therapieansprechen und ein starker Prädiktor für Rezidive. Bei Ph+ ALL wird in der Regel BCR/ABL1 zur MRD-Messung verwendet, obwohl die prognostische Signifikanz geringer ist.<br /> In der GRAAPH-2014-Studie wurden bei Ph+ ALL zur MRD-Bestimmung Ig/ TCR und BCR/ABL1 verwendet. Rund 20 % der Patienten erreichten eine Ig/ TCR-Negativität und wiesen somit keine Lymphoblasten mehr auf. Allerdings blieben sie BCR/ABL-positiv. Diese Patienten hatten größtenteils einen Major-BCRABL1- Breakpoint.<br /> Bei Ph+-ALL-Patienten, die eine Ig/ TCR-MRD-Negativität erreichen, aber BCR/ABL-positiv bleiben, könnte die Ursache, ähnlich wie bei der CML, nicht in der Persistenz von Lymphoblasten liegen, sondern in einer zusätzlichen klonalen Hämatopoiese. Die prognostische Relevanz dieser Ergebnisse wird im weiteren Verlauf der GRAAPH-Studie untersucht. Allerdings weisen die Resultate schon jetzt darauf hin, dass Patienten mit nicht lymphoblastischer persistierender BCR/ABL1- Hämatopoiese möglicherweise keine Intensivierung der Chemotherapie und keine antikörperbasierte Anti-Lymphozyten- Therapie benötigen.<sup>3</sup></p> <h2>JAK-STAT als Outcome-Marker</h2> <p>In der Hauptsitzung zur translationalen Forschung wurde ein wichtiger neuer Marker für das Outcome bei ALL vorgestellt.<sup>4</sup> Chromosomale Veränderungen sind etablierte prognostische Marker bei ALL-Patienten. In der UKALL14-Studie wurden Patienten mit BCR-ABL1, KMT2A-AFF1 (früher MLL-Gene bei t[4:11]), geringer Hypodiploidie oder einem komplex aberranten Karyotyp als Hochrisikopatienten identifiziert. Alle anderen, einschließlich der Patienten ohne eine der genannten Aberrationen (B-other ALL), wurden mit einem „Standardrisiko“ eingestuft.<sup>5</sup> Allerdings haben aktuelle genetische Untersuchungen eine Vielzahl von neuen Genfusionen bei B-other ALL entdeckt.<br /> Für die beim EHA präsentierte Studie wurden alle B-other-ALL-Patienten der UKALL14 auf Veränderungen in Genen der ABL-Klasse (ABL1, ABL2, PDGFRB, CSF1R), JAK-STAT (CRLF2, JAK2), ZNF384 und MEF2D gescreent. Zudem wurde deren Einfluss auf das Outcome untersucht. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Mittel zwei Jahre.<br /> Etwa 5 % der Patienten wiesen Abnormalitäten der JAK-STAT-Gene CRLF2 oder JAK2 auf. Diese Patienten mit JAK-STATVeränderungen sprachen signifikant schlechter auf die initiale Therapie an und waren nach der Phase-I- und -II-Induktion häufiger MRD-positiv (p=0,015 bzw. p<0,001). Im Vergleich zu anderen BCPALL- Patienten hatten sie ein kürzeres eventfreies Überleben (EFS) und OS (p=0,01 für beide) aufgrund von höheren Rezidiv-/Todesraten (p=0,017) und Todesraten (p=0,015). Daher sollten ALLPatienten mit JAK-STAT-Aberrationen als Hochrisikopatienten eingestuft werden.<sup>4</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Rives S et al.: Outcomes of young adult (≥18-25 years) and pediatric (<18 years) patients with relapsed/refractory acute lymphoblastic leukemia following treatment with chimeric antigen receptor (CAR) t-cell therapy. EHA 2018, Abstract S1565 <strong>2</strong> Oluwole OO et al.: Outcomes of patients with relapsed/refractory acute lymphoblastic leukemia treated with prior blinatumomab in ZUMA-3, a study of kTE-C19, an anti-CD19 chimeric antigen receptor (CAR) T cell therapy. EHA 2018, Abstract S1569 <strong>3</strong> Clappier E et al.: Persistent BCR-ABL1 clonal hematopoiesis after blast clearance identifies a CML-like subgroup of patients with Philadelphia chromosome-positive (ph+) ALL: interim results from the GRAAPH-2014 trial. EHA 2018, Abstract S1568 <strong>4</strong> Moorman A et al.: Comprehensive screening of Bother adult ALL patients treated on UKALL14 estimates frequency and prognostic impact of gene alterations and identifies JAK-STAT abnormalities as markers of poor outcome. EHA 2018, Abstract S826 <strong>5</strong> Patel B et al.: Pegylated- asparaginase during induction therapy for adult acute lymphoblastic leukaemia: toxicity data from the UKALL14 trial. Leukemia 2017; 31: 58-64</p>
</div>
</p>
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