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Update zu urogenitalen Tumoren: Harnblase und Niere

<p class="article-intro">Die Therapielandschaft des Blasen- und Nierenzellkarzinoms hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Der Artikel gibt einen Überblick über derzeitige Erstlinien- und Zweitlinientherapien und blickt auf künftige Entwicklungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Blasenkarzinom</h2> <p>Das Urothelkarzinom ist unbehandelt ein hoch aggressiv verlaufender epithelialer Tumor, der beginnend am Nierenbecken &uuml;ber die Ureteren und die Blase (mit &gt;90 % am h&auml;ufigsten vorkommend) bis zur Urethra auftreten kann und durch eine hohe Rate fr&uuml;her systemischer Ausbreitung charakterisiert ist. Nach jahrzehntelanger Stagnation wurde die Therapie des Urothelkarzinoms durch die Einf&uuml;hrung der Immuntherapeutika neu definiert.</p> <p><strong>(Neo-)Adjuvantes Setting</strong> <br />Im adjuvanten und neoadjuvanten Setting sind derzeit noch keine Checkpoint- Inhibitoren zugelassen. Im neoadjuvanten Setting wurden jedoch vielversprechende Daten der ABACUS- (2 x Atezolizumab vor einer Zystektomie) und der PURE-Studie (3 x Pembrolizumab vor einer Zystektomie) mit hohen Remissionsraten pr&auml;sentiert. <br />Im adjuvanten Setting laufen ebenfalls Studien mit Checkpoint-Inhibitoren. Aktuell wird eine adjuvante platinhaltige Therapie bei Patienten mit Hochrisikotumoren (pT3&ndash;4 und/oder pN+), die keine neoadjuvante Chemotherapie erhalten haben, empfohlen.</p> <p><strong>Erstlinientherapie</strong> <br />Das mediane &Uuml;berleben von Patienten mit nicht resezierbarem bzw. metastasiertem Urothelkarzinom betr&auml;gt unter einer Cisplatin-haltigen Chemotherapie, dem Goldstandard in der ersten Linie, 14&ndash;15 Monate. Nach Platinversagen betr&auml;gt das mediane &Uuml;berleben in der Zweitliniensituation unter Vinflunin 5&ndash;7 Monate. &bdquo;Cisplatin- unfitte&ldquo; Patienten, die bei Erstdiagnose &gt;50 % der Population ausmachen, haben unter einer Erstlinientherapie mit Carboplatin/Gemcitabin ein medianes Gesamt&uuml;berleben von 9 Monaten. <br />F&uuml;r Cisplatin-unfitte Patienten wurden mittlerweile zwei Checkpoint-Inhibitoren, Atezolizumab, ein PD-L1-Inhibitor, sowie Pembrolizumab, ein PD-1-Inhibitor, zugelassen. Die Zulassung wurde allerdings im Juni 2018 aufgrund einer Zwischenauswertung der aktuell laufenden Phase-III-Studien (Pembrolizumab: KEYNOTE-361; Atezolizumab: IMvigor 130) in der Erstlinientherapie auf PD-L1-positive Tumoren beschr&auml;nkt, wobei die Definition der PD-L1-Positivit&auml;t je nach Substanz etwas variiert (Atezolizumab: &ge;5 % PD-L1 auf Immunzellen im Tumor; Pembrolizumab: CPS &ge;10). Die gegenw&auml;rtige Therapieempfehlung zur Erstlinientherapie ist in Abbildung 1 dargestellt.</p> <p><strong>Zweitlinientherapie</strong> <br />In der Zweitlinientherapie des Blasenkarzinoms sind nach Platinversagen Atezolizumab, Pembrolizumab und Nivolumab unabh&auml;ngig vom PD-L1-Status zugelassen. In diesem Setting zeigen alle bisher untersuchten Checkpoint-Inhibitoren Ansprechraten zwischen 15 und 20 % , eine lange Dauer des Ansprechens bei Respondern und ein g&uuml;nstiges Toxizit&auml;tsprofil. Details zu den Zulassungsstudien im Vergleich zur Chemotherapie in der Zweitlinie sind in Tabelle 1 zusammengefasst.</p> <p><strong>Neue Entwicklungen</strong><br />Zuk&uuml;nftig werden weitere &bdquo;gezielte&ldquo; Therapieformen die Behandlung des Urothelkarzinoms erweitern. &bdquo;Pan fibroblast growth&ldquo;-Inhibitoren wie beispielsweise Erdafitinib, von dem bereits vielversprechende Daten einer Phase-II-Studie vorliegen, werden derzeit in Phase-III-Studien untersucht. Eine weitere neue Substanz, Enfortumab Vedotin, ist ein Antik&ouml;rper- Chemotherapie-Konjugat, das &uuml;ber Nectin- 4 in die Tumorzelle geschleust und dort aktiviert wird. Auch dieses Konzept wird in Phase-III-Studien untersucht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s65_abb1_niedersuess-beke.jpg" alt="" width="1459" height="539" /></p> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s65_tab1_niedersuess-beke.jpg" alt="" width="1419" height="1133" /></h2> <h2>Nierenzellkarzinom</h2> <p>Das Nierenzellkarzinom (RCC) ist der dritth&auml;ufigste urologische Tumor des Erwachsenen. Der klarzellige histologische Subtyp ist dabei mit 80 % aller Nierenzellkarzinome der Vorreiter. Bei Erstdiagnose weisen etwa 30 % der Patienten mit Nierenzellkarzinom eine Fernmetastasierung auf. Weitere 20&ndash;30 % der Patienten entwickeln nach initial kurativer Therapie Metastasen. <br />Nach wie vor stellt die chirurgische Resektion des Primums die einzige kurative Therapieoption des Nierenzellkarzinoms dar. <br />Noch mehr als beim Urothelkarzinom hat sich die Therapielandschaft des Nierenzellkarzinoms in den vergangenen 13 Jahren erweitert, wobei die Einf&uuml;hrung der Immuncheckpoint-Inhibitoren ebenfalls den wichtigsten Teil davon ausmacht (Abb. 2). Aktuell werden in einer Vielzahl an vielversprechenden Studien verschiedene Kombinationen aus unterschiedlichen Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) und Immuntherapien getestet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s66_abb2_niedersuess-beke.jpg" alt="" width="2151" height="1033" /></p> <p><strong>Adjuvante Therapie</strong> <br />Nach der Pr&auml;sentation einer weiteren negativen VEGF-gezielten TKI-Studie (ATLAS), in der Axitinib f&uuml;r ein Jahr bei Patienten mit einem Hochrisiko-RCC getestet wurde, wird eine adjuvante Therapie des Nierenzellkarzinoms weiterhin nur innerhalb von klinischen Studien empfohlen.</p> <p><strong>Erstlinientherapie</strong> <br />Vor Beginn einer Erstlinientherapie beim fortgeschrittenen RCC muss obligat eine Klassifizierung des Patienten anhand seines Risikoprofils (Einteilung nach MSKCC oder IMDC) erfolgen (Tab. 2). <br />Bei Patienten mit einem intermedi&auml;ren oder ung&uuml;nstigen Risikoprofil ist, nach der rezenten Zulassung durch die EMA (europ&auml;ische Arzneimittelbeh&ouml;rde), eine kombinierte Immuntherapie unerl&auml;sslich. In der Phase-III-Studie CheckMate-214 wurde die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab gegen&uuml;ber Sunitinib bei bisher unbehandelten Patienten verglichen. Bei intermedi&auml;rem oder ung&uuml;nstigem Risikoprofil wurde unabh&auml;ngig vom PD-L1-Status eine deutliche &Uuml;berlegenheit im Gesamt&uuml;berleben durch Immuntherapie festgestellt. Bez&uuml;glich des progressionsfreien &Uuml;berlebens und der Ansprechrate war bei den PD-L1-negativen Patienten kein Unterschied zu Sunitinib erkennbar, w&auml;hrend sich bei PD-L1-Positivit&auml;t (PD-L1 &ge;1 % ) die Immuntherapie klar abhob. Bei g&uuml;nstigem Risikoprofil nach IMDC konnten diese Ergebnisse interessanterweise nicht erreicht werden, wobei sich nach 30 Monaten auch in dieser Subgruppe die Responseraten inklusive der kompletten Remissionen durch die Immuntherapie deutlich erh&ouml;hten. Es darf allerdings die Toxizit&auml;t dieser hochpotenten Therapie mit 22 % Therapieabbr&uuml;chen und dem hohen systemischen Kortikosteroidbedarf (35 % ) zur Bek&auml;mpfung immunvermittelter Nebenwirkungen nicht vernachl&auml;ssigt werden. <br />Die potenteste neue Kombination einer Immuntherapie mit einem VEGF-TKI, Pembrolizumab + Axitinib (KEYNOTE- 426-Studie), wurde erst k&uuml;rzlich pr&auml;sentiert. Ansprechraten von fast 60 % und eine Verl&auml;ngerung des medianen progressionsfreien &Uuml;berlebens (PFS) von 11,1 auf 15,1 Monate konkurrieren mit der Doppel- Immuntherapie-Kombination in der Erstlinientherapie. <br />In einer weiteren Phase-III-Kombinationsstudie (JAVELIN 101) wurde die Immuntherapie/ VEGFR-TKI-Kombination aus Avelumab und Axitinib evaluiert. Hier wurde der prim&auml;re Endpunkt, PFS bei PD-L1-positiven Patienten, mit einer Hazard- Ratio von 0,61 hochsignifikant erreicht. Eher entt&auml;uschend war allerdings die Rate an kompletten Remissionen mit nur 4 % . Derzeit laufen zahlreiche weitere Kombinationsstudien zu Checkpoint-Inhibitoren mit VEGF-TKI. <br />Als Beispiel einer Therapiedeeskalation ist die KEYNOTE-427-Studie zu erw&auml;hnen, bei der Pembrolizumab als Monotherapie sowohl beim klarzelligen als auch beim nicht klarzelligen Subtyp untersucht wurde. Mit einem deutlich g&uuml;nstigeren Toxizit&auml;tsprofil als dem der Kombinationstherapien und bemerkenswerten Responseraten wird dieser Checkpoint-Inhibitor, besonders beim nicht klarzelligen Subtyp, eine wichtige Therapieoption darstellen. <br />Cabozantinib, ein VEGF-, MET- und AXL-TKI, der im Therapiealgorithmus ab der Zweitlinie bereits fest verankert ist, wurde nun auch f&uuml;r die Erstlinie bei intermedi&auml;rem oder ung&uuml;nstigem Risikoscore zugelassen. Dies basiert auf den Daten der Phase-II-CABOSUN-Studie, in der unbehandelte Patienten unter Cabozantinib im Vergleich zu Sunitinib ein l&auml;ngeres progressionsfreies &Uuml;berleben sowie eine erh&ouml;hte Tumoransprechrate erreichten. <br />Tivozanib wurde 2017 f&uuml;r die Erstlinientherapie in Europa zugelassen und stellt als hochselektiver VEGF-TKI eine neue Therapieoption in der Erstlinie dar. In der TIVO-1-Studie wurde das PFS im Vergleich zu Sorafenib verl&auml;ngert, nicht allerdings das Gesamt&uuml;berleben. Dies ist dadurch erkl&auml;rbar, dass 61 % der Patienten im Sorafenib- Therapiearm als Zweitlinie Tivozanib erhielten, aber nur 26 % der Patienten im Tivozanib-Arm &uuml;berhaupt mit einer weiteren Substanz therapiert wurden. <br />Zusammenfassend sind bei g&uuml;nstigem IMDC-Risikoscore Sunitinib, Pazopanib oder neu Tivozanib in der Erstlinienbehandlung m&ouml;glich. Bei intermedi&auml;rem oder ung&uuml;nstigem IMDC-Risikoscore ist die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab als neuer Therapiestandard anzusehen. Es ist zu hoffen, dass eine weitere Verbesserung der Patientenselektion in Zukunft durch Biomarker erm&ouml;glicht wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s67_tab2_niedersuess-beke.jpg" alt="" width="1419" height="850" /></p> <p><strong>Weiterf&uuml;hrende Therapie</strong> <br />Nach der Erstlinientherapie h&auml;ngt die Substanzwahl beim RCC von vielen Faktoren ab, zu denen die vorangegangene Therapie, deren Vertr&auml;glichkeit, die Zeit bis zur Progression bzw. die Aggressivit&auml;t der Erkrankung und die Wahl zwischen intraven&ouml;ser oder oraler Applikationsform z&auml;hlen. Prinzipiell heben sich aufgrund der Datenlage zwei aus der Vielzahl an verf&uuml;gbaren Substanzen ab, n&auml;mlich Nivolumab und Cabozantinib. Beide Substanzen konnten in Phase-III-Studien nach vorangegangener Anti-VEGF-Therapie einen signifikanten &Uuml;berlebensvorteil gegen&uuml;ber Everolimus beweisen. W&auml;hrend die Tumoransprechrate f&uuml;r beide Substanzen in den jeweiligen Studien &auml;hnlich waren, zeigte sich f&uuml;r Nivolumab keine Verl&auml;ngerung des PFS im Vergleich zu Everolimus, f&uuml;r Cabozantinib hingegen schon. Aus diesem Grund ist bei einer aggressiven, rasch voranschreitenden Erkrankung Cabozantinib zu bevorzugen. In den Subgruppenanalysen konnte Nivolumab besonders gute Gesamt&uuml;berlebensergebnisse in der Gruppe mit ung&uuml;nstigem Risikoscore nach MSKCC erzielen; f&uuml;r Cabozantinib zeigte sich eine sehr gute Effektivit&auml;t bei Knochenmetastasen. Ein wichtiger Punkt aus Patientensicht ist auch die Vertr&auml;glichkeit der vorangegangenen TKI-Therapie. Bei darunter aufgetretenen schweren Nebenwirkungen oder deutlicher Beeintr&auml;chtigung der Lebensqualit&auml;t bietet sich Nivolumab als zumeist sehr gut tolerierte Therapieoption an.<br /> Eine weitere Therapieoption in sp&auml;teren Therapielinien ist die Kombination von Lenvatinib und Everolimus, mit der in einer Phase-II-Studie mit 153 vorbehandelten Patienten eine eindrucksvolle Ansprechrate sowie eine Verl&auml;ngerung des progressionsfreien &Uuml;berlebens gegen&uuml;ber Everolimus erreicht wurde.<br /> Empfehlungen zur Therapiesequenz gibt es aktuell allerdings nur anhand von retrospektiven Analysen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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