
Universeller Blut-Krebstest: Traum oder Realität?
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die methodischen Ansätze, die derzeit zur Entwicklung von Krebsfrüherkennungstests aus Blutproben eingesetzt werden, sind vielfältig. Zirkulierende Tumorzellen, krebsspezifische (Bio-)Marker, molekulargenetische Marker (DNA), mRNA, microRNA, verschiedene Metaboliten bzw. extrazelluläre Vesikeln in Blutproben dienen als Parameter. Einige wenige dieser Test sind in klinischer Prüfung.
Ein Test, der es erlaubt, anhand einer Blutprobe eine Krebsdiagnose zu stellen, und damit die Früherkennung von Krebserkrankungen zulässt, ist der Traum von Generationen von Onkolog*innen. Angefangen bei teilweise obskuren Strukturen, die im Dunkelfeld-Mikroskop in Blutstropfen von Krebspatient*innen auffindbar waren, aber einer wissenschaftlichen Prüfung – auch durch den Autor dieser Kolumne – nicht standhielten, bis hin zu den neuesten Entwicklungen wie eben dem „Multi-Cancer Early Detection Test“ (MCED), besteht nun berechtigte Hoffnung, dass der Traum Realität wird.
Zwei Tests wurden von der US-Zulassungsbehörde FDA als bahnbrechende Produkte („breakthrough device“) eingestuft und versprechen ein wertvolles Tool zum Erkennen von mehreren Krebsarten zu sein. Das sind der Galleri® MCED von der US-Firma Grail (2019) und der OverC™ MCED von der chinesischen Firma Burning Rock (2023). Bei diesen beiden neu entwickelten Bluttests wird der Nachweis von Methylierungsmustern in zirkulierender, zellfreier Tumor-DNA (cfDNA) im Plasma als Parameter für eine Krebsdiagnose eingesetzt.
Mit dem Bluttest Galleri® können 11 Krebsarten erkannt werden. Die prospektive Screeningstudie „PATHFINDER“ erfasste 6662 Probanden, die älter als 50 Jahre waren. Bei 1,4% (n=72) war der Test positiv, bei 27 Personen wurde Krebs bestätigt, davon 50% im Stadium I–II. Der positiv prädiktive Wert lag bei 43%, die Spezifität bei 99% (ESMO 2022). Derzeit wird in England eine prospektive Galleri®-Studie an 140.000 asymptomatischen Probanden durchgeführt, um Krebs in einer allgemeinen Population zu entdecken.
Mit dem Bluttest OverC™ MCED können 6 Krebsarten erkannt werden (Ösophagus-, Leber-, Lungen-, Ovarial-, Darm- und Pankreaskarzinome). In der prospektiven Fall-Kontroll-Studie THUNDER wurden 856 Probanden in einem externen Validierungsansatz ausgewertet, davon waren ca. 50% Krebspatienten. Die Sensitivität lag bei bis zu 76% für alle Fälle, bis zu 69% für Fälle in Stadium I–III, die Spezifität bei bis zu 99% (ASCO 2022).
Matsuzaki und Kolleg*innen berichten im JNCI Cancer Spectrum (2023), über einen MCED, der microRNA(miRNA)-Expression mit „machine learning“ kombiniert, wodurch es möglich war, das Ursprungsgewebe für 13 unterschiedliche Krebsarten nachzuweisen. Durch Verwendung von großen Trainings- und Validierungsansätzen von Krebs- und auch normal gesundem Gewebe konnten die Autoren eine Treffsicherheit von 88% bei der Identifizierung des Ursprungsgewebes und von 90% für Krebs im Stadium I und II erzielen.
In weiteren Studien wurde die Wertigkeit von miRNA zur Krebsfrüherkennung untersucht. Eine rezente Metaanalyse ergab, dass ein Panel von drei und mehr miRNA Dickdarmkrebs mit moderater bis guter Treffsicherheit vorhersagen kann. Eine Studie mit einem Panel aus fünf miRNA, validiert in drei unabhängigen Kohorten, ergab 81,3% Sensitivität für die Entdeckung von nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC).
Ziel von MCED ist es, mittels eines Bluttests über den Nachweis von molekularen Signaturen/Strukturen verschiedenste und möglichst viele Krebsarten in einem frühen asymptomatischen Stadium in einer allgemeinen Population zu entdecken. Dies sollte die – derzeit gebräuchlichen, aufwendigen und nur bei einigen wenigen Tumoren erfolgreichen – teilweise invasiven Screening-Maßnahmen ersetzen. Die Ergebnisse dieser neuesten Studien tragen wesentlich zur positiven Beurteilung der Effektivität von MCED bei und lassen auf die Entwicklung und den Routineeinsatz eines „universellen Krebstests“ hoffen.
Dennoch muss, bei allem Optimismus für den möglichen Einsatz von MCED in der Routine, die Nutzen- und Schadenskomponente bei einem positiven, aber auch bei einem negativen Testergebnis überdacht werden. Den Konsequenzen, die ein Testergebnis für die einzelne Person hat, muss strategisch begegnet werden. So sind Kenntnisse über die Entwicklung („natural history“) der Krebserkrankung und damit auch der Einsatz von weiteren diagnostischen und auch entsprechenden therapeutischen Maßnahmen von besonderer Bedeutung. Ein weiterer Aspekt ist die Entwicklung einer Strategie für die Wahl der Testpopulation und von weiteren Maßnahmen bis zur morphologischen Verifizierung einer Krebserkrankung.
Es muss sichergestellt werden, dass Personen mit einem positiven Testergebnis in einem MCED für die entsprechenden und notwendigen weiteren Maßnahmen sowohl in Bezug auf Diagnose als auch Therapie zugänglich bzw. erreichbar sind. Eine wesentliche Frage ist auch, wie früh das Signal im Test erhalten wird, ohne dass ein substanzieller Hinweis/Nachweis in einem bildgebenden Verfahren möglich ist. Muss ein PET-Scan eingesetzt werden, um die frühzeitige Diagnose „Krebs“ zu bestätigen? Wie ist der weitere Verlauf bzw. die Abfolge von Untersuchungen für Personen mit einem positiven Test, aber ohne Korrelat in der Bildgebung?
Diese und weitere Fragestellungen – abgesehen von weitgehenden gesundheitspolitischen Maßnahmen – wären mit dem Einsatz eines MCED bzw. eines universellen Krebstests in der Routine zunächst zu beantworten. Die Zukunft hat also gerade erst begonnen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...