
©
Getty Images/iStockphoto
«Tyrosinkinasehemmer kann man absetzen, vorzugsweise aber im Rahmen klinischer Studien»
Leading Opinions
30
Min. Lesezeit
08.09.2016
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Ob Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) zu einer Heilung der CML führen, wird von Hämatologen und Forschern schon seit Längerem untersucht. Jetzt wurde auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Hämatologie in Kopenhagen<sup>1</sup> die EURO-SKI-Studie mit 772 Patienten vorgestellt:<sup>2</sup> Wurden TKI nach einer medianen Behandlungsdauer von 92,7 Monaten abgesetzt, war bei 51 Prozent der Patienten nach zwei Jahren molekularbiologisch kein Rezidiv nachweisbar. Dr. med. Alexandre Theocharides vom Universitätsspital Zürich sprach über die Konsequenz für die Praxis.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Als mit Imatinib 2001 der erste TKI zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML) zugelassen wurde, war das ein Durchbruch in der Therapie: Zum ersten Mal gab es ein Medikament, welches gezielt auf die Leukämie wirkt: Imatinib hemmt die BCR-ABL1-Tyrosinkinase, das Genprodukt des Philadelphia-Chromosoms. BCR-ABL1 bringt die Leukämiezelle dazu, sich unkontrolliert zu teilen, was durch TKI wie Imatinib blockiert wird. Der TKI verlängerte das Überleben von CML-Patienten signifikant. Inzwischen sind mit Nilotinib und Dasatinib zwei TKI der zweiten Generation auf dem Markt, 2013 und 2014 wurden mit Bosutinib und Ponatinib die der dritten Generation zugelassen.<sup>3</sup><br /> <br /><strong> Kann man Tyrosinkinasehemmer bei CML-Patienten absetzen?</strong><br /> <br /> <strong>A. Theocharides:</strong> Das lässt sich auch nach der EURO-SKI-Studie nicht mit Ja oder Nein beantworten. Einer von zwei Patienten entwickelt kein Rezidiv, wenn das Medikament abgesetzt wird, und wir können spekulieren, ob er geheilt ist. Bei dem anderen proliferieren die CML-Zellen aber wieder. Wir empfehlen das Absetzen von TKI nur innerhalb von klinischen Studien.<br /> <br /><strong> Können Sie dem Patienten sagen, zu welcher Gruppe er gehört?</strong><br /> <br /> <strong>A. Theocharides:</strong> Nein, bis jetzt noch nicht. Es wird jedoch nach Parametern geforscht, mit denen wir Patienten identifizieren können, bei denen wir die TKI absetzen könnten, und solche, bei denen man lieber vorsichtig sein sollte. Möglicherweise wird auch da die EURO-SKI-Untersuchung Daten liefern. Was die Studie vermuten lässt: Je länger die Behandlung vor dem Stopp ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die CML nicht rezidiviert. Entwickelt sich ein Rezidiv, sprechen die Krebszellen bei den meisten Patienten wieder gut auf den TKI an. Ob das Gesamtüberleben aber das gleiche ist, wenn man nach einem Stopp erneut therapiert oder wenn man kontinuierlich das Medikament gibt, wissen wir nicht. Dies könnte der Vergleich mit historischen Kohorten zeigen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1604_Weblinks_Seite104.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>Haben die Ergebnisse Sie überrascht?</strong> <br /> <br /><strong> A. Theocharides:</strong> Ehrlich gesagt: nein. Wir haben schon in früheren kleineren Studien gesehen, dass nach Absetzen die CML bei 40–50 Prozent der Patienten nicht wieder auftritt. In der EURO-SKI-Studie wurde das jetzt an einer grösseren Patientengruppe belegt.<br /> <br /><strong> Warum ist es wichtig zu wissen, wann man TKI absetzen kann?</strong><br /> <br /> <strong>A. Theocharides:</strong> Erstens: Es lebt sich besser ohne Medikamente. Zweitens: TKI verursachen wie jedes Medikament unerwünschte Wirkungen, etwa Ödeme, Muskelkrämpfe oder Zytopenien. Drittens kosten die Medikamente mehrere Tausend Franken im Monat – ein wichtiger gesundheitsökonomischer Aspekt.<br /> <br /><strong> Bei welchen Patienten setzen Sie TKI ab?</strong><br /> <br /> <strong>A. Theocharides:</strong> Wir machen das nur im Rahmen einer Studie, nämlich der CML-V(SAKK)-Studie<sup>4</sup>. Dabei werden die Patienten randomisiert in eine Nilotinib-Gruppe und eine Nilotinib-plus-Interferon-alpha-Gruppe. Nach einer Induktionstherapie mit Nilotinib beziehungsweise Nilotinib plus pegyliertes Interferon wird in der Erhaltungsphase in dem einen Arm Nilotinib weitergegeben, im anderen nur Interferon. Der erste primäre Endpunkt ist die «major molecular remission» (MMR) nach 18 Monaten der Therapie. Eine MMR liegt vor, wenn BCR-ABL1 auf der internationalen Skala geringer als 0,1 Prozent ist. Als zweiten primären Endpunkt untersucht die Studie, ob die Patienten nach Absetzen der Medikamente in einer MMR bleiben.<br /> <br /><strong> Erwarten Sie ähnliche Ergebnisse wie in der EURO-SKI-Studie?</strong><br /> <br /><strong> A. Theocharides:</strong> Nilotinib wirkt schneller und stärker als Imatinib, das wurde in Studien belegt. Die Rezidivrate könnte daher nach Absetzen von Nilotinib in der CML-V-Studie geringer sein als in der EURO-SKI-Studie, weil die meisten Patienten dort Imatinib erhielten. Möglicherweise werden Patienten in der Interferon-Gruppe noch weniger Rezidive entwickeln, aber das werden wir erst nach Auswertung der Daten wissen. Möchte ein Patient mit Neudiagnose einer CML die Möglichkeit haben, den TKI im Laufe seiner Therapie abzusetzen, schlagen wir ihm vor, an der CML-V(SAKK)-Studie teilzunehmen. Gerne können sich auch Kollegen bei mir melden, um ihre Patienten zur Studie anzumelden.<br /> <br /><strong> Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> <a href="http://www.ehaweb.org/congress-and-events/21st- % 20congress/key-information-3/" target="_blank">http://www.ehaweb.org/congress-and-events/21st- congress/key-information-3/</a><br /><strong>2</strong> Richter J et al: Stopping tyrosine kinase inhibitors in a very large cohort of european chronic myeloid leu- kemia patients: results of the euro-ski trial. EHA 2016, Presidential Symposium, Abstr. S145<br /><strong>3</strong> <a href="http://www.swissmedic.ch" target="_blank">www.swissmedic.ch</a><br /><strong>4</strong> <a href="http://www.cancercenter.usz.ch/forschung/klinische-studien/seiten/hämatologische-erkrankungen.aspx" target="_blank">http://www.cancercenter.usz.ch/forschung/klinische-studien/seiten/hämatologische-erkrankungen.aspx</a></p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...