
Therapiestandards und ihre Limitationen
Autor:
Prof. Dr. med. Oliver Gautschi
Chefarzt Medizinische Onkologie,
Luzerner Kantonsspital, Luzern
E-Mail: oliver.gautschi@luks.ch
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Zielgerichtete Substanzen sind beim EGFR- und ALK-positiven Lungenkarzinom mittlerweile auch in frühen Tumorstadien unverzichtbare Standardoptionen. Eine Reihe an offenen Fragen spiegelt den aktuellen Forschungsbedarf wider.
Die aktuellen ESMO-Guidelines zur Therapie des frühen und lokal fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) stammen aus dem Jahr 2017, jedoch wird bald ein Update publiziert werden.1 Auch befindet sich mittlerweile die neunte Edition des TNM-Stagings in Arbeit, während pivotale Studien vergangene Editionen verwendeten.2
(Neo)adjuvante Therapiemit Osimertinib
In der pivotalen ADAURA-Studie bewirkte der EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Osimertinib als adjuvante Therapie über maximal drei Jahre nach der Resektion EGFR-mutierter Tumoren einen klinisch relevanten Gesamtüberlebensbenefit gegenüber Placebo (HR: 0,49; p<0,001).3
Allerdings sind angesichts der langen Behandlungsdauer Nebenwirkungen wie mukokutane Toxizitäten bedeutsam, da sie die Patient:innen auch bei geringerer Ausprägung belasten. Zu den offenen Fragen zählen die ideale Dosierung und die Therapiedauer: Neben der in der Studie eingesetzten Standarddosis von 80mg/d könnten 40mg ebenso effektiv sein, und eine Behandlung über die arbiträre Grenze von drei Jahren hinaus wäre denkbar. Zudem entfaltet Osimertinib möglicherweise auch ohne initiale Chemotherapie in einer Subgruppe Wirksamkeit.
Zur künftigen Rolle der MRD(«minimal residual disease»)-Analyse liegen interessante Daten aus der ADAURA-Studie vor, denen zufolge MRD-Positivität und Progressionsereignisse in beiden Studienarmen vor allem nach dem Absetzen der Therapie auftraten (Abb.1).4 Eine Nutzung der Liquid Biopsy zwecks Festlegung der individuell optimalen Behandlungsdauer bzw. Detektion früher Rezidive steht zur Debatte, ist aktuell aber noch nicht spruchreif.
Abb. 1:Verlust der minimalen Resterkrankung (MRD-Ereignis) bzw. Progression (DFS-Ereignis) unter und nach adjuvantem Osimertinib in ADAURA (modifiziert nach Herbst RS et al.)4
Auf neoadjuvantem Gebiet hat NeoADAURA hohe pathologische Ansprechraten unter Osimertinib als Monotherapie oder Kombinationspartner der Chemotherapie erbracht.5 In der Praxis lassen sich diese Ergebnisse jedoch nicht so leicht reproduzieren – im Unterschied zu jenen unter Immunchemotherapie beim nichtmutierten NSCLC. Hier werden vermutlich weitere Studien notwendig sein.
ALK-positives Karzinom
Nach der Resektion ALK-positiver Tumoren ergab die ALINA-Studie bei verbesserter Verträglichkeit eine Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens unter adjuvantem Alectinib verglichen mit Chemotherapie.6 Hier gilt es zu eruieren, ob der TKI auch einen relevanten Überlebensvorteil bewirkt und ob die zweijährige Therapiedauer ausreicht. Zudem könnte eine zusätzliche Chemotherapie bei bestimmten Patient:innen von Nutzen sein, etwa bei jenen im Stadium III. Adjuvante Studien mit anderen TKI befinden sich im Laufen, weshalb Alectinib als Standardoption abgelöst werden könnte.
Als perioperative Option hat Alectinib beim ALK-positiven, potenziell resektablen NSCLC im Stadium III Effektivität gezeigt.7
In der Phase-II-Studie ALNEO wurden 85% von 33 Patient:innen nach zwei neoadjuvanten Alectinib-Zyklen operiert; ein pathologisches objektives Ansprechen fand sich bei 67%. Postoperativ startete eine adjuvante Therapie mit Alectinib über bis zu 24 Zyklen. Nach einem medianen Follow-up von 15,2 Monaten waren das mediane ereignisfreie Überleben sowie das mediane Gesamtüberleben noch nicht erreicht und bei 82% bestand Progressionsfreiheit.
Beim ALK-positiven frühen NSCLC beobachtete Therapieerfolge sind bei fusionspositiven Karzinomen möglicherweise auf andere TKI umlegbar, da diese Tumoren extrem gut auf zielgerichtete Substanzen ansprechen. Grundsätzlich stellt in den frühen Krankheitsstadien die Chirurgie den wichtigsten therapeutischen Faktor dar.
Stadium III & IV
Das Stadium III des NSCLC präsentiert sich äusserst uneinheitlich. Eine Kategorisierung in (potenziell) resektabel und nichtresektabel wurde anhand einer internationalen EORTC-Survey vorgenommen, es handelt sich allerdings um «work in progress», da die Empfehlungen nicht gleichermassen auf alle Länder angewendet werden können.8
Bei EGFR-mutierten Tumoren im nichtresektablen Stadium III bildet Osimertinib als Konsolidierungsstrategie nach Chemoradiotherapie entsprechend der LAURA-Studie den Therapiestandard.9 Im ALK-positiven Setting stellt die Konsolidierung keine Standardoption dar, retrospektive Real-World-Daten weisen jedoch auf Benefits durch eine ALK-Inhibition im Vergleich zu Durvalumab hin.10
Im Stadium IV empfehlen die ESMO-Living-Guidelines bei ALK-Positivität nach wie vor ALK-TKI-Monotherapien, während bei EGFR-mutierter Erkrankung mittlerweile Kombinationen wie Osimertinib/Chemotherapie (FLAURA2-Studie) und Amivantamab/Lazertinib (MARIPOSA-Studie) zur Verfügung stehen.11–14
Patient:innen mit Hirnmetastasen scheinen von Kombinationen besonders zu profitieren. Andererseits ist unbekannt, welche Gruppen darauf verzichten könnten. In diesem Kontext fallen zudem Aspekte der Verträglichkeit und Kosteneffektivität ins Gewicht. Eine weitere offene Frage bezieht sich darauf, ob Studienergebnisse mit Kombinationen auf andere Szenarien umgelegt werden können (z.B. adjuvante Situation, seltene EGFR-Mutationen oder andere Driver-Alterationen). Vielversprechende Aktivität demonstrierten die Kombinationen aus Osimertinib und den MET-Inhibitoren Tepotinib (INSIGHT 2) bzw. Savolitinib (SAVANNAH).15,16
Fazit
Beim resektablen EGFR- oder ALK-positiven NSCLC im Stadium I–III stellt die adjuvante TKI-Therapie den Behandlungsstandard dar, während Chemotherapie im Einzelfall erwogen werden kann. Im metastasierten Stadium eines EGFR-mutierten NSCLC sollten Kombinationen (FLAURA2, MARIPOSA) sowie das entsprechende Nebenwirkungsmanagement mit den Patient:innen diskutiert werden. In einigen Fällen stellt die TKI-Monotherapie nach wie vor eine Option dar. Bei metastasierten ALK-positiven Tumoren gilt die TKI-Monotherapie unverändert als Standardstrategie.
Im Fall einer Oligoprogression wird die TKI-Therapie fortgesetzt und lokal mittels Radiotherapie behandelt. Bei systemischer Progression empfehlen sich Rebiopsie, Studieneinschluss oder die Umstellung der Therapie laut Guidelines. Angesichts der steigenden Lebenserwartung durch die sich stetig verbessernden Behandlungsoptionen kommt den Aspekten der Lebensqualität und der Leistbarkeit zunehmende Bedeutung zu.
Literatur:
1 Postmus PE et al.: Early and locally advanced non-small-cell lung cancer (NSCLC): ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2017; 28(Suppl.4): iv1-21 2 Rami-Porta R et al.: The International Association for the Study of Lung Cancer Lung Cancer Staging Project: proposals for revision of the TNM stage groups in the forthcoming (ninth) edition of the TNM Classification for Lung Cancer. J Thorac Oncol 2024; 19(7): 1007-27 3 Tsuboi M et al.: Overall survival with osimertinib in resected EGFR-mutated NSCLC. N Engl J Med 2023; 389(2): 137-47 4 Herbst RS et al.: Molecular residual disease analysis of adjuvant osimertinib in resected EGFR-mutated stage IB–IIIA non-small-cell lung cancer. Nat Med 2025; 31(6): 1958-68 5 He J et al.: Neoadjuvant osimertinib for resectable EGFR-mutated non–small cell lung cancer. J Clin Oncol 2025; JCO2500883 6 Wu YL et al.: Alectinib in resected ALK-positive non-small-cell lung cancer. N Engl J Med 2024; 390(14): 1265-76 7 Leonetti A et al.: Alectinib as neoadjuvant treatment in potentially resectable stage III ALK-positive NSCLC: final analysis of ALNEO phase II trial (GOIRC-01-2020-ML42316). J Clin Oncol 2025; 43(Suppl.16): Abstr. #8015 8 Houda I et al.: An international and multidisciplinary EORTC survey on resectability of stage III non-small cell lung cancer. Lung Cancer 2025; 199: 108061 9 Lu S et al.: Osimertinib after chemoradiotherapy in stage III EGFR-mutated NSCLC. N Engl J Med 2024; 391(7): 585-97 10 Nassar AH et al.: Consolidation ALK tyrosine kinase inhibitors versus durvalumab or observation after chemoradiation in unresectable stage III ALK-positive NSCLC. J Thorac Oncol 2025; 20(1): 109-18 11 Hendriks LE et al.: Oncogene-addicted metastatic non-small-cell lung cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2023; 34(4): 339-57 12 Hendriks LEL et al.: Updated treatment recommendation for systemic treatment: from the ESMO oncogene-addicted metastatic NSCLC Living Guideline. Ann Oncol 2025; S0923-7534(25)00813-0 13 Planchard D et al.: Osimertinib with or without chemotherapy in EGFR-mutated advanced NSCLC. N Engl J Med 2023; 389(21): 1935-48 14 Cho BC et al.: Amivantamab plus lazertinib in previously untreated EGFR-mutated advanced NSCLC. NEngl J Med 2024; 391(16): 1486-98 15 Wu YL et al.: Tepotinib plus osimertinib in patients with EGFR-mutated non-small-cell lung cancer with MET amplification following progression on first-line osimertinib (INSIGHT 2): a multicentre, open-label, phase 2 trial. Lancet Oncol 2024; 25(8): 989-1002 16 De Marinis F et al.: Savolitinib plus osimertinib in epidermal growth factor receptor (EGFR)-mutated advanced non-small cell lung cancer with MET overexpression and/or amplification following disease progression on osimertinib: primary results from the phase II SAVANNAH study. Ann Oncol 2025; 36(8): 920-33
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