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AGO-Kongress

Therapieeskalation beim lokalfortgeschrittenen Zervixkarzinom

Das Zervixkarzinom ist das vierthäufigste Malignom weltweit. 2022 erkrankten über 650000 Frauen an einem Zervixkarzinom und mehr als 350000 Frauen starben daran. Damit ist das Zervixkarzinom global eine der tödlichsten tumorassoziierten Erkrankungen. Die Ätiologie des Zervixkarzinoms ist weitgehend bekannt. In 95% der Fälle basiert es auf einer Infektion mit dem humanen Papillomavirus. Inknapp 50% der Fälle wird das Zervixkarzinom in einem lokal fortgeschrittenen Tumorstadium diagnostiziert. Neue Therapieansätze sollen die Überlebensraten erhöhen.

Keypoints

  • Bei Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom beträgt die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate etwa 70%.

  • Eine Therapieoptimierung ist daher essenziell.

  • Eine Induktionschemotherapie mittels wöchentlicher Gabe von Carboplatin AUC 2 und Paclitaxel 80mg/kg KG über sechs Wochen kann das progressionfreie, aber auch das Gesamtüberleben deutlicher verlängern.

  • Eine Kombinationstherapie aus Radiochemotherapie und Pembrolizumab gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Pembrolizumab kann das progressionsfreie Überleben von Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom verlängern.

Die kombinierte Radiochemotherapie stellt den Standard der Therapie beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom dar. Hierbei erhalten die Patient:innen eine Therapie über sieben Wochen. In den ersten fünf Wochen werden eine Chemotherapie (Cisplatin 40mg/m2 KOF) und täglich eine Teletherapie verabreicht. In den Therapiewochen 6 und 7 bekommen die Patient:innen zwei Therapiezyklen Brachytherapie. Diese kombinierte Therapie führt zu exzellenten lokalen Kontrollraten von 90% nach fünf Jahren.1 Jedoch entwickeln die Patient:innen in etwa 15% der Fälle pelvine Lymphknotenmetastasen und in etwa 25–30% der Fälle Fernmetastasen.2

Die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom liegt daher bei etwa 70%. Daher ergibt sich eine dringender Bedarf an Therapieoptionen.

Die Therapieoptionen, die bisher untersucht wurden, sind:

  • adjuvante Chemotherapie

  • Induktionschemotherapie

  • Immuntherapie

  • antiangiogenetische Therapie

Adjuvante Chemotherapie

Die Verabreichung einer adjuvanten Chemotherapie nach Radiochemotherapie wurde in der Studie OUTBACK untersucht. In dieser randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie wurden über 900 Patient:innen in eine von zwei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe wurde mittels Radiochemotherapie, die andere Gruppe mittels Radiochemotherapie und anschließend adjuvant vier Zyklen Carboplatin AUC 5/Paclitaxel 175mg/m2KOF behandelt. Durch die zusätzliche Gabe einer adjuvanten Chemotherapie konnte weder das progressionsfreie noch das Gesamtüberleben (OS) verlängert werden.3

Induktionschemotherapie

Die Induktionschemotherapie wurde in der randomisierten, kontrollierten Studie INTERLACE untersucht. In diese Studie wurden 500 Patient:innen in eine von zwei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe wurde mittels Radiochemotherapie behandelt, die andere Gruppe wurde initial über sechs Wochen mit zwei Zyklen dosisdichter Chemotherapie (Carboplatin AUC 2 und Paclitaxel 80mg/m2 KOF) wöchentlich und ab der siebten Woche mit Radiochemotherapie therapiert.

Die Studie konnte zeigen, dass durch eine Induktionschemotherapie sowohl das progressionsfreie (PFS) als auch das Gesamtüberleben von Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom verlängert wird (Abb. 1):

  • 5-Jahres-PFS-Rate:73% vs. 64%, p=0,013

  • 5-Jahres-OS-Rate:80% vs. 72%, p=0,04

Abb. 1: Gesamtüberlebensrate in der Studie INTERLACE (modifiziert nach McCormack M et al.)4

In dieser Studie konnte vor allem die Rate an Fernrezidiven durch eine Induktionschemotherapie gesenkt werden.4

Immuntherapie

Für die Verwendung einer Immuntherapie im Sinne des Einsatzes eines Checkpoint-Inhibitors in Zusammenhang mit einer Radiochemotherapie gibt es eine solide Rationale: Die Radiotherapie führt zu einem Zellzerfall im Tumorgewebe. Dadurch kommt es zur Ausschüttung von Tumorneoantigenen, die durch dendritische Zellen den T-Zellen präsentiert werden. Die T-Zellen können durch die Verwendung von Checkpoint-Inhibitoren aktiviert werden. Dadurch soll es zu einer ausgeprägteren Immunreaktion kommen. Die gemeinsame Verwendung des Checkpoint-Inhibitors Pembrolizumab und einer Radiochemotherapie bei Patient:innen mit fortgeschrittenem Zervixkarzinom wurde in der randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie ENGOT-cx11/KEYNOTE-A18 untersucht. In dieser Studie wurden 1060 Patient:innen in zwei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe wurde mit Radiochemotherapie und Pembrolizumab behandelt, die andere Gruppe mit Radiochemotherapie und Placebo. In beiden Gruppen erhielten die Patient:innen eine Erhaltungstherapie über insgesamt 15 Zyklen mit Pembrolizumab oder Placebo.

In dieser Studie konnte die kombinierte Gabe von Radiochemotherapie und Pembrolizumab das progressionsfreie Überleben signifikant verlängern. So wurde die 2-Jahres-PFS-Rate von 57,3% auf 67,8% erhöht (p=0,0020). Demgegenüber konnte jedoch das Gesamtüberleben durch Pembrolizumab nicht signifikant verlängert werden (2-Jahres-OS-Rate: 80,8% vs. 87,2%; HR: 0,73; 95% CI: 0,49–1,07). Limitierend ist jedoch bei der Gesamtüberlebensanalyse, dass erst 42,9% der Fälle auswertbar waren.5

Antiangiogenetische Therapien

Für die Verwendung von antiangiogenetischen Therapien gibt es einige kleinere randomisierte, kontrollierte Studien. Diese wurden in einem systematischen Review bzw. einer Metaanalyse gemeinsam untersucht.6

Tatsächlich konnte die Metaanalyse einen Vorteil für die Verwendung von antiangiogenetischen Substanzen während der Radiochemotherapie in Bezug auf die Ansprechrate und in manchen Studien sogar in Bezug auf das Gesamtüberleben beweisen. Jedoch wurde auch die Rate an Nebenwirkungen durch die Verwendung von antiangiogenetischen Therapien erhöht. Die größte Limitation der Studien ist jedoch die geringe Fallzahl. So wurden insgesamt in dieser Metaanalyse, bestehend aus zwölf Studien, Daten von nur 793 Patient:innen eingeschlossen.

Fazit

Zusammenfassend ist die optimale Therapie des lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinoms nicht vollständig geklärt. Es gibt positive Daten für die Verwendung einer Induktionschemotherapie vor der Radiotherapie, auch die Verwendung einer Immuntherapie scheint substanzielle Vorteile in Bezug auf das progressionsfreie Überleben mit sich zu bringen. Ob eine Erweiterung der Behandlung um eine antiangiogenetische Therapie Sinn macht, ist bisher nicht final geklärt.

1 Potter R et al.: MRI-guided adaptive brachytherapy in locally advanced cervical cancer (EMBRACE-I): a multicentre prospective cohort study. Lancet Oncol 2021; 22(4): 538-47 2 Sturdza A et al.: Image guided brachytherapy in locally advanced cervical cancer: improved pelvic control and survival in RetroEMBRACE, a multicenter cohort study. Radiother Oncol 2016; 120(3): 428-33 3 Mileshkin LR et al.: Adjuvant chemotherapy following chemoradiotherapy as primary treatment for locally advanced cervical cancer versus chemoradiotherapy alone (OUTBACK): an international, open-label, randomised, phase 3 trial. Lancet Oncol 2023; 24(5): 468-82 4 McCormack M et al.: A randomised phase III trial of induction chemotherapy followed by chemoradiation compared with chemoradiation alone in locally advanced cervical cancer. The GCIG INTERLACE trial. ESMO 2023; Abstr. #LBA8 5 Lorusso D et al.: Pembrolizumab or placebo with chemoradiotherapy followed by pembrolizumab or placebo for newly diagnosed, high-risk, locally advanced cervical cancer (ENGOT-cx11/GOG-3047/KEYNOTE-A18): a randomised, double-blind, phase 3 clinical trial. Lancet 2024; 403(10434): 1341-50 6 Zou Y et al.: Efficacy and safety of anti-angiogenesis agents combined with chemoradiotherapy in the treatment of locally advanced cervical cancer: a meta-analysis of randomized controlled trials. Expert Rev Anticancer Ther 2023; 23(2): 217-27

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