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Therapiealgorithmus bei metastasiertem Pankreaskarzinom: Was ist evidenzbasiert und was nicht?

<p class="article-intro">Das Pankreaskarzinom ist mit einer altersstandardisierten Inzidenzrate von 21 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohnern und einer Prävalenz von 2418 betroffenen Personen im Jahr 2015 für 4 % aller Malignome in Österreich verantwortlich, es steht allerdings an dritthäufigster Stelle der Krebstodesursachen.<sup>1</sup></p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der h&auml;ufigste histologische Subtyp ist mit 95 % das duktale Adenokarzinom, die h&auml;ufigste Lokalisation der Pankreaskopf. Die Mortalit&auml;t ist ann&auml;hernd gleich hoch wie die Inzidenz der Erkrankung, mit einer medianen 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate von unter 3 % und einem medianen &Uuml;berleben ab Diagnosestellung von zumeist unter einem Jahr. Die hohe Mortalit&auml;t ergibt sich aus der h&auml;ufig erst sp&auml;t gestellten Diagnose und der Tumorbiologie selbst, da aufgrund der anatomischen Strukturen eine operative Sanierung oftmals nicht m&ouml;glich ist. Eine vollst&auml;ndige operative Entfernung stellt einen kurativen Ansatz dar, allerdings pr&auml;sentieren sich mehr als 80 % aller Patienten bei Diagnosestellung als nicht operabel bzw. metastasiert und daher prim&auml;r in einem palliativen Setting. In dieser Situation orientiert sich die Therapiewahl an mehreren Faktoren wie Performance Status (ECOG oder Karnofsky Index), Organfunktionen, bestehenden Begleiterkrankungen, Compliance der Patienten und nat&uuml;rlich auch am Toxizit&auml;tsprofil des gew&auml;hlten Therapieschemas. Unter Ber&uuml;cksichtigung dieser Faktoren steht bei der Therapiewahl die Erhaltung der Lebensqualit&auml;t bei optimaler &Uuml;berlebenszeit im Vordergrund. Die zur Verf&uuml;gung stehenden Substanzen bzw. Therapieschemata (u.a. Gemcitabin, Fluorouracil) sind teilweise seit mehr als 30 Jahren etabliert.<sup>2, 3</sup> Erst in den letzten Jahren wurden durch neue Substanzen bzw. Kombinationsschemata relevante Fortschritte in der Effektivit&auml;t der Therapien erzielt. Das gew&auml;hlte Chemotherapieschema sollte, neben allen anderen zuvor erw&auml;hnten Faktoren, vor allem unter Ber&uuml;cksichtigung des Performance Status (PS) gew&auml;hlt bzw. mit dem Patienten besprochen werden. Personen mit exzellentem bzw. gutem PS (PS 0 oder PS 1) sollte eine Kombinationstherapie bestehend aus entweder FOLFIRINOX oder Gemcitabin/nab-Paclitaxel angeboten werden. Bei Patienten mit PS 2 sollte prim&auml;r eine Monochemotherapie mit Gemcitabin durchgef&uuml;hrt werden und nach Progress die weitere Betreuung im Sinne der Best Supportive Care (BSC) erfolgen. Patienten, die sich prim&auml;r schon in einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand befinden oder aufgrund von Komorbidit&auml;ten einen PS von 3 oder mehr aufweisen, sollten nicht tumorspezifisch behandelt werden, um den Patienten unn&ouml;tige Belastungen und/oder m&ouml;gliche Komplikationen einer zytotoxischen Therapie zu ersparen.</p> <h2>First Line</h2> <p>FOLFIRINOX ist ein intensives Triplet- Chemotherapieschema, welches aus 5-Fluorouracil, Irinotecan und Oxaliplatin besteht und alle 2 Wochen wiederholt wird (Oxaliplatin 85mg/m<sup>2</sup> KOF [K&ouml;rperoberfl&auml;che], Leukovorin 400mg/m<sup>2</sup> KOF, Irinotecan 180 mg/m<sup>2</sup> KOF, Fluorouracil 400mg/m<sup>2</sup> KOF, Bolus und Fluorouracil 2400mg/m<sup>2</sup> KOF als Dauerinfusion &uuml;ber 46h).<sup>4</sup> In der zugrunde liegenden PRODIGE-Studie konnte gezeigt werden, dass im Vergleich zur Gemcitabin-Monotherapie die Ansprechrate unter FOLFIRINOX deutlich h&ouml;her war (11 vs. 32 % ) und auch der prozentuelle Teil an Krankheitskontrolle unter der Kombinationstherapie signifikant h&ouml;her war (51 vs. 70 % ). Vor allem aber das Gesamt&uuml;berleben konnte von 6,8 (Gemcitabin) auf 11,1 Monate (FOLFIRINOX) verl&auml;ngert werden. Ebenso wurde die progressionsfreie Zeit von 3,3 (Gemcitabin) auf 6,4 Monate (FOLFIRINOX) verl&auml;ngert. Anhand der Daten von Stein et al. setzt sich jedoch (im palliativen Setting) zunehmend das modifizierte FOLFIRINOX(mFOLFIRINOX)- Schema durch, da bei m&ouml;glicherweise gleicher Wirksamkeit signifikant weniger Nebenwirkungen wie Neutropenie, &Uuml;belkeit bzw. Erbrechen und Fatigue auftreten und die Vertr&auml;glichkeit somit deutlich besser ist. Das Schema unterscheidet sich vom Original dadurch, dass der Fluorouracil- Bolus sowie die Irinotecan-Dosis um jeweils 25 % reduziert werden.<sup>5</sup> In der klinischen Praxis hat es sich zum Teil auch bew&auml;hrt, g&auml;nzlich auf den Fluorouracil- Bolus zu verzichten.<br /> In der MPACT-Studie konnte durch die Kombination von Gemcitabin mit nab- Paclitaxel (Gemcitabin 1000mg/m2 KOF und nab-Paclitaxel 125mg/m<sup>2</sup> KOF an den Tagen 1, 8, 15; alle 4 Wochen) ebenfalls eine Verl&auml;ngerung des Gesamt&uuml;berlebens im Vergleich zur Gemcitabin-Monotherapie (1000mg/m<sup>2</sup> KOF w&ouml;chentlich) erreicht werden (8,5 Monate Kombination vs. 6,7 Monate Mono) (Abb. 1). Auch die progressionsfreie Zeit wurde verl&auml;ngert: von 3,7 auf 5,5 Monate. Die Ansprechrate erh&ouml;hte sich von 7 auf 23 % (im Investigator Assessment 29 % ), die Rate an Krankheitskontrolle von 33 auf 48 % .<sup>6</sup><br /> Insgesamt zeigten beide Kombinationen (FOLFIRINOX und Gemcitabin/nab- Paclitaxel) eine deutliche Verl&auml;ngerung des Gesamt&uuml;berlebens und der progressionsfreien Zeit, wobei beide Kontrollarme (jeweils Gemcitabin-Monotherapie) weitgehend identische Ergebnisse brachten.<br /> Im palliativen Setting ist der Vergleich der Nebenwirkungen in Anbetracht der Zielsetzung (Lebensqualit&auml;t) priorit&auml;r, diesbez&uuml;glich unterscheiden sich die Kombinationsschemata. So war, bei erh&ouml;hter Frequenz von G-CSF-Prophylaxe, die Rate an Neutropenien bzw. febrilen Neutropenien unter FOLIRINOX etwas h&ouml;her (46 vs. 38 % bzw. 5 vs. 3 % ). Schwere Thrombopenien traten h&auml;ufiger unter Gemcitabin/ nab-Paclitaxel auf, w&auml;hrend Durchfall und Fatigue h&auml;ufiger unter dem FOLFIRINOX- Regime auftraten. Die Neuropathierate war unter Gemcitabin/nab-Paclitaxel h&ouml;her als unter FOLFIRINOX (17 vs. 9 % ).<br /> Erlotinib, ein EGFR(&bdquo;epidermal growth factor receptor&ldquo;)-Inhibitor, ist eine weitere therapeutische Option in Kombination mit Gemcitabin. In einer Phase- III-Studie konnten Moore et al. zeigen, dass durch Zugabe von Erlotinib (100&ndash; 150mg t&auml;gl.) zu Gemcitabin (1000mg/m<sup>2</sup> KOF w&ouml;chentlich, f&uuml;r 8 Zyklen, dann Tag 1, 8 und 15 alle 4 Wochen) im Vergleich zur Gemcitabin-Monotherapie eine signifikante (wenn auch geringe) Verl&auml;ngerung des Gesamt&uuml;berlebens erreicht werden konnte (6,24 vs. 5,91 Monate). Die 1-Jahres-&Uuml;berlebensrate wurde durch die Kombination von 17 auf 23 % erh&ouml;ht. In dieser Studie war jedoch das Toxizit&auml;tsprofil im Kombinationsarm schlechter, insbesondere traten h&ouml;here Raten an Rash, Durchfall und Fatigue auf.<sup>7</sup> In Anbetracht der geringen Effektivit&auml;t bei einer h&ouml;heren Rate an Nebenwirkungen hat die Kombination von Gemcitabin und Erlotinib in der Behandlung von Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom keine bedeutende Rolle.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1804_Weblinks_s30_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="832" /></p> <h2>Second Line</h2> <p>Basierend auf der CONKO-003-Studie wird Oxaliplatin in Kombination mit 5-Fluorouracil h&auml;ufig als Second-Line- Regime eingesetzt. In dieser Studie konnte das Gesamt&uuml;berleben durch die Kombination von Oxaliplatin mit FU von 3,3 (FU-Mono) auf 5,9 Monate verl&auml;ngert werden (Abb. 2). Das progressionsfreie &Uuml;berleben verl&auml;ngerte sich von 2,0 auf 2,9 Monate, bei &auml;hnlicher Toxizit&auml;t. Lediglich die Neuropathierate war im Oxaliplatin- Arm erwartungsgem&auml;&szlig; h&ouml;her (38 vs. 7 % ).<sup>8</sup> Aufgrund des teilweise w&ouml;chentlichen Therapiealgorithmus wurde anstatt des in der CONKO-003-Studie verwendeten Off-Schemas (Folins&auml;ure 200mg/m<sup>2</sup> KOF gefolgt von 5-FU 2000mg/m<sup>2</sup> KOF an den Tagen 1, 8, 15 und 22 + Oxaliplatin an den Tagen 8 und 22) jedoch h&auml;ufig das vom kolorektalen Karzinom her bekannte FOLFOX-Schema verwendet.<br /> In der PANCREOX-Studie wurde daraufhin das FOLFOX-Schema untersucht, welches im Vergleich zu infusionalem Fluorouracil allein sogar zu einer Verk&uuml;rzung des Gesamt&uuml;berlebens f&uuml;hrte (6,1 vs. 9,9 Monate), bei gleicher progressionsfreier Zeit (2,9 vs. 3,1 Monate), deutlich h&auml;ufigeren Grad-3/4-Nebenwirkungen (63 vs. 11 % ) und einer signifikant h&ouml;heren Rate an Nebenwirkungen. Somit ist die Evidenz f&uuml;r eine Oxaliplatin-basierte Therapie in der 2<sup>nd</sup> Line nicht eindeutig.<br /> In der NAPOLI-1-Studie wurde die Kombination von nanoliposomalem Irinotecan (NALIRI) und Fluorouracil im Vergleich zu den Monotherapien mit Fluorouracil bzw. nanoliposomalem Irinotecan untersucht (nach Versagen einer Gemcitabin-basierten Therapie). Im Kombinationsarm kam es im Vergleich zu den Monotherapie-Armen zu einer Verl&auml;ngerung des medianen Gesamt&uuml;berlebens von 4,2 auf 6,1 Monate. Die 1-Jahres-&Uuml;berlebensrate konnte von 16 auf 26 % erh&ouml;ht werden, die progressionsfreie Zeit wurde verdoppelt (1,5 auf 3,1 Monate). Erwartungsgem&auml;&szlig; war die Toxizit&auml;t im Kombinationsarm etwas h&ouml;her (vor allem Diarrh&ouml; und Neutropenie), jedoch insgesamt gut beherrschbar und f&uuml;hrte zu keiner Verschlechterung der Lebensqualit&auml;t im Vergleich zum Kontrollarm (Erhebung mittels EORTC QLQ-C30 Questionnaire).<sup>9</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1804_Weblinks_s30_abb2.jpg" alt="" width="1455" height="842" /></p> <h2>Fazit</h2> <p>Die Kombinationstherapien (m)FOLFIRINOX und Gemcitabin/nab-Paclitaxel stellen bei Patienten mit sehr gutem bis gutem Allgemeinzustand und keinen bis wenigen Komorbidit&auml;ten die First-Line- Therapien der Wahl dar. Bei Patienten mit m&auml;&szlig;igem Allgemeinzustand oder relevanten Komorbidit&auml;ten bleibt die Gemcitabin- Monotherapie eine gute Option. Bei Patienten mit schlechtem PS ist eine prim&auml;re Versorgung mit BSC zu empfehlen. In der Second Line sollte basierend auf den NAPOLI- 1-Daten nanoliposomales Irinotecan in Kombination mit Fluorouracil ein bevorzugtes Schema darstellen. Die Kombination von Oxaliplatin und Fluorouracil, bevorzugt nach dem Off-Schema, kann als Second-Line-Therapiem&ouml;glichkeit in Betracht gezogen werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Austria Statistik: Bauchspeicheldr&uuml;se 2018; www.statistik. at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/ gesundheit/krebserkrankungen/bauchspeicheldruese/index. html (updated: 23.03.2018) <strong>2</strong> Burris HA et al.: Improvements in survival and clinical benefit with gemcitabine as first-line therapy for patients with advanced pancreas cancer: a randomized trial. J Clin Oncol 1997; 15(6): 2403- 13 <strong>3</strong> Glimelius B et al.: Chemotherapy improves survival and quality of life in advanced pancreatic and biliary cancer. Ann Oncol 1996; 7(6): 593-600 <strong>4</strong> Conroy T et al.: FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med 2011; 364(19): 1817-25 <strong>5</strong> Stein SM et al.: Final analysis of a phase II study of modified FOLFIRINOX in locally advanced and metastatic pancreatic cancer. Br J Cancer 2016; 114(7): 737-43 <strong>6</strong> Von Hoff DD et al.: Increased survival in pancreatic cancer with nab-paclitaxel plus gemcitabine. N Engl J Med 2013; 369(18): 1691- 703 <strong>7</strong> Moore MJ et al.: Erlotinib plus gemcitabine compared with gemcitabine alone in patients with advanced pancreatic cancer: a phase III trial of the National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group. J Clin Oncol 2007; 25(15): 1960-6 <strong>8</strong> Oettle H et al.: Second-line oxaliplatin, folinic acid, and fluorouracil versus folinic acid and fluorouracil alone for gemcitabine-refractory pancreatic cancer: outcomes from the CONKO-003 trial. J Clin Oncol 2014; 32(23): 2423-9 <strong>9</strong> Wang-Gillam A et al.: Nanoliposomal irinotecan with fluorouracil and folinic acid in metastatic pancreatic cancer after previous gemcitabine-based therapy (NAPOLI-1): a global, randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet 2016; 387(10018): 545-57</p> </div> </p>
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