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Therapie des muskelinvasiven Blasenkarzinoms

<p class="article-intro">Das Blasenkarzinom ist zwar nur die fünfthäufigste maligne Erkrankung des Menschen, jedoch in Bezug auf die Behandlung und Nachsorge die teuerste pro Patient. Das muskelinvasive Blasenkarzinom ist eine aggressive Variante, bei welcher die 5-Jahres- Mortalitätsrate von 50 % bedauerlicherweise seit Beginn des Einsatzes der Cisplatin-haltigen Chemotherapie vor vier Dekaden konstant blieb. In diesem Artikel besprechen wir aktuelle Behandlungsstandards, laufende Studien und potenzielle Diagnostik- und Therapiestrategien der Zukunft.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Radikale Zystektomie</h2> <p>Die radikale Zystektomie mit pelviner Lymphadenektomie innert drei Monaten ab Diagnosestellung ist weiterhin Goldstandard im Stadium eines lokalisierten, muskelinvasiven Urothelkarzinoms. Die Wahl der konsekutiv notwendigen Harnableitung (z.B. Ureterokutaneostomie, Ileum-Conduit, katheterisierbarer Pouch, orthotope ileale Ersatzblase) orientiert sich an Komorbidit&auml;ten, Compliance sowie F&auml;higkeiten der Patienten. Trotz erheblicher Unterschiede der Harnableitung scheinen diese das onkologische Outcome nicht zu beeinflussen. Gem&auml;ss neuesten Erkenntnissen kann das laparoskopische Vorgehen an spezialisierten Zentren onkologisch vergleichbare Ergebnisse gew&auml;hrleisten (RAZOR-Studie), jedoch ist die offene Operation weiter Standard.</p> <h2>Neoadjuvante Chemotherapie (NAC)</h2> <p>Eine Verbesserung der Rate des Gesamt&uuml;berlebens (OS) von 5&ndash;8 % nach f&uuml;nf Jahren scheint sich durch den Einsatz einer Cisplatin-basierten NAC im Falle eines lokalisierten Karzinoms (cT2&ndash;cT4a cN0 cM0) zu ergeben. Doch obwohl ein unterschiedliches Ansprechverhalten bei verschiedener histologischer Differenzierung sowie unterschiedlichen molekularen Subtypen des Urothelkarzinoms bekannt ist, reicht die Datengrundlage dieser Erkenntnisse nicht f&uuml;r eine systematische klinische Anwendung. Wir gehen allerdings davon aus, dass nur 40 % der mit NAC behandelten Patienten davon profitieren &ndash; andere durch eine verz&ouml;gerte operative Therapie hingegen sogar eine Prognoseverschlechterung erleiden k&ouml;nnten. Eine zuverl&auml;ssige und valide Patientenselektion ist aktuell ein wichtiges Forschungsziel.</p> <h2>Adjuvante Chemotherapie</h2> <p>Im Falle nachgewiesener lymphogener Metastasierung (pN+) sowie extravesikaler Ausbreitung des Primarius (pT3/4) empfehlen diverse Guidelines eine adjuvante Cisplatin- haltige Chemotherapie. Trotz teilweise mangelhafter Datengrundlage wird von einem Benefit f&uuml;r die 5-Jahres-Mortalit&auml;tsrate von 5&ndash;8 % ausgegangen.</p> <h2>Lokal fortgeschrittenes und metastasiertes Stadium</h2> <p><strong>&laquo;Standard of care&raquo;</strong><br /> Im Falle eines lokal fortgeschrittenen Tumors mit Infiltration der Beckenwand (T4b) oder einer h&auml;matogenen Metastasierung geht man von einer palliativen Situation aus, in der eine Cisplatin-haltige Chemotherapie die erste Wahl ist. Trotz initialer Ansprechraten von 40&ndash;50 % besteht eine 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate von nur ca. 15 % . Zudem sind bei der Diagnosestellung bereits ca. 50 % der Patienten aufgrund von Komorbidit&auml;ten &laquo;unfit for cisplatin&raquo;, was bisher einer infausten Prognose gleichkam.</p> <p><strong>Rolle der Chirurgie und lokale Symptomkontrolle</strong><br />Die Zystektomie oder eine alleinige Harnableitung haben, wie auch die Radiatio oder Instillationen in die Harnblase, in diesem Stadium nur einen palliativen Nutzen, zum Beispiel bei lokaler Schmerzoder Blutungsproblematik. Die allerdings potenziell erhebliche Morbidit&auml;t einer palliativen Chirurgie darf in der Indikationsstellung nicht untersch&auml;tzt werden.</p> <p><strong>Immuntherapie</strong><br /> Das bessere tumorbiologische und -immunologische Verst&auml;ndnis des Urothelkarzinoms hat bei diesem die Erprobung von Immuncheckpoint-Inhibitoren nahegelegt. So l&auml;sst die bekannt hohe Mutationslast eine erhebliche Neoantigenpr&auml;sentation erwarten, welche eine vermehrte antitumorale Immunreaktion ausl&ouml;sen sollte, zum Beispiel unter Blockade des inhibierenden &laquo;sideway programmed cell death protein&raquo; 1 (PD-1) mit &laquo;programmed cell death 1 ligand&raquo; 1 (PD-L1).</p> <p><em>Immuntherapie als Erstlinientherapie</em><br />Im praktischen Einsatz erzielten daraufhin verschiedene Immuntherapeutika interessante Ergebnisse. Der PD-1-Inhibitor Pembrolizumab und der PD-L1-Inhibitor Atezolizumab zeigten als Erstlinientherapeutika in Phase-II-Studien (KEYNOTE- 052: Pembrolizumab; IMvigor210: Atezolizumab) bei &laquo;Cisplatin-unfitten&raquo; Patienten eine gute Vertr&auml;glichkeit und teilweise lang anhaltende Remissionen bei &auml;hnlichem medianem Gesamt&uuml;berleben. Diese Ergebnisse f&uuml;hrten 2017 zur Zulassung beider Medikamente in der Erstlinientherapie in dieser Indikation.</p> <p><em>Immuntherapie als Zweitlinientherapie nach Cisplatin</em><br /> In der Zweitlinientherapie etablieren sich die Checkpoint-Inhibitoren als Therapie der Wahl. So zeigte in der KEYNOTE- 045-Studie Pembrolizumab gegen diverse Chemotherapeutika einen Vorteil des medianen OS (10,3 vs. 7,4 Monate; p=0,002), bei besserem Nebenwirkungsprofil; es wird allerdings ein Pr&auml;selektionsbias durch unausgewogene Studienarme diskutiert.<br /> Atezolizumab konnte in seiner Zulassungsstudie IMvigor211 zwar den prim&auml;ren Endpunkt einer Verl&auml;ngerung des OS nicht erreichen, die bessere Vertr&auml;glichkeit in Bezug auf Grad-3-Nebenwirkungen rechtfertigt dennoch seinen Einsatz.<br /> Zudem ist in gleicher Indikation der PD-1-Inhibitor Nivolumab zugelassen, aufgrund hoher Ansprechraten besonders bei Tumoren mit hoher PD-L1-Expression.</p> <p><strong>Konventionelle Chemotherapie als Zweitlinientherapie</strong><br />Die Zulassung der Checkpoint-Inhibitoren in der Zweitlinientherapie verdr&auml;ngt weiter die insuffizient wirksamen Chemotherapien in dieser Indikation. Vinflunin, als einziges hier zugelassenes Chemotherapeutikum, wird nur noch bei Kontraindikationen f&uuml;r eine Immuntherapie empfohlen.</p> <p><strong>Kombinationstherapien</strong><br /> Die syn- oder metachrone Kombination aus Immun- und Chemotherapie wird aktuell in neoadjuvanter sowie palliativer Erst- und Zweitlinienindikation erprobt, zum Beispiel in den Phase-III-Studien Keynote- 361 (Pembrolizumab &plusmn; Chemotherapie vs. Monochemotherapie) und IMvigor130 (Atezolizumab-Monotherapie vs. Atezolizumab kombiniert mit platinhaltiger Chemotherapie).<br /> Im neoadjuvanten Setting wird derzeit in der Schweiz der klinische Benefit von Durvalumab (PD-L1-Inhibitor) zus&auml;tzlich zur Cisplatin-basierten NAC (SAKK-06/17) wie auch durch die kombinierte Gabe der Checkpoint-Inhibitoren Durvalumab und Tremelimumab (CTLA-4-Inhibitor) bei Cisplatin-unfitten Patienten (NITIMIBTrial), untersucht. W&auml;hrend die SAKK-06/17 eine multizentrische schweizweite Studie ist, wird der NITIMIB-Trial nur im Inselspital Bern durchgef&uuml;hrt.</p> <p><strong>Pr&auml;diktive Biomarker der Immuntherapie</strong><br />Trotz FDA-Zulassung mehrerer kommerzieller Assays zur Bestimmung der H&auml;ufigkeit der Expression von PD-L1 auf Tumor- und tumorinfiltrierenden Zellen wird heftig &uuml;ber deren Einsatz und Nutzen diskutiert. Gilt die PD-L1-Expressionsh&auml;ufigkeit neben Mutationslast, genetischem Subtyp, Anwesenheit von tumorinfiltrierenden T-Zellen und deren Differenzierung als pr&auml;diktiver Faktor f&uuml;r das Ansprechen der ca. 25&ndash;30 % Responder einer Immuntherapie, so gibt es auch Remissionen bei PD-L1-negativen Patienten &ndash; was dessen Verwendung als therapieentscheidendes Kriterium, trotz prognostischen Wertes, grunds&auml;tzlich infrage stellt. Das Wissen um Einfl&uuml;sse auf die Wirksamkeit der Immuntherapie durch peritherapeutische antibiotische Therapien sowie das Mikrobiom des Darmtraktes der Patienten verdeutlicht, welch grosser Forschungsbedarf diesbez&uuml;glich weiterhin besteht.</p> <h2>Ausblick auf neue Targets</h2> <p>Eine personalisierte Medizin ist das Ziel einer &laquo;targeted therapy&raquo; des Blasenkarzinoms. Bisherige Studien konzentrierten sich in den vergangenen 20 Jahren auf Auswirkungen von FGF- und VEGF-Rezeptoren auf die Karzinogenese des Urothelkarzinoms. Die Wirksamkeit mehrerer Pathway-Inhibitoren (Tyrosinkinase-Inhibitoren, monoklonale Antik&ouml;rper und Antik&ouml;rper-Wirkstoff-Konjugate) sowie ihrer Kombination mit etablierten Chemotherapien wird zurzeit untersucht. Bislang haben die gewonnenen Ergebnisse deren regul&auml;ren klinischen Einsatz allerdings noch nicht gerechtfertigt.<br /> Nectin-4, ein besonders im Urothelkarzinom &uuml;berexprimiertes Zell-Zell-Adh&auml;sionsmolek&uuml;l, scheint als neu entdecktes Target vielversprechend zu sein. Das Antik&ouml;rper- Wirkstoff-Konjugat Enfortumab Vedotin transportiert das Zytostatikum MMAE zielgerichtet in die Nectin-4-exprimierende Zelle und scheint dosisabh&auml;ngig eine signifikante Hemmung des Tumorwachstums zu bewirken, bei einer Gesamtansprechrate von gut 40 % . Eine Phase-III-Studie zum Nutzen von Enfortumab Vedotin &ouml;ffnet nach Anerkennung als Durchbruchtherapie durch die FDA nun auch in der Schweiz.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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