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Therapie des metastasierten Mammakarzinoms
Leading Opinions
Autor:
M.D. Christina Moisidis-Tesch
Autor:
Dr. med. Tina Sterner
Autor:
Dr. med. Sabine Seiler
Autor:
Prof. Dr. med. Christian Jackisch
Autor:
Prof. Dr. med. Hans Tesch
Centrum für Hämatologie und Onkologie Bethanien<br> Im Prüfling 17–19<br> 60389 Frankfurt<br> E-Mail: hans.tesch@telemed.de
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31.05.2017
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<p class="article-intro">Die Behandlung des Mammakarzinoms ist der Vorreiter der zielgerichteten Therapien und der molekularen Antitumortherapie, basierend auf der schon lange etablierten endokrinen Therapie in allen Stadien der Erkrankung. Die zunehmende Evidenz für neue Therapiemöglichkeiten bereichert das Armamentarium der therapeutischen Möglichkeiten. Die Autoren versuchen hierzu einen aktuellen Überblick zu geben.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ist das Mammakarzinom hormonabhängig, so bildet eine endokrine Therapie aufgrund der besseren Verträglichkeit in der Regel die erste Therapiemassnahme.</li> <li>Wie auch bei der adjuvanten endokrinen Therapie ist im metastasierten Stadium der Menopausenstatus der Patientin zu berücksichtigen.</li> <li>Zytotoxische Chemotherapien werden in der Regel erst nach Versagen einer endokrinen Therapie eingesetzt oder aber bei hormonrezeptornegativen Tumoren.</li> <li>Bei HER2-positiven Tumoren werden die HER2-gerichteten Therapien in der Regel in Kombination mit Chemotherapie eingesetzt, da sie deutlich effektiver sind als die Kombination von anti-HER2- und antiendokriner Therapie.</li> <li>Bei tripelnegativen Tumoren bestehen therapeutisch wenige evidenzbasierte Optionen, sodass in der Regel mit Chemotherapieregimen entsprechend den HR-positiven, HER2-negativen Patientinnen behandelt wird.</li> </ul> </div> <p>Trotz der Verbesserung der Früherkennung durch ein etabliertes Screening- Programm werden weiterhin Mammakarzinome im Stadium IV mit primärer Metastasierung diagnostiziert. Im metastasierten Stadium ist eine kurative Therapie in der Regel nicht mehr möglich, allerdings beobachten wir erfreulicherweise eine wachsende Anzahl an Langzeitüberlebenden. Eines der obersten Ziele der systemischen Therapie ist die Erhaltung bzw. Verbesserung der Lebensqualität. Individuelle Therapieziele sollten mit den Patientinnen ausführlich diskutiert werden. In dieser Übersicht werden systemische Therapien in verschiedenen Szenarien der metastasierten Erkrankung dargestellt. Die Prognose im metastasierten Stadium ist assoziiert mit dem Allgemeinzustand, der Metastasenlokalisation, dem Hormonrezeptorstatus, dem HER2- Rezeptor-Status, dem rezidivfreien Intervall und der Therapielinie. In einer Auswertung von vier deutschen und österreichischen Registern wurden der Hormonrezeptorstatus, die Metastasenlokalität und das metastasenfreie Intervall als unabhängige prognostische Faktoren identifiziert und als prognostischer Score für das Überleben nach erster Metastasierung validiert.<sup>1</sup><br /> Da sich die Biologie der Tumoren im Laufe ihrer Entwicklung ändert, wird im Falle einer Metastasierung die erneute histologische Reevaluation zur Sicherung der Dignität und Überprüfung der therapierelevanten Tumorfaktoren (z.B. ER, PR, HER2-neu) empfohlen.<sup>2</sup> Das Therapiemanagement beim metastasierten Mammakarzinom soll interdisziplinär erfolgen und sowohl körperliche als auch psychische Komponenten einschliessen. In der metastasierten Situation wird die Behandlung, nach zufriedenstellender Schmerztherapie, in der Regel bei gutem Ansprechen bis zum Krankheitsprogress oder bis zum Auftreten nicht akzeptabler Nebenwirkungen verabreicht.<br /> Neben der systemischen Therapie können auch lokaltherapeutische Massnahmen sinnvoll sein. Für die primär metastasierte Erkrankung liegt aktuell die erste randomisierte Studie zur operativen Resektion nach initialer systemischer Therapie vor. Auf dieser Basis kann eine operative Sanierung des Primarius nicht mehr einheitlich empfohlen werden und sollte im Einzelfall besprochen werden.<sup>3</sup> Die meisten Daten hierzu ergeben sich aus kasuistischen Mitteilungen oder retrospektiven Analysen.</p> <h2>Klassifikation</h2> <p>Die Klassifikation des Mammakarzinoms erfolgt auf Basis der TNM-Kriterien nach der Grösse des Primärtumors und dem Ausmass der Metastasierung. In der Klassifikation der Union Internationale Contre le Cancer (UICC) werden diese Kriterien zu Tumorstadien zusammengefasst. Mithilfe von Genexpressionsprofilen unterscheidet man beim Mammakarzinom molekularbiologische Subtypen, welche essenziell für die medikamentöse Therapieentscheidung sind. In der Klinik wird aufgrund klinischer und pathologischer Parameter zwischen den molekularen Subtypen Luminal A, Luminal B HER2- negativ, Luminal B HER2-positiv, HER2- Typ (nicht luminal) und basal-like differenziert (Tab. 1).<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1703_Weblinks_lo_onko_1703_s49_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1606" /></p> <h2>Endokrine Therapiestrategien bei HR-positivem, metastasiertem Mammakarzinom</h2> <p>Bei der metastasierten Erkrankung ist eines der vorrangigen Therapieziele die Erhaltung bzw. Verbesserung der Lebensqualität. Ist das Mammakarzinom hormonabhängig, so bildet eine endokrine Therapie aufgrund der besseren Verträglichkeit häufig die erste Therapiemassnahme. Soll durch die endokrine Therapie in der Adjuvanz das Überleben bei guter Verträglichkeit verlängert werden, so sind in der metastasierten Situation auch die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und die Verzögerung des Einsatzes einer toxischeren Chemotherapie Therapieziele.<sup>2</sup> Eine Metaanalyse der Cochrane- Datenbank verglich die Wirksamkeits- und Sicherheitsendpunkte verschiedener Studien und kam zu dem Ergebnis, dass die endokrine Therapie einer Chemotherapie vorgezogen werden soll, es sei denn, es handelt sich um eine rasch progrediente Erkrankung.<sup>5</sup> Liegt eine akut lebensbedrohliche Form der Erkrankung vor, so soll laut Empfehlungen der AGO aggressiver vorgegangen werden. Prognostische Parameter für postmenopausale Frauen mit HR-positivem fortgeschrittenem Mammakarzinom sind die Grösse und das Stadium des Tumors bei Diagnosestellung, das krankheitsfreie Intervall bis zum ersten Rezidiv, die adjuvante Therapie sowie das Ausmass und Verbreitungsmuster der Metastasierung.<sup>6</sup><br /> Wie auch bei der adjuvanten endokrinen Therapie ist im metastasierten Stadium der Menopausenstatus der Patientin zu berücksichtigen. Befindet sich die Patientin in der prämenopausalen Lebensphase, sollte sie laut AGO-Leitlinien mit einem GnRH-Analogon in Kombination mit Fulvestrant und Palbociclib oder kombiniert mit Tamoxifen behandelt werden. Die Therapie mit Aromataseinhibitoren ist im prämenopausalen Stadium nur in Kombination mit einer Massnahme der ovariellen Downregulation indiziert. In der Postmenopause können Aromataseinhibitoren, Fulvestrant (500 mg), Palbociclip und mit geringerer Empfehlung Tamoxifen eingesetzt werden. Fällt die Entscheidung auf einen Aromataseinhibitor, so ermöglicht die Wahl eines nicht steroidalen Aromataseinhibitors eine spätere Therapie mit Everolimus. Zur Frage der Überwindung einer endokrinen Resistenz sind die Resultate der BOLERO-Studie von klinischer Relevanz. Die randomisierte Phase-III-Studie BOLERO-2 verglich Everolimus in einer Dosis von 10mg pro Tag plus Exemestan versus Placebo plus Exemestan bei 724 Patientinnen mit HR-positivem fortgeschrittenem Brustkrebs nach Therapieversagen eines nicht steroidalen Aromatasehemmers (endokrine Resistenz). Das mediane PFS (primärer Endpunkt) wurde durch die Zugabe von Everolimus von median 4,1 auf 10,6 Monate verlängert (HR: 0,36; 95 % CI: 0,35–0,47; p<0,001).<sup>7</sup> Allerdings geht die Kombinationstherapie mit einer erhöhten Rate an Toxizitäten einher, insbesondere Mukositis, Exanthemen, Pneumonitis und Infektionen. Die Toxizitäten erfordern eine engmaschige Überwachung der Patientin sowie prophylaktische Massnahmen, wie z.B. Mundspülungen und eine besondere Zahnpflege. Neben symptomatischen Massnahmen kann eine Dosisreduktion von Everolimus von 10mg auf 5mg zu einer Verringerung der Nebenwirkungen führen.<br /> Seit November 2016 ist der CDK4/6 Inhibitor Palbociclib in Kombination mit anti-endokriner Therapie in Deutschland zugelassen. Palbociclib inhibiert die Zellzyklus- Kinasen CDK4 und 6, die häufig in Mammakarzinomen aktiviert sind und eine wichtige Rolle in der Regulation des Zellzyklus spielen.<br /> In der Phase-III-Studie PALOMA-3 wurde bei Patientinnen mit Tumorprogress unter endokriner Therapie eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) beobachtet, wenn Fulvestrant in Kombination mit Palbociclib versus Fulvestrant plus Placebo gegeben wurde.<sup>8</sup> Die Phase-III-Studie PALOMA-2 zeigte einen PFS-Vorteil für die Kombination Letrozol/ Palbociclib versus Letrozol/Placebo in der Erstlinientherapie von HR-positiven, HER2-negativen Brustkrebspatientinnen.<sup>9</sup> Mit dieser neuen zielgerichteten Therapie können somit eine Intensivierung und Verlängerung der endokrinen Therapie erfolgen.<br /> Aus diesem Grund wird in der postmenopausalen Situation heute bevorzugt eine Kombination von Palbociclib und Letrozol in der Erstlinientherapie bzw. von Palbociclib und Fulvestrant nach AI-Vortherapie eingesetzt. Bei Progress nach Palbociclib kann gegebenenfalls eine weitere Kombinationsbehandlung mit Everolimus plus Exemestan gegeben werden. Die Empfehlungen der AGO für die endokrine Therapie prämenopausaler Patientinnen sind in Tabelle 2 und für die postmenopausalen Patientinnen in Tabelle 3 zusammengestellt. Die Kombinationstherapie mit Palbociclib ist somit ein neuer Standard in der Therapie des metastasierten Rezeptor positiven Mammakarzinoms.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1703_Weblinks_lo_onko_1703_s50_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="864" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1703_Weblinks_lo_onko_1703_s50_tab3.jpg" alt="" width="1419" height="1094" /></p> <h2>Einsatz der systemischen Chemotherapie beim metastasierten Mammakarzinom</h2> <p>Aufgrund der aktuellen Evidenzlage und des damit assoziierten therapeutischen Benefits kann v.a. beim endokrin responsiven MBC zunächst der Einsatz einer endokrinen Therapie empfohlen werden. Daher werden zytotoxische Chemotherapien in der Regel erst nach Versagen einer endokrinen Therapie eingesetzt oder aber bei hormonrezeptornegativen Tumoren. Weitere Indikationen sind ein lebensbedrohlich fortschreitender Tumorprogress oder die Notwendigkeit einer schnellen Remission. Wegen der erhöhten Nebenwirkungsrate sollte eine Chemotherapie nicht parallel zu einer endokrinen Therapie gegeben werden. Es ist aber möglich, die beiden Strategien sequenziell zu kombinieren und nach Ansprechen auf eine Chemotherapie eine endokrine Erhaltungstherapie einzusetzen.<br /> Ist eine Chemotherapie indiziert, wird meist eine Monochemotherapie durchgeführt. Ist der therapeutische Index ungünstig und liegen ausgeprägte Symptome oder lebensbedrohliche Metastasen vor, kann eine Kombinationschemotherapie gewählt werden. Die Wahl der Substanz( en) hängt von vorangegangenen Therapien, Ansprechen und Nebenwirkungen bei vorangegangenen Therapien, Komorbiditäten, Compliance sowie der Tumoraggressivität und der Symptomlast ab. Therapiestandards in Bezug auf spezielle Risikokonstellationen liegen nicht vor, sodass individuell anhand der genannten Kriterien entschieden werden muss.<sup>10, 11</sup> Eine Aufstellung der von der AGO empfohlenen Chemotherapien in der Erstlinienbehandlung HR-positiver, HER2-negativer Brustkrebspatientinnen ist in Tabelle 4 angeführt. Nach Anthrazyklin-Vorbehandlung – unabhängig von der Therapielinie – werden von der AGO-Organgruppe Mammakarzinom die in Tabelle 5 und nach Taxan- und Anthrazyklin- Vorbehandlung die in Tabelle 6 aufgeführten Substanzen für die Chemotherapie empfohlen.<sup>2</sup><br /> An Substanzklassen stehen die Taxane Paclitaxel, Docetaxel und nab-Paclitaxel zur Verfügung. Nab-Paclitaxel kann anstelle der etablierten Taxane als nebenwirkungsärmere Substanz eingesetzt werden; es ist eine Albumin-gebundene Formulierung, die es ermöglicht, höhere intratumorale Wirkstoffkonzentrationen zu erzielen. Es werden verschiedene Patientengruppen für den Einsatz von nab-Paclitaxel beschrieben.<sup>12</sup> An Anthrazyklinen werden Epirubicin und pegyliertes liposomales Doxorubicin verwendet. Capecitabin ist ein orales Prodrug von 5-Fluorouracil, welches im Tumor in die aktive Substanz umgewandelt wird. Eribulin-Mesylat gehört einer neuen Substanzklasse von Mikrotubuli- inhibierenden Zytostatika an, es wird als Monotherapie bei Taxan- und Anthrazyklin-vorbehandelten Patientinnen eingesetzt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1703_Weblinks_lo_onko_1703_s51_tab4.jpg" alt="" width="1419" height="1285" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1703_Weblinks_lo_onko_1703_s51_tab5.jpg" alt="" width="1419" height="984" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1703_Weblinks_lo_onko_1703_s52_tab6.jpg" alt="" width="1419" height="1052" /></p> <h2>HER2-positive Tumoren</h2> <p>Die Überexpression des Rezeptors HER2/neu geht beim Mammakarzinom per se mit einer schlechteren Prognose einher. Mit der Einführung des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab konnte die Prognose der HER2-positiven Erkrankung deutlich verbessert und der des HER2/neu-negativen Mammakarzinoms angeglichen werden. Trastuzumab ist seit geraumer Zeit für alle Indikationen entweder als intravenöse oder subkutane Applikation verfügbar.<sup>13, 14</sup> Heute gibt es verschiedene gegen HER2 gerichtete Substanzen: den HER2-Antikörper Trastuzumab, den HER2-EGFR-Tyrosinkinasehemmer Lapatinib, den HER2-Dimerisierungs- Inhibitor Pertuzumab sowie das Antikörper-Drug-Konjugat T-DM1. Trastuzumab und Pertuzumab binden an verschiedenen Epitopen des HER2-Rezeptors und die Kombination der Antikörper plus Docetaxel konnte die Therapieergebnisse deutlich verbessern. Die HER2-gerichteten Therapien werden in der Regel in Kombination mit endokriner Therapie oder Chemotherapie eingesetzt, da so die Remissionsraten erhöht werden können.<br /> In der Erstlinientherapie des HER2-positiven, metastasierten Mammakarzinoms wird aufgrund der aktuellen Datenlage die Therapie mit Docetaxel plus Trastuzumab plus Pertuzumab empfohlen. Grundlage für diese Empfehlung sind die Ergebnisse der CLEOPATRA-Studie.<sup>15</sup> In die placebokontrollierte, randomisierte Studie wurden 808 Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs eingeschlossen. Die Pertuzumabhaltige Erstlinientherapie zeigte sich als der Kombination mit Docetaxel und Trastuzumab überlegen; allerdings hatte die Mehrzahl der Patientinnen kein Trastuzumab in der Adjuvanz erhalten. Das PFS (primärer Endpunkt) wurde durch die zusätzliche Pertuzumab-Gabe von 12,4 auf 18,5 Monate verlängert (HR: 0,62; 95 % CI: 0,51–0,75; p<0,001).<br /> In der Zweitlinientherapie wurden mit Trastuzumab Emtansin (T-DM1) die klinisch besten Ergebnisse erzielt. Die EMILIA- Studie verglich das Antikörper-Zytokin- Konjugat mit Lapatinib plus Capecitabin. 16 In die Studie waren 991 Patientinnen mit HER2-positivem fortgeschrittenem Brustkrebs eingeschlossen, die zuvor mit Trastuzumab und einem Taxan behandelt worden waren. Unter T-DM1 wurde ein medianes PFS von 9,6 Monaten erreicht versus 6,4. Weitere mögliche Optionen sind Trastuzumab plus eine Zweitlinienchemotherapie, Capecitabin/Lapatinib, Trastuzumab/Lapatinib und bei postmenopausalen hormonrezeptorpositiven Patientinnen, die derzeit für die eine Chemotherapie nicht vorgesehen sind, die Kombination eines Aromataseinhibitors plus Lapatinib.<br /> Die Optionen für weitere Therapielinien entsprechen weitestgehend den Zweitlinientherapieoptionen und sind abhängig von den bereits verabreichten Vorbehandlungen.</p> <h2>Tripelnegatives metastasiertes Mammakarzinom</h2> <p>Weist ein Tumor immunhistologisch keine therapierelevante Expression des Östrogenrezeptors, Progesteronrezeptors oder von HER2 auf, so spricht man von einem tripelnegativen Mammakarzinom (TNBC). Diese Gruppe von Tumoren ist sehr aggressiv und heterogen. Etwa 80 % der Patientinnen mit TNBC gehörten dem molekularen Subtyp des «basal-like» Mammakarzinoms an. Ca. 20–40 % der Patientinnen tragen Mutationen im BRCA-1- oder BRCA- 2-Gen, weswegen bei TNBC eine genetische Beratung und eine Genanalyse durchgeführt werden sollten – insbesondere, wenn es sich um Patientinnen unter 60 Jahren handelt. Therapeutisch bestehen wenige evidenzbasierte Optionen, sodass in der Regel mit Chemotherapieregimen entsprechend den HR-positiven, HER2- negativen Patientinnen behandelt wird. Mit grossem Interesse wird die Datenlage zum Einsatz von Platinderivaten diskutiert. Hierzu wurden beim SABCS 2014 die ersten Daten der TNT-Studie publiziert, die zeigte, dass Carboplatin im Vergleich zu Doxetacel bei nicht mutiertem TNBC gleich wirksam war, aber seltener febrile Neutropenien induzierte (2 % vs. 25 % ),<sup>17</sup> wobei die BRCA-mutierten Patientinnen ein signifikant längeres PFS mit Platin im Vergleich zu nicht mutierten Patientinnen hatten. Für das tripelnegative Mammakarzinom ist der BRCA-Status heute bereits ein wichtiger Faktor und kann die Entscheidung für den Einsatz der Platinderivate im Rahmen klinischer Studien rechtfertigen. Um für dieses Patientinnenkollektiv bessere Therapieoptionen zu erarbeiten, wird von der AGO empfohlen, tripelnegative Patientinnen innerhalb von Studien mit experimentellen Therapien zu behandeln. Auch in der neoadjuvanten Situation ist die Frage, ob Platinderivate zu einem Überlebensvorteil führen, derzeit Gegenstand klinischer Studien.</p> <h2>«Last Line»-Therapieoption bei intensiv vorbehandelten Patientinnen</h2> <p>Für Patientinnen, die bereits multiple Therapielinien erhalten haben, ist die Therapieentscheidung besonders schwierig und es gibt nur relativ wenige klinische Studien, die einen Überlebensvorteil nachweisen. In der EMBRACE-Studie erhielten 762 Patientinnen 2:1-randomisiert eine Eribulin-Monotherapie oder eine Therapie nach Wahl des behandelnden Arztes. Die eingeschlossenen Patientinnen hatten bereits zwei bis fünf vorangegangene Chemotherapieregime erhalten, einschliesslich wenigstens eines Anthrazyklins und eines Taxans. Das mediane OS betrug im Eribulin-Studienarm 13,1 Monate versus 10,6 Monate im Kontrollarm (HR: 0,81; 95 % CI: 0,66–0,99; p=0,041).<sup>18</sup> Weitere Therapieoptionen nach Versagen von Taxanen und Anthrazyklinen sind Capecitabin, Navelbin und Gemcitabin.</p> <h2>Vorgehen bei Knochenmetastasierung</h2> <p>Supportive systemische Massnahmen zur Verzögerung von skelettbezogenen Komplikationen sind mit Bisphosphonaten und dem RANKL-Antikörper Denosumab indiziert. Mit beiden Wirkstrategien wird das Auftreten skelettaler Komplikationen verringert oder verzögert und Knochenschmerzen werden gemildert. Die tumorinduzierte Hyperkalzämie kann ebenfalls mit beiden Substanzklassen reduziert werden. Bisphosphonate und Denosumab können nach längerer Applikation zu Kieferosteonekrosen führen; daher ist eine regelmässige Untersuchung des Zahnstatus zu empfehlen. Bei den Bisphosphonaten sollte wegen der potenziellen renalen Toxizität zudem die Nierenfunktion regelmässig kontrolliert werden. Wird aufgrund der Schmerzsymptomatik oder der akuten Frakturgefährdung eine schnell wirksame Massnahme gebraucht, so ist eine Bestrahlung als lokale Therapie der Standard. Zudem kann die Radionuklidtherapie nach Ausschöpfung der Standardtherapien angewandt werden.</p> <h2>Lokale Therapien bei alleinigen Leber- oder Lungenmetastasen</h2> <p>Die viszerale Metastasierung ist ein negativer Prognosefaktor. Der Therapieerfolg lokaler Massnahmen bei alleiniger hepatischer oder pulmonaler Metastasierung wurde bisher für das Mammakarzinom nicht gezeigt, aber selektierte Patienten können – mit Blick auf andere Entitäten – möglicherweise davon profitieren.<br /> Ist alleine die Leber metastasiert, so kann bei resektablen Läsionen individuell eine chirurgische Resektion erwogen werden. Auch eine regionale Chemo- oder Strahlentherapie ist denkbar. Ebenso kann eine Thermoablation zur Anwendung kommen. Alle genannten Massnahmen müssen individuell abgewogen werden.<br /> Die videoassistierte Thoraxchirurgie (VATS) oder konventionelle chirurgische R0-Resektionen sowie Thermoablation, CT-gesteuerte Radiofrequenzablation (RFA), laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT) und Kryotherapie sind mögliche lokale Massnahmen bei alleiniger pulmonaler Metastasierung, die ebenfalls individuell diskutiert werden müssen.</p> <h2>Therapie bei ZNS-Metastasen</h2> <p>Bei ca. 20 % der Mammakarzinompatientinnen treten im Verlauf der Erkrankung Hirnmetastasen auf. Die Inzidenz nimmt aufgrund längerer Überlebenszeiten mit der Dauer der Erkrankung zu. Hirnmetastasen treten bei östrogenrezeptornegativen, HER2-positiven und EGFR-positiven Primärtumoren sowie bei Tumoren mit hohem Grading und hohem Ki-67 häufiger auf. Die Therapie von Hirnmetastasen sollte individualisiert und interdisziplinär erfolgen.<br /> Einzelne Hirnmetastasen werden bei kontrollierter Extra-ZNS-Metastasierung chirurgisch, radiochirurgisch oder radiostereotaktisch mit/ohne adjuvante Ganzhirnbestrahlung behandelt. Ist die Metastasierung ausserhalb des ZNS nicht unter Kontrolle oder ist der Allgemeinzustand der Patientin schlecht, so sollte eine stereotaktische Radiochirurgie mit Ganzhirnbestrahlung mit/ohne sequenzielle systemische Chemotherapie zum Einsatz kommen.<br /> Liegen drei oder weniger Läsionen vor, so wird die Ganzhirnbestrahlung plus stereotaktische Radiochirurgie oder Neurochirurgie eingesetzt. Sind die Läsionen kleiner als 3cm, kann eventuell auf die zusätzliche Ganzhirnbestrahlung verzichtet werden. Die Notwendigkeit einer schnellen Dekompression, das Vorliegen lebensbedrohender Symptome sowie das Vorliegen grösserer und gut erreichbarer Läsionen sprechen für die Bevorzugung der Neurochirurgie. Die exakte Vorgehensweise sollte im interdisziplinären Tumorboard abgestimmt werden. Diese Patientinnen sollten in jedem Fall in einer interdisziplinären Konferenz mit Strahlentherapeuten und Neurochirurgen vorgestellt werden. Ist die Extra-ZNS-Erkrankung nicht kontrolliert, so wird in der Regel eine Ganzhirnbestrahlung mit/ohne systemische Chemotherapie empfohlen. Bei multipler Hirnmetastasierung empfiehlt die AGO bevorzugt den Einsatz von Ganzhirnbestrahlung plus eine symptomadaptierte, supportive Steroidgabe. Handelt es sich um ein Hirnmetastasenrezidiv oder sind die Hirnmetastasen radioresistent, so haben sich in der letzten Dekade TKI oder monoklonale Antikörper als effektiv erwiesen.<sup>19</sup> Im Fall HER2-positiver Läsionen können Lapatinib mit/ohne Capecitabin oder T-DM1 angewendet werden, wobei die optimale Therapie derzeit nicht bekannt ist. Hierzu gibt es Daten aus der CLEOPATRA-Studie von Ian Krop.<br /> Voraussetzung für den Einsatz systemischer Therapien ist zum einen die Überwindung der Hirn-Blut-Schranke und zum anderen die Wirksamkeit gegen die Erkrankung. Eine Chemotherapie als alleinige Primärbehandlung wird nicht empfohlen. Wenn Symptome und/oder ein Verdrängungseffekt vorliegen, empfiehlt die AGO den Einsatz von Glukokortikoiden.<sup>2</sup></p> <h2>Maligner Aszites</h2> <p>Bei Auftreten von malignem Aszites ist eine Behandlung entsprechend der Ausprägung der Symptome, der klinischen Manifestation und dem Ansprechen auf die Systemtherapie indiziert. Die Evidenz aus klinischen Studien ist allerdings für alle gängigen Methoden sehr eingeschränkt. Die AGO empfiehlt die Punktion oder Drainage oder eine systemische Therapie vor der systemischen Chemo- oder Antikörpertherapie. Ob eine Aszitesbehandlung mit Diuretika sinnvoll ist, ist zweifelhaft. Im Allgemeinen wird bei Entlastung von grossen Aszitesmengen geraten, die Kompensation des Eiweissverlustes mit Humanalbuminpräparaten durchzuführen. Zur Albuminsubstitution bei der Punktion von malignem Aszites gibt es allerdings keine randomisierten Daten. Auf jeden Fall sollten eine symptomatische Behandlung und eine Schmerztherapie erfolgen. Bei Ep- CAM-positiven Tumoren besteht die Möglichkeit, zielgerichtet vorzugehen. Die Therapie mit Catumaxomab führte zu einer Verbesserung der Symptome und einer Verlängerung der Zeit bis zur nächsten Punktion.<sup>20</sup> Insbesondere bei Patienten mit therapierefraktärem und symptomatischem malignem Aszites, deren Zustand prinzipiell weitere Therapien erlaubt, sollte der Einsatz von Catumaxomab erwogen werden. Eine weitere Option bei refraktärem Aszites besteht im Einsatz der Alphapumpe, um den Aszites aus dem Peritonealraum in die Harnblase abzuleiten.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Regierer AC et al: An internally and externally validated prognostic score for metastatic breast cancer: analysis of 2269 patients. Ann Oncol 2014; 25: 633-638 <strong>2</strong> AGO-Empfehlungen in der Version vom 29.03.2017 www.ago-online. de <strong>3</strong> Badwe R et al: Locoregional treatment versus no treatment of the primary tumour in metastatic breast cancer: an open-label randomised controlled trial. Lancet Oncol 1015; 16: 1380-1388 <strong>4</strong> Goldhirsch A et al: Strategies for subtypes - dealing with the diversity of breast cancer highlights of the St. Gallen International Expert Consensus on the primary therapy of early breast cancer 2011. Ann Oncol 2011; 22: 1736-1747 <strong>5</strong> Wilcken N et al: Chemotherapy alone versus endocrine therapy alone for metastatic breast cancer. Cochrane Database of Systematic Reviews 2003; 2: CD002747 <strong>6</strong> Harb WA: Management of patients with hormone receptor-positive breast cancer with visceral disease: challenges and treatment options. Cancer Manag Res 2015; 7: 37-46 <strong>7</strong> Baselga J et al: Everolimus in postmenopausal hormone-receptor-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2012; 366: 520-529 <strong>8</strong> Turner NC et al: Palbociclib in hormone-receptor-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2015; 373: 209-219 <strong>9</strong> Finn R S e t a l: P albociclip a nd l etrozole i n a dvanced breast cancer. N Engl J Med 2016; 375: 1925-1936 <strong>10</strong> Wilcken N & Dear R: Chemotherapy in metastatic breast cancer: a summary of all randomized trials reported 2000 – 2007. Eur J Cancer 2008; 44: 2218-2225 <strong>11</strong> Jackisch C et al: Adherence to treatment guidelines in breast cancer care - a retrospective analysis of the «Organgruppe Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynaekologische Onkologie » Breast Care 2008; 3: 87-92 <strong>12</strong> González-Martín A et al: Nab-paclitaxel in metastatic breast cancer: defining the best patient profile. Curr Cancer Drug Targets 2015; epub ahead of print. <strong>13</strong> Jackisch C et al: Trastuzumab s. c. beim HER2-positiven Mammakarzinom – Evidenz und Erfahrungen aus der praktischen Anwendung in 7 deutschen Zentren. Geburtsh Frauenheilk 2015; 75: 1-8 <strong>14</strong> Jackisch C et al: Subcutaneaous versus intravenous formulation of trastuzumab for HER2-positive early breast cancer: updated results from the phase III HannaH study. Ann Oncol 2015; 26: 320-325 <strong>15</strong> Baselga J et al: Pertuzumab plus trastuzumab plus docetaxel for metastatic breast cancer. N Engl J Med 2012; 366: 109-119 <strong>16</strong> Verma S et al: Trastuzumab emtansine for HER2-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2012; 367: 1783-1791 <strong>17</strong> Tutt A et al: TNT: a randomized phase III trial of carboplatin compared with docetaxel for patients with metastatic or recurrent locally advanced triple negative or BRCA 1/2 breast cancer. San Antonio Breast Cancer Conference 2014; Abstr. #S3-01 <strong>18</strong> Cortes J et al: Eribulin monotherapy versus treatment of physician’s choice in patients with metastatic breast cancer (EMBRACE): a phase 3 open-label randomised study. Lancet 2011; 377: 914-923 <strong>19</strong> Bertolini F et al: Brain metastases: an overview. CNS Oncol 2015; 4: 37-46 <strong>20</strong> Bokemeyer C: Catumaxomab – trifunctional anti-Ep- CAM antibody used to treat malignant ascites. Expert Opin Biol Ther 2010; 10: 1259-1269</p>
</div>
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