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Synchron Leber-metastasiertes Rektumkarzinom (smRC) – mit welcher Therapie soll gestartet werden?
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Grünberger
<br>1. Chirurgische Abteilung <br>Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien<br>E-Mail: thomas.gruenberger@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
23.11.2017
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<p class="article-intro">Im Rahmen einer multidisziplinären Sitzung konnte ich bei der Jahrestagung der ESMO mit Dr. Rob Glynne-Jones, einem Radioonkologen aus England, und Prof. Per Pfeiffer, einem medizinischen Onkologen aus Dänemark, über die beste Therapiesequenz bei synchron Leber-metastasiertem Rektumkarzinom (RC) vor großem Publikum diskutieren. Anhand eines Falles hielten wir Impulsreferate über die unterschiedlichen Therapieansätze und deren potenzielle Sequenz bzw. die Therapiedauer.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints" class="Kasten-umflie-end"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Multidisziplinäres Tumorboard für alle smRC-Patienten</li> <li>Radioonkologie: Falls eine Radiotherapie zum Einsatz kommt, ist 5x 5Gy der flexibelste Ansatz.</li> <li>Chirurgische Onkologie: Resektion mit allen technischen Optionen und erwiesenem sicherem Ergebnis</li> <li>Medizinische Onkologie: Anwendung der effektivsten systemischen Therapie (falls nicht leicht resektabel)</li> </ul> </div> <h2>Die Perspektive der Radioonkologie</h2> <p>In seinem Referat konzentrierte sich Dr. Glynne-Jones auf den Stellenwert der Strahlentherapie beim metastasierten RC, in dem er klarstellte, dass eine Radiatio initial nur dann infrage kommt, wenn ein kurativer Ansatz die Therapiesequenz begleitet. Zum Timing und zur Länge einer Strahlentherapie in dem diskutierten Setting gibt es keine prospektive randomisierte Studie, daher wenig Evidenz und lediglich „Expertenmeinung“. Es besteht klare Evidenz, dass eine Therapie mit 5x 5Gy das Lokalrezidivrisiko beim lokalisierten RC verringert, daher ist diese auch beim kurativen Ansatz des mRC anzuwenden. Die Anwendung einer Langzeitchemoradiotherapie (5 Wochen) sollte auf das palliative Setting beschränkt bleiben und dort nach Konsolidierung der Metastasen zur Symptomkontrolle und lokalen Kontrolle im kleinen Becken verwendet werden. Der Upfront-Einsatz einer Langzeitchemoradiotherapie sollte im Leber-metastasierten Setting nicht stattfinden, da dabei die systemische Wirkung durch die geringe Chemotherapiedosis eine zwischenzeitliche Progredienz der Metastasen wahrscheinlich macht.</p> <h2>Die Perspektive der medizinischen Onkologie</h2> <p>Prof. Pfeiffer bestätigte das Nichtvorhandensein von randomisierten Studien in diesem Setting und subsumierte, dass die Evidenz eine primäre Konzentration auf die Lebermetastasen und deren Kontrolle nahelege und im potenziell kurativen Ansatz der sogenannte „liver-first approach“ zu favorisieren ist. Im resektablen Setting würde er lediglich eine Kombinationschemotherapie verabreichen, im nicht resektablen bzw. im Setting einer intendierten Konversion würde er den Einsatz eines Antikörpers vom RAS- und BRAF-Status abhängig machen. Vor allem wenn ein Downsizing der Lebermetastasen notwendig ist, sollte die Möglichkeit der Triplettherapie (FOLFOXIRI) evaluiert werden, wobei auch hier der zusätzliche Einsatz eines Antikörpers das Ansprechen erhöht. Die Effektivität der systemischen Therapie auch im Bereich des RC wurde durch Daten belegt und es wurde hervorgehoben, dass eine Rediskussion der Patienten im Tumorboard nach zwei Monaten Therapie notwendig ist.</p> <h2>Die Perspektive der chirurgischen Onkologie</h2> <p>Meine Lecture begann ich mit der Darstellung der vier Präsentationsmöglichkeiten synchron metastasierter Patienten: der resektablen in beiden Lokalisationen, der irresektablen in einer der beiden Lokalisationen bzw. in beiden Organen. Zusätzlich ist noch die potenzielle Notwendigkeit der Akuttherapie bei initialer Präsentation im Ileus zu erwägen. Zusätzlich ist bei initialer Präsentation des Karzinoms im Ileus zu erwägen, ob eine Akuttherapie notwendig ist. Bei der Betrachtung der Relevanz dieses Krankheitsbildes konnte ich zeigen, dass in allen rezenten großen Studien zum metastasierten kolorektalen Karzinom die Inzidenz der synchronen Metastasierung dramatisch zugenommen hat: Sie liegt bei 73–90 % . Das macht eine strukturierte Behandlungsstrategie notwendig, die in SOPs definiert sein sollte; solche haben wir z.B. in einem internationalen Tumorboard festgelegt (Abb. 1). <br />Essenziell in der Festlegung der Therapieabfolge ist die initiale Diskussion mit ausreichender radiologischer, tumorbiologischer und patientenspezifischer Information durch einen Case Manager in einem multidisziplinären Tumorboard, in dem Spezialisten aller zur Verfügung stehenden Therapieoptionen vertreten sind. Auf eine Vorabresektion des Primums und eine erst danach folgende Therapie der Metastasen sollte speziell beim RC verzichtet werden, da eine potenziell auftretende Anastomoseninsuffizienz den raschen Beginn einer Systemtherapie gegen die Metastasen verzögert und dadurch in der Leber eine Progredienz der Erkrankung auftritt. <br />Anhand des Falles eines initial mit synchroner nicht resektabler Lebermetastasierung diagnostizierten RC-Patienten beleuchtete ich in weiterer Folge die vorhandenen prospektiven Daten zum Ansprechen von Chemotherapie-Antikörper-Kombinationen bei Patienten mit Leber-limitierter Metastasierung („liver-limited disease“, LLD). Dabei konnte ich zeigen, dass es mittlerweile für alle in der Erstlinie zugelassenen Antikörper prospektive Daten für das Ansprechen der Lebermetastasen gibt, die eine Response über 80 % erwarten lassen, wenn sie mit FOLFOXIRI kombiniert werden. Dass aus einer hohen Ansprechrate auch eine höhere sekundäre Resektionsrate resultiert, scheint logisch, es braucht aber unbedingt die neuerliche und wiederholte Diskussion der Restaging-Bilder im Tumorboard alle zwei Monate.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1706_Weblinks_s40.jpg" alt="" width="1457" height="1398" /><br />Außerdem gab ich einen Überblick über chirurgische und kombinierte interventionelle radiologisch-chirurgische Therapieansätze für die Behandlung von Patienten, die auf die Behandlung ansprechen: 1. die portal-venöse Embolisation zur Induktion einer Hypertrophie eines zu kleinen Leberanteils nach Resektion; 2. die zweizeitige Leberresektion, bei der in einem ersten Schritt die Metastasen eines Leberlappens und im Rahmen einer zweiten OP die verbleibenden Metastasen im dann spontan hypertrophierten Restleberlappen entfernt werden; 3. die Kombination von Leberresektion mit Tumordestruktion (RFA, Microwave) von kleinen, tief gelegenen Metastasen; 4. das ALPPS-Vorgehen, bei dem durch eine Splittung der Leber gemeinsam mit Pfortaderokklusion des zu resezierenden Leberanteils eine rapide Induktion der Hypertrophie des initial zu kleinen Leberanteils erreicht werden kann und eine Komplettierung der Metastasenresektion bereits nach einer Woche möglich wird. Wichtig für all diese Hochrisikoeingriffe ist die Expertise eines Zentrums, in dem die jährliche Anzahl an großen Lebereingriffen über 20 beträgt und die Gesamtanzahl an Resektionen mehr als 50 sein sollte, wobei bei diesen Fällen Morbidität und Mortalität (<5 % ) nachvollziehbar dokumentiert sind.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Für alle drei Therapieansätze kann gesagt werden, dass sie interdisziplinär abgestimmt sein und basierend auf der Symptomatik und der Ausdehnung der Erkrankung des Patienten in einer Strategie enden sollten, die im Wesentlichen zwischen potenziell kurativem und palliativem Vorgehen unterscheidet. Diese Strategie muss nach zwei Monaten in Hinblick auf das Erreichen des Strategiezieles bzw. eine Abweichung davon und in Bezug auf eine daraus resultierende Änderung der Therapie unbedingt wieder im Tumorboard diskutiert werden.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>beim Verfasser</p>
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