
©
Getty Images/iStockphoto
Studienergebnisse zu neuen und etablierten Substanzen
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Michael Hubalek
Brustzentrum Schwaz, Tirol<br/> E-Mail: michael@hubalek.at<br/> Quelle: 3. Post-SABCS, 8. Jänner 2016, Wien
30
Min. Lesezeit
25.02.2016
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Wie in jedem Jahr wurden im Rahmen des Post-SABCS neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in der Diagnose und Therapie des Mammakarzinoms vom SABCS-Hauptkongress präsentiert. Einige Highlights zum Thema endokrine Therapie des Mammakarzinoms, duktales Carcinoma in situ und Resistenzmechanismen mit Einfluss auf den Behandlungsalltag sollen hier dargestellt werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>DCIS: vergleichbare Rezidivraten unter Tamoxifen und Anastrozol</h2> <p>Die IBIS-II-Studie<sup>1</sup> wurde nach dem überzeugenden Ergebnis der ATAC-Studie<sup>2</sup>, in der eine Überlegenheit von Anastrozol gegenüber Tamoxifen in der adjuvanten Behandlung des invasiven Mammakarzinoms nachgewiesen wurde, für Patientinnen mit einem DCIS (duktalem Carcinoma in situ) initiiert. In dieser randomisierten, placebokontrollierten, multizentrischen Phase-III-Studie wurden insgesamt 2.980 postmenopausale Frauen mit chirurgisch saniertem, Hormonrezeptor(HR)-positivem DCIS jeweils mit 20mg Tamoxifen oder 1mg Anastrozol behandelt. Sowohl die 1.471 Patientinnen in der Anastrozol- als auch die 1.509 Patientinnen in der Tamoxifen-Gruppe erhielten zusätzlich zum Verumpräparat eine Placebotablette, um die Nebenwirkungsprofile entsprechend beurteilen zu können. Als primärer Endpunkt der Studie wurde die Rate an invasiven Mammakarzinomen bestimmt.<br /> Nach einem medianen Follow-up von 7,2 Jahren hatten 144 Studienteilnehmerinnen ein invasives Mammakarzinom entwickelt und 69 waren verstorben, wobei nur 4 Todesfälle Mammakarzinom-bedingt waren. Patientinnen im Anastrozol-Arm wiesen eine um 11 % geringere Rate an invasiven Mammakarzinomen auf – dieses Ergebnis war jedoch nicht statistisch signifikant. In der Subgruppenanalyse zeigte sich – mit Ausnahme der invasiven Mammakarzinomrezidive – ebenfalls kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Frauen unter Anastrozol-Therapie entwickelten weniger häufig HER2-negative Rezidive und Patientinnen unter Tamoxifen hatten ein geringeres Risiko, ein HER2-positives Mammakarzinom zu entwickeln. Das Nebenwirkungsprofil der beiden Substanzen in dieser speziellen Patientinnengruppe ergab keine neuen Erkenntnisse: Unter Anastrozol traten im Vergleich zu Tamoxifen seltener Hauttumoren, Endometrium- und Ovarialkarzinome auf. Im Gegensatz dazu wurden unter Anastrozol jedoch häufiger Schlaganfälle verzeichnet. Allerdings sind die Daten noch nicht reif, um Unterschiede in den Mortalitätsraten zu detektieren. Tamoxifen verursacht mehr thromboembolische und gynäkologische Komplikationen (Hitzewallungen, vaginale Blutungen und Ausfluss), Anastrozol führt vermehrt zu Knochenfrakturen, muskuloskelettalen Beschwerden sowie zu vaginalen Schleimhautatrophien.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1601_Weblinks_Seite108.jpg" alt="" width="283" height="225" /></p> <h2>Endokrine Therapie: „Patient-reported outcome“-Analyse</h2> <p>Die Ergebnisse in Bezug auf die Überlegenheit von Anastrozol im Vergleich zu Tamoxifen bei DCIS-Patientinnen nach Operation und Strahlentherapie wurden bereits publiziert.<sup>3</sup> Die Analyse des primären Endpunkts („breast cancer free interval“) ergab einen geringen, aber signifikanten Vorteil zugunsten von Anastrozol. Es konnte kein Überlebensvorteil zwischen den beiden Gruppen nachgewiesen werden. Patricia Ganz stellte im Dezember 2015 in San Antonio die Ergebnisse der PRO(„patient-reported outcome“)-Analyse<sup>4</sup> – den sekundären Endpunkt – dieser insgesamt 3.104 Patientinnen umfassenden Studie vor: NSAPB B-35 (NCT00053898) ist vom Design her mit IBIS-II bei DCIS vergleichbar. Im Rahmen einer PRO-Analyse werteten die Autoren die Ergebnisse von insgesamt 1.193 Patientinnen aus der NSAPB-B-35-Studie aus. Daten zur Lebensqualität (QoL) und den Symptomen wurden vor Randomisierung zu Anastrozol oder Tamoxifen, alle 6 Monate während der 5-jährigen Therapie und 12 Monate nach Abschluss der Behandlung analysiert. Fünf Jahre nach Beendigung der Therapie zeigten sich keine Unterschiede in Bezug auf die QoL zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Allerdings waren Hitzewallungen unter Tamoxifen im Vergleich zu Anastrozol verstärkt zu beobachten. Im Gegensatz dazu traten unter Anastrozol verstärkt muskuloskelettale Schmerzen und vaginale Atrophien auf. Sexuelle Funktionsstörungen wurden unter Anastrozol ebenfalls – wenn auch in geringem Ausmaß – häufiger beobachtet. Keine der beiden Substanzen führte in dieser Studie zu einer Verschlechterung des physischen und emotionalen Befindens oder einer Verstärkung von depressiven Verstimmungen. Eine wichtige Erkenntnis war jedoch, dass Frauen <60 Jahren im Vergleich zu jenen ≥60 Jahre deutlich mehr Symptome unter beiden Substanzen entwickelten. Insgesamt wurden sowohl Tamoxifen als auch Anastrozol gut vertragen und können laut den Autoren für die Reduktion des Brustkrebsrisikos nach DCIS eingesetzt werden.</p> <h2>Nodal-positives Mammakarzinom: Anastrozol oder Letrozol?</h2> <p>Die Ergebnisse der FACE-Studie<sup>5</sup> (ABCSG-23) wurden in Rahmen einer Posterdiskussion präsentiert. An dieser Studie hatte sich die ABCSG beteiligt und damit sind unter den 4.136 Patientinnen mit nodal-positivem, HR-positivem Status auch viele Patientinnen von verschiedenen österreichischen Zentren. In dieser Studie wurden zwischen 2005 und 2008 im 1:1-Design 2.061 Patientinnen zum Erhalt von Letrozol (2,5mg/Tag) und 2.075 Patientinnen zum Erhalt von Anastrozol (1mg/Tag) randomisiert. Die adjuvante Behandlung mit dem jeweiligen Aromatasehemmer (AI) wurde über insgesamt 5 Jahre durchgeführt. Als primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS) definiert.<br /> Die Studie wurde frühzeitig beendet, da aufgrund der Ereignisrate und der Patientenanzahl ein Follow-up bis 2022 erforderlich gewesen wäre. Die 5-Jahres-DFS-Rate betrug unter Letrozol 84,9 % und unter Anastrozol 82,9 % (HR: 0,93; p=0,31, n.s.). Das Gesamtüberleben war ebenfalls zwischen den beiden Armen nicht statistisch unterschiedlich (HR: 0,98; p=0,7916). Letztendlich hat sich zwischen den beiden AI Letrozol und Anastrozol auch kein Unterschied in Bezug auf das Nebenwirkungsprofil gezeigt. Somit sind beide AI als gleichwertig in der klinischen Praxis anzusehen.</p> <h2>PI3K-Inhibition beim metastasierten HR<sup>+</sup>/HER<sup>–</sup>-Mammakarzinom</h2> <p>Patientinnen mit HR-positivem metastasiertem Mammakarzinom (MBC) entwickeln zu einem sehr hohen Prozentsatz Resistenzen gegen eine endokrine Therapie. Bei der Überwindung von Resistenzen wird große Hoffnung in die Inhibition des PI3K-Path­ways gesetzt. José Baselga präsentierte die Ergebnisse der Phase-II-Studie BELLE-2<sup>6</sup>, in der die Wirksamkeit des PI3K-Inhibitors Buparlisib in Kombination mit Fulvestrant im Vergleich mit Fulvestrant und Placebo untersucht worden ist. Voraussetzung für die Aufnahme in die Studie war das Versagen einer First-Line-AI-Therapie. Im Rahmen dieser Studie wurden insgesamt 1.147 Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem bzw. HR-positivem MBC in einer 1:1-Ratio zum Erhalt von 500mg Fulvestrant und 100mg Buparlisib bzw. von 500mg Fulvestrant und Placebo randomisiert. Die Randomisierung wurde nach <em>PIK3CA</em>-Mutationsstatus im Tumor stratifiziert. Zusätzlich wurde bei 587 Patientinnen der<em> PIK3CA</em>-Mutationsstatus in zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) bestimmt („liquid biopsy“). Patientinnen im Arm mit Fulvestrant und Placebo wiesen ein progressionsfreies Überleben (PFS) von 5 Monaten auf. Bei Patientinnen unter Fulvestrant und Buparlisib konnte das PFS auf 6,9 Monate verlängert werden (HR: 0,78; p<0,001). Enttäuschenderweise erwies sich der<em> PIK3CA</em>-Mutationsstatus im Tumor nicht als prädiktiver Marker für das Ansprechen auf Buparlisib. Die Aktivierung des PI3K-Pathways führte zu einer nicht signifikanten Verlängerung des PFS unter Buparlisib und Fulvestrant. Sehr spannend sind allerdings die Ergebnisse der Wirkung von Buparlisib in der Gruppe von Patientinnen, bei denen der <em>PIK3CA-</em>Status in der ctDNA bestimmt wurde: Hier konnte ein hochsignifikanter Vorteil von Fulvestrant und dem PI3K-Inhibitor Buparlisib festgestellt werden. Das PFS war mit 7,0 vs. 3,2 Monaten mehr als doppelt so lang (HR: 0,56; p<0,001; Abb. 1). Im Gegensatz dazu bewirkt Buparlisib bei Vorliegen eines <em>PIK3CA</em>-Wildtyp-Status in der ctDNA keinerlei Verlängerung des PFS (HR: 1,05; p<0,64).<br /> BELLE-2 ist somit die erste Phase-III-Studie, in der ein Vorteil einer PI3K-Inhibition mit Buparlisib bei Patientinnen mit endokrin resistentem Mammakarzinom gezeigt worden ist. Eine wesentliche Einschränkung für den generellen Einsatz von Buparlisib in der Klinik stellt jedoch das Nebenwirkungsprofil dieser Substanz dar. Bis zu 25 % der Patientinnen unter Buparlisib entwickelten schwerwiegende Nebenwirkungen, die Hyperglykämien und einen Anstieg der Leberfunktionsparameter umfassten. Die Autoren verwiesen daher auch auf die nächste Generation von PI3K-Inhibitoren, die durch Inhibition der α-Untereinheit von PI3K weniger toxisch als eine Pan-Inhibition sein sollte und damit eventuell auch zukünftig in der klinischen Praxis anwendbar ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1601_Weblinks_Seite110.jpg" alt="" width="587" height="357" /></p> <h2>Wirksamkeit von Palbociclib beim MBC</h2> <p>In einer Posterpräsentation wurde eine weitere Analyse<sup>7</sup> der PALOMA-3-Studie<sup>8</sup> mit verlängertem Follow-up vorgestellt. In diese Phase-III-Studie wurden ebenfalls Patientinnen mit endokrin resistenter Erkrankung im metastasierten Stadium eingeschlossen.<br /> Das Wachstum von HR-positiven Mammakarzinomen ist häufig abhängig von der Aktivität von Cyclin D1, einem direkt transkriptionalen Ziel des Östrogenrezeptors. Cyclin D1 aktiviert CDK4/6, wodurch die Zelle von der G1- in die S-Phase übergeht und der Zellzyklus aktiviert wird. In der Zellkultur konnte eine endokrine Resistenz durch eine Aktivierung von Cyclin D1 und CDK4/6 provoziert werden. Mit Palbociclib, einem oralen Inhibitor von CDK4/6, konnte genau dieser Prozess gehemmt werden und die Substanz hat sich in Kombination mit Fulvestrant als sehr effektiv erwiesen.<br /> Im Rahmen der PALOMA-3-Studie wurden endokrin resistente Patientinnen mit MBC im 2:1-Design in die Gruppen Fulvestrant und Palbociclib (n=347) bzw. Fulvestrant und Placebo (n=174) randomisiert. In der initialen Analyse wurde ein hochsignifikanter Vorteil hinsichtlich des PFS für Patientinnen unter Palbociclib verzeichnet (9,2 vs. 3,8 Monate; HR: 0,422; p<0,00001). Gemäß den aktualisierten Daten bei einem längeren Follow-up (im Median 8,9 Monate) konnte dieser Vorteil bestätigt werden. In der Gesamtpopulation lag das PFS im Palbociclib-haltigen Arm bei 9,5 Monaten und im Vergleich dazu bei 4,6 Monaten im Kontrollarm (HR: 0,45; p<0,0001). Interessanterweise profitierten prämenopausale Patientinnen unter ovarieller Suppression von Fulvestrant und Palbociclib ebenfalls in Form einer dramatischen Verlängerung des PFS (9,5 Monate vs. 5,6 Monate; HR: 0,5; p<0,0065). Noch deutlicher war jedoch der Effekt bei postmenopausalen Frauen mit einer Verlängerung des PFS von 3,9 Monaten auf 9,9 Monate (HR: 0,45; p<0,0001) zu beobachten.<br /> In dieser weiteren Analyse wurden keine neuen bzw. unbekannten Nebenwirkungen entdeckt. Palbociclib ist sehr gut verträglich, lediglich asymptomatische Neutropenie und Thrombozytopenie wurden signifikant häufiger als in der Placebogruppe dokumentiert. Die Inzidenz an febrilen Neutropenien war zwischen den Gruppen mit 0,9 versus 0,6 % vergleichbar gering. Ebenso unterschied sich die Rate an Therapieabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen zwischen den Gruppen nicht.<br /> Palbociclib wurde in den USA von der FDA bereits in Kombination mit Letrozol zur Behandlung des MBC zugelassen und wird voraussichtlich im Herbst 2016 auch in Österreich am Markt verfügbar sein.</p> <h2>Zusammenfassung und Ausblick</h2> <p>Die Ergebnisse der aktuell präsentierten IBIS-II-Studie<sup>1</sup> bei DCIS und der bereits publizierten NSAPB-B-35-Studie3 zeigen, dass sowohl Tamoxifen als auch Anastrozol nach Diagnose eines DCIS in der Prävention eines invasiven Mammakarzinoms zum Einsatz kommen können. Allerdings bedarf es einer genauen Risiko-Nutzen-Abwägung, bevor diese Medikamente in dieser Situation initiiert werden. Patricia Ganz hat dies auch in einem Kommentar als „personalized precision medicine“ bezeichnet. Des Weiteren hat sich mit dem Ergebnis von FACE/ABCSG-23<sup>5</sup> nun auch die Frage nach dem besten AI geklärt. Letrozol und Anastrozol sind – unabhängig vom Nodalstatus – als absolut gleichwertig anzusehen. Die Ergebnisse der BELLE-2-Studie<sup>6</sup> sind auf der anderen Seite enttäuschend, da sich der <em>PIK3CA</em>-Mutationsstatus nicht als prädiktiv für das Ansprechen auf den Pan-PI3K-Inhibitor Buparlisib erwiesen hat. Zudem scheint die Substanz für sehr viele Patientinnen nur schwer zumutbare Nebenwirkungen aufzuweisen. Umgekehrt konnte erstmals in einer Phase III mit einer „liquid biopsy“ freie Tumor-DNA (ctDNA) gewonnen werden und hier erwies sich der <em>PIK3CA</em>-Status als durchaus prädiktiv für das Ansprechen auf Buparlisib. Palbociclib steht bereits an der Schwelle, ein Standardmedikament für die Behandlung des MBC zu werden. Die Ergebnisse von PALOMA-3<sup>7, 8</sup> sind derart ermutigend, dass große Hoffnung besteht, dass dieses Medikament auch im adjuvanten Setting (PALLAS-Studie; ABCSG-42) eine große Zukunft hat. Derzeit ist die Substanz im Rahmen eines „Named patient“-Programms erhältlich.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Brustzentrum Schwaz,
Tirol<br/>
E-Mail: michael@hubalek.at<br/>
Quelle: 3. Post-SABCS, 8. Jänner 2016, Wien
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Cuzick J et al: SABCS 2015; Abstract #S6-03<br /><strong>2</strong> Cuzick J et al: Lancet Oncol 2010; 11: 1135-1141<br /><strong>3</strong> Margolese RG et al: Lancet 2015; doi: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(15)01168-X<br /><strong>4</strong> Ganz P et al: SABCS 2015; Abstract #S6-03 <br /><strong>5</strong> O’Shaughnessy J et al: SABCS 2015; PD2-01<br /><strong>6</strong> Baselga J et al: SABCS 2015; Abstract S6-01<br /><strong>7</strong> Cristofanilli M et al: SABCS 2015; P4-13-01<br /><strong>8</strong> Turner TC et al: N Engl J Med 2015; 373: 209-219</p>
</div>
</p>