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Strahlentherapie und Checkpoint-Inhibitoren
Jatros
Autor:
Dr. Dominik Frey
Klinische Abteilung für Strahlentherapie – Radioonkologie<br> Universitätsklinikum Krems<br> Karl Landsteiner Privatuniversität für<br> Gesundheitswissenschaften<br> E-Mail: dominik.frey@krems.lknoe.at
30
Min. Lesezeit
06.04.2017
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<p class="article-intro">Die immunmediierte antitumorale Antwort steht seit Etablierung der Checkpoint-Inhibitoren bei metastasierter Grunderkrankung erneut im Fokus der onkologischen Therapie. Mit steigender Anzahl zugelassener Substanzen sowie der Erkenntnis, dass nur bei einem Teil der Patienten ein Langzeitansprechen zu erreichen ist, wird die Frage nach dem geeigneten Patientenkollektiv sowie der Möglichkeit, durch synergistische Therapieeffekte die Wirksamkeit sowie die Ansprechraten der Checkpoint-Inhibitoren zu erhöhen, dringender. Die Strahlentherapie bietet eine vielversprechende Option, eine Immunantwort zu begünstigen und tumorabhängige Resistenzmechanismen zu durchbrechen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Durch die komplementäre Wirkungsweise von Strahlentherapie und Checkpoint-Inhibitoren könnten Resistenzmechanismen des Tumors durchbrochen und Ansprechraten erhöht werden.</li> <li>Retrospektive Analysen lassen ein vertretbares Toxizitätsprofil erwarten.</li> <li>Die optimale Sequenz und Fraktionierung in der Kombinationstherapie sind noch nicht geklärt.</li> </ul> </div> <h2>Rationale der Kombination</h2> <p>Das menschliche Immunsystem steht permanent in Kontakt mit potenziell kanzerogenen Zellveränderungen. Bei intaktem Immunsystem besteht i.d.R. ein Gleichgewicht zugunsten einer Tumorerkennung und nachfolgender Eradikation des entarteten Zellklones. Im Rahmen dieser Immunreaktion werden Tumorantigene von antigenpräsentierenden Zellen (APC) aufgenommen, prozessiert sowie in den nachgeschalteten Lymphknoten präsentiert (= Primingphase). Danach erfolgt über MHC-Klasse-I-Moleküle die Induktion einer zielgerichteten zytotoxischen T-Zell-Antwort des adaptiven Immunsystems (= Effektorphase). Entscheidend für den Tumor, sich dieser induzierten zielgerichteten Immunantwort zu entziehen, ist das Ausbilden eines immunsuppressiven Tumormikromilieus. In diesem werden aktiv immunsuppressive Signale vermittelt, Tumorneoantigene reduziert und im Falle einer bereits erfolgten zielgerichteten Immunantwort durch Expression von PD-1- bzw. CTLA- 4-Rezeptoren diese unterdrückt.<sup>1–4</sup><br /> Die Strahlentherapie gilt als effektive lokal wirksame Therapiemodalität. Durch Einzel- sowie Doppelstrangbrüche der DNA werden Apoptose, Seneszenz sowie zum Teil nekrotischer Zelluntergang induziert. Dadurch gelangen Tumorneoantigene in das peritumorale Milieu, es kommt zur Freisetzung von Stresssignalen, zur Migration von APC und nachfolgend zur vermehrten Präsentation von Tumorantigenen in den nachgeschalteten Lymphknoten. In Summe können Resistenzmechanismen im Priming durchbrochen werden und dadurch eine Immunantwort gegen Tumorantigene begünstigen. Eine alleinige Bestrahlung kann demnach eine systemische Immunantwort mit nachfolgendem Regress an fernab des Bestrahlungsorts gelegenen Tumormanifestationen auslösen. Vereinzelte Beschreibungen dieses auch als „abscopal effect“ bekannten Phänomens finden sich bereits in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts,<sup>5</sup> dennoch ist dieser Effekt in der klinischen Praxis wohl eine Rarität. Grund dafür ist unter anderem die Fähigkeit des Tumors, eine zielgerichtete Immunantwort durch zytotoxische T-Zellen mittels Expression von Checkpoint-Rezeptoren, wie z.B. PD-1 oder CTLA-4, zu unterdrücken. Durch Inhibition dieses Vorganges mithilfe der Checkpoint-Inhibitoren wird nun die TZell- vermittelte Tumorlyse ermöglicht. Prämisse hierfür ist jedoch ein zuvor erfolgter Tumorantigenkontakt mit APC im Sinne des zuvor beschriebenen Primings. Die strahlenvermittelte direkte zytotoxische Schädigung erhöht die Konzentration an Tumorantigenen und führt zu direkter Tumorzellschädigung und vermehrter Expression von Todesliganden (z.B. Fas-L). Indirekt kommt es zu einer proinflammatorischen Reaktion mit Ausschüttung von Stresssignalen (z.B. DAMPs, IL-6, HMBG1) und Ausbildung von Adhäsionsmolekülen sowie zur Steigerung der Permeabilität der vaskulären Versorgung. Dadurch erfolgen eine Rekrutierung umgebender Leukozyten mit Migration in das Tumormikromilieu und eine Aufnahme der freigesetzten Tumorantigene (Abb. 1). Häufig werden PD-1- und CTLA-4-Rezeptoren als Folge einer Bestrahlung verstärkt exprimiert. Paradoxerweise ist es gerade diese Reaktion, die eine immunvermittelte Antwort nach alleiniger Bestrahlung scheinbar zu verhindern vermag. In Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren wird die Ansprechrate in der Theorie bei erhöhter Rezeptorexpression hingegen begünstigt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s47_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="1060" /></p> <h2>Präklinische Daten</h2> <p>Vor knapp einer Dekade wurden bereits in murinen Modellen Kombinationen von immunmodulierenden Substanzgruppen und Strahlentherapie untersucht. Einen wichtigen Beitrag leisteten hier die Arbeiten von Sandra Demaria und Silvia Formenti Anfang dieses Jahrtausends. Hierbei wurden syngenen Mäusen in die Flanken subkutan Tumorzellen injiziert und nachfolgend wurden sie in vier Gruppen randomisiert. Die Mäuse erhielten Flt3-L („Fms-like tyrosine kinase receptor 3 ligand“), ein Wachstumsstimulans für dendritische Zellen, oder Placebo ± einseitige Bestrahlung. Untersucht wurden sowohl die Tumorkontrolle der bestrahlten Seite als auch das Ansprechen der nicht bestrahlten kontralateralen Seite. Hierbei zeigte sich, dass die Population im Kombinationsarm das beste Ansprechen hatte.<sup>7</sup> In analoger Weise konnte etwas später die Wirksamkeit der Kombination von Bestrahlung und PD-L1-Inhibitoren beschrieben werden. Auch hier hatte die Mäusepopulation im Kombinationsarm das bessere und ausdauerndste Ansprechen.<sup>8</sup></p> <h2>Klinische Daten und Verträglichkeit</h2> <p>Die Umsetzung der präklinischen Erfahrungen in den klinischen Alltag in Form von prospektiv randomisierten Phase- II/III-Studien ist zum jetzigen Zeitpunkt noch ausständig und die Datenlage ist in den meisten Fällen auf retrospektive Analysen und „case reports“ angewiesen. Einer der bekanntesten Fallberichte zeigte bei einer unter Ipilimumab progredienten 33-jährigen Patientin mit metastasiertem Melanom nach Bestrahlung einer paravertebralen Weichteilmetastase erneut ein Ansprechen sowohl der bestrahlten Läsion als auch der multiplen Sekundaria in der Leber, der Milz und hilär außerhalb des Bestrahlungsbereiches.<sup>9</sup> Dieser eindrucksvolle Bericht eines abscopalen Effektes führte zur Planung und Umsetzung einer randomisierten Phase-II/III-Studie. Patienten mit metastasiertem Melanom wurden in zwei Arme randomisiert: Ipilimumab mono vs. Ipilimumab plus konkomitante Strahlentherapie einer metastatischen Läsion (NCT01689974). Die Ergebnisse sind noch ausständig.<br /> In mehreren retrospektiven Analysen wurde die konkomitante Strahlentherapie mit Ipilimumab oder Nivolumab bei metastasiertem Melanom untersucht. Ihnen gemeinsam ist der Vergleich von stereotaktisch ablativen Dosierungsschemata mit normofraktionierten Bestrahlungskonzepten. Dabei zeigen sich durchgehend tendenziell erhöhte Ansprechraten mit verlängertem „overall survival“ bei gleichzeitig nicht bis leicht erhöhten Raten an Grad-1- bis -2-Toxizitäten in den Kombinationsarmen.<sup>10–13</sup><br /> Eine dazu repräsentative rezente retrospektive Analyse verglich 70 Patienten mit metastasiertem Melanom im Kombinationsarm (Ipilimumab mit RT) vs. 30 Patienten unter Ipilimumab-Monotherapie. Die Bestrahlung erfolgte aufgrund von Knochen-, großen Lymphknoten- sowie Hirnmetastasen. Es wurden konventionell fraktionierte (n=62) sowie stereotaktisch ablative Bestrahlungskonzepte (n=8) angewandt. Insgesamt wurde bei einem medianen Follow-up von 19 Monaten ein signifikant erhöhtes Ansprechen im Sinne einer „complete response“ beschrieben (25,7 % vs. 6,5 % ) sowie ein erhöhtes „overall survival“ im Kombinationsarm (19 vs. 10 Monate), wobei das Toxizitätsprofil nicht erhöht war.<sup>13</sup></p> <h2>Fraktionierung und Sequenz</h2> <p>Strahlentherapeutische Konzepte in Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren sind hinsichtlich der Fraktionierung, der gewählten Einzeldosis und Gesamtdosis sowie der zeitlichen Sequenz in Hinblick auf die neue Zielsetzung einer Immunmodulation neu zu bewerten.<br /> In Anlehnung an präklinische Studien scheinen akzelerierte hypofraktionierte Konzepte vor Checkpoint-Inhibitor-Gabe bzw. konkomitant dazu zielführend. Im Vergleich zu ablativen Einzeit- bzw. oligofraktionierten Bestrahlungen mit hoher Einzeldosis wurde hier eine höhere Rate an aktivierten dendritischen Zellen aufgezeigt.<sup>14–15</sup> Insgesamt ist jedoch die Frage der optimalen Fraktionierung sicherlich noch nicht geklärt, eine konventionell über Wochen laufende normofraktionierte Bestrahlung mit Einzeldosen von 1,8–2,0Gy hingegen erscheint in der Theorie suboptimal, da strahlensensible und erwünschte zytotoxische T-Lymphozyten reduziert würden, was der zielgerichteten Immunantwort entgegenwirken würde.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Die Strahlentherapie stellt eine gut verfügbare, potenziell komplementär wirkende Kombinationstherapie zu Checkpoint-Inhibitoren dar, um Ansprechraten zu erhöhen sowie Tumorresistenzmechanismen zu durchbrechen. Gute präklinische Erfolge konnten vorerst lediglich durch retrospektive Analysen belegt werden, Ergebnisse prospektiv angelegter laufender Phase-II/III-Studien sind ausständig und werden gespannt erwartet. In Summe scheint unter Berücksichtigung der Limitation retrospektiver Daten jedoch das Toxizitätsprofil der Kombination vertretbar.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> D’Souza NM et al: Combining radiation therapy with immune checkpoint blockade for central nervous system malignancies. Front Oncol 2016; 6: 212 <strong>2</strong> Demaria S et al: Role of local radiation therapy in cancer immunotherapy. JAMA Oncol 2015; 1(9): 1325-32 <strong>3</strong> Filippi AR et al: Radiotherapy and immune checkpoints inhibitors for advanced melanoma. Radiother Oncol 2016; 120(1): 1-12 <strong>4</strong> Golden EB et al: The convergence of radiation and immunogenic cell death signalling pathways. Front Oncol 2012; 2: 88 <strong>5</strong> Kingsley DP: An interesting case of possible abscopal effect in malignant melanoma. Br J Radiol 1975; 48(574): 863-6 <strong>6</strong> Kaur P, Asea A: Radiation-induced effects and the immune system in cancer. Front Oncol 2012; 2: 191 <strong>7</strong> Demaria S et al: Ionizing radiation inhibition of distant untreated tumors (abscopal effect) is immune mediated. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2004; 58(3): 862-70 <strong>8</strong> Deng L et al: Irradiation and anti-PD-L1 treatment synergistically promote antitumor immunity in mice. J Clin Invest 2014; 124(2): 687-95 <strong>9</strong> Postow MA et al: Immunologic correlates of the abscopal effect in a patient with melanoma. N Engl J Med 2012; 366(10): 925-31 <strong>10</strong> Silk AW et al: Ipilimumab and radiation therapy for melanoma brain metastases. Cancer Med 2013; 2(6): 899-906 <strong>11</strong> Kiess AP et al: Stereotactic radiosurgery for melanoma brain metastases in patients receiving ipilimumab: safety profile and efficacy of combined treatment. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2015; 92(2): 368-75 <strong>12</strong> Ahmed KA et al: Clinical outcomes of melanoma brain metastases treated with stereotactic radiation and anti-PD-1 therapy. Ann Oncol 2016; 27(3): 434-41 <strong>13</strong> Koller KM et al: Improved survival and complete response rates in patients with advanced melanoma treated with concurrent ipilimumab and radiotherapy versus ipilimumab alone. Cancer Biol Ther 2016; doi: 10.1080/15384047.2016.1264543. (Epub ahead of print) <strong>14</strong> Kulzer L et al: Norm- and hypo-fractionated radiotherapy is capable of activating human dendritic cells. J Immunotoxicol 2014; 11(4): 328-36 <strong>15</strong> Frey B et al: Antitumor immune responses induced by ionizing irradiation and further immune stimulation. Cancer Immunol Immunother 2014; 63(1): 29-36</p>
</div>
</p>
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