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State of the Art in der Diagnostik und Therapie des tripelnegativen Mammakarzinoms
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, MPH
Leiter des Zentrums für familiären Brust- und Eierstockkrebs<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: christian.singer@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
27.12.2018
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<p class="article-intro">Das tripelnegative Mammakarzinom (TNBC; „triple-negative breast cancer“) umfasst eine höchst heterogene Gruppe von Karzinomen, die prognostisch ungünstig sind und sich auszeichnen durch eine besonders hohe Proliferationsrate und in jedem Fall dadurch, dass eine endokrine Therapie oder eine Antikörpertherapie wirkungslos sind. Eine hereditäre Komponente ist nicht auszuschließen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Das TNBC definiert sich durch eine fehlende Östrogen- und Progesteronrezeptorexpression sowie durch eine fehlende Amplifikation des <em>HER2</em>-Gens bzw. eine fehlende Überexpression des entsprechenden Proteins. TNBC sind die Ursache von etwas mehr als 10 % aller Brustkrebsfälle, wobei es deutliche geografische und populationsassoziierte Unterschiede zu geben scheint. Definitionsbedingt beinhaltet die Subgruppe der TNBC eine außerordentlich heterogene Gruppe von Karzinomen, die lediglich durch das Fehlen von tumorbiologischen Gemeinsamkeiten charakterisiert ist. TNBC zeigen ein hohes Maß an Überlappung mit der Gruppe der mit einem typischen Genexpressionsprofil assoziierten basalen Mammakarzinome („basal- like breast cancer“). Allerdings ist – wohl auch der molekularen Heterogenität von TNBC geschuldet – eine unkritische Vereinheitlichung der einerseits immunhistochemisch definierten (TNBC), anderseits durch die Genexpression („basal-like“ Subtyp) charakterisierten Tumorentitäten problematisch, da auch TNBC Genexpressionssignaturen aufweisen können, die nicht mit der „Basal-like“-Subtyp-Gensignatur übereinstimmen. Schließlich muss bei TNBC auch eine möglicherweise bestehende hereditäre Komponente berücksichtigt werden. Dies ist insbesondere bei jungen Frauen, die an einem TNBC erkrankt sind, zu beachten, denn die inzwischen bei solchen Fällen routinemäßig durchgeführte molekulargenetische Untersuchung auf erbliche Genveränderungen deckt in bis zu 20 % der Fälle eine heterozygote <em>BRCA1</em>-Keimbahnmutation auf.<br /> Gerade im Hinblick auf die klinischen Konsequenzen, die sich bei Vorhandensein einer <em>BRCA</em>-Mutation ergeben, sollte zumindest bei Frauen, die zum Erkrankungszeitpunkt jünger als 35 Jahre sind, bzw. wenn zusätzlich eine familiäre Disposition vorliegt, stets an das Vorliegen einer <em>BRCA1</em>-Mutation gedacht und eine genetische Beratung angeboten werden. Bei Vorliegen von bestimmten Kriterien kann dann – wenn dies von der Patientin gewünscht wird – eine Blutabnahme zur <em>BRCA1</em>- und <em>BRCA2</em>-Analyse durchgeführt werden (Tab. 1).<br /> Die genetische Beratung wird durch speziell geschulte Fachärzte durchgeführt. Eine aktuelle Liste der Beratungszentren in ganz Österreich ist unter www.brustgenberatung.at einsehbar.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1807_Weblinks_jatros_onko_1807_s75_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1062" /></p> <h2>Ungünstige Prognose</h2> <p>Grundsätzlich ist die Prognose bei tripelnegativem Mammakarzinom ungünstig, da TNBC häufig charakterisiert sind durch eine besonders hohe Proliferationsrate und in jedem Fall dadurch, dass eine endokrine Therapie bzw. eine Antikörpertherapie wirkungslos sind. Auch das besonders ungünstige Metastasierungsmuster mit einer Prädisposition für Lungen-, Leber- und Hirnmetastasen ist typisch für diesen Tumortyp.<br /> Derzeit stellt die Chemotherapie die einzig wirksame systemische Behandlung von tripelnegativen Mammakarzinomen dar. Da insbesondere die neoadjuvante Chemotherapie eine prognostische Bedeutung erlangt hat, werden systemische Therapien immer häufiger im präoperativen Setting eingesetzt: Wenn es nämlich unter der Therapie zu einem kompletten oder nahezu kompletten Verschwinden des Tumors gekommen ist, so ist von einer günstigen Prognose auszugehen. Wenn allerdings trotz präoperativer Chemotherapie substanzielle Residuen in Brust oder in axillären Lymphknoten zurückbleiben, dann ist von einer eher ungünstigen Langzeitprognose auszugehen. Auch heute noch zählen anthrazyklin- und taxanbasierte Chemotherapien zum State of the Art in der Behandlung des TNBC, allerdings gibt es inzwischen auch eine Reihe von Überlegungen, die den Einsatz von platinbasierten Chemotherapien als sinnvoll erscheinen lassen. Hier sind insbesondere Daten der britischen TNT-Studie von Bedeutung, die beim lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten TNBC zeigen konnten, dass eine carboplatinbasierte Therapie (AUC6) mit einer taxanhaltigen Chemotherapie hinsichtlich der Effektivität durchaus vergleichbar war. In einer prospektiv geplanten Auswertung nach <em>BRCA</em>-Status konnte sogar gezeigt werden, dass bei Frauen mit einer <em>BRCA1</em>- bzw. <em>BRCA2-</em>Keimbahnmutation die platinhaltige Chemotherapie den Taxanen hinsichtlich des Krankheitsfortschreitens deutlich überlegen war.<br /> Etwas uneinheitlicher ist die Datenlage allerdings für das frühe Mammakarzinom. Jedoch zeigt sich auch hier anhand der Daten der in Deutschland durchgeführten GeparSixto-Studie sowie der US-amerikanischen CALGB-40603-Studie – beide im neoadjuvanten Setting durchgeführt – eine signifikante Verbesserung in der Rate der kompletten pathologischen Remissionen durch Platine. Große, prospektiv randomisierte adjuvante Studien, die den Einsatz von Platinen im Vergleich zu einer konventionellen Anthrazyklin/Taxankombination untersuchen würden, sind bedauerlicherweise nie durchgeführt worden. Die aus der Neoadjuvanz stammenden Daten reichen zumeist jedoch dafür aus, dass insbesondere bei Vorliegen von Kontraindikationen gegenüber Anthrazyklinen bei TNBC bereits heute ein Einsatz von Platinen durchaus erwogen werden kann.</p> <h2>Eingeschränkte Reparaturfähigkeit nach DNA-Schäden beim TNBC</h2> <p>Ein Charakteristikum von TNBC ist die eingeschränkte Reparaturfähigkeit nach DNA-Schäden, die bei etwa der Hälfte der TNBC vorliegt. Sie ist häufig – aber nicht immer – mit einer Keimbahnmutation von DNA-Reparaturgenen assoziiert, deren wichtigste und klinisch relevanteste zweifelsohne <em>BRCA1</em> und <em>BRCA2</em> sind. Aber auch pathogene Mutationen in <em>RAD51</em>, <em>CHEK2</em> oder <em>PALB2</em> führen zu einer Beeinträchtigung der homologen Rekombination und damit zu einer reduzierten Fähigkeit zur Korrektur von DNA-Einzel- und Doppelstrangbrüchen. Dieser Defekt kann allerdings auch therapeutisch ausgenützt werden, und ein zielgerichtetes Ausschalten der verbliebenen alternativen Reparaturmechanismen im Sinne einer „synthetischen Letalität“ ist das therapeutische Prinzip von sogenannten PARP(„poly ADP ribose polymerase“)-Inhibitoren. Diese innovative Therapie, die sich diesen Reparaturdefekt zunutze macht, wird derzeit beim TNBC intensiv beforscht. PARP-Inhibitoren sind im Therapiealgorithmus beim platinsensitiven rezidivierten Ovarialkarzinom therapeutischer Standard, und 2 rezente Studien (EMBRCA und OlympiAD) zeigten nun auch eine beeindruckende Wirksamkeit beim fortgeschrittenen Mammakarzinom – zumindest in jenen Fällen, in denen eine <em>BRCA1</em>- oder <em>BRCA2</em>-Mutation vorlag. Hier konnte der Einsatz der PARP-Inhibitoren Olaparib und Niraparib im Vergleich zu einer Monochemotherapie eine signifikante und klinisch relevante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens erzielen.<br /> Mit der Zulassung von PARP-Inhibitoren in diesem Setting ist noch im Jahr 2018 zu rechnen. Da die Zulassung wohl an das Vorhandensein einer <em>BRCA</em>-Keimbahnmutation geknüpft sein wird, ergibt sich daher die Notwendigkeit – insbesondere bei tripelnegativen Mammakarzinomen, aber auch bei aggressiv verlaufenden rezeptorpositiven Mammakarzinomen – eine genetische Testung durchzuführen, um bei Vorliegen einer <em>BRCA1</em>- oder <em>BRCA2</em>-Mutation eine PARP-Inhibitor-Therapie zu ermöglichen. Eine Reihe von PARP-Inhibitor-Therapien wird inzwischen auch im neoadjuvanten Setting und im Rahmen von klinischen Studien in Kombination mit Platinen bzw. Taxanen eingesetzt, und erste Studien untersuchen bereits die Kombination von PARP-Inhibitoren mit Immuncheckpoint-Inhibitoren.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Das TNBC ist eine heterogene Gruppe von Tumoren, bei denen es bislang keinen prädiktiven Marker für ein Therapieansprechen gibt. Somit stellen heute systemische Chemotherapien die einzige zugelassene Therapieoption sowohl im frühen als auch im fortgeschrittenen Stadium dar. Zumindest im fortgeschrittenen Stadium steht mit der Gruppe der PARP-Inhibitoren bald eine wirksame und schonende Alternative zur Chemotherapie zur Verfügung, und auch erste Daten von immunologischen Therapieansätzen lassen diese Option als möglicherweise hilfreich erscheinen. Allerdings ist die Immuntherapie des TNBC noch längst nicht in der Klinik angekommen. Gerade vor diesem Hintergrund sollten Patientinnen mit tripelnegativen Mammakarzinomen wenn irgend möglich im Rahmen von klinischen Studien betreut werden.</p> </div></p>
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