
Staging und Operationsmethoden beim Zervixkarzinom
Autor:
Dr. med. (A) Rok Satler
Leitender Arzt
Departement Gynäkologie und Geburtshilfe
Kantonsspital Winterthur
E-Mail: rok.satler@ksw.ch
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In den letzten Jahren gab es mit der überarbeiteten S3-Leitlinie (2021), der neuen FIGO-Klassifikation (2018) und neuen Erkenntnissen zu Operationsmethoden frischen Wind in der Therapie des Zervixkarzinoms. Dieser Bericht fasst die Diagnostik und die operative Therapie beim Zervixkarzinom zusammen.
Keypoints
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Durch das sorgfältige Staging soll eine unimodale Therapie gewählt werden: Die Kombination von Operation und RCHT soll wenn möglich vermieden werden.
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Die operative Therapie wird bei Zervixkarzinomen Stadium IIA empfohlen, ab Stadium IIB die primäre Radiochemotherapie.
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Die S3-Leitlinie empfiehlt einen offenen Zugang bei der radikalen Hysterektomie.
Die Therapiewahl beim Zervixkarzinom wird durch die möglichst präzise Stadieneinteilung geprägt. Eine Kombination aus Chirurgie und Radiochemotherapie (RCHT) soll vermieden werden. Unter Berücksichtigung des Allgemeinzustands der Patientin sowie der Familienplanung und des Menopausenstatus erfolgt nach dem Staging eine interdisziplinäre Therapieplanung. Die Kurz- und Langzeitfolgen der Behandlung sollen mit der Patientin früh besprochen werden und in die Therapiewahl einfliessen.1
Diagnostik
Neben der klinischen gynäkologischen Untersuchung hilft die Transvaginalsonografie, die Tumorausdehnung zu bestimmen. Eine Nierensonografie ist dabei obligat, um eine Nierenstauung und damit ein Stadium IIIB abzuklären. Die Diagnosesicherung erfolgt mittels gezielter Biopsie unter kolposkopischer Sicht oder im Rahmen einer diagnostischen Konisation.
Eine Magnetresonanztomografie (MRI) des Beckens ist die genaueste Methode zur Beurteilung der lokalen Ausdehnung.2Sie ist der klinischen Untersuchung sowie einer Computertomografie (CT) überlegen.3 In der aktuellen FIGO-Einteilung (Tab. 1) wird die Schnittbildgebung mitberücksichtigt und ergänzt die frühere klinische Beurteilung durch den Gynäkologen. Eine MRI ist ab Stadium IB2 bis inkl. III indiziert.
Weitere Bildgebung umfasst ab Stadium IB2 eine CT Thorax/Abdomen/Becken zur Beurteilung der extrapelvinen Ausbreitung und der lateralen Grenzen des Tumors (ossäre Strukturen).
Die Beurteilung der Lymphknotenmetastasen mittels Positronen-Emissions-Tomografie(PET)-CT weist eine geringe Sensitivität und Spezifität auf.4 Mikro- und Kleinmetastasen können dabei übersehen werden. Auch die lokale Ausbreitung wird aufgrund mangelnder Differenzierung zwischen Superinfektion und Tumorinfiltration nicht zuverlässig dargestellt. Deswegen rät die S3-Leitline vom routinemässigen Einsatz der PET-CT ab. In unserem Tumorzentrum Winterthur hilft uns die PET-CT bei der Wahl der Staginguntersuchung (Sentinel- vs. Lymphonodektomie [LNE]), ersetzt aber kein Lympknotenstaging.
Das operative Staging umfasst die bilaterale Sentinel- oder die totale pelvine und ggf. paraaortale Lymphonodektomie sowie die Beurteilung von Adnexen, Peritoneum, Blase und Rektum. Die Kenntnis desLymphknotenstatus ist ein wichtiger prognostischer Faktor und für die Therapiewahl relevant.
Das Staging mittels Sentinel-Lymphonodektomie ist jeglicher Bildgebung überlegen,5 für den Einsatz müssen aber folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Markierung mitPatentblau und radioaktivem Tracer oder Indocyaningrün, beidseitige pelvine Darstellung, Tumorstadium IA L1 bis IB1 (<2cm), sämtliche Sentinel-Lymphknoten müssen entfernt werden. Falls eine Seite der pelvinen Lymphknotenstationen nicht darstellbar ist, muss dort die vollständige Lymphonodektomie erfolgen. Die histologische Aufarbeitung der Lymphknoten erfolgt mittels Ultra-Staging. Die systematische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie umfasst die Entfernung von 15–20 pelvinen und 8–10 paraaortalen Lymphknoten.
Im Rahmen des Stagings kann auch die Verlagerung der Ovarien aus dem Bestrahlungsfeld (Ovaropexie) bei jüngeren Patientinnen erfolgen.
Operationsmethoden
Durch das Staging wird die Therapie des Karzinoms geplant. Es gilt einen Entscheid zu treffen, der die unimodale Therapie ermöglicht: Bis Stadium <IIB wird die operative Therapie vorgezogen, ab Stadium IIB die primäre Radiochemotherapie.
Bei mikroinvasivem Karzinom (Stadium IA1 ohne Risikofaktoren, IA2) gilt als Therapie der Wahl die Konisation mittels Hochfrequenzexzision (LEEP) oder Laser. Eine Messerkonisation ist obsolet. Bei abgeschlossener Familienplanung ist alternativ die extrafasziale vaginale, laparoskopische oder abdominale Hysterektomie empfohlen. Ab einem Risikofaktor (L1) oder IA2 mit einem Risikofaktor soll ein Staging mittels Sentinel-LNE erfolgen und bei pelvinem Befall die paraaortale Lymphonodektomie, um das Strahlenfeld der adjuvanten Radiotherapie zu beschränken. Falls eine Konisation durchgeführt wurde, sollte man nach abgeschlossener Familienplanung eine Hysterektomie erwägen, insbesondere bei HPV-Persistenz oder Pap-Auffälligkeiten.
Ab Stadium IA1 L1 bis IB1 <2cm, V0, kann bei offenem Kinderwunsch eine Trachelektomie erfolgen. Dies sollte bei aggressivem neuroendokrinem Tumor oder bei Lymphknotenbefall nicht versucht werden. Auch hier ist das Staging unerlässlich. Im Rahmen der Trachelektomie wird die Zervix zu zwei Dritteln entfernt, eine schmale Vaginalmanschette und ein Teil der Parametrien werden reseziert. Im Anschluss wird eine Permanentcerclage appliziert. Das Risiko für Frühgeburt oder steigende Infekte in der Schwangerschaft ist nach dieser Behandlung erhöht.
Die radikale Hysterektomie ist die Therapie der Wahl ab Stadium IA2 mit mehreren Risikofaktoren bis Stadium IIB. Falls im Rahmen von Staging der Lymphknotenbefall bewiesen wird, sollte die paraaortale Lymphonodektomie erfolgen und keine Hysterektomie durchgeführt werden, sondern die RCHT. Auch bei höheren Stadien (>IIB) ist die primäre RCHT als alleinige Primärtherapie anzusehen. Ob nach einer primären RCHT eine Hysterektomie durchgeführt werden soll und wie (einfach oder radikal), ist unklar.
Die Klassifikation der radikalen Hysterektomie wird in der S3-Leitlinie nach Piver-Ruthledge angegeben. Die Klassifikation nach Querleu und Morrow (Tab. 2) berücksichtigt auch den Nervenerhalt6,7 und gibt separat die Lymphonodektomie an.
Die radikale Hysterektomie umfasst:
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Eröffnen und Inspektion der Bauchhöhle
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Eröffnung der paravesikalen Grube. Bei Verdacht auf Befall des vesikouterinen Übergangs erfolgt eine Schnellschnittuntersuchung. Bei Tumorbefall erfolgt der Abbruch der Operation.
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Inzision des Douglas-Peritoneums und Eröffnung der pararektalen Grube; Entfernung des Binde- und Fettgewebes mit den Lymphbahnen und -knoten
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Darstellung und Absetzen der Parametrien mit ausreichendem Sicherheitsabstand zum Tumor
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Absetzen der Ligg. sacrouterina
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komplette Präparation des Ureters aus den Parametrien
Absetzen von Parakolpium und Vagina in Abhängigkeit von der Tumorgrösse und Befall der Vagina; anzustreben ist ein ausreichender vaginaler Sicherheitsabstand
Die Adnexektomie im Rahmen der Hysterektomie erfolgt in der Postmenopause routinemässig. Bei prämenopausalen Patientinnen und bei Plattenepithelkarzinomen der Zervix können die Adnexen belassen werden, bei Adenokarzinomen, die häufiger Metastasen in Adnexen bilden, aber ab Stadium IB nicht.
Eine Sonderform der radikalen Hysterektomie ist die durch Prof. Höckel entwickelte totale mesometriale Resektion (TMMR). Durch die Operationsweise entlang morphogenetischen Grenzen kann nervensparend operiert werden. Die Methode ist noch nicht prospektiv randomisiert oder multizentrisch untersucht.
Bezüglich des Zugangswegs für die radikale Hysterektomie gab es in den letzten Jahren ein Umdenken. Um den offenen Zugang mit minimalinvasiven Methoden zu vergleichen (Laparoskopie oder roboterassistierte Endoskopie) haben Ramirez et al. eine internationale randomisierte multizentrische Phase-III-Studie durchgeführt und 631 Patientinnen mit Zervixkarzinom zwischen IA1 bis IB1 eingeschlossen.8 Die Studie wurde aufgrund signifikanter Unterlegenheit des Armes mit minimalinvasiver Behandlungaus Sicherheitsgründen gestoppt: Das krankheitsfreie Überleben und das Gesamtüberleben waren in der minimalinvasiven Gruppe signifikant kürzer. Als mögliche Ursache für das Resultat werden die Verwendung von Uterusmanipulatoren und die Verschleppung der Tumorzellen durch die laparoskopische Eröffnung der Vagina diskutiert sowie der negative Effekt der Insufflation. Mehrere Analysen bestätigen die wichtige Rolle der Tumorhygiene. Die Empfehlung der S3-Leitlinie ist deswegen der offene Zugang.
Literatur:
1 S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom, Version 2.0 2021 (Langfassung). AWMF-Registernummer: 032/033OL: www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-033OLl_S3_Diagnostik_Therapie_Nachsorge_Zervixkarzinom_2021-03.pdf 2 Thomeer MG et al.: Clinical examination versus magnetic resonance imaging in the pretreatment staging of cervical carcinoma: systematic review and meta-analysis. Eur Radiol 2013; 23(7): 2005-18 3 Bipat S et al.: Computed tomography and magnetic resonance imaging in staging of uterine cervical carcinoma: a systematic review. Gynecol Oncol 2003; 91(1): 59-66 4 Kang S et al.: Diagnostic value of 18F-FDG PET for evaluation of paraaortic nodal metastasis in patients with cervical carcinoma: a meta-analysis (Structured abstract). J Nucl Med 2010; 51(3): 360-7 5 Selman TJ et al.: Diagnostic accuracy of tests for lymph node status in primary cervical cancer: a systematic review and meta-analysis (Structured abstract). CMAJ: Canadian Medical Association Journal 2008; 178(7): 855-62 6 Querleu D, Morrow C: Classification of radical hysterectomy. Lancet Oncol 2008; 9(3): 297-303 7 Querleu D et al.: 2017 Update on the Querleu–Morrow Classification of Radical Hysterectomy. Annals of Surgical Oncology 2017; 24 (11): 3406-12 8 Ramirez PT et al.: Minimally invasive versus abdominal radical hysterectomy for cervical cancer. N Engl J Med 2018; 379(20): 1895-1904
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