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Seltene thorakale Tumoren
Jatros
Autor:
Prim. Assoc. Prof. Dr. Elisabeth Stubenberger
Autor:
OA Dr. Gernot Seebacher
Universitätsklinik Krems<br> Karl Landsteiner Privatuniversität<br> Abteilung für Allgemein- und Thoraxchirugie<br> E-Mail: gernot.seebacher@kl.ac.at
30
Min. Lesezeit
23.03.2017
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<p class="article-intro">Aufgrund der Bedeutung und der Häufigkeit von Computertomografien für die moderne Medizin werden suspekte Raumforderungen des Thorax und des Mediastinums immer häufiger entdeckt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Seltene thorakale Tumoren können im Zuge der heutzutage für die zeitgemäße Medizin immer häufiger benötigten Computertomografien nicht nur Spezialisten begegnen.</li> <li>Es ist nicht erforderlich, darüber im Detail Bescheid zu wissen, aber es ist gut, einen versierten Ansprechpartner zu haben.</li> <li>Im Idealfall ist dies ein versierter Thoraxchirurg, der mit einem Pulmologen und einem Onkologen zusammenarbeiten kann, also Teil eines Thoraxzentrums ist.</li> </ul> </div> <p>Neben dem Bronchuskarzinom und dem Ösophaguskarzinom gibt es noch eine Vielzahl verschiedener Tumoren, die sich im Thorax finden können. Meist zählen diese zur Kategorie der seltenen Tumoren. Je nach Lokalisation kann man hier Tumoren des Mediastinums und jene der Lunge von den Tumoren der übrigen Anteile der Pleurahöhle, hier unter Thoraxwand subsumiert, unterscheiden.</p> <p>Herztumoren sind ebenso selten, sollen aber hier nicht behandelt werden. Ferner möchte ich die Situation der Kinder etwas ausklammern, da hier völlig andere Tumoren häufig sind mit ganz anderer Dignität als beim Erwachsenen. Nur so viel: Lymphome, Keimzelltumoren, Tumoren des Thymus, aber auch Gefäßtumoren und solche neurogenen Ursprungs sowie mediastinale Zysten sind hier vorherrschend.</p> <h2>Tumoren des Mediastinums</h2> <p><strong>Thymome</strong><br /> Am häufigsten sind sicher die Thymome (Abb. 1), die sich aus der Thymusdrüse bzw. deren Resten entwickeln und mit einer Inzidenz von weniger als 1 pro 1,5 Mio. Einwohner auftreten. Hauptsächlich findet sich ein Thymom im 40. bis 60. Lebensjahr, kann aber in jedem Alter auftreten. Sie sind in 30 % symptomatisch und werden per Zufall im Rahmen einer Computertomografie (CT) entdeckt. Aufgrund der Zunahme der CTs in den letzten Jahren kann man von einer Steigerung der Entdeckung solcher Tumoren ausgehen. Thymome sind zumeist benigne Tumoren, die aber unterschiedliche Stadien haben können, selbst in ein und derselben Raumforderung, und bis zu Thymuskarzinomen entarten können, welche weniger als 25 % aller im Thymus entstehenden Tumoren ausmachen.</p> <p>Thymome werden nach WHO-Stadien (Typ A, AB, B1, B2, B3, Karzinom) sowie den Masaoka-Stadien (I–IV) eingeteilt. Das Masaoka-Stadium bezeichnet die Invasivität des Tumors sowie seine Kapselüberschreitung, das WHO-Stadium das Ausmaß der Entdifferenzierung des Tumors.<sup>1</sup> Sofern eine Resektion möglich ist, was beim Thymom meist der Fall ist, ist dies die Therapie der Wahl. Eine moderne Thoraxchirurgie sollte die Resektion minimal invasiv per konventioneller videoassistierter thorakoskopischer Chirurgie (VATS) oder besser über einen subxiphoidalen Zugang, je nach Verfügbarkeit, auch mittels Roboter anbieten können. Dass dies gegenüber dem transsternalen, offenen Zugang keinen Nachteil an Radikalität bedeutet, konnte mittlerweile durch mehrere Studien untermauert werden.<sup>2</sup> Bei Kapselüberschreitung ist die Kombination mit einer Strahlentherapie angezeigt, im Stadium IV auch die Chemotherapie.</p> <p>Wichtig zu erwähnen ist zudem die Tatsache, das Thymome je nach Stadium zu zwischen 16 und 71 % mit einer Myasthenia gravis assoziiert sind, welche präoperativ abgeklärt werden muss. Ein neurologischer Status sowie eine Bestimmung des Acetylcholinrezeptor-Antikörper-Gehaltes im Blut sind daher erforderlich. Thymuszellen können versprengt im gesamten vorderen und oberen Mediastinum auftauchen, weshalb nicht nur der Tumor selbst, sondern das gesamte Fettgewebe aus dieser Region im Rahmen der Operation entfernt werden muss.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1701_Weblinks_jatros_pneumo_1701_s21_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="655" /></p> <p><strong>Keimzelltumoren</strong><br /> Diese können primär im Mediastinum, also extragonadal, entstanden sein oder als Metastasen eines gonadalen Keimzelltumors auftreten. Zudem wird zwischen seminomatösen, also mit einem Hodentumor verwandten, und nicht seminomatösen Tumoren unterschieden. Tumormarker wie Beta-hCG oder Alpha-Fetoprotein sind meist nicht erhöht und können weder für die Diagnose noch die Nachkontrolle herangezogen werden.</p> <p>Etwa 60–70 % der Keimzelltumoren sind Teratome, die chirurgisch leicht zu entfernen sind und eine sehr gute Prognose haben. Sie können multilokulär auftreten, sind aber gut umschrieben und zeigen oft eine zystische Komponente neben kompakten Strukturen. Sie betreffen Frauen wie Männer gleichermaßen und treten häufiger bei Kindern und jungen Erwachsenen auf.</p> <p>Seminomatöse Keimzelltumoren sind meist primär im Mediastinum entstandene, langsam wachsende, aber auch lang asymptomatisch bleibende Tumoren, die dann bei ihrer Entdeckung bereits sehr groß sein können und auch oft schon Metastasen gebildet haben (Abb. 2). Sie sprechen gut auf Chemotherapie an, benötigen daher selten eine chirurgische Intervention, außer gegebenenfalls zur histologischen Sicherung.</p> <p>Nicht seminomatöse Keimzelltumoren umfassen ungefähr die Hälfte aller malignen Keimzelltumoren im Mediastinum. Diese extragonadalen Keimzelltumoren können hier primär entstanden sein und haben eine etwas schlechtere Prognose als die Hodentumoren selbst. Sie sind ebenso primär mit Chemotherapie zu behandeln, die Residualtumoren dann chirurgisch zu entfernen. Dazu ist eine Positronen-Emis sions-Tomografie (PET) nach Chemotherapie wenig hilfreich, da sich die Tumoren kaum als hypermetabol im PET darstellen lassen. Der Zugang zu diesen Tumorresten ist oft schwierig und benötigt großzügige Zugänge, wobei bei meist histologischer Gutartigkeit der Residualtumoren in der Nähe lebenswichtiger funktioneller Strukturen die chirurgische Radikalität zu überdenken ist, um nicht mehr Schaden als Nutzen zu erzielen.</p> <p>Alle übrigen Tumoren sind maligne mit schlechter Prognose, die Patienten sollten eine multimodale Therapie mit chirurgischer Resektion und Chemotherapie erhalten. Die Patienten sind meist junge Männer.<br />Metastasen extragonadaler Tumoren finden sich sowohl in der Lunge als auch im Mediastinum. Die Patienten sind bereits chemotherapeutisch vorbehandelt. Die Resektion ist meist ein umfangreicher chirurgischer Eingriff. Oft kann nach Chemotherapie noch metastatisches Gewebe im CT lokalisiert werden, welches aber nicht immer vitales Tumorgewebe beinhalten muss. Zur Abklärung ist deshalb vor einer neuerlichen Therapie oder einer Kontrolle des Therapieerfolgs zumindest eine Teilresektion oder Probenentnahme erforderlich. Eine komplette Entfernung gibt in solchen Fällen jedoch mehr Sicherheit und ist mithilfe eines Lasers meist parenchymsparend durchführbar.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1701_Weblinks_jatros_pneumo_1701_s22_abb2.jpg" alt="" width="2150" height="728" /></p> <p><strong>Tumoren neurogenen Ursprungs</strong><br /> Fast 90 % aller Tumoren des hinteren Mediastinums sind neurogenen Ursprungs, unter denen die Nervenscheidentumoren beim Erwachsenen die wohl häufigste Gruppe darstellen. Die Neurinome oder auch Schwannome genannten Tumoren haben ihren Ursprung in den Schwann’schen Zellen. Meist sind diese Tumoren asymptomatisch und nahe der Wirbelsäule lokalisiert. Sie treten solitär auf und sind gut abgrenzbar und über einen minimal invasiven Zugang per VATS leicht zu resezieren. Ein Zusammenhang mit der Neurofibromatose besteht meist nicht. Diese kann multiple Herde aufweisen und neigt zu Rezidiven. Nur 2 % aller Tumoren neurogenen Ursprungs im Erwachsenenalter sind bösartig. Auch diese sind primär zu entfernen.<sup>4</sup></p> <p><strong>Morbus Castleman</strong><br /> Eigentlich handelt es sich dabei um keinen malignen Tumor. Da das Wachstum aber sehr invasiv sein kann und die Therapie ähnlich wie bei einem malignen Tumor sein soll, wollen wir diese seltene Erkrankung hier dennoch besprechen.</p> <p>Dies ist eine meist singuläre Lymphknotenvergrößerung, die zu 70 % im Mediastinum auftritt. Der vorhandene Lymphknoten ist meist gut vaskularisiert, was zu erheblichem Blutverlust bei der Resektion führen kann. Die Ursache ist weitgehend unklar. Für den multilokulären M. Castleman (Abb. 3) besteht eine Assoziation mit HIV und dem humanen Herpesvirus 8. Sollte eine Resektion nicht möglich sein, besteht in der Radiotherapie oder onkologischen Therapie mit Rituximab die Therapie der Wahl.<sup>5</sup></p> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1701_Weblinks_jatros_pneumo_1701_s22_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="661" /></h2> <h2>Rare Primärtumoren der Lunge</h2> <p>Solche Tumoren treten in der Bildgebung auf wie Bronchialkarzinome (Abb. 4). Das Staging ist meist schwierig und die Resektion indiziert. Histologisch handelt es sich meist um Blastome, Teratome, Sarkome und Karzinosarkome, aber auch Melanome, Hämangioepitheliome, primär intrapulmonal wachsende Thymome und lymphoproliferative Erkrankungen zählen dazu. Meist ist der eindeutige histologische Befund dazu erst postoperativ möglich. In der Nachkontrolle sollten diese Tumoren wie nicht kleinzellige Bronchuskarzinome behandelt werden.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1701_Weblinks_jatros_pneumo_1701_s23_abb4.jpg" alt="" width="1417" height="667" /></p> <h2>Solitärer fibröser Pseudotumor</h2> <p>Der solitäre fibröse Pseudotumor ist als eine gutartige, nicht neoplastische Raumforderung von unklarer Ätiologie ein Sonderfall. Er präsentiert sich als meist solide Läsion und es kann zwischen mehreren histologischen Subtypen unterschieden werden, welche aber alle in dieselbe Behandlung und Prognose münden. Zum Zeitpunkt der Diagnose kann der Tumor bereits ein beträchtliches Ausmaß erreicht haben. Die Patienten kommen dann aufgrund von zunehmender Dyspnoe zum Arzt. Die chirurgische Resektion ist die Therapie der Wahl. Meist ist eine offene Thorakotomie aufgrund der Größe des Tumors erforderlich, wobei je nach Invasivität eine mehr oder minder große Resektion der Lunge erforderlich sein kann. Wichtig ist auf jeden Fall eine komplette Resektion durchzuführen, da es andernfalls rasch und sicher zu einem Rezidiv kommt.<sup>6</sup></p> <h2>Tumoren der Thoraxwand</h2> <p>Diese sind per se nicht sehr häufig, können aber chirurgisch eine große Herausforderung darstellen. Die gutartigen wie bösartigen Tumoren entstammen meist dem Rippenknochen, können aber auch aus allen anderen Anteilen der Brustwand entstanden sein wie dem Knorpel, Muskel- und Fettgewebe, aber auch aus dem Bindegewebe oder den Gefäßen und Nerven. Die Tumoren sollten primär reseziert und somit die Histologie gesichert werden. Große Tumoren, die über mehrere Interkostalräume verlaufen, benötigen eine Rekonstruktion der Thoraxwand. Die Stabilität und somit die Atemmechanik müssen gewährleistet bleiben. Dazu kann es auch notwendig werden, einen plastischen Chirurgen zur Rekonstruktion, d.h. für die Anlage einer Lappendeckung, beizuziehen. Da diese Tumoren sich zum Teil über das Knochenmark ausdehnen können, ist ein Resektionsrand von 2cm zu gering. Erst ab zumindest 5cm kann eine hohe Rezidivfreiheit erreicht werden.<sup>7</sup></p> <h2>Läsionen, die sich wie ein Tumor darstellen können</h2> <p>Im Thorax gibt es natürlich auch Läsionen, die sich in der Bildgebung wie ein Tumor darstellen können. Es kann sich dabei um zystische Läsionen aus dem HNO-Bereich oder dem Tracheobronchialsystem handeln (paratracheale Zyste, bronchogene Zyste). Diese sind vom Hals oder vom Thorax aus durch einen Thoraxchirurgen, gegebenenfalls auch einen HNO-Arzt zu entfernen.</p> <p>Auch retrosternale Strumen finden sich sehr häufig und können irreführend sein. Nicht selten werden auch Perikardzysten als Zufallsbefunde in einem CT entdeckt, welche jedoch völlig harmlos sind und im Zuge der Resektion histologisch gesichert werden.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> International Thymic Malignancy Interest Group, www. itmig.org <strong>2</strong> Yang Y et al: Thoracoscopic thymectomy versus open thymectomy for the treatment of thymoma: a meta-analysis. Eur J Surg Oncol 2016; 42(11): 1720-8 <br /> <strong>3</strong> Patterson GA et al: Pearson's Thoracic and Esophageal Surgery: Expert Consult: Online and Print. 3rd Edition. London: Churchill Livingstone, 2008 <strong>4</strong> Boland JM et al: Intrathoracic peripheral nerve sheath tumors - a clinicopathological study of 75 cases. Hum Pathol 2015; 46(3): 419-25 <strong>5</strong> Chan KL et al: Update and new approaches in the treatment of Castleman disease. J Blood Med 2016; 7: 145-58 <strong>6</strong> Michaelides SA et al: Cavitating lung lesion as a manifestation of inflammatory tumor (pseudotumor) of the lung: a case report and literature review. Am J Case Rep 2014; 15: 258-65 <strong>7</strong> King RM et al: Primary chest wall tumors: factors affecting survival. Ann Thorac Surg 1986; 41(6): 597-601</p>
</div>
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