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Relevante Studien beim Nierenzellkarzinom im Fokus
Jatros
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12.04.2018
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<p class="article-intro">Für JATROS Hämatologie & Onkologie gab Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger, Medizinische Universität Wien, ein Interview über ihre Highlights und über wichtige neue Entwicklungen beim Nierenzellkarzinom (NZK), die auf dem ASCO GU in San Francisco präsentiert wurden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><strong>Zur Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mNZK) stehen derzeit verschiedene Kombinationstherapien mit modernen immuntherapeutischen Substanzen auf dem Prüfstand. Ein Highlight auf dem ASCO GU waren die Ergebnisse der Phase-III-Studie IMmotion151 zur Kombination von Atezolizumab plus Bevacizumab versus Sunitinib in der Erstlinientherapie.<sup>1</sup> Was war die Rationale für den Einsatz dieser Kombination und wie bewerten Sie die Studienergebnisse?</strong></p> <p><strong>M. Schmidinger:</strong> Die Rationale für die Kombination dieser beiden Substanzen war, dass die T-Zell-mediierte Tumorzellzerstörung, die durch Checkpoint- Inhibitoren ermöglicht wird, durch bestimmte Eigenschaften einer Anti- VEGFR-Therapie verstärkt werden kann, wie z.B. durch die Normalisierung des Tumorgefäßbettes und die dadurch verbesserte Infiltration der T-Zellen in den Tumor sowie auch durch immunmodulierende Eigenschaften der VEGFR-Inhibition. Die Tumor-Mikroumgebung wird sozusagen für den T-Zell-Angriff vorbereitet.<br /> Mit der IMmotion151-Studie liegen uns nun die ersten Phase-III-Daten zur Kombination aus Checkpoint-Inhibitor und Anti-VEGF-Antikörper vor. Die Patienten erhielten entweder alle drei Wochen Atezolizumab 1200mg i.v. plus Bevacizumab 15mg/kg oder den Erstlinienstandard Sunitinib 50mg täglich für 4 Wochen, jeweils gefolgt von 2 Wochen Pause. Primäre Endpunkte waren das durch die Prüfärzte beurteilte progressionsfreie Überleben (PFS) bei PD-L1-positiven Patienten und das Gesamtüberleben (OS) in der ITT-Population. Als sekundäre Endpunkte galten PFS in der ITT-Population, OS in der PD-L1-positiven Gruppe, Ansprechraten und Ansprechdauer, PFS und Ansprechen im verblindeten, unabhängigen zentralen Review sowie Sicherheit und Lebensqualität.<br /> Die Kombination von Atezolizumab plus Bevacizumab verlängerte signifikant das PFS in der PD-L1-positiven Gruppe von 7,7 Monaten unter Sunitinib auf 11,2 Monate (Abb. 1), die Daten zum OS waren noch nicht reif. In der unabhängigen zentralen Analyse ergab sich jedoch kein signifikanter Unterschied im PFS bei PD-L1-positiven Patienten, wobei dies aber nur ein sekundärer Endpunkt war. Die Studie wirft derzeit eher mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Kombination bereits jetzt schon für eine Zulassung reif ist. Sollte sie in die Erstlinientherapie kommen, dann wird sie wahrscheinlich in Bezug auf die Nebenwirkungen im indirekten Vergleich mit Nivolumab plus Ipilimumab günstig abschneiden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1802_Weblinks_jatros_onko_1802_s15_abb1.jpg" alt="" width="1455" height="968" /></p> <p><strong>Gab es zur Kombinations-Immuntherapie noch weitere interessante Studien?</strong></p> <p><strong>M. Schmidinger:</strong> Es wurden mehrere Phase-Ib/II-Studien ebenfalls zur kombinierten Checkpoint-/VEGF-Inhibition vorgestellt, allen voran Pembrolizumab in Kombination mit dem hochpotenten Anti-VEGF-TKI Axitinib mit einer Responserate von 73,1 % .<sup>2</sup> Eine weitere interessante Kombination mit frühen Daten ist Nivolumab plus Tivozanib, die eine Ansprechrate von 64,3 % zeigte.<sup>3</sup> Tivozanib ist ein hochpotenter und sehr gut verträglicher VEGF-Inhibitor, von dem bereits seit 2013 Daten als Monosubstanz vorliegen, der aber erst kürzlich für die Erstlinientherapie des mNZK zugelassen wurde.</p> <p><strong>Was kann man sich von den immunologischen Kombinationen in Zukunft erwarten?</strong></p> <p><strong>M. Schmidinger:</strong> Die Kombinationsstudien sind generell sehr vielversprechend, es sind aber hierzu noch sehr viele Fragen offen. Man darf auch nicht vergessen, dass die Studien einem starken Bias durch die großen Erwartungen des jeweiligen Sponsors ausgesetzt sind: Erstens soll die Studie positiv ausfallen, da sehr viel Geld investiert wurde. Und zweitens soll sich die jeweilige Kombination aufgrund der vielen parallel laufenden Kombinationsstudien im Idealfall von den anderen Kombinationen abheben. Dies ist auch der Grund, warum es in diesen Studien extrem viele Endpunkte gibt. Diese multiplen Endpunkte können aber auch von Nachteil sein, wie es z.B. in der genannten IMmotion151- Studie<sup>1</sup> der Fall war, wo die Bewertung des primären Endpunktes durch die Prüfärzte gegenüber der unabhängigen zentralen Analyse zu unterschiedlichen Ergebnissen führte.<br /> Diese Studien werden auch nicht die Fragen beantworten können, ob jeder Patient prinzipiell eine Kombinationstherapie braucht – und wenn ja, welche Kombination – und ob wir die Patienten basierend auf dem Risikoprofil (IMDCKriterien) oder anhand des PD-L1-Status einer Therapie zuordnen sollen. Die Zukunft wird sicher sein, dass man molekulare Analysen durchführt, wie z.B. eine individuelle Immunphänotypisierung des Tumors oder ein Transkriptom- Profiling mit Mikroarrays. Vorstellbar wäre, dass z.B. bei einem Tumor mit starker PD-L1-Expression und hoher Mutationslast in Zukunft eine alleinige Anti-PD-L1-Therapie ausreichend sein könnte. Patienten, bei denen im Tumor keine geeigneten Zielstrukturen für zielgerichtete Therapien gefunden werden, könnten andererseits mit einer Kombination aus Checkpoint-Inhibitor plus Chemotherapie oder Strahlentherapie behandelt werden, damit Antigene freigesetzt werden, die dann von den T-Zellen erkannt werden können. Wiederum andere Patienten benötigen eben einen Checkpoint-Inhibitor in Kombination mit einer Anti-VEGF-Therapie, wenn z.B. aufgrund der sehr starken Durchblutung des Tumors keine T-Zellen in den Tumor einwandern können.</p> <p><strong>Eine neue Behandlungsstrategie – die Therapieoptimierung von Checkpoint- Inhibitoren mittels Darmbakterien – scheint beim mNZK stark im Kommen zu sein. Wie sehen Sie diese Entwicklung?</strong></p> <p><strong>M. Schmidinger:</strong> Man weiß, dass das Darmmikrobiom die lokale und systemische Inflammation beeinflusst und dass eine Inflammation immer zur Krebsentstehung, Krebsprogression und Metastasierung beiträgt. Es wurde bereits früher gezeigt, dass die Wirksamkeit von Checkpoint-Inhibitoren durch eine gleichzeitige Antibiotika-Einnahme vermindert wird. Beim ASCO-GU wurde nun eine Studie präsentiert, in der dieser Zusammenhang speziell bei Nierenkrebspatienten unter Nivolumab-Therapie untersucht wurde.<sup>4</sup> Dazu wurden Stuhl- und Blutproben, die zu Beginn, nach 4 und 12 Wochen genommen wurden, in Relation zur Nivolumab-Therapie untersucht. Im Vergleich zu Patienten, die nicht auf Nivolumab angesprochen hatten, waren bei jenen mit gutem Ansprechen zwei Darmbakterienstämme stärker vertreten. Laut Autoren müsse man darüber nachdenken, zur Optimierung des Outcomes mit Checkpoint-Inhibitoren diese Bakterienstämme oral, z.B. in Pulverform, zuzuführen. Auch ich bin der Meinung, dass diese Strategie stark im Kommen ist.</p> <p><strong>Was gibt es aus Ihrer Sicht Neues zur Zweitlinientherapie des mNZK zu berichten?</strong></p> <p><strong>M. Schmidinger:</strong> Es gab neue Daten zum Anti-VEGF-TKI Axitinib, der allerdings nach der Zulassung von Nivolumab und Cabozantinib in der Zweitlinie nur mehr eine Option darstellt. Vorgestellt wurde eine exploratorische Post-hoc- Analyse aus der Phase-III-Studie AXIS<sup>5</sup>, in der untersucht wurde, welche Patienten besonders von Axitinib profitierten im Vergleich zu Sorafenib. Es waren jene Patienten mit geringer Tumorlast, mit günstigem oder intermediärem Risiko ohne Leber- und Knochenmetastasen, die ein PFS von 13,9 Monaten erreichten (vs. 4,7 Monate). In einer zweiten Studie mit Axitinib in der Zweitlinientherapie speziell bei Patienten mit günstigem Risikoprofil war das mediane PFS auch nach einem medianen Followup von 16 Monaten noch nicht erreicht.<sup>6</sup></p> <p><strong>Wurden auch neue Studienergebnisse zum nicht klarzelligen Nierenzellkarzinom präsentiert?</strong></p> <p><strong>M. Schmidinger:</strong> Hierzu gab es eine retrospektive Analyse<sup>7</sup> zur klinisch wichtigen Frage, ob Patienten mit nicht klarzelligem Nierenzellkarzinom eine zytoreduktive Nephrektomie erhalten sollen, die im metastasierten Stadium an sich als Standard gilt. Die Grundlage dafür bilden jedoch Daten, die auf Patienten mit klarzelliger Histologie beruhen. Bei Patienten mit papillärem bzw. nicht klarzelligem mNZK erfolgt meist genauso eine Zytoreduktion, Daten dazu gab es bisher aber nicht. Die Autoren verglichen retrospektiv das Überleben von fast 9000 Patienten mit und ohne Nephrektomie, darunter 647 Patienten mit papillären Karzinomen. Bei Patienten mit nicht klarzelligem Nierenkarzinom, die eine zytoreduktive Nephrektomie erhalten hatten, war das mediane OS signifikant länger als bei Patienten ohne Nephrektomie (16,3 vs. 8,6 Monate) (Abb. 2). Auch wenn es sich hier nur um retrospektive Daten handelt, bestätigt dies die bisherige klinische Praxis, dass auch beim nicht klarzelligen Nierenkarzinom unbedingt eine Nephrektomie angestrebt werden sollte.<br /> Vielversprechend waren auch die ersten Daten einer Studie mit dem ALK/ MET-Inhibitor Crizotinib<sup>8</sup> beim nicht klarzelligen Nierenzellkarzinom, wobei aber nur Patienten mit dem papillären Typ 1 eingeschlossen wurden. Der Typ 1 wird mit einer Aktivierung des c-METSignalweges assoziiert. Bisher wurden aber nur wenige Patienten eingebracht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Hälfte der Patienten mit starker METExpression eine objektive Remission unter Crizotinib erreichte.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1802_Weblinks_jatros_onko_1802_s15_abb2.jpg" alt="" width="1457" height="840" /></p> <p><strong>Zum Schluss möchte ich noch zur adjuvanten TKI-Therapie des Nierenzellkarzinoms schwenken, wo es bisher noch keine durchschlagenden Erfolge gab. Wie ist hier der aktuelle Stand?</strong></p> <p><strong>M. Schmidinger:</strong> Wir haben mit ASSURE, S-TRAC und PROTECT bisher drei abgeschlossene adjuvante Studien, bei denen nur Sunitinib in der S-TRACStudie ein signifikant verlängertes krankheitsfreies Überleben (DFS) gegenüber Placebo zeigte. Die beiden anderen Studien – ASSURE mit Sunitinib oder Sorafenib versus Placebo und PROTECT mit Pazopanib versus Placebo – waren in Bezug auf das DFS negativ. Beim ASCO GU wurde eine Metaanalyse<sup>9</sup> zu den bisherigen adjuvanten Studien präsentiert, die zeigte, dass man mit Sunitinib das DFS verlängern kann, allerdings nur bei klarzelliger Histologie. In Bezug auf das OS gibt es nach wie vor kein Signal. Für die Patientenselektion auch die adjuvante Therapie betreffend hat man in ASSURE, der ersten adjuvanten Studie mit Ergebnissen, gesehen, dass es zu einer erhöhten Mortalität bei Frauen über 56 Jahre kommt. Erklärt wurde dies mit einem höheren Rezidivrisiko aus unbekannten Gründen.<br /> Erwähnen möchte ich auch noch die Ergebnisse einer aufschlussreichen Patientenumfrage<sup>10</sup>, bei der 450 Nierenkrebspatienten zur Tatsache befragt wurden, dass es eine adjuvante Therapie gibt. 24 % der Befragten würden nur dann eine adjuvante Therapie annehmen, wenn diese einen Überlebensvorteil bringt. Die Toxizität war kein großes Thema für die Patienten.</p> <p><strong><em>Vielen Dank für das Gespräch!</em></strong></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Motzer RJ et al.: IMmotion151: a randomized phase III study of atezolizumab plus bevacizumab vs sunitinib in untreated metastatic renal cell carcinoma (mRCC). ASCO GU 2018, Abstract 578 <strong>2</strong> Atkins MB et al.: Safety and efficacy of axitinib (axi) in combination with pembrolizumab (pembro) in patients (pts) with advanced renal cell cancer (aRCC). ASCO GU 2018, Abstract 579 <strong>3</strong> Escudier B et al.: Tivozanib combined with nivolumab: phase Ib/II study in metastatic renal cell carcinoma (mRCC). ASCO GU 2018, Abstract 618 <strong>4</strong> Maia MC et al.: Association of microbiome and plasma cytokine dynamics to nivolumab response in metastatic renal cell carcinoma (mRCC). ASCO GU 2018, Abstract 656 <strong>5</strong> Bracarda S et al.: Optimizing axitinib treatment selection following first-line sunitinib in metastatic renal cell carcinoma. ASCO GU 2018, Abstract 589 <strong>6</strong> Tsimafeyeu I et al.: A FavorAx study of axitinib in favorable risk patients with metastatic renal cell carcinoma. ASCO GU 2018, Abstract 666 <strong>7</strong> Graham J et al.: Cytoreductive nephrectomy in metastatic papillary renal cell carcinoma: results from the International Metastatic Renal Cell Carcinoma Database Consortium (IMDC). ASCO GU 2018, Abstract 581 <strong>8</strong> Schöffski P et al.: Effect of crizotinib on disease control in patient with advanced papillary renal cell carcinoma type 1 with MET mutations or amplification: final results of EORTC 90101 CREATE. ASCO GU 2018, Abstract 580 <strong>9</strong> Almeida VA et al.: Meta-analysis of randomized clinical trials (RCT) for the adjuvant treatment of high-risk clear cell renal carcinoma (RCC) with vascular endothelial growth factor receptor tyrosine-kinase inhibitors (VEGFR TKIs). ASCO GU 2018, Abstract 660 <strong>10</strong> Battle D et al.: Patients perspectives on adjuvant therapy</p>
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