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PSA-basiertes Screening 2018

<p class="article-intro">Mit einer Inzidenz von etwa 5000 Neuerkrankungen pro Jahr in Österreich, einer karzinomspezifischen Mortalität von 1300 Männern pro Jahr und einer Prävalenz von 60 000 Männern ist das Prostatakarzinom das bei Weitem häufigste Malignom des Mannes, was die klinische Relevanz dieser Erkrankung unterstreicht. Seit der Einführung des prostataspezifischen Antigens (PSA) zur Frühdiagnostik des Prostatakarzinoms (PKa) vor ca. 25 Jahren wird die Rolle des PSA-basierten Prostatakarzinom-Screenings kontroversiell diskutiert.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Keine Empfehlung f&uuml;r ein PSAbasiertes Massenscreening</li> <li>PSA-Test bei M&auml;nnern nach ausf&uuml;hrlicher Aufkl&auml;rung &uuml;ber Vor- und Nachteile</li> <li>Individualisierte Screeningintervalle, mpMRT und aktives Beobachten einsetzen</li> </ul> </div> <p>In den letzten 20 Jahren wurden zwei gro&szlig;e prospektiv randomisierte Screeningstudien (ERSPC, PLCO) mit circa 240 000 inkludierten Patienten durchgef&uuml;hrt und mehrfach publiziert. Der Konsens aus beiden Studien (vor allem der methodisch aussagekr&auml;ftigeren europ&auml;ischen ERSPC) ist, dass ein PSA-basiertes Screening die Prostatakarzinom-spezifische Mortalit&auml;t relativ um 20 % , absolut jedoch nur um 0,1 % reduziert. Der wesentliche Kritikpunkt an einem PSA-basierten PKa-Massenscreening ist die hohe Rate an &Uuml;berdiagnose und &Uuml;bertherapie. Dar&uuml;ber hinaus weist der PSA-Test (z.B. bei einem Cut-off von 3,0ng/ml) einen hohen falsch positiven pr&auml;diktiven Wert von 70&ndash;80 % und einen falsch negativen pr&auml;diktiven Wert von 20&ndash;30 % auf. Keine medizinische Fachgesellschaft empfiehlt deshalb derzeit ein PSA-basiertes Massenscreening.</p> <h2>Individualisierte PSA-Bestimmung</h2> <p>Trotz der diversen o.a. Kritikpunkte an einem PSA-basierten PKa-Massenscreening ist der hohe pr&auml;diktive Wert von PSA hinsichtlich der zuk&uuml;nftigen Entwicklung eines Prostatakarzinoms unbestritten. Dies triff vor allem f&uuml;r j&uuml;ngere M&auml;nner (um das 45. bis 50. Lebensjahr) zu, da zu diesem Zeitpunkt der PSA-Wert noch nicht so stark durch die BPH-Komponente verf&auml;lscht ist. Liegt der PSA-Wert unter 0,5ng/ml (dies trifft etwa auf die H&auml;lfte der M&auml;nner in dieser Altersgruppe zu), so ist das Risiko, an einem PKa in den n&auml;chsten 20 Jahren zu sterben, &auml;u&szlig;erst gering. Mit steigendem PSA-Wert steigt dieses Risiko nahezu linear an. Dieses Wissen setzt man hinsichtlich der entsprechenden Screeningintervalle um. Diese risikoadaptierten Screeningintervalle reduzieren signifikant die erforderlichen Screeningintervalle f&uuml;r einen Gro&szlig;teil der M&auml;nner und reduzieren damit Kosten.</p> <h2>&Uuml;berdiagnose</h2> <p>Die Pr&auml;valenz eines PKa steigt mit dem Alter nahezu linear: Im 80. Lebensjahr ist beinahe bei jedem Patienten ein PKa histologisch nachweisbar. Aufgrund dieser Tatsache birgt das PSA-Screening die Gefahr der Diagnose von Karzinomen, die den Patienten nie vital gef&auml;hrdet h&auml;tten. In den Screeningstudien konnte eine Inzidenzsteigerung von etwa 60 % gezeigt werden. Um dieses Risiko so gering wie m&ouml;glich zu halten, sollte nicht jeder erh&ouml;hte PSA-Wert (vor allem im Graubereich zwischen 4 und 10ng/ml) unmittelbar zu einer Prostatabiopsie f&uuml;hren, sondern zun&auml;chst in einem Abstand von 6&ndash;8 Wochen wiederholt werden (&bdquo;ein erh&ouml;hter PSA-Wert ist kein erh&ouml;hter PSA-Wert&ldquo;). Behandelbare Ursachen f&uuml;r eine PSA-Erh&ouml;hung (z.B. Harnwegsinfekt, akute/ chronische Prostatitis, physikalische Ursachen) m&uuml;ssen ebenfalls vorab ausgeschlossen werden.<br /> Zunehmend wird heute eine multiparametrische MRT (mpMRT) vor geplanter Erstbiopsie der Prostata durchgef&uuml;hrt. Die Basis f&uuml;r diese Empfehlung liefert u.a. eine aussagekr&auml;ftige Phase-III-Studie (PRECISION- trial), welche Mitte 2018 im &bdquo;New England Journal of Medicine&ldquo; publiziert wurde. In dieser Studie wurde die konventionelle Ultraschall-gezielte 12-fach-Biopsie mit dem Konzept eines mpMRT und &ndash; sofern im mpMRT suspekte Areale nachgewiesen werden konnten &ndash; einer sogenannten Fusionsbiopsie verglichen. Im Zuge der Fusionsbiopsie werden die mpMRTBilder mit den konventionellen transrektalen US-Bildern fusioniert, damit k&ouml;nnen die im mpMRT identifizierten suspekten Areale gezielt biopsiert werden. In der o.a. randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz des mpMRT etwa 30 % der Biopsien vermieden werden k&ouml;nnen, da im mpMRT kein suspektes Areal nachweisbar war. Jene Patienten, die mittels der Fusionstechnik biopsiert wurden, zeigten eine h&ouml;here Rate an klinisch relevanten (Gleason Score &gt;6) PKa und weniger klinisch insignifkanten PKa (Gleason Score 6). Zusammenfassend bedeuten diese Daten, dass mittels mpMRT und Fusionsbiopsie etwa jede 3. Biopsie vermieden werden kann (dies f&uuml;hrt zu einer signifikanten Kostenreduktion und vermindert die Biopsie-assoziierte Morbidit&auml;t). Dar&uuml;ber hinaus sind die Fusionsbiopsien viel treffsicherer, vor allem da weniger insignifikante Tumoren detektiert werden und damit ein wesentlicher Kritikpunkt des PSA-basierten Screenings (&Uuml;berdiagnose) abgeschw&auml;cht wird.</p> <h2>&Uuml;bertherapie</h2> <p>Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt des PSA-basierten Screenings ist die &Uuml;bertherapie, da in den meisten industrialisierten L&auml;ndern die Prostatakarzinomdiagnose nahezu zwingend eine aktive Therapie (radikale Prostatektomie, Strahlentherapie) mit entsprechender Morbidit&auml;t nach sich zieht. In diesem Zusammenhang muss das Konzept der aktiven &Uuml;berwachung (&bdquo;active surveillance&ldquo;, AS) diskutiert werden. Dieses Therapiekonzept sieht vor, Patienten mit einem Niedrig-Risiko-PKa (PSA 10,0ng/ml; Gleason Score 6 in der Prostatabiopsie; die Anzahl der positiven Biopsiezylinder wird kontroversiell diskutiert) prim&auml;r nur zu beobachten und regelm&auml;&szlig;ig mittels Serum-PSA und Prostatabiopsie nachzukontrollieren. Zunehmend wird auch bei der AS der mpMRT eingesetzt, vor allem um die Anzahl der Kontrollbiopsien zu reduzieren. In der PROTECT- Studie (New Engl J Med, 2016) wurden &gt;1500 Patienten in drei Studienarme (AS, radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie) randomisiert und f&uuml;r 10 Jahre nachverfolgt. Nach 10 Jahren war das Karzinom-spezifische &Uuml;berleben &gt;99 % in allen drei Studienarmen ident. Innerhalb von 10 Jahren brach etwa die H&auml;lfte der Patienten die AS ab und erhielt in der Regel eine radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie. Die PROTECT-Studie belegt Sicherheit und Effizienz der AS auf der Basis einer randomisierten Studie. In den skandinavischen L&auml;ndern betr&auml;gt die Akzeptanz der AS bei Niedrig-Risiko-PKa-Patienten &gt;90 % . Aus &Ouml;sterreich liegen diesbez&uuml;glich keine verl&auml;sslichen Daten vor, Sch&auml;tzungen zufolge jedoch unter 20 % . Die PROTECT-Studie konnte Sicherheit und Effizienz der AS nachweisen und die AS ist derzeit die einzige M&ouml;glichkeit, das Risiko einer &Uuml;bertherapie zu minimieren.</p> <h2>Empfehlungen zur PSA-Bestimmung</h2> <p>Auch nach &uuml;ber 20 Jahren wird die Rolle der PKa-Fr&uuml;herkennung mittels PSA und digitorektaler Untersuchung nach wie vor kontroversiell diskutiert. Alle relevanten Leitlinien schlagen einen individualisierten Zugang vor: M&auml;nner ab dem 45. Lebensjahr und einer projizierten Lebenserwartung von &gt;10 Jahren sollten im Detail &uuml;ber die Vor- und Nachteile einer PSABestimmung aufgekl&auml;rt werden. Auch die US-Preventive Services Task Force empfiehlt dieses Vorgehen und bietet auf ihrer Internetseite eine f&uuml;r Patienten anschauliche Illustration der positiven und negativen Effekte einer PSA-basierten PKa- Vorsorge: Von 1000 gescreenten Patienten haben 240 einen positiven Effekt und bei 100 Patienten wird ein PKa diagnostiziert. Von diesen 100 Patienten erhalten 80 % eine aktive Therapie mit der Gefahr von Therapie-assoziierten Nebenwirkungen (Harninkontinenz, erektile Dysfunktion); bei insgesamt 3 Patienten kann die Metastasenbildung durch das Screening verhindert werden und bei einem kann der Tod aufgrund eines PKa verhindert werden.<br /> Bei M&auml;nnern mit einer projizierten Lebenserwartung von &lt;10 Jahren bzw. bei einem Alter &gt;70&ndash;75 Jahre ist die PSABestimmung im Sinne einer PKa-Fr&uuml;herkennung nicht angezeigt. Die Screeningintervalle richten sich nach der H&ouml;he des PSA-Wertes. Die S3-Leitlinie der deutschen Urologen schl&auml;gt folgende Intervalle vor: PSA &lt;1,0ng/ml: 4 Jahre, PSA 1&ndash;2ng/ml: 2 Jahre und PSA &gt;2ng/ml: j&auml;hrlich. MpMRT und aktive &Uuml;berwachung reduzieren das Risiko von &Uuml;berdiagnose und &Uuml;bertherapie. Trotz aller &ndash; zum Teil berechtigten &ndash; Kritik an einer PSA-basierten PKa-Vorsorge muss zum Abschluss betont werden, dass ein PKa in einem Fr&uuml;h- &ndash; und damit kurablen klinischen &ndash; Stadium nur mittels einer PSAbasierten Vorsorgeuntersuchung diagnostiziert werden kann.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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