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Prognostische Faktoren beim malignen Pleuramesotheliom
Leading Opinions
Autor:
Dr. sc. hum. Michaela Kirschner
Klinik für Thoraxchirurgie<br> UniversitätsSpital Zürich<br> E-Mail: michaela.kirschner@usz.ch
30
Min. Lesezeit
28.11.2019
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<p class="article-intro">Die Überlebensprognose für Patienten mit malignem Pleuramesotheliom ist weiterhin nicht vielversprechend. Zudem ist die Prognosestellung nach wie vor recht schwierig, folglich können auch Entscheidungen für oder wider bestimmte Therapieansätze erschwert sein. Forschungsbemühungen der letzten 20 Jahre haben zwar immer wieder prognostische Biomarker-Kandidaten identifiziert, jedoch ist bis heute keiner dieser postulierten Faktoren in der klinischen Routine zur Anwendung gekommen. Allerdings haben molekulare Profilingstudien vielversprechende Kandidaten identifiziert, die nun prospektiv validiert werden müssen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Aktuell verwendete prognostische Faktoren für MPM erlauben nur eine vage Vorhersage über das Überleben.</li> <li>Neue prognostische Faktoren, mittels derer genauere Prognosen innerhalb histologischer Subtypen möglich sind, werden dringend benötigt.</li> <li>Molekulares Profiling kann solche prognostischen Faktoren identifizieren.</li> <li>Unabhängige und prospektive Validierung in internationalen Studien ist notwendig, um Biomarker-Kandidaten aus der Forschung in die klinische Anwendung zu bringen.</li> </ul> </div> <h2>Prognose beim MPM</h2> <p>Patienten mit malignem Pleuramesotheliom (MPM) weisen grundsätzlich eine schlechte Prognose auf, was sich in einem maximalen mittleren Überleben von 18 Monaten bei Patienten, die mittels multimodaler Therapieansätze behandelt wurden, widerspiegelt. Die Hauptgründe für die schlechte Prognose liegen in einer intrinsischen Resistenz gegen Chemo- und Strahlentherapie sowie in der Tatsache, dass eine Diagnose in den meisten Fällen erst in fortgeschrittenem Tumorstadium gestellt wird.</p> <h2>Validierte prognostische Faktoren</h2> <p>Der bis heute am häufigsten angewandte und verlässlichste prognostische Faktor ist der histologische Subtyp, wobei epithelioide MPM die beste Prognose aufweisen, gefolgt von biphasischen und sarkomatoiden MPM. Darüber hinaus zeigen Patienten mit Erkrankung im Frühstadium, die jüngeren Alters (<60–65 Jahre) und weiblichen Geschlechts sind, generell eine bessere Prognose. Vor bereits 20 Jahren wurden einige dieser klinischen prognostischen Faktoren mit weiteren, überwiegend Blutbild-basierten Faktoren in zwei von der European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC)<sup>1</sup> und der Cancer and Leukemia Group B (CALGB)<sup>2</sup> vorgeschlagenen Prognose-Modellen kombiniert. Obwohl diese prognostischen Faktoren unabhängig validiert wurden und auch heute noch Gültigkeit haben, sind sie nicht geeignet, genaue Aussagen über die Prognose des einzelnen Patienten zu treffen.</p> <h2>Experimentelle prognostische Faktoren – Stand der Forschung</h2> <p>Mit dem Ziel, genauere und verlässlichere prognostische Faktoren zu identifizieren, wurden in den letzten Jahren viele Studien durchgeführt und eine Flut an Kandidaten vorgeschlagen.<sup>3</sup> Dabei wurden verschiedenste Biomarker-Typen evaluiert, angefangen bei Entzündungswerten wie C-reaktivem Protein oder der Neutrophilen- Lymphozyten-Ratio über die Tumorexpression verschiedenster Proteine (z. B. «epidermal growth factor receptor», p53 oder «thymidylate synthase» [TS]) und Gene (z. B. «excision repair cross-complementing 1» [ERCC1]) bis hin zur Analyse von tumor- oder blutbasierten mikroRNAs sowie Radiomics-basierten Analysen radiologischer Bilder.<sup>4</sup><br /> Jedoch findet sich bis heute keiner dieser Kandidaten in routinemässiger klinischer Anwendung. Die Hauptgründe für diese fehlende Translation der Forschungsergebnisse in klinische Routine sind vor allem eine fehlende unabhängige und prospektive Validierung vorgeschlagener Kandidaten sowie widersprüchliche Ergebnisse in Fällen, in denen Validierungsstudien durchgeführt wurden (Beispiel ERCC1 und TS<sup>3</sup>). Ein weiteres Problem mit einem Grossteil der vorgeschlagenen Biomarker liegt darin, dass sie häufig nur in univariaten, nicht jedoch in multivariaten Analysen statistische Signifikanz erreichen, was darauf hindeutet, dass es sich nicht um unabhängige Marker handelt.<sup>3</sup><br /> Häufig ist das prognostische Potenzial der Marker dann auch vom histologischen Subtyp abhängig, weshalb sie nicht geeignet sind, eine Prognose über das Überleben innerhalb einer histologischen Untergruppe zu treffen. Aber genau hierin liegt eine der Hauptherausforderungen, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen: Wir sind nicht in der Lage, diejenigen epithelioiden Patienten zu identifizieren, die eine schlechtere Prognose aufweisen als normalerweise für ein epithelioides Mesotheliom zu erwarten wäre, oder im Gegensatz dazu auch diejenigen der sarkomatoiden Patienten, welche eine bessere als zu erwartende Prognose haben. Die Identifizierung dieser Patienten bzw. ganz allgemein eine genauere Prognosestellung innerhalb histologischer Untergruppen ist jedoch essenziell, um den Patienten letztendlich ein optimales auf sie zugeschnittenes Therapiekonzept, sprich personalisierte Medizin, zukommen zu lassen.<br /> Ideal geeignet für die Identifizierung prognostischer Biomarker, die auch innerhalb histologischer Subtypen Untergruppen mit besserer und schlechterer Prognose unterscheiden können, sind Ansätze wie genetisches Profiling mittels «Next Generation Sequencing» oder weiterer «omics-Analysen» wie z. B. Proteomics. Mittels dieser Analysen, die in den letzten Jahren auch immer häufiger beim MPM angewendet werden, ist es möglich, feine Unterschiede auf molekularer Ebene zu identifizieren, die es uns erlauben könnten, eine Aussage über die Prognose der Patienten unabhängig vom histologischen Subtypen zu treffen.<br /> Tatsächlich wurde vor 5 Jahren mittels Transkriptom-Analyse eine Genexpressions- Signatur, die sogenannte C1/C2-Klassifizierung identifiziert, mittels derer es möglich ist, diejenigen epithelioiden Patienten zu identifizieren, die eine schlechtere Prognose aufweisen.<sup>5</sup> Zwei Jahre später zeigte eine weitere Transkriptom- Studie dann, dass basierend auf molekularer Klassifizierung eine Untergruppe an Patienten mit histologisch epithelioidem MPM mehr Ähnlichkeit mit biphasischen Patienten aufweist. Diese molekular biphasischen Patienten zeigen ein deutlich schlechteres Überleben als die auch auf molekularer Ebene als epithelioid klassifizierten Patienten.<sup>6</sup> Die ersten Analysen der im Rahmen des Programms «The Cancer Genome Atlas» (TCGA) gewonnenen Daten zeigten dann ebenfalls, dass auf molekularer Ebene auch innerhalb der epithelioiden Patienten Untergruppen mit unterschiedlichem Überleben identifiziert werden können.<sup>7</sup> Nicht zuletzt wurde in einer auf die C1/C2-Klassifizierung aufbauende Studie gezeigt, dass es mittels des transkriptomischen Profils möglich ist, diese C1/C2-Untergruppen noch weiter aufzuteilen und genauere Prognosen auch innerhalb der Untergruppe histologisch epithelioider Patienten zu treffen.<sup>8</sup> Interessanterweise gibt es trotz Anwendung unterschiedlicher Auswertungsstrategien auf nur teilweise überlappende Patientenkohorten eindeutige Überschneidungen bei den in diesen Studien identifizierten Biomarker-Kandidaten (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1906_Weblinks_lo_onko_1906_s13_tab1_kirschner.jpg" alt="" width="550" height="439" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Eine unabhängige und vor allem prospektive Validierung der Biomarker-Kandidaten aus diesen vier Studien ist zwar noch ausstehend, jedoch zeigen die erhobenen Daten gemeinsam mit weiteren auf der 20<sup>th</sup> IASCL World Conference on Lung Cancer vorgestellten Ergebnissen, dass molekulares Profiling ein hohes Potenzial in sich trägt, prognostische Biomarker zu identifizieren, die es uns erlauben, genauere Aussagen über das zu erwartende Überleben zu treffen. Zusätzlich können uns die aus solchen Studien gewonnenen Erkenntnisse auch bessere Einblicke in die dem Mesotheliom zugrunde liegenden molekularbiologischen Prozesse liefern, die es uns ermöglichen könnten, neue Ziele für zielgerichtete Therapieansätze und die assoziierten prädiktiven Biomarker zu identifizieren.<br /> Um diese vielversprechenden neuen Erkenntnisse in die klinische Anwendung zu bringen, muss nun die Validierung der beschriebenen Kandidaten proaktiv vorangetrieben werden, idealerweise im Rahmen internationaler Studien zur prospektiven Validierung in grossen Patientengruppen.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Herndon JE et al.: Factors predictive of survival among 337 patients with mesothelioma treated between 1984 and 1994 by the Cancer and Leukemia Group B. Chest 1998; 113(3): 723-31 <strong>2</strong> Curran D et al.: Prognostic factors in patients with pleural mesothelioma: the European Organization for Research and Treatment of Cancer experience. J Clin Oncol 1998; 16(1): 145-52 <strong>3</strong> Davidson B: Prognostic factors in malignant pleural mesothelioma. Hum Pathol 2015; 46(6): 789-804 <strong>4</strong> Armato SG et al.: Imaging in pleural mesothelioma: a review of the 14<sup>th</sup> International Conference of the International Mesothelioma Interest Group. Lung Cancer 2019; 130: 108-14 <strong>5</strong> de Reynies A et al.: Molecular classification of malignant pleural mesothelioma: identification of a poor prognosis subgroup linked to the epithelial-to-mesenchymal transition. Clin Cancer Res 2014; 20(5): 1323-34 <strong>6</strong> Bueno R et al.: Comprehensive genomic analysis of malignant pleural mesothelioma identifies recurrent mutations, gene fusions and splicing alterations. Nat Genet 2016; 48(4): 407-16 <strong>7</strong> Hmeljak J et al.: Integrative molecular characterization of malignant pleural mesothelioma. Cancer Discov 2018; 8(12): 1548-65 <strong>8</strong> Blum Y et al.: Dissecting heterogeneity in malignant pleural mesothelioma through histo-molecular gradients for clinical applications. Nat Commun 2019; 10(1): 1333</p>
</div>
</p>
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