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Praxisrelevante molekularpathologische Diagnostik am Beispiel des kolorektalen Karzinoms
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Gerald Höfler
Institut für Pathologie<br> Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: gerald.hoefler@klinikum-graz.at<br>
30
Min. Lesezeit
06.04.2017
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<p class="article-intro">Die molekularpathologische Untersuchung von Tumorgewebe hat sich in den letzten Jahren als ein äußerst wichtiger Bestandteil der Diagnostik herausgestellt, der als sogenanntes „prädiktives Testen“ das Ansprechen des Tumorgewebes auf eine Chemotherapie vorhersagen kann. So wird bereits in 35 % aller malignen Tumoren das Gewebe mit molekularpathologischen Methoden untersucht, um für den jeweiligen Tumortyp die passende Therapie auswählen zu können. </p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_web810x300_5.png" alt="" /></p> <p>Zu den häufigsten Tumoren, die mit diesen Methoden untersucht werden, zählen unter anderem Mammakarzinome, nicht kleinzellige Lungenkarzinome, zahlreiche hämatologische Malignome, gastrointestinale Stromatumoren und – last, but not least – kolorektale Karzinome. In der Tat ist das kolorektale Karzinom ein Musterbeispiel, wie europaweit in kurzer Zeit eine flächendeckende molekularpathologische Analytik etabliert werden kann, die eine optimale Versorgung der Patienten sicherstellt.</p> <h2>Präanalytik</h2> <p>Die gewebsbasierende molekulare Analyse besteht aus mehreren Schritten, wobei am Anfang immer die klinische Fragestellung steht. Bei einem Patienten mit bereits metastasiertem Kolonkarzinom wäre dies zum Beispiel eine beabsichtigte Therapie mit Antikörpern gegen den „epidermal growth factor receptor“ (EGFR). Die Aufgabe des Pathologen besteht nun in der Auswahl des relevanten Tumorgewebes. Hierbei stellt sich die Frage, ob die Untersuchung am Primärtumor oder an einer eventuell bereits biopsierten Metastase stattfinden soll. Entsprechend den international gültigen Richtlinien soll Material aus einer Metastase bevorzugt werden, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass dadurch die Diagnostik nicht verzögert wird. Vor allem bei Lebermetastasen von Kolonkarzinomen hat sich herausgestellt, dass eine äußerst hohe Konkordanz zwischen dem Primärtumor und der Metastase in Bezug auf den Mutationsstatus der RAS-Gene zu finden ist. Daher ist in diesem Fall die Untersuchung des Primärtumors ausreichend, wenn kein Material aus einer Metastase vorhanden ist. Nach der Auswahl des geeigneten Tumorgewebes wird ein relevantes Areal markiert, üblicherweise an einem mit Hämatoxylin-Eosin-gefärbten Gewebsschnitt (Abb. 1).<br />Hierbei müssen nekrotische Areale vermieden werden, generell sollten Tumor­areale ausgewählt werden, die einen hohen Anteil an Tumorzellen aufweisen. Die Prozentzahl der Tumorzellen wird bestimmt und sollte zumindest über dem Zweifachen des Detektionslimits liegen, die der verwendete molekulare Assay aufweist. Die Wichtigkeit der Auswahl des relevanten Tumorgewebes zeigte sich unter anderem an einer Untersuchung unseres Institutes, in dem 950 konsekutive Proben für KRAS-Mutationsanalyse evaluiert wurden. Hierbei zeigte sich, dass 23 % aller Proben weniger als 20 % Tumorzellen enthielten und somit für die klassische Sanger-Sequenzierung nur bedingt geeignet wären. Dank der Sensitivität der neuen Analyseverfahren hingegen ist eine geringe absolute Anzahl von Tumorzellen kaum limitierend. In der Regel sind 100–200 Zellen für eine Mutationsanalyse ausreichend.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s83.jpg" alt="" width="400" height="1076" /></p> <h2>Analysemethoden</h2> <p>Eine große Anzahl unterschiedlicher Methoden wird derzeit für die Mutationsanalyse verwendet. Am häufigsten werden heute noch die klassische Sanger-Technik, die Pyro-Sequenzanalyse oder Hybridisierungsmethoden sowie Schmelzpunktanalysen durchgeführt. Diese werden jedoch in steigendem Maß durch sogenannte Next-Genera­tion-Sequenziermethoden (NGS) abgelöst. Mit deren Hilfe ist es möglich, in einem Analyseverfahren viele Millionen von DNA-Abschnitten auf Veränderungen (Mutationen) zu untersuchen. Zu Beginn der RAS-Testung für das Kolonkarzinom (etwa in den Jahren 2009 bis 2013) war es noch ausreichend, lediglich die Codons 12 und 13 des KRAS-Gens zu analysieren. Weitere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass auch andere Codons des KRAS-Gens (59 bis 61, 117 und 146) sowie die äquivalenten Codons des NRAS-Gens gleichermaßen ein fehlendes Therapieansprechen vorhersagen können. Aus diesem Grund haben sich Multiplexanalysen durchgesetzt. Bei den heute relativ häufig verwendeten „Hotspot Panels“ werden neben den relevanten Abschnitten der KRAS- und NRAS-Gene noch weitere Gene untersucht, die in Zukunft für die molekulare Diagnostik des Kolonkarzinoms von Bedeutung sein werden. So ist z.B. die Analyse des BRAF-Gens als negativer Prädiktor bereits gut etabliert. Es ist zu erwarten, dass die Analyse weiterer Gene, wie z.B. des TP53-Gens, Bedeutung erlangen wird. Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Methoden ist aus Platzgründen hier nicht möglich. Wichtig ist es jedoch festzuhalten, dass die Analysemethoden eine sehr zuverlässige Mutationsdiagnostik ermöglichen, sodass in diesem Bereich extrem selten Fehler auftreten.</p> <h2>Der molekularpathologische Befund</h2> <p>Vor der endgültigen Diagnose wird der abschließende Gewebsschnitt untersucht, welcher nach den Schnitten, die für die molekulare Analyse verwendet wurden, hergestellt wurde. Dadurch wird sichergestellt, dass adäquates Tumormaterial für die molekularpathologische Analyse verwendet wurde. Von besonderer Bedeutung ist es, den Prozentsatz der mutierten Allele in Bezug zum Prozentsatz der Tumorzellen zu setzen. Dies dient als Plausibilitätskontrolle und sollte in den meisten Fällen (unter Voraussetzung eines euploiden Tumorgewebes) ca. die Hälfte des Prozentsatzes der Tumorzellen betragen. Dies deshalb, weil RAS-Mutationen üblicherweise heterozygot auftreten. In einigen Tumoren finden sich jedoch Abweichungen, diese können durch eine Aneuploidie (Vermehrung von Chromosomen) oder eine selektive Amplifikation des RAS-Genlokus bedingt sein. Wenn keine Mutation gefunden wird und der Prozentsatz der neoplastischen Zellen unter dem Doppelten des Detektionslimits des Assays liegt, muss diese Einschränkung in der Diagnose vermerkt werden, da ein falsch negatives Ergebnis nicht ausgeschlossen werden kann. In diesem Fall sollte eine andere Tumorgewebsprobe zur Analyse verwendet werden.</p> <h2>Qualitätssichernde Maßnahmen</h2> <p>Bei Analysen, die eine derartig hohe Bedeutung für die Diagnostik und Therapie haben, sind qualitätssichernde Maßnahmen unerlässlich. Die ersten europaweiten Ringversuche zur molekularpathologischen Diagnostik des Kolonkarzinoms wurden bereits im Jahr 2008 von der European Society for Pathology vorgeschlagen und werden seither jährlich durchgeführt. Zu erwähnen ist, dass bereits beim ersten derartigen Ringversuch alle zehn teilnehmenden österreichischen molekularpathologischen Laboratorien sämtliche Proben korrekt analysieren konnten. Neben den Ringversuchen, bei denen Tumorproben an die teilnehmenden Laboratorien verschickt und analysiert werden, ist auch der Vergleich des im jeweiligen Labor gefundenen Mutationsspektrums mit den Resultaten der anderen Laboratorien von großer Bedeutung. Zu diesem Zweck wurde von der Österreichischen Gesellschaft für Pathologie ein Register erstellt, in welches in Zukunft alle in Österreich tätigen molekularpathologischen Laboratorien ihre Daten eingeben können. Dieses in Europa noch einzigartige Register stellt einen weiteren Schritt zur Sicherung der Qualität in der molekularpathologischen Diagnostik dar.</p> <h2>Neue Methoden – zirkulierende Tumor-DNA</h2> <p>Als Alternative könnte sich in Zukunft die Analyse zirkulierender Tumor-DNA anbieten. Diese ist beim Lungenkarzinom schon relativ gut etabliert. Beim Dickdarmkarzinom liegen dafür allerdings noch keine ausreichenden Daten vor. Erste Untersuchungen haben jedoch zum Beispiel gezeigt, dass bei Patienten mit kolorektalem Karzinom im Stadium II das Vorhandensein zirkulierender Tumor-DNA einen äußerst schlechten unabhängigen prognostischen Faktor darstellt. In jedem Fall ist zur Untersuchung zirkulierender Tumor-DNA die Verwendung sehr sensitiver Analysemethoden notwendig.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die molekularpathologische Untersuchung ist ein essenzieller Bestandteil in der Diagnostik von Tumorgewebe für die personalisierte Medizin (Präzisionsmedizin).</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>beim Verfasser</p>
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