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Präzisionsradiotherapie mit Protonen und Kohlenstoffionen
Jatros
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Ulrike Mock
Zentrum für Ionentherapie, Wiener Neustadt<br> E-Mail: ulrike.mock@medaustron.at
30
Min. Lesezeit
25.05.2017
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<p class="article-intro">Im Unterschied zur herkömmlichen Strahlentherapie mit Photonen oder Elektronen zeichnet sich die Ionentherapie durch andere physikalische Eigenschaften aus (i.e. der sogenannte „Bragg peak“). Als Folge dieser unterschiedlichen Dosisverteilung (Abb. 1) ermöglicht die Ionentherapie eine Reduktion der Dosis im gesunden Gewebe vor dem Tumorareal bzw. die nahezu vollständige Vermeidung von Strahlung im gesunden Gewebe hinter dem Tumorareal. Als wesentlicher Unterschied zwischen Protonen und Kohlenstoffionen ist die vergleichsweise höhere biologische Wirksamkeit der Kohlenstoffionen zu nennen.</p>
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<p class="article-content"><h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1703_Weblinks_s79_abb1.jpg" alt="" width="1420" height="1089" /></h2> <h2>Klinisches Potenzial und Zukunftsperspektiven der Ionentherapie</h2> <p>Das klinische Anwendungsgebiet der Ionentherapie erstreckt sich im Allgemeinen auf Tumoren, welche in unmittelbarer Nähe von relativ strahlensensiblen Risikoorganen lokalisiert sind und daher mit der herkömmlichen Photonentherapie nur begrenzt behandelt werden können. In diesem Zusammenhang sind z.B. Tumoren der Schädelbasisregion als ein klassisches Indikationsspektrum zu nennen. Im Unterschied hierzu kann auch die Verminderung der therapiebedingten Nebenwirkungen durch die geringere Dosisbelastung des Normalgewebes die primäre Zielsetzung der Ionentherapie darstellen, während die verabreichte Ionentherapiedosis im Tumorbereich den Werten der herkömmlichen Strahlentherapie mit Photonen entspricht. Klassische Beispiele für diese Therapiestrategie stellen pädiatrische Tumoren dar. Bestrahlungen im Kindesalter gehen je nach Tumorlokalisation vergleichsweise häufig mit bleibenden Spätfolgen, wie z.B. Wachstumsstörungen oder Beeinträchtigungen des Hormonhaushalts, einher und können auch zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Zweittumors führen. Durch den Einsatz der Protonentherapie wird eine deutliche Reduktion dieser therapiebedingten Nebenwirkungen angestrebt.<br /> Die bisher genannten Beispiele für die klinische Anwendbarkeit der Ionentherapie stellen nur einen kleinen Ausschnitt des möglichen Behandlungsspektrums dar, welches sich insbesondere in den letzten Jahren deutlich erweitert hat. Als weitere klinisch erprobte und/oder mögliche Anwendungsgebiete gelten z.B. Tumoren der HNO-Region, adenoidzystische Tumoren, Bauchspeicheldrüsenkarzinome, unterschiedliche Stadien des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms, Sarkome, Leberzellkarzinome, selektionierte Fälle des Mammakarzinoms. Auch bei Bestrahlungen von rezidivierenden Tumoren kann Ionentherapie angewendet werden. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die bisherigen klinischen Erfahrungswerte (noch) auf vergleichsweise kleinen Patientengruppen basieren.</p> <h2>Situation und Zukunftsperspektiven in Österreich</h2> <p>Das Ionentherapiezentrum MedAustron in Wiener Neustadt ist das weltweit sechste Therapiezentrum, in welchem Protonen und Kohlenstoffionen zur Bekämpfung von unterschiedlichen Tumorerkrankungen eingesetzt werden sollen. Im Dezember 2016 wurde mit den ersten Patientenbehandlungen bzw. der klinischen Applikation von Protonen begonnen.<br /> Aktuell können in einem Behandlungsraum Protonen über einen horizontalen Fixstrahl appliziert werden, sodass die medizinischen Verwendungsmöglichkeiten noch limitiert sind. Im Verlauf von 2017 soll ein weiterer Behandlungsraum in Betrieb genommen werden, welcher mit einem horizontalen sowie vertikalen Fixstrahl ausgestattet ist. Zusätzlich sollen in absehbarer Zeit Kohlenstoffionen – und im Zuge der weiteren Inbetriebnahme auch ein Behandlungsraum mit einer Gantry – zur Verfügung stehen. Zielsetzung der Aktivitäten der kommenden Jahre ist es, die Therapiemöglichkeiten bzw. das Behandlungsspektrum kontinuierlich zu erweitern, um im Vollbetrieb etwa 1.000 Patienten pro Jahr mit einer Ionentherapie behandeln zu können.<br /> In der klinischen Praxis stellen bei MedAustron Schädelbasistumoren, Meningiome, adenoidzystische Karzinome sowie Sarkome oder Rebestrahlungen bei rezidivierenden Tumoren nach bereits erfolgter Photonentherapie die Schwerpunktindikationen für 2017 dar. Zusätzlich sollen ab ca. April 2017 pädiatrische Tumoren in das Behandlungsspektrum aufgenommen werden, wobei z.B. eine Bestrahlung der kraniospinalen Achse ca. Ende 2017 möglich sein wird. Analog zu den zunehmenden technischen Möglichkeiten im Verlauf der nächsten Jahre wird sich das Indikationsspektrum der behandelbaren Tumoren wie oben erläutert sukzessive erweitern.<br /> Die Therapie aller Patienten soll im Rahmen von entsprechenden Studienprotokollen erfolgen, wobei bereits aktuell eine von der Ethikkommission genehmigte Registerstudie begonnen worden ist und weitere tumorspezifische Studienprotokolle in naher Zukunft initiiert werden sollen.<br /> MedAustron strebt eine sowohl nationale wie auch europäische/internationale Zusammenarbeit mit anderen Radioonkologien, onkologischen Fachdisziplinen sowie Ionentherapiezentren an. Mögliche klinische Studien sollen z.B. in enger Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Radiobiologie und Medizinische Radiophysik (ÖGRO) initiiert werden. Zusätzlich wird das Zentrum auch an multizentrischen Studien mit anderen Ionentherapiezentren teilnehmen und bei internationalen Protonentherapiestudien mitarbeiten.</p></p>
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