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Personalisierte Therapie gewinnt noch mehr an Bedeutung

<p class="article-intro">Bereits zum dritten Mal fand heuer die internationale St. Gallen Breast Cancer Conference in Wien statt. Im umfassenden Vortragsprogramm wurde sowohl den wissenschaftlichen Entwicklungen als auch dem Stellenwert von Studienergebnissen und zielgerichteten Therapien für die klinische Praxis Rechnung getragen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Immuntherapeutische Ans&auml;tze</h2> <p>Im Gegensatz zu anderen Tumorentit&auml;ten wie dem nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom hat sich die Immuntherapie (IO) beim Mammakarzinom (BC) noch nicht fix etabliert. Prof. Dr. Sherene Loi, University of Melbourne, Australien, ging der Frage nach, warum in manchen BC dichte, in anderen hingegen kaum Immuninfiltrate vorzufinden sind und welche klinische Relevanz dies hat. Sie pr&auml;sentierte ein von Salgado et al. entwickeltes System zur Bestimmung des Prozentsatzes an TIL (tumorinfiltrierenden Lymphozyten) im Stroma von BC &ndash; ein kostenfreies Trainingstool dazu ist online verf&uuml;gbar: www. tilsinbreastcancer.org.<sup>1</sup> Mithilfe dieses Modells wurde eine gepoolte Analyse zu 2148 Patientinnen aus neun Studien durchgef&uuml;hrt und das Outcome in Kontext mit der Quantit&auml;t an TIL gesetzt: Die Ergebnisse best&auml;tigten die prognostische Rolle von TIL in dem Sinn, als bei Patientinnen mit tripelnegativem BC (TNBC) im Fr&uuml;hstadium die H&ouml;he des TIL-Anteils in signifikantem Ausma&szlig; mit dem &Uuml;berleben (OS) korrelierte. Eine hohe TIL-Menge war signifikant mit einem j&uuml;ngeren Alter, kleineren Tumoren und geringerem Lymphknoten(LK)- Befall assoziiert. Diese Zusammenh&auml;nge konnten in uni- und multivariaten Analysen best&auml;tigt werden, wobei pro Zunahme an TIL um 10 % eine Abnahme des Risikos f&uuml;r Rezidiv oder Tod um 17 % festgestellt wurde. Prognostische Informationen wurden auch anhand des Nodalstatus gewonnen, wobei f&uuml;r Patientinnen mit null positiven LK und dem Nachweis von stromalen TIL &ge;30 % eine Dreijahres-OS-Rate von 99 % berechnet wurde. Aber auch bei Befall von &gt;3 LK profitierten jene mit einem TILAnteil &ge;30 % vs. &lt;30 % (Abb. 1).<sup>2</sup><br /> Woraus setzt sich das Immuninfiltrat bei BC zusammen? Grunds&auml;tzlich wurden in Untersuchungen vorwiegend T-Zellen vorgefunden, wobei die H&ouml;he des TIL-Anteils mit der H&ouml;he an CD8+-, CD4+- und CD3+- Zellen korrelierte. &bdquo;Von CD8+-Zellen ist bekannt, dass sie in der Antitumorresponse die wichtigste Rolle spielen&ldquo;, erkl&auml;rte Loi. Bei Analyse der CD8+/CD4+-T-Zell-Subpopulationen wurde eine Pr&auml;dominanz von Memory-T-Zellen identifiziert.<sup>3</sup> Ebenso wurde ein direkt proportionales Verh&auml;ltnis zwischen der H&ouml;he an TIL und der Expression der Immuncheckpoints CTLA-4, PD-1 und PD-L1 nachgewiesen<sup>4</sup>, wobei PD-1 bei allen BC-Subtypen der dominierende Checkpoint ist.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s19_abb1.jpg" alt="" width="550" height="299" /></p> <h2>Immuntherapie beim TNBC</h2> <p>In der Phase-III-Studie IMpassion 130 wurde der Zusatz des PD-L1-Inhibitors Atezolizumab (Atezo) zu Nab-Paclitaxel (nab- P) an Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem TNBC vs. nab-P alleine untersucht. Zwischen der letzten Chemotherapie (CTx) und dem Beginn der Behandlung musste ein therapiefreies Intervall von &ge;12 Monaten liegen bzw. die Patientinnen konnten auch CTx-naiv sein. Die Interimsanalyse zur Zweijahres-OS-Rate in der ITT(&bdquo;Intent to treat&ldquo;)-Population war insofern entt&auml;uschend, als kein nennenswerter Benefit durch die Zugabe von Atezo zur CTx resultierte (42 vs. 40 % ; HR: 0,84). Hingegen ging aus der Subanalyse zum PD-L1-Status (&lt; vs. &ge;1 % ) hervor, dass die PD-L1-positiven Patientinnen (41 % der ITT-Population) klar von der IO mit Atezo profitierten: Die Zweijahres-OS-Rate betrug 54 vs. 37 % (HR: 0,62), was darauf hindeutet, dass in diesem Kollektiv eine lang anhaltende Response erzielt werden kann. Diese Ergebnisse zeigen, dass die IO nun auch bei BC Fu&szlig; fassen kann. PD-L1-positive CTx-naive TNBC-Patientinnen haben in IMpassion 130 in besonderem Ausma&szlig; von der IOhaltigen Therapie profitiert.<sup>5</sup> &bdquo;F&uuml;r das TNBC im Fr&uuml;hstadium liegt Evidenz vor, wonach TIL als Biomarker prognostische Aussagen zulassen. Welche die effektivsten PD(-L1)-Antik&ouml;rper in diesem Setting sind, z&auml;hlt zurzeit noch zu den offenen Fragen&ldquo;, res&uuml;mierte Loi.</p> <h2>PARP-Inhibition auch bei BC Erfolg versprechend</h2> <p>Die Tumorsuppressorgene BRCA 1 und 2 sind neben anderen HR(&bdquo;homologous repair&ldquo;)-assoziierte Gene, die im Fall einer Mutation (Mt) eine Defizienz im HR aufweisen, wodurch eine DNA-Reparatur- Defizienz resultiert. PARP (Poly[ADP-Ribose] Polymerasen) sind Enzyme, die bei DNA-Sch&auml;den aktiviert werden und eine wesentliche Rolle in der Reparatur von HR-Defizienz einnehmen. Auf therapeutischer Ebene gewinnen PARP-Inhibitoren (PARP-I) zunehmend an Bedeutung, da durch die Inhibition von PARP Tumorzellen gezielt in die Apoptose &uuml;bergef&uuml;hrt werden k&ouml;nnen.<sup>6</sup> W&auml;hrend beim Ovarialkarzinom mit Olaparib Ende 2014 der erste PARP-I Einzug in den Therapiealgorithmus gefunden hat,<sup>7</sup> stehen diese Substanzen inzwischen auch beim BC im Fokus des Interesses, was sich in der Zahl an durchgef&uuml;hrten Studien mit PARP-I widerspiegelt: In der Phase-III-Studie OlympiAD wurde Olaparib (Ola) bei vortherapierten BRCA-mt Patientinnen (&ge; zwei CTx-Linien bzw. Progress unter einer endokrinen Therapie bei HR-Positivit&auml;t) mit HR+/HER2&ndash; BC oder TNBC im metastasierten Setting vs. eine CTx nach Wahl des Pr&uuml;farztes (TPC; Capecitabin, Eribulin oder Vinorelbin) bis zur Progression untersucht. Die Randomisierung erfolgte im 2:1-Design. Im prim&auml;ren Endpunkt, dem progressionsfreien &Uuml;berleben (PFS), konnte eine &Uuml;berlegenheit von Ola vs. CTx im Ausma&szlig; von 7,0 vs. 4,2 Monate nachgewiesen werden (HR: 0,58; p=0,001). Die Responserate war unter Ola mit 59,9 % vs. 28,8 % im Kontrollarm mehr als verdoppelt.<sup>8</sup><br /> Wie bei Ola handelt es sich bei Talazoparib (Tala) ebenfalls um einen oralen PARP-I. Im Gegensatz zur Studie OlympiAD konnten in die Phase-III-Studie EMBRACA auch therapienaive BRCA-mt Patientinnen mit TNBC oder HR+/HERBC eingeschlossen werden. Die Patientinnen wurden im 2:1-Schema zu Tala bzw. CTx gem&auml;&szlig; TPC randomisiert. Auch in dieser Studie war die Verl&auml;ngerung des PFS mit 8,6 vs. 5,6 Monate im Kontrollarm signifikant (HR: 0,565; p&lt;0,0001).<sup>9</sup><br /> Beide Substanzen haben sich auch hinsichtlich der Lebensqualit&auml;t (QoL) als effektiv erwiesen: Gem&auml;&szlig; den Ergebnissen im QLQ (Cancer Quality of Life Questionnaire)- C30) der EORTC (European Organization for Research and Treatment) war die Zeitspanne bis zu einer bedeutsamen Verschlechterung der QoL (&ge;10 Punkte gegen&uuml;ber Baseline) sowohl unter Ola als auch unter Tala signifikant l&auml;nger als unter CTx (p=0,004 bzw. p&lt;0,0001). W&auml;hrend unter CTx ein Abfall der Kurven zu beobachten ist, stellte sich unter den PARP-I &agrave; la longue ein Plateau ein (Abb. 2).<sup>8&ndash;10</sup> Aber auch im neoadjuvanten Setting gibt es bereits Studien zum Einsatz von PARP-I: So wurde in der dreiarmigen Studie BrighTNess der Zusatz von Veliparib zu Carboplatin (Carbo) + Paclitaxel (Pac) vs. Carbo + Pac vs. eine Pac-Monotherapie an Patientinnen mit Nicht-BRCA-mt und solchen mit BRCA-mt untersucht. Interessanterweise zeigen die Ergebnisse, dass das Erreichen einer pathologisch kompletten Response (pCR) nicht auf den Zusatz von Veliparib, sondern auf die Platinkomponente zur&uuml;ckzuf&uuml;hren war: Die pCR betrug unter Carbo + Pac 58 % und war bei Zugabe von Veliparib mit 53 % sogar geringer, wenn auch nicht in signifikantem Ausma&szlig; (p=0,357). Zwar profitierten BRCA-mt-Patientinnen in besonderem Ausma&szlig; von dualen CTx, der Carbo-Effekt war jedoch nicht allein auf dieses Kollektiv beschr&auml;nkt.<sup>11</sup> Dar&uuml;ber hinaus merkte Prof. Dr. Andrew Tutt, Breast Cancer Now Research Centre, London, an: &bdquo;Nicht alle PARP-I wirken in gleichem Ausma&szlig;: W&auml;hrend Ola und Tala potente Substanzen sind, ist Veliparib als schwacher PARP-I einzustufen.&ldquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s20_abb2.jpg" alt="" width="550" height="418" /></p> <h2>Surrogatparameter &ndash; wie aussagekr&auml;ftig sind sie?</h2> <p>Bislang konnte kein Endpunkt als verl&auml;sslicher Surrogatparameter f&uuml;r das OS validiert werden, wenngleich beobachtet wird, dass Responder mit einer gr&ouml;&szlig;eren Wahrscheinlichkeit l&auml;nger &uuml;berleben als Non-Responder. Die pCR wird h&auml;ufig als Surrogatmarker f&uuml;r das OS diskutiert. In einer Metaanalyse von Cortazar et al. konnte gezeigt werden, dass der prognostische Wert des Erreichens einer pCR bei TNBC und HER2<sup>+</sup>/HR<sup>&ndash;</sup>-BC am gr&ouml;&szlig;ten war, jedoch fand sich nur eine geringe Assoziation zwischen pCR und ereignisfreiem &Uuml;berleben bzw. OS, sodass keine Validierung der pCR als Surrogatmarker f&uuml;r die Langzeitoutcomes m&ouml;glich war.<sup>12</sup> &bdquo;F&uuml;r mich bedeutet das, dass der Nachweis einer Response einen starken prognostischen Wert f&uuml;r den individuellen Patienten, nicht aber einen pr&auml;diktiven Wert auf Studienniveau hat&ldquo;, &auml;u&szlig;erte sich dazu Prof. Dr. Fatima Cardoso, Champalimaud Cancer Centre, Lissabon, die in weiterer Folge der Frage nachging, ob wir aus Surrogatmarkern &ndash; wenn sie als Zulassungskriterium akzeptiert wurden &ndash; den klinischen Benefit einer Substanz ableiten k&ouml;nnen. Dass das de facto nicht m&ouml;glich ist, geht aus einer Untersuchung von Studien zur Zulassung onkologischer Substanzen hervor, die zwischen 2011 und 2016 von der EMA (European Medicines Agency) zugelassen worden sind: Nur 21 % der evaluierten Krebsmedikamente erreichten den von der ESMO (European Society for Medical Oncology) definierten Schwellenwert auf der &bdquo;Magnitude of Clinical Benefit Scale&ldquo;.<sup>13</sup> &bdquo;Der Hauptgrund daf&uuml;r, dass kein klinischer Benefit konstatiert werden konnte, war, dass diese Substanzen basierend auf Surrogatmarkern zugelassen worden sind&ldquo;, erkl&auml;rte Cardoso.</p> <h2>Stellenwert von Observationsstudien</h2> <p>Prof. Dr. Sharon Giordano, MD Anderson Cancer Center, Houston, Texas, referierte in einer Special Lecture &uuml;ber die Herausforderungen in der Umsetzung von klinischen Studiendaten: Bekanntlich ist die Studienpopulation nicht repr&auml;sentativ f&uuml;r die Situation im klinischen Alltag, sodass der Ruf nach Observationsstudien immer lauter wird. Diese liefern zwar Real- World-Outcomes, aufgrund der Heterogenit&auml;t der Studienteilnehmer unterliegen sie aber einem &bdquo;selection bias&ldquo;. Dass dabei irref&uuml;hrende Ergebnisse resultieren k&ouml;nnen, pr&auml;sentierte Giordano anhand einer von ihr und Kollegen durchgef&uuml;hrten retrospektiven Reanalyse einer Observationsstudie mit dem Titel &bdquo;Limits of Observational Data in Determining Outcomes From Cancer Therapy&ldquo;. Bei der Reanalyse wurden die Outcomes von Prostatakarzinom(PCa)- Patienten, die eine aktive Therapie erhielten, mit denen einer Kontrollkohorte, die observiert wurde, unter Implementierung zus&auml;tzlicher statistischer Tools verglichen. Paradoxerweise h&auml;tten demnach &ndash; unter Miteinbezug von Komorbidit&auml;ten &ndash; die therapierten PCa-Patienten gegen&uuml;ber den gesunden Kontrollen einen OS-Benefit, der f&uuml;r die PCa-spezifische und die Gesamtmortalit&auml;t festgestellt wurde.<sup>14</sup> &bdquo;Es ist komplett inkonklusiv, dass M&auml;nner mit Krebs bessere Outcomes haben und demnach die Krebserkrankung zu einer Prognoseverbesserung f&uuml;hren w&uuml;rde&ldquo;, kommentierte Giordano die nicht plausiblen Resultate und fasste den Stellenwert von Observationsstudien folgenderma&szlig;en zusammen: &bdquo;Observationsstudien k&ouml;nnen uns helfen, Fragen zur Effektivit&auml;t und Toxizit&auml;t im Real- World-Setting oder offene Fragen aus klinischen Studien zu beantworten. Sie k&ouml;nnen starke externe Validit&auml;t haben, aber Bias sind immer noch ein gro&szlig;es Thema und wir brauchen noch mehr statistische Tools, um ihnen zu begegnen.&ldquo;</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 16<sup>th</sup> St. Gallen International Breast Cancer Conference 2019, 20.–23. März, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Sagaldo R et al.: Ann Oncol 2015; 26: 259-271 <strong>2</strong> Loi S et al.: J Clin Oncol 2019; 37: 559-569 <strong>3</strong> Savas P et al.: Nat Med 2018; 24: 986-993 <strong>4</strong> Denkert C et al.: Mod Pathol 2016; 29: 1155-1164 <strong>5</strong> Schmid P et al., ESMO 2018; Abstract #LBA1_PR <strong>6</strong> Dziadkowiec KN et al.: Menopause Review 2016; 15: 215-219 <strong>7</strong> https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/lynparza#overview-section (Zugriff: 4. April 2018) <strong>8</strong> Robson M et al.: N Engl J Med 2017; 377: 523-533 <strong>9</strong> Litton JK et al.: AACR 2018; Abstract #GS6-07 <strong>10</strong> Robson M et al.: ASCO 2017; Abstractc #LBA4 <strong>11</strong> Loibl S et al.: Lancet Oncology 2018; doi: https://doi.org /10.1016/S1470- 2045(18)30111-6 <strong>12</strong> Cortazar P et al.: Lancet 2014; doi: https://doi.org/10.1016/S0140-6736( 13)62422- 8 <strong>13</strong> Gr&ouml;ssmann N et al.: Eur J Cancer 2017; 82: 66-71 <strong>14</strong> Giordano SH et al.: Cancer 2008; 112: 2456-2566</p> </div> </p>
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