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Personalisierte Therapie gewinnt noch mehr an Bedeutung
Jatros
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30.05.2019
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<p class="article-intro">Bereits zum dritten Mal fand heuer die internationale St. Gallen Breast Cancer Conference in Wien statt. Im umfassenden Vortragsprogramm wurde sowohl den wissenschaftlichen Entwicklungen als auch dem Stellenwert von Studienergebnissen und zielgerichteten Therapien für die klinische Praxis Rechnung getragen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Immuntherapeutische Ansätze</h2> <p>Im Gegensatz zu anderen Tumorentitäten wie dem nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom hat sich die Immuntherapie (IO) beim Mammakarzinom (BC) noch nicht fix etabliert. Prof. Dr. Sherene Loi, University of Melbourne, Australien, ging der Frage nach, warum in manchen BC dichte, in anderen hingegen kaum Immuninfiltrate vorzufinden sind und welche klinische Relevanz dies hat. Sie präsentierte ein von Salgado et al. entwickeltes System zur Bestimmung des Prozentsatzes an TIL (tumorinfiltrierenden Lymphozyten) im Stroma von BC – ein kostenfreies Trainingstool dazu ist online verfügbar: www. tilsinbreastcancer.org.<sup>1</sup> Mithilfe dieses Modells wurde eine gepoolte Analyse zu 2148 Patientinnen aus neun Studien durchgeführt und das Outcome in Kontext mit der Quantität an TIL gesetzt: Die Ergebnisse bestätigten die prognostische Rolle von TIL in dem Sinn, als bei Patientinnen mit tripelnegativem BC (TNBC) im Frühstadium die Höhe des TIL-Anteils in signifikantem Ausmaß mit dem Überleben (OS) korrelierte. Eine hohe TIL-Menge war signifikant mit einem jüngeren Alter, kleineren Tumoren und geringerem Lymphknoten(LK)- Befall assoziiert. Diese Zusammenhänge konnten in uni- und multivariaten Analysen bestätigt werden, wobei pro Zunahme an TIL um 10 % eine Abnahme des Risikos für Rezidiv oder Tod um 17 % festgestellt wurde. Prognostische Informationen wurden auch anhand des Nodalstatus gewonnen, wobei für Patientinnen mit null positiven LK und dem Nachweis von stromalen TIL ≥30 % eine Dreijahres-OS-Rate von 99 % berechnet wurde. Aber auch bei Befall von >3 LK profitierten jene mit einem TILAnteil ≥30 % vs. <30 % (Abb. 1).<sup>2</sup><br /> Woraus setzt sich das Immuninfiltrat bei BC zusammen? Grundsätzlich wurden in Untersuchungen vorwiegend T-Zellen vorgefunden, wobei die Höhe des TIL-Anteils mit der Höhe an CD8+-, CD4+- und CD3+- Zellen korrelierte. „Von CD8+-Zellen ist bekannt, dass sie in der Antitumorresponse die wichtigste Rolle spielen“, erklärte Loi. Bei Analyse der CD8+/CD4+-T-Zell-Subpopulationen wurde eine Prädominanz von Memory-T-Zellen identifiziert.<sup>3</sup> Ebenso wurde ein direkt proportionales Verhältnis zwischen der Höhe an TIL und der Expression der Immuncheckpoints CTLA-4, PD-1 und PD-L1 nachgewiesen<sup>4</sup>, wobei PD-1 bei allen BC-Subtypen der dominierende Checkpoint ist.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s19_abb1.jpg" alt="" width="550" height="299" /></p> <h2>Immuntherapie beim TNBC</h2> <p>In der Phase-III-Studie IMpassion 130 wurde der Zusatz des PD-L1-Inhibitors Atezolizumab (Atezo) zu Nab-Paclitaxel (nab- P) an Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem TNBC vs. nab-P alleine untersucht. Zwischen der letzten Chemotherapie (CTx) und dem Beginn der Behandlung musste ein therapiefreies Intervall von ≥12 Monaten liegen bzw. die Patientinnen konnten auch CTx-naiv sein. Die Interimsanalyse zur Zweijahres-OS-Rate in der ITT(„Intent to treat“)-Population war insofern enttäuschend, als kein nennenswerter Benefit durch die Zugabe von Atezo zur CTx resultierte (42 vs. 40 % ; HR: 0,84). Hingegen ging aus der Subanalyse zum PD-L1-Status (< vs. ≥1 % ) hervor, dass die PD-L1-positiven Patientinnen (41 % der ITT-Population) klar von der IO mit Atezo profitierten: Die Zweijahres-OS-Rate betrug 54 vs. 37 % (HR: 0,62), was darauf hindeutet, dass in diesem Kollektiv eine lang anhaltende Response erzielt werden kann. Diese Ergebnisse zeigen, dass die IO nun auch bei BC Fuß fassen kann. PD-L1-positive CTx-naive TNBC-Patientinnen haben in IMpassion 130 in besonderem Ausmaß von der IOhaltigen Therapie profitiert.<sup>5</sup> „Für das TNBC im Frühstadium liegt Evidenz vor, wonach TIL als Biomarker prognostische Aussagen zulassen. Welche die effektivsten PD(-L1)-Antikörper in diesem Setting sind, zählt zurzeit noch zu den offenen Fragen“, resümierte Loi.</p> <h2>PARP-Inhibition auch bei BC Erfolg versprechend</h2> <p>Die Tumorsuppressorgene BRCA 1 und 2 sind neben anderen HR(„homologous repair“)-assoziierte Gene, die im Fall einer Mutation (Mt) eine Defizienz im HR aufweisen, wodurch eine DNA-Reparatur- Defizienz resultiert. PARP (Poly[ADP-Ribose] Polymerasen) sind Enzyme, die bei DNA-Schäden aktiviert werden und eine wesentliche Rolle in der Reparatur von HR-Defizienz einnehmen. Auf therapeutischer Ebene gewinnen PARP-Inhibitoren (PARP-I) zunehmend an Bedeutung, da durch die Inhibition von PARP Tumorzellen gezielt in die Apoptose übergeführt werden können.<sup>6</sup> Während beim Ovarialkarzinom mit Olaparib Ende 2014 der erste PARP-I Einzug in den Therapiealgorithmus gefunden hat,<sup>7</sup> stehen diese Substanzen inzwischen auch beim BC im Fokus des Interesses, was sich in der Zahl an durchgeführten Studien mit PARP-I widerspiegelt: In der Phase-III-Studie OlympiAD wurde Olaparib (Ola) bei vortherapierten BRCA-mt Patientinnen (≥ zwei CTx-Linien bzw. Progress unter einer endokrinen Therapie bei HR-Positivität) mit HR+/HER2– BC oder TNBC im metastasierten Setting vs. eine CTx nach Wahl des Prüfarztes (TPC; Capecitabin, Eribulin oder Vinorelbin) bis zur Progression untersucht. Die Randomisierung erfolgte im 2:1-Design. Im primären Endpunkt, dem progressionsfreien Überleben (PFS), konnte eine Überlegenheit von Ola vs. CTx im Ausmaß von 7,0 vs. 4,2 Monate nachgewiesen werden (HR: 0,58; p=0,001). Die Responserate war unter Ola mit 59,9 % vs. 28,8 % im Kontrollarm mehr als verdoppelt.<sup>8</sup><br /> Wie bei Ola handelt es sich bei Talazoparib (Tala) ebenfalls um einen oralen PARP-I. Im Gegensatz zur Studie OlympiAD konnten in die Phase-III-Studie EMBRACA auch therapienaive BRCA-mt Patientinnen mit TNBC oder HR+/HERBC eingeschlossen werden. Die Patientinnen wurden im 2:1-Schema zu Tala bzw. CTx gemäß TPC randomisiert. Auch in dieser Studie war die Verlängerung des PFS mit 8,6 vs. 5,6 Monate im Kontrollarm signifikant (HR: 0,565; p<0,0001).<sup>9</sup><br /> Beide Substanzen haben sich auch hinsichtlich der Lebensqualität (QoL) als effektiv erwiesen: Gemäß den Ergebnissen im QLQ (Cancer Quality of Life Questionnaire)- C30) der EORTC (European Organization for Research and Treatment) war die Zeitspanne bis zu einer bedeutsamen Verschlechterung der QoL (≥10 Punkte gegenüber Baseline) sowohl unter Ola als auch unter Tala signifikant länger als unter CTx (p=0,004 bzw. p<0,0001). Während unter CTx ein Abfall der Kurven zu beobachten ist, stellte sich unter den PARP-I à la longue ein Plateau ein (Abb. 2).<sup>8–10</sup> Aber auch im neoadjuvanten Setting gibt es bereits Studien zum Einsatz von PARP-I: So wurde in der dreiarmigen Studie BrighTNess der Zusatz von Veliparib zu Carboplatin (Carbo) + Paclitaxel (Pac) vs. Carbo + Pac vs. eine Pac-Monotherapie an Patientinnen mit Nicht-BRCA-mt und solchen mit BRCA-mt untersucht. Interessanterweise zeigen die Ergebnisse, dass das Erreichen einer pathologisch kompletten Response (pCR) nicht auf den Zusatz von Veliparib, sondern auf die Platinkomponente zurückzuführen war: Die pCR betrug unter Carbo + Pac 58 % und war bei Zugabe von Veliparib mit 53 % sogar geringer, wenn auch nicht in signifikantem Ausmaß (p=0,357). Zwar profitierten BRCA-mt-Patientinnen in besonderem Ausmaß von dualen CTx, der Carbo-Effekt war jedoch nicht allein auf dieses Kollektiv beschränkt.<sup>11</sup> Darüber hinaus merkte Prof. Dr. Andrew Tutt, Breast Cancer Now Research Centre, London, an: „Nicht alle PARP-I wirken in gleichem Ausmaß: Während Ola und Tala potente Substanzen sind, ist Veliparib als schwacher PARP-I einzustufen.“</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1903_Weblinks_jatros_onko_1903_s20_abb2.jpg" alt="" width="550" height="418" /></p> <h2>Surrogatparameter – wie aussagekräftig sind sie?</h2> <p>Bislang konnte kein Endpunkt als verlässlicher Surrogatparameter für das OS validiert werden, wenngleich beobachtet wird, dass Responder mit einer größeren Wahrscheinlichkeit länger überleben als Non-Responder. Die pCR wird häufig als Surrogatmarker für das OS diskutiert. In einer Metaanalyse von Cortazar et al. konnte gezeigt werden, dass der prognostische Wert des Erreichens einer pCR bei TNBC und HER2<sup>+</sup>/HR<sup>–</sup>-BC am größten war, jedoch fand sich nur eine geringe Assoziation zwischen pCR und ereignisfreiem Überleben bzw. OS, sodass keine Validierung der pCR als Surrogatmarker für die Langzeitoutcomes möglich war.<sup>12</sup> „Für mich bedeutet das, dass der Nachweis einer Response einen starken prognostischen Wert für den individuellen Patienten, nicht aber einen prädiktiven Wert auf Studienniveau hat“, äußerte sich dazu Prof. Dr. Fatima Cardoso, Champalimaud Cancer Centre, Lissabon, die in weiterer Folge der Frage nachging, ob wir aus Surrogatmarkern – wenn sie als Zulassungskriterium akzeptiert wurden – den klinischen Benefit einer Substanz ableiten können. Dass das de facto nicht möglich ist, geht aus einer Untersuchung von Studien zur Zulassung onkologischer Substanzen hervor, die zwischen 2011 und 2016 von der EMA (European Medicines Agency) zugelassen worden sind: Nur 21 % der evaluierten Krebsmedikamente erreichten den von der ESMO (European Society for Medical Oncology) definierten Schwellenwert auf der „Magnitude of Clinical Benefit Scale“.<sup>13</sup> „Der Hauptgrund dafür, dass kein klinischer Benefit konstatiert werden konnte, war, dass diese Substanzen basierend auf Surrogatmarkern zugelassen worden sind“, erklärte Cardoso.</p> <h2>Stellenwert von Observationsstudien</h2> <p>Prof. Dr. Sharon Giordano, MD Anderson Cancer Center, Houston, Texas, referierte in einer Special Lecture über die Herausforderungen in der Umsetzung von klinischen Studiendaten: Bekanntlich ist die Studienpopulation nicht repräsentativ für die Situation im klinischen Alltag, sodass der Ruf nach Observationsstudien immer lauter wird. Diese liefern zwar Real- World-Outcomes, aufgrund der Heterogenität der Studienteilnehmer unterliegen sie aber einem „selection bias“. Dass dabei irreführende Ergebnisse resultieren können, präsentierte Giordano anhand einer von ihr und Kollegen durchgeführten retrospektiven Reanalyse einer Observationsstudie mit dem Titel „Limits of Observational Data in Determining Outcomes From Cancer Therapy“. Bei der Reanalyse wurden die Outcomes von Prostatakarzinom(PCa)- Patienten, die eine aktive Therapie erhielten, mit denen einer Kontrollkohorte, die observiert wurde, unter Implementierung zusätzlicher statistischer Tools verglichen. Paradoxerweise hätten demnach – unter Miteinbezug von Komorbiditäten – die therapierten PCa-Patienten gegenüber den gesunden Kontrollen einen OS-Benefit, der für die PCa-spezifische und die Gesamtmortalität festgestellt wurde.<sup>14</sup> „Es ist komplett inkonklusiv, dass Männer mit Krebs bessere Outcomes haben und demnach die Krebserkrankung zu einer Prognoseverbesserung führen würde“, kommentierte Giordano die nicht plausiblen Resultate und fasste den Stellenwert von Observationsstudien folgendermaßen zusammen: „Observationsstudien können uns helfen, Fragen zur Effektivität und Toxizität im Real- World-Setting oder offene Fragen aus klinischen Studien zu beantworten. Sie können starke externe Validität haben, aber Bias sind immer noch ein großes Thema und wir brauchen noch mehr statistische Tools, um ihnen zu begegnen.“</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 16<sup>th</sup> St. Gallen International Breast Cancer Conference
2019, 20.–23. März, Wien
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Sagaldo R et al.: Ann Oncol 2015; 26: 259-271 <strong>2</strong> Loi S et al.: J Clin Oncol 2019; 37: 559-569 <strong>3</strong> Savas P et al.: Nat Med 2018; 24: 986-993 <strong>4</strong> Denkert C et al.: Mod Pathol 2016; 29: 1155-1164 <strong>5</strong> Schmid P et al., ESMO 2018; Abstract #LBA1_PR <strong>6</strong> Dziadkowiec KN et al.: Menopause Review 2016; 15: 215-219 <strong>7</strong> https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/lynparza#overview-section (Zugriff: 4. April 2018) <strong>8</strong> Robson M et al.: N Engl J Med 2017; 377: 523-533 <strong>9</strong> Litton JK et al.: AACR 2018; Abstract #GS6-07 <strong>10</strong> Robson M et al.: ASCO 2017; Abstractc #LBA4 <strong>11</strong> Loibl S et al.: Lancet Oncology 2018; doi: https://doi.org /10.1016/S1470- 2045(18)30111-6 <strong>12</strong> Cortazar P et al.: Lancet 2014; doi: https://doi.org/10.1016/S0140-6736( 13)62422- 8 <strong>13</strong> Grössmann N et al.: Eur J Cancer 2017; 82: 66-71 <strong>14</strong> Giordano SH et al.: Cancer 2008; 112: 2456-2566</p>
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