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Paradigmenwechsel in der CLL-Therapie
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12.09.2019
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<p class="article-intro">Am diesjährigen European Hematology Association (EHA) Meeting gab es besonders auch zur CLL-Therapie einige interessante Updates. Wir sprachen mit Dr. med. Jeroen S. Goede vom Kantonsspital Winterthur über die CLL14-Studie, «Chimeric antigen receptor» (CAR)-T-Zell-Therapie in der CLL und seine Meinung zu Kombinationstherapien.</p>
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<p class="article-content"><p><em><strong>Welche Neuigkeiten gibt es in der First-Line-Therapie der CLL?<br />J. S. Goede:</strong></em> Es wurden Ausschnitte der CLL14-Studie upgedated, wobei Patienten mit bestimmten genetischen Varianten speziell berücksichtigt wurden, z. B. mit «Immunoglobulin variable region heavy chain»(<em>IgVH</em>)-Mutationen, <em>IgVH</em>-unmutiertem Status und komplexen Karyotypen. Bei diesen Patienten scheint Venetoclax in Kombination mit Obinutuzumab im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie aus Obinutuzumab und Chlorambucil tatsächlich ein Equalizer zu sein. Dies ist eine entscheidende Neuerung, welche teilweise vor Kurzem auch schon publiziert wurde.<br />Was zudem immer deutlicher wird, ist, dass die klassische Immunchemotherapie im Verschwinden begriffen ist. Bzgl. des progressionsfreien Überlebens («progression- free survival», PFS) sind die Daten ganz eindeutig, teilweise sogar schon beim Gesamtüberleben («overall survival », OS). In den nächsten zwei, drei Jahren wird es meiner Meinung nach einen kompletten Wechsel geben.</p> <p><em><strong>Gab es in der Second-Line-Therapie ebenso bahnbrechende Ergebnisse – Stichwort MURANO-Studie?<br />J. S. Goede:</strong></em> Die Daten der MURANO-Studie wurden teilweise ja bereits publiziert. Die klassische Immunchemotherapie aus Bendamustin und Rituximab wurde 1:1 verglichen mit Venetoclax und Rituximab. Auch in der Zweitlinie scheint diese neue Kombination der klassischen Immunchemotherapie klar überlegen zu sein. Noch wird untersucht, in welchen Subgruppen der Vorteil am grössten ist. Es scheint, dass es Patienten mit spezifischen genetischen Konstellationen (<em>IgVH</em>-unmutiert, komplexe Karyotypen) gibt, die besonders profitieren.</p> <p><em><strong>Bahnt sich Ihrer Ansicht nach also ein Paradigmenwechsel in der Behandlung der CLL an?</strong></em><br /><em><strong> J. S. Goede: </strong></em>Ich denke, dass dieser Paradigmenwechsel schon längst da ist. Es ist ein Glücksfall für die Patienten, wenn sie innerhalb von Studien diese neuen Medikamente schon früh bekommen. Ausserhalb von Studien hinkt die Zulassung der Datenlage leider hinterher. Ebenso ist die Frage der Kostenübernahme dieser neuen Kombinationstherapien noch ungeklärt.</p> <p><em><strong>Lassen Sie uns über die Therapiedauer sprechen. Welche Hinweise geben uns die rezenten Daten zum Thema «Fixe Therapiedauer und tiefe Remission versus Behandlung bis zur Progression»?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Ich glaube, das Ziel muss sein, mit den Patienten eine fixe Therapiedauer besprechen zu können. Dies ist im Moment nur mit Kombinationstherapien möglich, nicht aber mit einer alleinigen Behandlung mit Ibrutinib. Natürlich wird es immer noch «frail patients» geben, denen Ibrutinib in Form einer Monotherapie verabreicht wird. Dazu gab es ebenfalls Daten: Auch längerfristig scheint die Verträglichkeit in Ordnung zu sein.</p> <p><em><strong>Geht Ihrer Ansicht nach der Trend eher in Richtung Kombinationstherapien oder wird die Monotherapie weiterhin einen grossen Stellenwert haben?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Eine Monotherapie unter Ibrutinib bedeutet für den Patienten eine durchgehende Behandlung. Wenn das Ziel wirklich sein wird, eine fixe Therapiedauer einzuhalten, braucht es meiner Meinung nach Kombinationstherapien. Ich denke, Venetoclax wird sich als Standard etablieren, in Kombination mit Antikörpern und/oder einem Bruton-Tyrosinkinase(BTK)-Inhibitor. Darüber herrscht im Moment noch Unklarheit. Es gibt aber durchaus Daten, die zeigen, dass die Kombination von Venetoclax und Antikörper schon ausreichend sein könnte. Die Ergebnisse der CLL13-Studien sind natürlich noch ausstehend. Ob auch die Kombination aus allen drei Therapeutika notwendig sein wird, wissen wir ebenfalls noch nicht.</p> <p><em><strong>Gab es am EHA auch Daten zu möglichen neuen Kombinationspartnern, die ev. in der Zukunft noch interessant werden könnten?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Es wurden jetzt Ergebnisse zur Behandlung mit CAR-T-Zellen gezeigt – erstaunlich gute Daten auch in der CLL. Bei Patienten, die wirklich sehr komplex vortherapiert wurden – absolute High-Risk-Patienten –, scheint diese Behandlung durchaus praktikabel zu sein. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass schlussendlich nur eine Minderheit der CLL-Patienten diese Art der Therapie tatsächlich benötigen wird. Andere Kombinationspartner, die präsentiert wurden, sind jene, die wir eigentlich vorher auch schon kannten.</p> <p><em><strong>Wie beurteilen Sie die Datenlage bei den akuten lymphatischen Leukämien (ALL)?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Bei den akuten Leukämien gab es keinen so grossen Durchbruch mit neuen Behandlungsmöglichkeiten. Allerdings ist bei ihnen, sowie auch beim diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL), die CAR-T-Zell-Therapie ein viel stärkeres Thema. Bei der CLL sehe ich wie gesagt diesen Trend nicht.</p> <p><em><strong>Als abschliessende Frage für alle Ärzte, die daheimgeblieben sind: Was waren Ihre persönlichen Highlights?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Es sind eindeutig die Daten der CLL14-Studie, die besonders bemerkenswert sind.</p> <p><em><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></em></p></p>
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