© Getty Images/iStockphoto

Chronische lymphatische Leukämie (CLL)

Paradigmenwechsel in der CLL-Therapie

<p class="article-intro">Am diesjährigen European Hematology Association (EHA) Meeting gab es besonders auch zur CLL-Therapie einige interessante Updates. Wir sprachen mit Dr. med. Jeroen S. Goede vom Kantonsspital Winterthur über die CLL14-Studie, «Chimeric antigen receptor» (CAR)-T-Zell-Therapie in der CLL und seine Meinung zu Kombinationstherapien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><em><strong>Welche Neuigkeiten gibt es in der First-Line-Therapie der CLL?<br />J. S. Goede:</strong></em> Es wurden Ausschnitte der CLL14-Studie upgedated, wobei Patienten mit bestimmten genetischen Varianten speziell ber&uuml;cksichtigt wurden, z. B. mit &laquo;Immunoglobulin variable region heavy chain&raquo;(<em>IgVH</em>)-Mutationen, <em>IgVH</em>-unmutiertem Status und komplexen Karyotypen. Bei diesen Patienten scheint Venetoclax in Kombination mit Obinutuzumab im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie aus Obinutuzumab und Chlorambucil tats&auml;chlich ein Equalizer zu sein. Dies ist eine entscheidende Neuerung, welche teilweise vor Kurzem auch schon publiziert wurde.<br />Was zudem immer deutlicher wird, ist, dass die klassische Immunchemotherapie im Verschwinden begriffen ist. Bzgl. des progressionsfreien &Uuml;berlebens (&laquo;progression- free survival&raquo;, PFS) sind die Daten ganz eindeutig, teilweise sogar schon beim Gesamt&uuml;berleben (&laquo;overall survival &raquo;, OS). In den n&auml;chsten zwei, drei Jahren wird es meiner Meinung nach einen kompletten Wechsel geben.</p> <p><em><strong>Gab es in der Second-Line-Therapie ebenso bahnbrechende Ergebnisse &ndash; Stichwort MURANO-Studie?<br />J. S. Goede:</strong></em> Die Daten der MURANO-Studie wurden teilweise ja bereits publiziert. Die klassische Immunchemotherapie aus Bendamustin und Rituximab wurde 1:1 verglichen mit Venetoclax und Rituximab. Auch in der Zweitlinie scheint diese neue Kombination der klassischen Immunchemotherapie klar &uuml;berlegen zu sein. Noch wird untersucht, in welchen Subgruppen der Vorteil am gr&ouml;ssten ist. Es scheint, dass es Patienten mit spezifischen genetischen Konstellationen (<em>IgVH</em>-unmutiert, komplexe Karyotypen) gibt, die besonders profitieren.</p> <p><em><strong>Bahnt sich Ihrer Ansicht nach also ein Paradigmenwechsel in der Behandlung der CLL an?</strong></em><br /><em><strong> J. S. Goede: </strong></em>Ich denke, dass dieser Paradigmenwechsel schon l&auml;ngst da ist. Es ist ein Gl&uuml;cksfall f&uuml;r die Patienten, wenn sie innerhalb von Studien diese neuen Medikamente schon fr&uuml;h bekommen. Ausserhalb von Studien hinkt die Zulassung der Datenlage leider hinterher. Ebenso ist die Frage der Kosten&uuml;bernahme dieser neuen Kombinationstherapien noch ungekl&auml;rt.</p> <p><em><strong>Lassen Sie uns &uuml;ber die Therapiedauer sprechen. Welche Hinweise geben uns die rezenten Daten zum Thema &laquo;Fixe Therapiedauer und tiefe Remission versus Behandlung bis zur Progression&raquo;?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Ich glaube, das Ziel muss sein, mit den Patienten eine fixe Therapiedauer besprechen zu k&ouml;nnen. Dies ist im Moment nur mit Kombinationstherapien m&ouml;glich, nicht aber mit einer alleinigen Behandlung mit Ibrutinib. Nat&uuml;rlich wird es immer noch &laquo;frail patients&raquo; geben, denen Ibrutinib in Form einer Monotherapie verabreicht wird. Dazu gab es ebenfalls Daten: Auch l&auml;ngerfristig scheint die Vertr&auml;glichkeit in Ordnung zu sein.</p> <p><em><strong>Geht Ihrer Ansicht nach der Trend eher in Richtung Kombinationstherapien oder wird die Monotherapie weiterhin einen grossen Stellenwert haben?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Eine Monotherapie unter Ibrutinib bedeutet f&uuml;r den Patienten eine durchgehende Behandlung. Wenn das Ziel wirklich sein wird, eine fixe Therapiedauer einzuhalten, braucht es meiner Meinung nach Kombinationstherapien. Ich denke, Venetoclax wird sich als Standard etablieren, in Kombination mit Antik&ouml;rpern und/oder einem Bruton-Tyrosinkinase(BTK)-Inhibitor. Dar&uuml;ber herrscht im Moment noch Unklarheit. Es gibt aber durchaus Daten, die zeigen, dass die Kombination von Venetoclax und Antik&ouml;rper schon ausreichend sein k&ouml;nnte. Die Ergebnisse der CLL13-Studien sind nat&uuml;rlich noch ausstehend. Ob auch die Kombination aus allen drei Therapeutika notwendig sein wird, wissen wir ebenfalls noch nicht.</p> <p><em><strong>Gab es am EHA auch Daten zu m&ouml;glichen neuen Kombinationspartnern, die ev. in der Zukunft noch interessant werden k&ouml;nnten?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Es wurden jetzt Ergebnisse zur Behandlung mit CAR-T-Zellen gezeigt &ndash; erstaunlich gute Daten auch in der CLL. Bei Patienten, die wirklich sehr komplex vortherapiert wurden &ndash; absolute High-Risk-Patienten &ndash;, scheint diese Behandlung durchaus praktikabel zu sein. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass schlussendlich nur eine Minderheit der CLL-Patienten diese Art der Therapie tats&auml;chlich ben&ouml;tigen wird. Andere Kombinationspartner, die pr&auml;sentiert wurden, sind jene, die wir eigentlich vorher auch schon kannten.</p> <p><em><strong>Wie beurteilen Sie die Datenlage bei den akuten lymphatischen Leuk&auml;mien (ALL)?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Bei den akuten Leuk&auml;mien gab es keinen so grossen Durchbruch mit neuen Behandlungsm&ouml;glichkeiten. Allerdings ist bei ihnen, sowie auch beim diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL), die CAR-T-Zell-Therapie ein viel st&auml;rkeres Thema. Bei der CLL sehe ich wie gesagt diesen Trend nicht.</p> <p><em><strong>Als abschliessende Frage f&uuml;r alle &Auml;rzte, die daheimgeblieben sind: Was waren Ihre pers&ouml;nlichen Highlights?</strong></em><br /><em><strong>J. S. Goede: </strong></em>Es sind eindeutig die Daten der CLL14-Studie, die besonders bemerkenswert sind.</p> <p><em><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></em></p></p>
Back to top