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Ovarialkarzinom – praxisrelevante Aspekte vom ASCO 2019
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru
Klinische Abteilung für Gynäkologie<br> Univ.-Klinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: edgar.petru@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
12.09.2019
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<p class="article-intro">Am diesjährigen ASCO gab es klinisch wichtige Aspekte zur Wertigkeit der PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom sowie zur Wirksamkeit von Carboplatin allein oder mit Paclitaxel bei vulnerablen, älteren Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Niraparib allein versus Niraparib + Bevacizumab beim Platin-sensiblen Rezidiv des Ovarialkarzinoms</h2> <p>Die AVANOVA2-Studie ist eine randomisierte Phase-II-Studie beim Platin-sensitiven Rezidiv des high-grade serösen oder endometrioiden Ovarialkarzinoms, die zwei chemotherapiefreie Optionen im Sinn eines „proof of concepts“ untersucht hat.<sup>1</sup> 97 Patienten erhielten entweder Niraparib 1 x 300 mg/Tag per os kontinuierlich oder die Kombination von Niraparib in derselben Dosis plus Bevacizumab in der Dosis von 15 mg/kg am Tag 1 alle 3 Wochen bis zur Tumorprogression. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Die Stratifikation erfolgte auf der Basis von Ergebnissen aus dem HRD(homologer Rekombinations-Defekt)-Test und dem Chemotherapie-freien Intervall. Patientinnen durften Bevacizumab in der Erstlinie erhalten haben.<br /> Der Kombinationsarm wies ein signifikant verlängertes PFS im Vergleich zu Niraparib allein auf. Das mediane PFS betrug 12 versus 6 Monate (HR: 0,35; p<0,001). Die geplante Auswertung HRD-positiver Tumoren (n=54), HRD-negativer Tumoren (n=43), Patientinnen mit <em>BRCA</em>-Mutation (n=34) und ohne <em>BRCA</em>-Mutation (n=63) ergab Hazard-Ratios von 0,36 bzw. 0,47 und 0,53 bzw. 0,33. Die Hazard-Ratio betrug bei einem chemotherapiefreien Intervall von 6–12 Monaten (n=38) 0,29 und bei einem chemotherapiefreien Intervall >12 Monate (n=59) 0,42. Es existierten mit Ausnahme der Hypertonie und Neutropenie keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Grad-3–4-Toxizität. Sie war im Kombinationsarm mit Niraparib und Bevacizumab mit 27 % versus 0 % bzw. 12 % versus 2 % gegenüber dem Niraparib-Monotherapiearm erhöht. Die Lebensqualität war in beiden Therapiearmen vergleichbar.</p> <p><strong>Konsequenzen für den klinischen Alltag</strong><br /> Bei Patientinnen mit Platin-sensitivem Rezidiv des Ovarialkarzinoms stellt Niraparib allein, aber auch die Kombination aus Niraparib und Bevacizumab als Chemotherapie-freie Kombination eine effektive Therapieoption dar. Der Kombinationsarm ohne Chemotherapie führte zu einem signifikant verlängerten PFS.</p> <h2>Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom und <em>BRCA</em>-Mutation: Olaparib-Erhaltungstherapie nach Erstlinien-Chemotherapie</h2> <p>Mathews berichtete von der Subgruppenanalyse zur Operation und zum Tumorstatus der SOLO1-Studie.<sup>2</sup> 76 % der Patientinnen wiesen nach der Operation keinen Resttumor auf. 74 % bzw. 26 % der Patientinnen wurden mit CR oder PR in die Studie eingeschlossen. Die Hazard-Ratio für das mediane PFS betrug für die Gruppe mit initialer Operation 0,31 (0,21–0,46), mit Intervall-Operation 0,37 (0,24–0,58), für jene mit Resttumor 0,44 (0,25–0,77), ohne Resttumor 0,33 (0,23–0,46), klinische CR 0,34 (0,24–0,47) und klinische PR 0,31 (0,18–0,52).</p> <p><strong>Konsequenzen für den klinischen Alltag</strong><br /> Olaparib war als Erhaltungstherapie im Vergleich zu Placebo bei allen Patientinnen mit neu diagnostiziertem fortgeschrittenem Ovarialkarzinom und einer <em>BRCA</em>-Mutation wirksamer, und das unabhängig vom Resttumor oder Tumor-Status vor Beginn dieser Therapie.</p> <h2>Macht die <em>BRCA1-</em> oder <em>2</em>-Mutation einen Unterschied?</h2> <p>3 Von den 391 randomisierten Patientinnen wiesen 72 % eine <em>BRCA1</em>-Mutation, 27 % eine <em>BRCA2</em>-Mutation und 1 % eine Mutation beider <em>BRCA</em>-Gene auf. Das mediane PFS betrug im Olaparib- versus den Placeboarm in der <em>BRCA1</em>-Mutationsgruppe 41,4 versus 13,8 Monate, während das PFS im <em>BRCA2</em>-Arm noch nicht erreicht war und im Placeboarm ebenso 13,8 Monate betrug (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_jat_onko_1905_s78_tab1_petru.jpg" alt="" width="550" height="197" /></p> <p><strong>Konsequenzen für den klinischen Alltag</strong><br /> Olaparib ist bei Patientinnen sowohl mit <em>BRCA1</em>- als auch <em>BRCA2</em>-Mutation hochwirksam. Dieser Effekt scheint aber bei <em>BRCA2</em>-Mutation noch ausgeprägter zu sein als bei <em>BRCA1</em>-Mutation.</p> <h2><em>BRCA</em>-mutiertes, Platin-sensitives Ovarialkarzinom-Rezidiv: Olaparib- Monotherapie vs. Chemotherapie</h2> <p>Penso präsentierte die Ergebnisse der SOLO3-Studie. 266 Patientinnen mit <em>BRCA</em>-Mutation erhielten entweder Olaparib-Tabletten (2 x 300 mg/Tag) oder eine Chemotherapie entsprechend der Wahl des Untersuchers.<sup>4</sup> Es waren dies Paclitaxel wöchentlich, Topotecan wöchentlich, Gemcitabin oder pegyliertes Doxorubicin. Die ORR betrug bei Olaparib 72 % und bei der Chemotherapie nach Wahl des Arztes 51 % (OR: 2,53; p=0,002). Die Hazard-Ratio betrug für Olaparib 0,62 (p=0,013) bei einem medianen PFS von 13 versus 9 Monaten gegenüber Placebo. Olaparib verursachte in erster Linie Übelkeit (65 % versus 34 % ) und Anämie (50 % versus 25 % ). Das Hand-Fuß-Syndrom war beim Chemotherapiearm nach Wahl des Arztes erhöht (36 % versus 1 % bei Olaparib). Die häufigsten >Grad-3-Toxizitäten von Olaparib versus Chemotherapie waren Anämie (21 % versus 0 % ), Hand-Fuß-Syndrom (0 % versus 12 % ) und Neutropenie (6 % versus 11 % ).</p> <p><strong>Konsequenzen für den klinischen Alltag</strong><br /> Bei Patientinnen mit Platin-sensitivem Rezidiv ist die Olaparib-Monotherapie signifikant wirksamer als eine Chemotherapie mit Paclitaxel, Topotecan, Gemcitabin oder PEG-liposomalem Doxorubicin.</p> <h2>Carboplatin +/– Paclitaxel bei vulnerablen älteren Patientinnen mit Ovarialkarzinom im FIGO-Stadium III–IV</h2> <p>Der geriatrische Vulnerabilitäts-Score (GVS) kombiniert u. a. den Albuminwert, die Zahl der Lymphozyten, die Aktivität im täglichen Leben und den Angst- sowie den Depressionsgrad, um vulnerable ältere Ovarialkarzinompatientinnen mit einem GV-Score >3 zu identifizieren. Falandry von der französischen GINECO<sup>5</sup> präsentierte die Ergebnisse der randomisierten Studie, in der Patientinnen mit einem epithelialen Ovarialkarzinom im FIGO-Stadium III oder IV entweder Carboplatin AUC 5–6 + Paclitaxel 175 mg/m<sup>2</sup> alle 3 Wochen (Gruppe A), Carboplatin Monotherapie AUC 5–6 alle 3 Wochen (Gruppe B) oder wöchentliches Carboplatin AUC 2 + Paclitaxel 60 mg/m<sup>2</sup> Tag 1, 8, 15 alle 4 Wochen (Gruppe C) verabreicht wurde. Primärer Studienendpunkt war die Machbarkeit der Chemotherapie, die als die Fähigkeit, 6 Zyklen ohne Tumorprogression bzw. inakzeptable Toxizität oder Tod zu erhalten, definiert war. Von 444 Patientinnen wurden 120 randomisiert (jeweils 40 Patientinnen pro Gruppe). Die Charakteristika der Patientinnen waren ausgeglichen. Das mediane Alter betrug 79, 82, 80 Jahre, das Stadium IV 32, 37, 27 % , primäre Chirurgie 65, 72, 70 % , das Fehlen von Resttumor 7, 5, 7 % sowie ein ECOG-Status >2 (50, 50, 47 % ). Die Machbarkeit per Protokoll war in den Gruppen A, B, C 65 % , 47 % und 60 % (p=0,15). Die Hauptursachen des Studienabbruchs waren Toxizität (A: 20 % , B: 15 % , C: 23 % ; p=0,771) und Tumorprogression (A: 8 % , B: 30 % , C: 2 % ; p=0,004). Das mediane PFS betrug 13 Monate, 5 Monate und 8 Monate für die Arme A, B und C (p<0,001). Das mediane OS war für die Kombinationsarme signifikant besser als für den Monotherapiearm (p=0,001). Das unabhängige Daten- Monitoring-Komitee hat die Studie wegen der Inferiorität von Carboplatin als Monotherapie frühzeitig geschlossen. Verglichen mit dem 3-wöchentlichen und dem 1-wöchentlichen Carboplatin/Paclitaxel-Schema war die Carboplatin-Monotherapie bei älteren, vulnerablen Patientinnen signifikant weniger effektiv.</p> <p><strong>Konsequenzen für den klinischen Alltag</strong><br /> Carboplatin plus Paclitaxel ist gegenüber einer Monotherapie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom vulnerabler älterer Patientinnen wegen seines Überlebensvorteils zu bevorzugen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1905_Weblinks_jat_onko_1905_s79_abb1_petru.jpg" alt="" width="550" height="333" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Mirza MR et al.: Combination of niraparib and bevacizumab versus niraparib alone as treatment of recurrent platinum-sensitive ovarian cancer. A randomized controlled chemotherapy-free study – NSGO-AVANOVA2/ENGOT- OV24. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl; abstr 5505) <strong>2</strong> Mathews CA et al.: Maintenance olaparib after platinumbased chemotherapy in patients with newly diagnosed advanced ovarian cancer and a BRCA mutation: efficacy by surgical and tumor status in the phase III SOLO 1 trial. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl. Abstr. 5541) <strong>3</strong> Friedlander M et al.: Efficacy of maintenance olaparib for newly diagnosed, advanced ovarian cancer patients by BRCA 1 or BRCA 2 mutation in the phase III SOLO 1-trial. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl. Abstr. 5551) <strong>4</strong> Penso R et al.: Olaparib monotherapy versus chemotherapy for germline BRCA-mutated platinum- sensitive relapsed ovarian cancer patients: phase III SOLO 3 trial. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl. Abstr. 5506) <strong>5</strong> Falandry C et al.: EWOC-1: a randomized trial to evaluate the feasibility of three different first-line chemotherapy regimens for vulnerable elderly women with ovarian cancer: A GCIG-ENGOT-GINECO study. J Clin Oncol 2019; 37 (suppl. Abstr. 5508)</p>
</div>
</p>
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