
Optimierte und personalisierte Behandlungsstrategien als Therapieziel
Bericht:
Mag. Ruth Streibl, PhD
Beim diesjährigen ESMO Breast Cancer stand die Spezifizierung der Therapien unterschiedlicher Brustkrebstypen und Patient:innenpopulationen im Mittelpunkt. Durchdie Verfügbarkeit zahlreicher Medikamente und Studien ist es essenziell, Behandlungsentscheidungen, aber auch Studiendesigns mit Tools wie genomischen Screenings, Biomarker- und Langzeitanalysen, zu stärken. Die Ergebnisse aus Sicherheitsanalysen und Patient:innenbefragungen zur Lebensqualität unterstützen dabei die Auswahl der bestmöglichen Behandlungsstrategien.
Sicherheitsanalysen und Patient:innenbefragungen ergänzen Studienergebnisse beimmetastasierten Brustkrebs
„Antibody drug conjugates“ (ADC) sind über verschiedene Brustkrebs-Subtypen hinweg hoch effektiv. Neue Studienauswertungen hinsichtlich Sicherheitsprofil und Verträglichkeit sowie Analysen von Patient:innenbefragungen („patient reported outcomes“, PRO) wurden am ESMO Breast Cancer präsentiert.
DESTINY-Breast04
Die multizentrische, randomisierte, „open-label“ Phase-III-Studie DESTINY-Breast04 zeigte im vergangenen Jahr die überlegene Wirksamkeit von Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) im Vergleich zur Behandlung nach Wahl des Arztes/der Ärztin („treatment of physicians choice“, TPC) bei zuvor behandeltem, inoperablem und/oder metastasiertem Brustkrebs mit niedriger HER2-Expression. T-DXd konnte mit statistisch signifikanter und klinisch bedeutsamer Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) von 5,1 Monaten vs. 9,9 und des Gesamtüberlebens (OS) von 16,8 Monaten vs. 23,4 im Vergleich zu alternativen Behandlungswahl des Arztes/der Ärztin überzeugen (n=557).1
Eine neue detaillierte Analyse des Sicherheitsprofils bestätigte nun, dass nach einer Behandlungsdauer von 8,2 Monaten für T-DXd und 3,5 Monaten für TPC die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen („treatment-emergent adverse events“, TEAE) jeglicher Art unter T-DXd geringer war als unter TPC – mit expositionsbereinigter Inzidenzraten pro Patient:innenjahr von 1,30 vs 2,66.2 Arzneimittelbedingte Neutropenien jeglichen Grades und febrile Neutropenien traten bei T-DXd seltener auf. Umgekehrt traten Übelkeit und Erbrechen häufiger auf (79,5% bei T-DXd vs. 35,5% bei TPC) – mit entsprechenden höheren Raten einer antiemetischen Prophylaxe (50,9% vs. 37,2%). Interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) traten bei 45 Patient:innen (12,1%) im T-DXd-Arm gegenüber einem Patienten/einer Patientin (0,6%) im TPC-Arm auf. Die meisten ILD/Pneumonitis-Ereignisse unter T-DXd waren von geringem Schweregrad und klangen mit der Zeit ab – die Einhaltung der Behandlungsrichtlinien wird hier dringend empfohlen. Zusammengefasst weist T-DXd ein vertretbares Sicherheitsprofil auf, das seinen Einsatz als neue Standardtherapie bei Patient:innen mit HER2-niedrigem metastasiertem Brustkrebs unterstützt.2
DESTINY-Breast02
Auch die Daten aus der multizentrischen, randomisierten, „open-label“ Phase-III-Studie DESTINY-Breast02 überzeugten mit überlegener Wirksamkeit von T-DXd gegenüber TPC bei HER2+T-DM1-resistentem/refraktärem metastatischem Brustkrebs. Das mediane PFS betrug 17,8 Monate unter T-DXd vs. 6,9 Monate bei TPC (n=608).3,4
Mithilfe standardisierter Fragebögen wurden Patient:innenbefragungen durchgeführt und Parameter wie Gesundheitszustand (GHS)/Lebensqualität (QoL) und brustkrebsspezifische Symptome abgefragt. Der mittlere GHS/QoL-Wert blieb bei T-DXd bis zum Zyklus 39 und bei TPC bis zum Zyklus 21 stabil. Die mediane Zeit bis zur Verschlechterung (TDD) war bei T-DXd im Vergleich zu TPC länger – sowohl für GHS/QoL (14,1 vs. 5,9 Monate) als auch für alle Unterskalen, einschließlich der körperlichen Funktionsfähigkeit und Schmerzen (mit Ausnahme von Übelkeit/Erbrechen; Abb. 1). Der GHS und die QoL der mit T-DXd behandelten Patient:innen bleibt den Autor:innen zufolge erhalten, die Daten unterstützen den Nutzen bei Patient:innen mit T-DM1-resistentem HER2+ metastasiertem Brustkrebs.5
Abb. 1: Die Zeit bis zur endgültigen Verschlechterung (TDD) war bei Patient:innen in der T-DXd-Gruppe im Vergleich zur TPC-Gruppe bei allen vordefinierten Skalen verzögert. Modifziert nach Fehm TN et al.5
EMERALD
Patient:innen mit vorbehandeltem ER+/HER2– fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs haben generell eine schlechte Prognose. Bei diesen Patient:innen wurde in der randomisierten, offenen Phase-III-Studie EMERALD über ein signifikant verlängertes PFS und ein vertretbares Sicherheitsprofil mit dem selektiven Östrogenrezeptor-Downregulator (SERD) Elacestrant im Vergleich zur endokrinen Standardtherapie (SOC ET) berichtet (n=477). Die 6-Monats-PFS-Raten betrugen 34,3% bzw. 20,4% für die Elacestrant- bzw. SOC-Arme – bei Patient:innen mit ESR1-Mutation waren es 40,8% bzw. 19,1%.6
PRO mittels standardisierter Fragebögen erhoben nun die Lebensqualität während der Therapie. Insgesamt waren die Ergebnisse für Elacestrant und SOC ähnlich. Im Vergleich zu SOC klagten weniger Patient:innen unter Elacestrant-Behandlung über sehr schwere Übelkeit (4,0% vs. 14,3% bis Zyklus 6) oder sehr schweres Erbrechen (9,1% vs. 50% bis Zyklus 6). Über alle Zeitpunkte hinweg gab es keine klinisch bedeutsamen Unterschiede bei unerwünschten Ereignissen, die typischerweise bei Patient:innen unter endokriner Therapie beobachtet werden.7 Die PRO-Ergebnisse liefern zusätzliche Belege, dass Elacestrant in dieser Patient:innen-population mit begrenzten therapeutischen Optionen – auch bei ESR1-Mutationen – klinisch sinnvoll ist.7
Abschließende Analyse der KEYNOTE-355-Studie
Aufgrund der suboptimalen Ansprechraten bei Chemotherapien und der kurzen Gesamtüberlebenszeit sind bei Patient:innen mit aggressivem dreifach negativem Brustkrebs (TNBC) neue therapeutische Strategien dringend erforderlich. In der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie KEYNOTE-355 führte die Erstlinienbehandlung mit Pembrolizumab + Chemotherapie bei Patient:innen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem, lokal rezidivierendem, inoperablem TNBC und einem PD-L1 „combined positive score“ (CPS) ≥10 zu statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen Verbesserungen des PFS gegenüber Placebo + Chemotherapie (23,0 vs. 16,1 Monate, n=847).8
Beim diesjährigen ESMO Breast Cancer wurden Wirksamkeitsergebnisse der abschließenden Analyse für Patient:innen mit Krankheitskontrolle, welche die Chemotherapie vor der Pembrolizumab-Behandlung absetzten, und für Patient:innen mit immunvermittelten Nebenwirkungen präsentiert.9 Pembrolizumab war bei Patient:innen mit klinischem Ansprechen (Komplettremission, partielles Ansprechen oder stabile Erkrankung ≥24 Wochen), die die Chemotherapie vor Absetzen von Pembrolizumab beendet hatten, wirksam. Es gab dabei keine Hinweise auf eine nachteilige Auswirkung auf das PFS oder OS und war unabhängig vom PD-L1-Expressionsniveau. Pembrolizumab + Chemotherapie zeigte ebenfalls einen Nutzen bei Patient:innen mit immunvermittelten Nebenwirkungen.9
Zusammenfassende Metaanalyse im frühen TNBC
Ein systematischer Datenbank-Review wählte vier Phase-II- oder -III-Studien (Keynote 522, IMpassion 031, I-SPY 2 und GeparNuevo), in denen die neoadjuvante Immuntherapie + Chemotherapie im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie beim frühen TNBC untersucht wurde.
Die Ergebnisse der Metaanalyse deuten darauf hin, dass die Immuntherapie zusätzlich zur neoadjuvanten Chemotherapie eine signifikante Verbesserung des ereignisfreien Überlebens (EFS) bewirkt (Gewinn von 11% in 4 Jahren). Die Analyse zum OS deutet ebenfalls auf einen möglichen Vorteil hin, eine längere Nachbeobachtung mit ausgereiften Daten steht hier aber noch aus.10
Genomische Analysen bei jungen Brustkrebs-Patientinnen
Junge Frauen im Alter von <40 Jahren mit HR+ HER2-frühem Brustkrebs haben ein höheres Rezidiv- und Sterberisiko als ältere. Vor Kurzem wurde ein Update der SOFT-Studie nach einem medianen Follow-up von 13 Jahren publiziert. Das Überleben ohne invasive Erkrankung (DFS) hatte eine absolute Verbesserung von 4,6%, das fernrezidivfreie Intervall (DRFI) von 1,8% bei prämenopausalen Frauen mit HR + Brust-krebs im Exemestan+Unterdrückung-der- Eierstockfunktion(OFS)-Arm im Vergleich zum Tamoxifen+OFS-Arm. Das OS war nicht signifikant verbessert – mit Ausnahme bei Hochrisikopatientinnen, beispielsweise sehr jungen Frauen.11
Um bei der sehr jungen Population mit schlechter Prognose relevante genetische Faktoren zu ermitteln, wurden Genomsequenzierungen mittels Next-Generation-Sequencing bei HR+HER2-Tumoren von Patientinnen der SOFT-Studie durchgeführt und am ESMO Breast Cancer präsentiert. Jüngere Frauen (<40 Jahre) wiesen im Vergleich zu älteren Frauen (≥40 Jahre) signifikant höhere Häufigkeiten von Mutationen in GATA3 und CN-Amplifikationen (CNAs) auf, aber signifikant niedrigere Häufigkeiten von Mutationen in PIK3CA, CDH1 und MAP3K1. Außerdem zeigen jüngere Frauen eine signifikant höhere Häufigkeit von prognostischen Merkmalen, die auf eine homologe Rekombinationsdefizienz (HRD) hindeuten und mit einem signifikant schlechteren DRFI und OS verbunden sind. Bei dieser Gruppe waren die Ergebnisse auch im Vergleich zu jüngeren Patientinnen ohne ungünstige Merkmale am schlechtesten (mit einer OS-Rate von 80% vs. 93%).
Diese Daten geben Aufschluss über genomische Veränderungen bei jungen Frauen mit HR+HER2-frühem Brustkrebs, liefern Gründe für eine genomische Subgruppeneinteilung und zeigen molekulare Ziele für zukünftige klinische Studien auf.12
Subgruppenanalyse der CAPItello-291-Studie
In der laufenden Phase-III-Studie CAPItello-291 bei Patient:innen mit Aromatase-Inhibitor(AI)-resistentem, HR+/HER2- fortgeschrittenem Brustkrebs verbesserte die zusätzliche Gabe von Capivasertib, einem potenten, selektiven pan-AKT-Inhibitor, zu Fulvestrant (Fulv) signifikant den dualen primären Endpunkt PFS im Vergleich zu Placebo + Fulv in der Gesamtpopulation (7,2 vs. 3,6 Monate) und in der Population mit verändertem AKT-Signalweg (7,3 vs. 3,1 Monate, Abb. 2). Diese Verbesserung war in den wichtigsten klinischen Subgruppen weitgehend konsistent, die Wirksamkeit von Placebo-Fulv war bei Patient:innen mit vorheriger CDK4/6i-Exposition und bei Patient:innen mit Lebermetastasen aber geringer. Die Therapie mit Capivasertib + Fulvestrant hat das Potenzial als zukünftige Behandlungsoption für Patient:innen mit HR+ fortgeschrittenem Brustkrebs. Die Daten zum OS sind noch nicht final analysiert, aber die ersten Ergebnisse sind laut den Autor:innen der Studie ermutigend.13,14
Abb. 2: Capivasertib + Fulvestrant führt zu einer statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen Verbesserung des PFS in der Gesamt- und der AKT-Signalweg-veränderten Population. Modifiziert nach Oliveira M et al.13
Quelle:
ESMO Breast Cancer, 11.–13. Mai 2023, Berlin
Literatur:
1 Modi S et al.: N Engl J Med 2022; 387(1): 9-20 2 Rugo HS et al.: ESMO Breast Cancer 2023; Abstr. #1850 3 André F et al.: Lancet 2023; S0140-6736(23)00725-0 DB02 4 Krop IA et al.: SABCS 2022; Abstr. #GS2-01 5 Fehm TN et al.: ESMO Breast Cancer 2023; Abstr. #186O 6 Bidard FC et al.: J Clin Oncol 2022; 40(28): 3246-56 7 Cortes J et al.: ESMO Breast Cancer 2023; Abstr. #188O 8 Cortes J et al.: N Engl J Med 2022; 387: 217–2269 9 Rugo HS et al.: ESMO Breast Cancer 2023; Abstr. #191MO 10 Gouveia MC et al.: ESMO Breast Cancer 2023; Abstr. #128P 11 Francis PA et al.: J Clin Oncol. 2023; 41(7): 1370-5 12 Luen SJ et al.: Ann Oncol 2023; 34(4): 397-409 13 Oliveira M et al.: ESMO Breast Cancer 2023, Abstr. #187O 14 Turner et al.: Cancer Res 2023; 83(Suppl 5): GS3-04 abstract and presentation
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