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«One stop shop» in der Mammadiagnostik: Wie zügig können wir abklären?

Schockdiagnose Mammakarzinom: Um den psychischen Stress zu minimieren, der mit einem solchen Verdacht einhergeht, sollten Brustzentren möglichst schnelle und klar strukturierte diagnostische Abläufe anbieten – aber auch ihre Limitationen kennen.

Für Frauen mit Beschwerden an der Brust ist die Zeit zwischen der ersten Konsultation und einer definitiven Diagnose mit vielen Ängsten und Unsicherheiten verbunden. Die Aufgabe des senologischen Radiologen ist, zügig eine Diagnose zu erarbeiten, um frühzeitig eine Therapie zu ermöglichen und die Zeit des Wartens kurz zu halten.

Sobald eine Diagnose feststeht, kann mit der Patientin über die Prognose und die therapeutischen Optionen gesprochen werden. Neben der Diagnosesicherung durch eine Biopsie ist es Aufgabe der bildgebenden Diagnostik, ein anatomisches Staging vorzunehmen. Idealerweise sollte die Abklärung eines Befundes mit Mammografie, Ultraschall und einer Biopsie während eines einzelnen Termins erfolgen – als «One stop»-Diagnostik. Die notwendigen organisatorischen Abläufe und die dazu benötigte Infrastruktur müssen an einem Brustzentrum etabliert sein.

Beim Mammakarzinom wird zwischen einem anatomischen und einem prognostischen Staging unterschieden. Das anatomische Staging beinhaltet eine Aussage zur Tumorgrösse, zum Lymphknotenstatus sowie ggf. zu vorhandenen Metastasen. Auch die Biopsie zur Diagnosesicherung ist hier angesiedelt. Das hieraus folgende Tumorstadium (cTNM-Stadium) sowie die pathologischen Aussagen zur Tumorbiologie bilden die Grundlage für die Therapieplanung und erlauben eine Aussage zur Prognose.1

«One stop shop» in den Richtlinien

In den Richtlinien der senologischen Gesellschaften sind Fristen in Bezug auf die Wartezeit zwischen Erstuntersuchung und Patientinneninformation bzw. Behandlungsbeginn regelhaft festgehalten. Dies reflektiert die Bedeutung, die einer unverzüglichen Abklärung und Patientinneninformation zugemessen wird.2 Die Schweizerische Senologische Gesellschaft fordert in den Statuten zur Zertifizierung eines Brustzentrums mit dem Q-Label «eine ‹One stop›- oder ‹Triple›-Diagnostik mit klinischer Untersuchung, Basisbildgebung mit Mammografie, Ultraschall und histologischer Abklärung an einem Tag».3

In der Mammadiagnostik müssen die organisatorischen Abläufe diesen Vorgaben angepasst werden. Der Radiologe muss jede Mammografie beurteilen, bevor eine Frau das Zentrum verlassen hat, um zu entscheiden, ob eine Indikation zum Ultraschall besteht. Der Terminplan muss angemessene Puffer beinhalten, sodass auch spontan ergänzende Sonografien und Biopsien durchgeführt werden können. Eine entsprechende Flexibilität der Mitarbeiter und die räumlichen Kapazitäten müssen vorhanden sein.

Am Ende einer solchen Abklärung steht das Gespräch mit der Patientin; es ist festzulegen, durch wen und wann sie über das Ergebnis der histologischen Untersuchung informiert wird. Die informierende Person kann der zuweisende Gynäkologe sein, der Radiologe oder auch ein senologischer Kollege im Brustzentrum. Wichtig ist, dass die Patientin ihren Ansprechpartner und die Zeitspanne bis zum Vorliegen eines Ergebnisses kennt. Gegebenenfalls kann eine Breast Care Nurse hinzugezogen werden, um ein Gespräch anzubieten und erste Fragen mit der Patientin zu klären.

Optimierte Diagnostik

Die Mammografie erfolgt in unserem Institut routinemässig als Tomosynthese in beiden Ebenen. Hierbei wird der Drüsenkörper in einzelnen Schichten dargestellt, was die Überlagerung von Befunden durch Drüsenparenchym reduziert. Die höhere Tumordetektionsrate wie auch die grössere diagnostische Sicherheit aufgrund der überlagerungsfreien Darstellung von Befunden wurden in verschiedenen Arbeiten nachgewiesen.4 Dies gilt für Herdbefunde wie auch für Architekturstörungen. Gegebenenfalls muss Mikrokalk durch ergänzende Vergrösserungsaufnahmen zusätzlich analysiert werden.

Der Ultraschall ist die zweite diagnostische Modalität und eine unverzichtbare Ergänzung zur Mammografie. Die Indikation hierzu ist grosszügig zu stellen. Indikation ist zum Beispiel eine erhöhte Dichte der Brust (ACR C,D).5 Ausserdem sollte jede Frau mit klinischen Beschwerden neben der Mammografie auch mittels Ultraschall untersucht werden. Hierbei sollte nicht nur die symptomatische Seite geschallt, sondern beide Mammae und die Axillen sollten untersucht werden.

Die Sonografie hat eine hohe Sensitivität in Bezug auf die Detektion und Beurteilung kleiner Herdbefunde. Die Verwendung des Duplex sowie der Scherwellen-Elastografie ermöglicht eine weitere Charakterisierung eines Herdes.6 Auch zur Beurteilung der Lymphknoten ist der Ultraschall die Methode der Wahl. Hierbei muss auf die Form des Lymphknotens, einen erhaltenen Fetthilus und die Kortexdicke geachtet werden, welche nicht mehr als 3mm betragen sollte.7 Liegt ein suspekter oder unklarer Befund vor, wird der Patientin in der gleichen Sitzung eine Biopsie empfohlen. Der Zeitaufwand hierfür liegt meist bei unter 30 Minuten (Abb. 1).

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Abb. 1: «One stop»-Diagnostik bei solitärem Herdbefund in der Mammografie (1a, 1b) und dem Ultraschall (1c), anschliessend sonografisch gesteuerte Biopsie (1d)

Aus Mammografie und Ultraschall kann in der Regel eine Aussage zu Tumorgrösse, Lymphknotenstatus und damit zum Tumorstadium gemacht werden. Die Abklärung einer möglichen Fernmetastasierung ist nur bei klinischem Verdacht oder einem Tumorstadium >III indiziert.1

Wann ist eine «One stop»-Diagnostik nicht möglich?

Im Gegensatz zu Herdbefunden ist Mikrokalk in der Regel nicht im Ultraschall zu detektieren. Somit muss die Biopsie in der Mammografie mittels Vakuumbiopsie erfolgen. Diese ist im Vergleich zur Ultraschallbiopsie mit zwei bis drei Stunden deutlich zeitaufwendiger und benötigt daher einen separaten Termin.

Wenn mit Mammografie und Ultraschall keine eindeutige Aussage in Bezug auf die Gesamtausdehnung der Erkrankungen möglich ist, muss eine zusätzliche Diagnostik mittels einer Magnetresonanztomografie (MRT) der Brust durchgeführt werden (Abb. 2). Dies kann bei mammografisch dichtem Drüsenparenchym der Fall sein oder wenn im Ultraschall weitere Satellitenherde detektiert werden und der Verdacht auf ein multizentrisches Karzinom besteht. Die MRT stellt den Tumor in seiner Gesamtausdehnung dar. Der Bezug zur Thoraxwand, zur Mamille sowie zur Haut lässt sich zuverlässig beurteilen.

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Abb. 2: MR-tomografische Darstellung mehrerer Satellitenherde bei mammografisch dichtem Drüsenkörper und schlecht abgrenzbarem Tumor

Beim Vorliegen von Mikrokalk bzw. beim Verdacht auf eine DCIS(Duktales-Carcinoma-in-situ)-Komponente können weitere kontrastmittelaffine Tumorherde mit der MRT identifiziert werden. Weitere Indikationen sind z.B. das invasive lobuläre Karzinom oder ein erhöhtes familiäres Risiko.8

Aufgrund der hohen Sensitivität der Mamma-MRT werden in bis zu 20% der Fälle zusätzliche Läsionen dargestellt, die wiederum eine Abklärung erfordern, bevor mit der Therapie begonnen werden kann. Hierbei ist ein «Second look»-Ultraschall hilfreich. Bei einer gezielten Suche kann eine Vielzahl dieser Veränderungen im Ultraschall identifiziert und somit einer unkomplizierten, sonografisch gesteuerten Biopsie unterzogen werden. Hierbei gilt es, sich an den anatomischen Strukturen zu orientieren und die Lage der Läsion in der MRT auf den Ultraschall zu übertragen.9

Kann die Läsion im «Second look»-Ultraschall nicht eindeutig identifiziert werden, ist eine MR-gesteuerte Biopsie notwendig. Solche Abklärungsschritte führen unweigerlich zu weiteren zeitlichen Verzögerungen.

Zusammenfassung

Die Abklärung suspekter Befunde der Brust an einem einzigen Termin – die «One stop»-Diagnostik – sollte an ausgewiesenen Brustzentren angeboten werden. Sie ermöglicht, frühzeitig eine geeignete Therapie einleiten zu können und die Zeitspanne der Ungewissheit für die betroffene Frau zu minimieren.

Die «One stop»-Diagnostik besteht neben der klinischen Untersuchung aus einer Mammografie, dem Ultraschall sowie gegebenenfalls einer Biopsie der Läsion. Damit kann schon nach wenigen Tagen ein pathologisches Ergebnis vorliegen und eine Aussage über das Tumorstadium gemacht werden. Wichtig ist, dass die Patientin jederzeit über den zeitlichen Ablauf der Abklärung orientiert ist und weiss, wer sie über das pathologische Ergebnis informiert.

Sollten die Mammografie und der Ultraschall nicht alle Fragen in Bezug auf die Tumorausdehnung beantworten können, ist eine weiterführende Untersuchung mittels Mamma-MRT indiziert. Aufgrund der hohen Sensitivität der MRT werden hier häufig Zusatzbefunde erhoben, welche einer weiteren bioptischen Abklärung zugeführt werden müssen. Dies verlängert zwangsläufig die Diagnostik. In diesem Fall ist es wichtig, mit der Patientin im Gespräch zu bleiben und aufkommende Fragen und Ängste aufzufangen.

1 Kalli S et al.: American Joint committee on cancer staging system for breast cancer, eighth edition: what the radiologist needs to know. Radiographics 2018; 38(7): 1921-33 2 Biganzoli L et al.: Quality indicators in breast cancer care: an update from the EUSOMA working group. Eur J Cancer 2017; 86: 59-81 3 Krebsliga Schweiz und Schweizer Gesellschaft für Senologie (Hrsg.): Qualitätskriterien für die Zertifizierung von Brustzentren. Bern, 2021 4 Marinovich ML et al.: Breast cancer screening using tomosynthesis or mammography: a metaanalysis of cancer detection and recall. J Natl Cancer Inst 2018; 110(9): 942-9 5 Mann RM et al.: Breast cancer screening in women with extremely dense breasts; recommendations of the European Society of Breast Imaging (EUSOBI). Eur Radiol 2022; 32(6): 4036-45 6 Wing-Fai Au F et al.: Diagnostic performance of quantitative shear wave elastography in the evaluation of solid breast masses: determination of the most discriminatory parameter. AJR Am J Roentgenol 2014; 203(3): W328-36 7 Chung HL et al.: Imaging updates to breast cancer lymph node management. Radiographics 2021; 41(5): 1283-99 8 Mann RM et al.: Breast MRI: state of the art. Radiology 2019; 292(3): 520-36 9Spick C et al.: Diagnostic utility of second look ultrasound for breast lesions identified at MR imaging: systematic review and meta-analysis. Radiology 2014; 273(2): 401-9

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