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Pankreaskarzinom

Oligometastasierung: Gibt es sie – und wie geht man chirurgisch damit um?

Mehr als 70% aller gastrointestinalen Karzinome werden in einer metastasierten Situation diagnostiziert, die mit einer schlechten Prognose vergesellschaftet ist. Das Verständnis der zugrunde liegenden Tumorbiologie und der molekularen Mechanismen, die eine Metastasierung verursachen, ist nach wie vor limitiert, insbesondere die Genese der Oligometastasierung ist Gegenstand aktueller Forschung. In den letzten Jahren haben chirurgische Therapiemaßnahmen im Rahmen multimodaler Behandlungskonzepte in einer oligometastasierten Situation in vielen Bereichen der Onkologie eine zentraleRolle eingenommen. Für das duktale Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) gilt es, dieses Vorgehen in prospektiv randomisierten Studien zu überprüfen.

Keypoints

  • Der Begriff „Oligometastasierung“ beschreibt einen intermediären Zustand zwischen einem lokal beschränkten Tumorstadium und dem Vorliegen einer echten polytop fernmetastasierten Erkrankung, üblicherweise geprägt durch das Vorhandensein von bis zu maximal fünf Metastasen. Genauere Merkmale zur Größe oder zum Befallsmuster anderer Organsysteme sowie auch zur je nach Tumorentität therapeutischen Vorgehensweise sind bisher nicht im Weiteren definiert und werden individuell im Kontext einer multimodalen Therapie therapeutisch adressiert.

  • Die Ergebnisse von anlaufenden und rekrutierenden prospektiv-randomisierten Studien wie METAPANC und HOLIPANC werden eine Evidenzgrundlage für die Effektivität und Sicherheit einer multimodalen Therapie inklusive chirurgischer Metastasenchirurgie beim oligometastasierten Pankreaskarzinom schaffen.

  • Ein komplettes Ansprechen mit maximalem „tumor shrinkage“ der Metastasen im Rahmen einer multimodalen Therapie beinhaltet das Risiko, dass intraoperativ die Läsionen nicht mehr objektiv makroskopisch und sonografisch auffindbar sind und konsekutiv sichere Resektionsgrenzen nicht sicher eingehalten werden können.

  • Präoperative Konditionierung und aktive Unterstützung bei der postoperativen Erholung vermindern Komplikationen und ermöglichen multimodale Therapieansätze.

Nicht nur das Konzept von chirurgischen Resektionmaßnahmen von Primarius und/oder Metastasen hat bei einigen Tumorentitäten Einzug in die Standardtherapie gefunden, sondern auch weitere therapeutische Strategien wie strahlenbasierte oder lokalablative Verfahren, wie beispielsweise bei pulmonal metastasierten Sarkomen und hepatisch metastasierten kolorektalen Karzinomen, oder die Resektion von Hirnmetastasen beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom.

In diesem Kontext rücken therapieassoziierte Nebenwirkungen und Komplikationen in den Fokus. Diese können im Rahmen von intensivierten Therapiemaßnahmen häufiger auftreten und können in Einzelfällen zu Verzögerungen oder zum Abbruch geplanter Therapiekonzepte führen. Aus diesem Grund ist eine Minimierung potenzieller Nebenwirkungen und Komplikationen notwendig, um die Durchführung von aufeinander abgestimmten Therapieplänen sicher einzuhalten.1

Die Effektivität von multimodalen Therapiekonzepten inklusive der Evaluierung von chirurgischen Konzepten bei oligometastasierten Tumoren werden derzeit in prospektiv-randomisierten Studien überprüft. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten.

Multimodale Behandlungskonzepte

Die Bezeichnung „oligometastatische onkologische Erkrankung“ wurde erstmalig von Hellmann und Weichselbaum definiert und beschreibt einen intermediären Zustand zwischen einem lokal beschränkten Tumorstadium und dem Vorliegen einer echten polytop fernmetastasierten Erkrankung, üblicherweise geprägt durch das Vorhandensein von bis zu fünf Metastasen.2

Genauere Merkmale zur Größe oder zum Befallsmuster anderer Organsysteme sowie auch zur je nach Tumorentität therapeutischen Vorgehensweise sind bisher nicht weiter definiert und werden individuell therapeutisch adressiert.

Eine verbesserte Versorgung mit modernen und neuen bildgebenden Verfahren (z.B. Positronenemissionstomografie-Computertomografie[PET-CT]-Untersuchungen) hat dazu geführt, dass eine (Oligo-)Metastasierung vergleichsweise häufiger entdeckt wird. Hier ist zu unterscheiden zwischen einer metachronen Oligometastasierung, d.h. mit bereits behandeltem Primärtumor im Sinne eines Oligorezidivs, und einer synchronen Oligometastasierung.

Ein weiteres onkologisches Szenario ist die sogenannte Oligoprogression, wobei sich vereinzelte Metastasen unter Systemtherapie stabil („stable disease“) zeigen und andere Läsionen unter Systemtherapie eine Progression aufweisen.

In einer metachronen Situation kann die Zeit zwischen Primärtherapie und dem Rezidiv im Sinne eines Wiederauftretens der Oligometastasierung einen Anhaltspunkt für die biologische Aggressivität der Tumorerkrankung liefern, was bei einer synchronen Oligometastasierung nicht beurteilt werden kann.

In retrospektiven Analysen konnte festgestellt werden, dass eine aggressive Lokaltherapie der Oligometastasen einer alleinigen palliativen Systemtherapie überlegen ist und in Einzelfällen zur Heilung führen kann.3 Zunächst führte insbesondere die chirurgische Resektion von Oligometastasen zu verbesserten Behandlungsergebnissen (begrenzte Lungen-, Leber- und Hirnmetastasierung) mit akzeptablen Nebenwirkungen und Komplikationen. Seit einiger Zeit wird als weniger invasive Alternative bzw. therapeutische Ergänzung erfolgreich die moderne Hochpräzisionsbestrahlung z.B. bei begrenzter Hirn- und Lungenmetastasierung und verschiedenen anderen Lokalisationen eingesetzt und in Studien geprüft.

Eingebettet sind solche Therapieansätze häufig in systemische Therapien, sodass eine enge interdisziplinäre Abstimmung notwendig ist.1

Kombination chirurgisch-resezierender Verfahren mit Systemtherapien

Insgesamt muss nach derzeitiger Studienlage konstatiert werden, dass im Bereich der Viszeralchirurgie außer beim kolorektalen Karzinom (KRK) eine Metastasenchirurgie bei (oligo-)metastasierten Tumoren noch keinen Standard darstellt.

Konträr dazu ist bei Tumoren des oberen Gastrointestinaltraktes (OGI) der Stellenwert von chirurgischen Maßnahmen bei Oligometastasierung bisher nicht geklärt, auch wenn retrospektive Analysen im Kontext einer multimodalen Therapie einen Überlebensvorteil mutmaßen lassen. Die aktuelle S3-Leitlinie für ösophagogastrale Karzinome spricht jedoch auf Basis der bisherigen Datenlage keine Empfehlung für eine chirurgische Therapie von Metastasen aus. Ziel der präoperativen Selektion muss es daher sein, Patient:innen mit einer vergleichsweise wenig aggressiven Tumorbiologie zu identifizieren, die von einem chirurgischen Vorgehen oder anderen lokaltherapeutischenMaßnahmen nach stattgehabter Chemotherapie profitieren.

Die Wertigkeit der Metastasenchirurgie beim oligometastasierten duktalen Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) wird derzeit kontrovers diskutiert.

Das PDAC hat mit einer Gesamtüberlebensrate von 8% nach wie vor eine schlechte Prognose, bedingt unter anderem durch eine frühe Metastasierung, v.a. mit Ausbildung von Lebermetastasen. Ebenso ist diese Erkrankung durch eine hohe Therapieresistenz gekennzeichnet.

Resezierende Eingriffe im metastasierten Stadium beim duktalen Adenokarzinom des Pankreas haben heute, entsprechend den aktuellen nationalen und internationalen Leitlinien, bisher noch keinen generellen Stellenwert und werden noch nicht empfohlen. Dies trifft auf die Mehrzahl der Patient:innen im Stadium IV beim duktalen Adenokarzinom des Pankreas zu, insbesondere wenn es sich um ein diffuses Metastasierungsmuster handelt.

Die erfolgreiche Einführung intensivierter Chemotherapien, wie z.B. einer aggressiven Kombinationschemotherapie (FOLFIRINOX [Fluorouracil/Leucovorin, Irinotecan und Oxaliplatin]) oder Gemcitabin/Nab-Paclitaxel, hat zuletzt zu einem signifikanten, obgleich bisher nur mäßigen Anstieg der Ansprechrate und Gesamtüberlebensrate geführt.

Der aktuelle Standard bei einem metastasierten Pankreaskarzinom im Stadium IV, z.B. mit Lebermetastasen, ist nach wie vor eine palliative Chemotherapie, jedoch keine chirurgische Behandlung. Die Therapie mit FOLFIRINOX führt zur höchsten Ansprech- und Gesamtüberlebensrate und ist der aktuelle Therapiestandard für Patient:innen mit metastasiertem Pankreaskarzinom und gutem Allgemeinzustand.3

Hohe Rezidivraten, ausgedehnte und komplexe chirurgische Behandlungen sowie fehlende Biomarker für gezielt ausgewählte Patient:innen, die von einer solchen Therapie profitieren könnten, sind der Grund, weshalb nach wie vor die Operation der Metastasen und des eigentlichen PDAC nicht empfohlen und nur selten – als Individualentscheidung – durchgeführt wird.

Jedoch haben die Operationen am Pankreas sowie die Metastasenresektion ein hohes Qualitätsniveau erreicht, mit beachtlich niedriger Morbidität sowie Mortalität in Zentren mit hohen Fallzahlen. Mehrere vereinzelte kleine Studien berichten von positiven Ergebnissen bei Patient:innen, die sich einer Metastasenresektion unterzogen haben.4–6 Selektionierte Patient:innen mit einem oligometastatischen PDAC und gutem Ansprechen auf eine intensivierte Chemotherapie könnten möglicherweise von einer multimodalen Therapie mit einer Operation profitieren.

Die 2022 angelaufene METAPANC-Studie soll in diesem Kontext in einer international ausgelegten randomisierten multizentrischen Studie das Überleben nach einer multimodalen Therapie mit einer modifizierten FOLFIRINOX(mFOLFIRINOX)-Chemotherapie gefolgt von einer primären Tumor- und Metastasenresektion (d.h. weniger als drei Lebermetastasen) und adjuvanter mFOLFIRINOX-Therapie vs. palliative mFOLFIRINOX-Chemotherapie evaluieren (Abb. 1).

Abb. 1: Das PDAC hat mit einer Gesamtüberlebensrate von 8% nach wie vor eine schlechte Prognose, bedingt unter anderem durch eine frühe Metastasierung, v.a. mit Ausbildung von Lebermetastasen

Abb. 1: Studiendesign der geplanten METAPANC-Studie. Diese soll in insgesamt 27 sogenannten High-Volume-Zentren (spezialisierte Zentren für Bauchspeicheldrüsenkrebs) durchgeführt werden. Der Rekrutierungsstart ist für Herbst 2023 geplant

Im Rahmen von METAPANC sollen sowohl die Überlebensrate als auch die Lebensqualität der Studienteilnehmer:innen analysiert und mit den Daten von Erkrankten verglichen werden, die die Standardtherapie erhalten haben.

Zusätzlich wird in einem translationalen Begleitprogramm nach aussagekräftigen Biomarkern geforscht, die es ermöglichen sollen, Patient:innen zu identifizieren, die von dieser neuen, erweiterten Behandlungsstrategie profitieren.

Ebenso beleuchtet die jüngst angelaufene HOLIPANC-Studie das Patient:innenkollektiv eines hepatisch oligometastasierten PDAC. Hier handelt es sich um eine offene, einarmige klinische Phase-II-Studie zur Wirksamkeit, Sicherheit und Auswirkung auf Lebensqualität einer neoadjuvanten Chemotherapie, bestehend aus liposomalem Irinotecan kombiniert mit Oxaliplatin und 5-Fluorouracil/Folinsäure, gefolgt von kurativer Resektion bei Patient:innen mit auf die Leber beschränktem, oligometastatischem Adenokarzinom des Pankreas.7

Komplikationsvermeidung: präoperative Konditionierung der Patient:innen

Die chirurgisch-onkologische Behandlung von Patient:innen in einer oligometastasierten Situation erfordert im Hinblick auf eine sichere Therapieplanung und Prophylaxe von perioperativen Komplikationen eine sorgfältige präoperative Konditionierung.

Ebenso muss die demografische Entwicklung mit immer höher werdendem Alter onkologischer Patient:innen und zusätzlich aggressiveren multimodalen Konzepten bei der Planung der Operation interdisziplinär mit den behandelnden Onkolog:innen, Anästhesist:innen und Intensivmediziner:innen mitberücksichtigt werden.

Wissend um eine potenziell erhöhte Morbidität nach viszeralchirurgischen Eingriffen nach erfolgter neoadjuvanter Radio-/Chemotherapie, z.B. mit einer erhöhten Rate von Anastomoseninsuffizienzen nach Rektumresektionen oder einem prolongierten Leberversagen nach Leberteilresektion,8 wurden in der letzten Dekade Maßnahmen entwickelt, um die mit neoadjuvanten Therapien assoziierte Morbidität zu minimieren bzw. gänzlich zu vermeiden, sodass Patient:innen mit einem vertretbaren Risiko einer multimodalen Therapie mit Operation zugeführt werden können.9

In diesem Kontext hat die Bedeutung der „Fragilität“ von Patient:innen zugenommen. Definiert ist dieser Begriff grundsätzlich mit einer verminderten homöostatischen Reserve, die im Laufe des Lebens aus dem physiologischen Alterungsprozess resultiert. In diversen Studien konnte gezeigt werden, dass die Fragilität von Patient:innen mit der postoperativen Morbidität, Mortalität und Dauer des Krankenhausaufenthalts assoziiert ist.10

Ebenso kann es im perioperativen Setting zu einer akuten Verschlechterung des Allgemeinzustands über das zu erwartende Maß hinaus kommen (dieses muss nicht zwingend einer chirurgischen Komplikation zugrunde liegen), was sich klinisch z.B. durch eine erhöhte Rate von Delirzuständen zeigt. Die systematische frühzeitige Erfassung gefährdeter Patient:innen und die Identifikation von Risikogruppen ist Ziel derzeitiger „Fragilitäts-Studien“.11

Aus klinischer Sicht betrachtet müssen alle Behandelnden bei der Überwachung des perioperativen Verlaufs für diese Risikopatient:innen sensibilisiert sein, mit der Konsequenz, frühzeitig zu agieren und das Therapiemanagement, beispielsweise in Bezug auf „enhanced recovery after surgery“ (ERAS), zur Reduktion von Komplikationen zu adaptieren.

1 Schmelzle M, Ghadjar P & Modest DP: Interdisziplinäres Management bei synchron (oligo)metastasierten gastrointestinalen Tumoren zur Verhinderung von therapieassoziierten Nebenwirkungen. Die Onkologie 2021; 4 2 Weichselbaum RR, Hellman S: Oligometastases revisited. Nat Rev Clin Oncol 2011; 8(6): 378-82 3 Palma DA et al.: New strategies in stereotactic radiotherapy for oligometastases. ClinCancerRes 2015; 21(23): 5198-204 3 Conroy T et al.: FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med 2011; 364(19): 1817-25 4 Kandel P et al.: Survival of patients with oligometastatic pancreatic ductal adenocarcinoma treated with combined modality treatment including surgical resection: a pilot study. J Pancreat Cancer 2018; 4(1): 88-94 5 Renz BW et al.: Oligometastatic disease in pancreatic cancer - how to proceed? Vis Med 2017; 33(1): 36-41 6 Hacker T et al.: Radical surgery of oligometastatic pancreatic cancer. Eur J Surg Oncol 2017; 43(2): 358-63 7 Gebauer F et al.: Study protocol of an open-label, single arm phase II trial investigating the efficacy, safety and quality of life of neoadjuvant chemotherapy with liposomal irinotecan combined with Oxaliplatin and 5-fluorouracil/folinic acid followed by curative surgical resection in patients with hepatic Oligometastatic adenocarcinoma of the pancreas (HOLIPANC). BMC Cancer 2021; 21: 1239 8 Borstlap WAA et al.: Dutch SnapshotResearchGroup Anastomotic leakage and chronic presacral sinus formation after low anterior resection: results from a large cross-sectional study. Ann Surg 2017; 266(5): 870-7 9 Lock JF et al.: LiMax test improves diagnosis of chemotherapy associated liver injury before resection of colorectal liver metastases. Ann Surg Oncol 2017; 24(9): 2447-55 10 Tanaka S et al.: Preoperative risk assessment for loss of independence following hepatic resection in elderly patients: a prospective multicenter study. Ann Surg 2021; 274(3): e253-61 11 Varley PR et al.: Clinical utility of the risk analysis index as a prospective frailty screening tool within a multi-practice, multihospital integrated healthcare system. Ann Surg 2021; 274(6): e1230-37

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